GaLaBau und Recht: Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

BGH fällt Entscheidungen zu Auftraggeberkündigungsrecht und Vertragserfüllungsbürgschaft

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In einem von Fachkreisen schon seit einiger Zeit erhofften Urteil hat der für Werkvertragsstreitigkeiten zuständige 7. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) zwei in der Literatur unterschiedlich kommentierte Rechtsfragen entschieden und damit in der Praxis weitgehend für Klarheit gesorgt.

In dem Urteil ging es unter anderem um zwei völlig unabhängig voneinander zu entscheidende Rechtsfragen:

1. Die Wirksamkeit einer im Bauvertrag vom Auftragnehmer zu stellenden 10-prozentigen Vertragserfüllungssicherheit, zum Beispiel in Form einer Vertragserfüllungsbürgschaft eines Kreditinstituts

2. Ob das in § 8 Abs. 2 Nr. 1 Fall 2 VOB/B vorgesehene Kündigungsrecht des Auftraggebers wirksam ist oder als Verstoß gegen die §§ 103 und 119 InsO oder § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB angesehen wird.

1. Die wirksame Vereinbarung einer 10-prozentigen Vertragserfüllungssicherheit

In dem vom BGH entschiedenen Fall sehen die vom Auftraggeber gestellten Vertragsbedingungen vor, dass der Auftragnehmer ihm eine unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 10 Prozent der Auftragssumme zu stellen hat. Im entschiedenen Fall stellte der Auftragnehmer sodann zu Beginn seiner Arbeiten eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 166000 Euro. Als der Auftragnehmer später den Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim zuständigen Amtsgericht stellte, kündigte der Auftraggeber nach § 8 Abs. 2 VOB/B den bestehenden Bauvertrag und nahm die Bürgin wegen der durch die Beauftragung eines neuen Auftragnehmers entstandenen Mehrkosten in voller Höhe der Bürgschaftssumme in Anspruch. Nachdem diese nicht zahlte, verklagte der Auftraggeber die Bürgin. Diese berief sich darauf, die 10-prozentige Sicherheitsabrede für die Vertragserfüllung sei wegen unangemessener Benachteiligung des Auftragnehmers unwirksam. Dem Auftraggeber habe auch kein wirksames Kündigungsrecht nach §8 Abs. 2 VOB/B zugestanden.

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Meinung OLG Frankfurt, andere Meinung des BGH

Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte der Bürgin Recht gegeben. Der BGH sieht in seiner jetzt veröffentlichten Entscheidung die Rechtslage anders als das Oberlandesgericht. Eine Vertragserfüllungsbürgschaft in einer Größenordnung von 10 Prozent der Auftragssumme hat sich nach Meinung des BGH in der Praxis durchgesetzt. Wenn der Auftraggeber wegen der Insolvenz des Auftragnehmers einen neuen Unternehmer suchen und zur Vollendung des Bauvorhabens beauftragen muss, sei der finanzielle Mehraufwand des Auftraggebers - so auch im entschiedenen Fall - zumeist höher als 10 Prozent der Auftragssumme. Eine Beschränkung der Absicherung des Auftraggebers durch eine 10-prozentige Vertragserfüllungsbürgschaft ist nach Meinung des BGH nicht zu beanstanden. Er beruft sich in seinen Urteilsgründen auch auf die Bestimmungen des § 632 a Abs. 3 Satz 1 BGB. Das dort ersichtliche gesetzliche Leitbild, wonach ein Auftraggeber bei der Errichtung oder dem Umbau eines Hauses kraft Gesetzes 5 Prozent der Auftragssumme als Sicherheit verlangen könne, sei keinesfalls die gesetzliche Obergrenze, so dass ohne Weiteres unter Berücksichtigung des gesetzlichen Leitbildes auch 10 Prozent als Sicherheit vereinbart werden könnten.

