GaLaBau und Recht: Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

Falsche Massenermittlung als Vertragsgrundlage: Ein häufig auftretendes Ärgernis

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Bauordnungsrecht
Durch falsche Massenermittlungen kommt es häufig zu Schäden, wobei der Geschädigte es oft schwer hat, seinen Schaden erfolgreich geltend zu machen. Foto: KfW-Bildarchiv

Bei Bauverträgen, bei denen es um Leistungen geht, die in entsprechenden LV-Positionen erfasst sind, kommt es leider immer wieder vor, dass die ausgeschriebenen Massen stark gegenüber den tatsächlich angefallenen Massen divergieren. Resultieren die Massendifferenzen aus der Änderung des beauftragten Leistungsinhaltes, wird jeder Verständnis dafür haben, wenn ein Auftragnehmer wegen Änderungen oder sogar Zusatzaufträgen eine entsprechende Preisanpassung verlangt.

In solchen Fällen gibt es im Übrigen in § 2 VOB/B vernünftige Regelungen, mit denen man zumeist die anfallenden rechtlichen Probleme bei geänderten und zusätzlichen Leistungen in den Griff bekommen kann.

Anders ist die Situation allerdings, wenn an dem eigentlich beauftragten Leistungsinhalt keine Änderungen von den Parteien vorgenommen wurden und sich dennoch ganz erhebliche Massendifferenzen in den LV-Positionen ergeben. Allzu schnell wird sodann auch der Schuldige gesucht und in der Person des ausschreibenden Architekten auch gefunden.

Haftung des Architekten

So wurde bei einem vom Oberlandesgericht Dresden entschiedenen Fall, der Architekt, der für einen Bauunternehmer mit der Erstellung von Leistungsverzeichnissen und Aufmaßen für die Kalkulation von Angeboten beauftragt war, kräftig in die Haftung genommen. Das Gericht hat mit seinem Urteil vom 1. August 2013, Az: 10 U 1030/11, wie folgt entschieden:

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Auch bei einem vereinbarten Pauschalpreis gilt uneingeschränkt § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B, das heißt, der Auftragnehmer erhält auch dann für geänderte oder zusätzliche Leistungen die nach dem Vertrag zu ermittelnde Vergütung. Foto: Neue Landschaft

"Der von einem Bauunternehmer mit der Erstellung von Leistungsverzeichnissen und Aufmaßen für die Kalkulation eines Angebots beauftragte Architekt oder Ingenieur haftet ohne Fristsetzung auf werkvertraglicher Grundlage, wenn er die Vordersätze falsch ermittelt und erforderliche Leistungen übersieht mit der Folge, dass der Bauunternehmer zu günstig anbietet und auf dieser Grundlage einen ihn an Nachforderungen gehinderten Pauschalpreisvertrag schließt."

Schaden durch falsche Massenermittlung

Durch falsche Massenermittlungen kommt es häufig zu Schäden, wobei der Geschädigte es oft schwer hat, seinen Schaden erfolgreich geltend zu machen. Anders allerdings in vom Oberlandesgericht Dresden entschiedenen Fall. Dort war es nach der gegebenen Situation recht leicht, den vom Bauunternehmer zur Massenermittlung beauftragten Architekten in die Haftung zu nehmen. Ihm hatte der Bauunternehmer den Auftrag erteilt, für einige Bauvorhaben jeweils die Massen zu ermitteln. Der Architekt wusste auch, dass seine Massenermittlung maßgebliche Vertragsgrundlage für die Abgabe eines Angebotes des Bauunternehmers werden sollte. Dieser musste sich auf die Leistungen seines eigens hierfür engagierten Architekten verlassen. Dies ging im entschiedenen Fall soweit, dass der Bauunternehmer im Vertrauen auf die Richtigkeit der ermittelten Massen einen Pauschalvertrag schloss. Später stellte sich heraus, dass die Massen zum Teil falsch (viel zu niedrig) ermittelt und notwendige Leistungspositionen vom Architekten völlig übersehen worden waren. Durch den geschlossen Pauschalvertrag konnte der Bauunternehmer von seinem Auftraggeber auch keine zusätzliche Vergütung für die falsch ermittelten Massen und vergessenen Leistungspositionen erlangen. Der Bauunternehmer verklagte deshalb den Architekten auf Schadenersatz in Höhe von 89.094 Euro, die das Gericht dem Bauunternehmer auch ganz überwiegend als Schadenersatz zugesprochen hat.

Unterschiedliche Risiken bei Einheitspreis- und Pauschalpreisverträgen

In den wenigsten Fällen bereiten Einheitspreisverträge bei falsch ermittelten Massen Probleme. Sind die Massen zu niedrig ermittelt, wird man überwiegend die tatsächlich ausgeführten Massen auch abrechnen können. Nur bei besonders krassen Ausnahmen wird man bei einem Einheitspreisvertrag Schadenersatzansprüche geltend machen können. Anders ist die Situation allerdings bei Pauschalpreisverträgen. Hier gibt es häufiger in der Praxis Auseinandersetzungen als man eigentlich vermutet. Da GaLaBau-Betriebe oft in der Reihe der Unternehmen bei der Fertigstellung einer Eigentumswohnungs- oder Reihenhausanlage fast am Ende stehen, wird häufig mangels noch ausreichend vorhandener Liquidität versucht zu sparen. Dies geschieht zum Beispiel dadurch, dass LV-Positionen im Angebotsblankett nur knapp oder sogar viel zu knapp bemessen sind und der auftraggebende Bauträger sodann in Verhandlungen die Leistungen des Galabauunternehmers zu pauschalieren versucht. Wenn der GaLaBau-Unternehmer, vor seiner Angebotsabgabe, keine gründliche Überprüfung der Massen in den einzelnen LV-Positionen vorgenommen hat, ist er bei der Vereinbarung eines Pauschalpreises später allzu leicht der Dumme. Man sollte sich stets vor Augen halten, dass bei Pauschalpreisen das Massenrisiko stets den ausführenden Unternehmer trifft und Nachforderungen fast immer ausgeschlossen sind, es sei denn, man weist dem Auftraggeber eine haftungsrelevante Unredlichkeit nach.

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Vor dem Oberlandesgericht Dresden kam es zum Prozess. Am Ende musste der Auftraggeber dem Auftragnehmer einen hohen Schadenersatz zahlen. Foto: Martin Röll, CC BY-SA 2.0
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Wer vor der Vertragsunterschrift keine gründliche Überprüfung der Massen in den einzelnen LV-Positionen vorgenommen hat, ist er bei der Vereinbarung eines Pauschalpreises später allzu leicht der Dumme. Foto: Thorben Wengert/pixelio.de

Bewusst zu niedrig ausgeschriebene Massen bei unseriösen Auftraggebern

Ich habe früher einen zwischenzeitlich nicht mehr am Markt tätigen Bauträger vertreten, von dem sich unsere Kanzlei wegen seiner Unseriosität trennte. Dort wurden auf Anweisung der Geschäftsleitung bewusst zu niedrige Massen ausgeschrieben, um bei der Pauschalierung dann zu besonders günstigen Pauschalpreisen zu gelangen. Ein strafrechtlich relevantes Verhalten, was am Markt immer wieder vorkommt und nur als Betrug zu bezeichnen ist.

Preisanpassung bei Pauschalpreisen

Oft berufen sich Auftragnehmer bei Massenüberschreitungen darauf, dass man auch bei vereinbarten Pauschalpreisen eine Preisanpassung verlangen könne. Wenn man der Auftraggeberseite nicht eine gravierende Unredlichkeit - insbesondere versuchten Betrug - nachweisen kann, ist die Preisanpassung oft mehr Wunschdenken des Auftragnehmers, als Realität. Eine generelle Aussage der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass bei Massenüberschreitungen von einzelnen Positionen von 20 Prozent und mehr der Auftragnehmer eine Preisanpassung verlangen könne, gibt es nicht. Die Rechtsprechung differenziert und stellt häufig auf den Einzelfall ab. Im Hinblick auf die restriktive Rechtsprechung den BGH zu diesem Thema, sollte allerdings jeder Auftragnehmer wissen, dass eine Preisanpassung nach der einhelligen Rechtsprechung nie LV-positionsbezogen, sondern nur im Rahmen einer Gesamtbetrachtungsweise erfolgt. Dies bedeutet, dass ein Auftragnehmer nach der Rechtsprechung durchaus die Chance hat, eine Preisanpassung durchzusetzen, wenn sich durch positionsbedingte Erhöhungen der genannte Pauschalpreis eines Vertrages sich insgesamt um ca. 20 Prozent oder mehr erhöhen würde. Ansonsten gilt die klare Regel: "Pauschal bleibt Pauschal". Eine Preisanpassung gibt es deshalb nur in recht seltenen Einzelfällen.

Preisanpassung bei geänderten Leistungen

Es ist ein Ammenmärchen, dass ein Auftragnehmer bei einem vereinbarten Pauschalpreis unter Umständen noch in gewissem Umfang zusätzliche Leistungen erbringen muss, ohne hierfür eine Vergütung zu erhalten. Bis auf kleinste Bagatellleistungen ist auch im Rahmen des Pauschalpreisrechts nach der Rechtsprechung jedem Auftragnehmer eine geänderte oder zusätzliche Leistung zu vergüten. Der Satz: "Das ist noch alles im Pauschalpreis mit enthalten", ist auf Baustellen zwar immer wieder zu hören; richtiger wird er dadurch aber nicht. Jede - auch kleinere zusätzliche Leistung - ist schließlich geeignet, den unternehmerischen Erfolg eines Auftrags zu schwächen oder gar in die Verlustzone zu bringen. Auch bei einem vereinbarten Pauschalpreis gilt uneingeschränkt § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B, das heißt, der Auftragnehmer erhält auch bei einem vereinbarten Pauschalpreis für geänderte oder zusätzliche Leistungen die nach dem Vertrag zu ermittelnde Vergütung (oft heißt es: Guter Preis bleibt guter Preis, schlechter Preis bleibt schlechter Preis). Die Preisanpassungen nach § 2 VOB/B haben nichts mit der oben beschriebenen 20-Prozent-Rechtsprechung zu tun. Schon Änderungen von nur 1 Prozent oder nur für eine einzige Leistung können die Änderung der Vergütung auch keinen Pauschalpreis auslösen.

Da es im Nachhinein immer schwer ist, einmal vereinbarte Preise zu ändern, sei jedem Vertragspartner dringend angeraten, bereits bei Vertragsschluss für eine faire und auskömmliche Preisermittlung Sorge zu tragen. Ein Unternehmer, der sich auf ein ihm präsentiertes LV verlässt und keine ausreichenden Nachprüfungen vor Angebotsabgabe vornimmt, sollte allenfalls einen Einheitspreis- aber niemals einen Pauschalpreisvertrag schließen. Nach der Rechtsprechung sind die Fälle, bei denen man einen Unternehmer, der sich verkalkuliert hat, helfen kann, leider fast immer die Ausnahme.

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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