Fazit

Wenn die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Auftraggeberkreisen allgemein bekannt werden sollte, müssen Auftragnehmer - also auch GaLaBau-Unternehmen - damit rechnen, zukünftig häufiger Klauseln in Verträgen hinnehmen zu müssen, wonach dem Auftraggeber eine 10-prozentige Vertragserfüllungsbürgschaft zu stellen ist. Wenn man diese Sicherheit nicht in Form einer Bürgschaft eines Kreditinstituts oder Kreditversicherers ablösen will, führt dies im Ergebnis dazu, dass man als Werkunternehmer, der sowieso schon wegen seiner Vorleistungspflicht kräftig ins Risiko gehen muss, auf erteilte Abschlagsrechnungen nur 90 Prozent der geltend gemachten Vergütung erhält und 10 Prozent erst einmal beim Auftraggeber stehen bleiben. Der Auftragnehmer sollte sich bei seiner Kalkulation auch darüber im Klaren sein, dass eine Vertragserfüllungsbürgschaft schließlich Avalzinsen kostet, die ihm nicht erstattet werden und Bürgschaften oft den benötigten Kreditrahmen einschränken können.

2. Kündigung des Vertrages wegen Insolvenz des Auftragnehmers

Zu Zeiten, als in Deutschland über Jahrzehnte die alte Konkursordnung galt, die sodann abgelöst wurde durch die nachfolgende Insolvenzordnung, gab und gibt es in § 8 Abs. 2 VOB/B (früher Nr. 2) eine Regelung, wonach der Auftraggeber berechtigt sein soll, ein noch nicht voll abgewickeltes Werkvertragsverhältnis zu kündigen, wenn der Auftraggeber in Insolvenz gerät. § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 lauten wie folgt:

"§ 8 Kündigung durch den Auftraggeber

(2) 1. Der Auftraggeber kann den Vertrag kündigen, wenn der Auftragnehmer seine Zahlungen einstellt, von ihm oder zulässigerweise vom Auftraggeber oder einem anderen Gläubiger das Insolvenzverfahren (§§ 14 und 15 InsO) beziehungsweise ein vergleichbares gesetzliches Verfahren beantragt ist, ein solches Verfahren eröffnet wird oder dessen Eröffnung mangels Masse abgelehnt wird.

2. Die ausgeführten Leistungen sind nach § 6 Absatz 5 abzurechnen. Der Auftraggeber kann Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Restes verlangen."

Unter der Geltung der früheren Konkursordnung hatte der BGH in einem Urteil vom 26.09.1985, Az. VII ZR 19/85 = BGHZ 96, Seite 34 ff. entschieden, dass das von der VOB vorgesehene Kündigungsrecht des Auftraggebers mit dem damaligen Konkursrecht vereinbar sei, das heißt ein Auftraggeber konnte ein Werkvertragsverhältnis wirksam kündigen, wenn der beauftragte Auftragnehmer in Konkurs geraten war. Mit dieser Entscheidung des BGH hatte sich die Praxis weitgehend abgefunden, so dass es über die Kündigungsbefugnisse des Auftraggebers bei Konkurs des Auftragnehmers kaum noch einen ernsthaften Streit gab.

Nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung

Als der Gesetzgeber die Konkursordnung durch die Insolvenzordnung ersetzte und die neuen Vorschriften zum Teil von der Konkursordnung abwichen, wurde von maßgeblichen Kreisen der Literatur und Rechtsprechung mit unterschiedlichen rechtlichen Begründungen die Meinung vertreten, § 8 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B sei unwirksam, so dass der Auftraggeber zumindest nach der Vorschrift der VOB den Vertrag mit dem in Insolvenz geratenen Auftragnehmer nicht wirksam kündigen könne. Im Einzelnen soll hier auf die unterschiedlichen Begründungen nicht eingegangen werden, weil es nach der neuen Entscheidung des BGH wohl nicht mehr auf sie ankommt. Es sei lediglich als Meinung angemerkt: Die Kündigung nach § 8 Abs. 2 VOB/B schließe das Wahlrecht (Fortsetzung oder Beendigung des Vertragsverhältnisses) des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO aus und sei deshalb nach § 119 InsO unwirksam.

Das Kündigungsrecht und die damit verbundenen Rechtsfolgen würden für das in Insolvenz geratene Unternehmen dessen Fortführung "im Kern ersticken und dessen Sanierung zunichte machen". Mit dieser Meinung sollte eine Schwächung der Insolvenzmasse zugunsten einer Firmenfortführung vermieden werden.

Die neue Entscheidung des BGH

Der BGH hat sich in seiner neuen äußerst ausführlichen Entscheidung der Gegenmeinung angeschlossen und hält § 8 Abs. 2 VOB/B für wirksam. Nach einer detaillierten Interessenabwägung und einer Bezugnahme auf die Historie des Gesetzgebungsverfahrens und den dortigen Erwägungen des Gesetzgebers zur Insolvenzordnung schließt sich der BGH endgültig der Meinung an, die den Auftraggeber begünstigt. Das Gericht meint, es sei insbesondere bei einem laufenden Bauvorhaben dem Auftraggeber nicht zumutbar, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die sich daran anschließende Entscheidung des Insolvenzverwalters, ob er einen Bauvertrag fortführen will oder nicht, abzuwarten. Dies umso mehr, als nach § 103 Abs. 2 InsO die Entscheidung des Insolvenzverwalters über die Fortführung eines Bauvertrags erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gilt. Da regelmäßig ein Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Auftragnehmers erst nach drei Monaten nach Antragstellung erfolge, müsste ein Auftraggeber schon allein wegen dieses recht langen Zeitraums einen dreimonatigen Baustillstand mit entsprechend hohen Folgekosten und -schäden hinnehmen, was für den Auftraggeber existenzbedrohend sein kann. Auch dürfte in den wenigsten Fällen eine Fortführung einer Baustelle durch den Insolvenzverwalter die Gewähr für eine ordnungsgemäße Vertragserfüllung geben, da der Insolvenzverwalter häufig nicht mehr über das früher für den Auftragnehmer tätige Fachpersonal verfügt. Auch sei die Gewährleistungsverpflichtung, die zumeist fünf Jahre beträgt, nicht ausreichend sichergestellt.

Keine unangemessene Benachteiligung der Auftragnehmerseite

§ 307 Abs. 1 BGB bestimmt, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam sind, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Der BGH hat auch ausführlich dazu Stellung genommen, dass die Kündigungsmöglichkeit nach § 8 Abs. 2 VOB/B durchaus einen sachlichen Hintergrund hat und keine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers vorliegt. Insbesondere ist der BGH auf die besondere Interessenlage des Auftraggebers und den auf seiner Seite möglicherweise entstehenden erheblichen Schäden eingegangen. Eine Unwirksamkeit gemäß § 307 Abs. 1 BGB wird dementsprechend vom BGH ausdrücklich verneint.

Fazit

Die Entscheidung des BGH zu § 8 Abs. 2 VOB/B ist zu begrüßen, da im Insolvenzfall des Auftragnehmers lange Wartezeiten am Bau vermieden werden und so der finanzielle Schaden auf das Nötigste beschränkt werden kann. Viel zu wenig berücksichtigt die Gegenmeinung, die eine Kündigung nach § 8 Abs. 2 VOB/B für unwirksam angesehen hat, dass dem Auftraggeber auch noch andere Kündigungsmöglichkeiten (z. B. nach § 8 Abs. 1 VOB/B bzw. § 649 BGB) blieben, was auch zu einer Vertragsbeendigung führen würde. Eine solche Kündigung hätte zwar für den Auftraggeber unter Umständen negativere finanzielle Folgen. Eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses kann ein Insolvenzverwalter praktisch jedoch nicht erzwingen. Nachdem der BGH mit seiner Entscheidung eine endgültige Klärung für die Baupraxis herbeigeführt hat, ist jedem Auftraggeber bei einer Insolvenz des Auftragnehmers zu raten, keine Zeit zu verlieren und über eine Kündigung nach § 8 Abs. 2 VOB/B nachzudenken. Mit einer Fortsetzung eines Vertragsverhältnisses durch den Insolvenzverwalter hat der Verfasser in der Vergangenheit fast ausschließlich negative Erfahrungen gemacht. Eine Kündigung des Vertragsverhältnisses und Beauftragung eines Drittunternehmers ist zumeist zielführender.

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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