Gebietseigenes Saat- und Pflanzgut für den GaLaBau – Stand der Umsetzung der neuen Anforderungen des BNatSchG

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Bei gebietseigenem Saatgut sind die Zertifizierungssysteme im Gegensatz zu den Gehölzen bereits sehr weit entwickelt. Foto: Degenbeck

Bis 2020 muss § 40 (4) Bundesnaturschutzgesetz umgesetzt sein, in dem die Verwendung gebietseigener Pflanzen in der freien Natur vorgeschrieben wird, also außerhalb des Siedlungsbereiches sowie außerhalb land- und forstwirtschaftlich genutzter Flächen. Deshalb ist der Abstimmungsprozess zum einen bei Gehölzen, zum anderen beim Saatgut im vollen Gange. Im vergangenen Jahr berichtete ich an dieser Stelle vor allem über Gehölze, während es diesmal besonders um das Saatgut und die Zertifizierung geht.

Die Verwendung gebietseigener Pflanzen in der freien Natur ist ein gesetzlicher Auftrag, den alle Beteiligten nun umsetzen müssen. Dabei legt die Naturschutzverwaltung Wert auf fachlich fundiert abgegrenzte Herkunftsgebiete der Pflanzen und einen zuverlässigen Herkunftsnachweis, wohingegen die Produzenten aus Wirtschaftlichkeitserwägungen heraus möglichst große Herkunftsgebiete bevorzugen und möglichst wenig Verwaltungsaufwand wünschen. Die Hauptabnehmer der Pflanzen sind die Straßenbaubehörden, welche die Landschaftsbauarbeiten nach VOB/A ausschreiben. Für diese ist wichtig eine hinreichende Kontrollmöglichkeit mit geringem Aufwand im Rahmen der Vergabeverfahren, ob die Pflanzen wirklich aus dem gewünschten Herkunftsgebiet stammen.

Alle Beteiligten müssen nach vertretbaren Kompromisslösungen suchen, die praxistauglich sind, um den gesetzlichen Auftrag zu erfüllen. Wir befinden uns mitten in einem mehr oder weniger mühsamen Abstimmungsprozess, dessen aktueller Stand nachfolgend dargestellt wird.

FLL-Regelwerksausschuss "Begrünungen mit gebietseigenem Saatgut"

Im Jahr 2010 hat die Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. (FLL) einen Regelwerksausschuss (RWA) unter Vorsitz von Dr. Frank Molder gegründet, der zur Umsetzung von § 40 (4) BNatSchG "Empfehlungen zur Begrünung mit gebietseigenem Saatgut" erarbeiten soll. Diese liegen nun seit 15.7.2013 als Gelbdruck mit dreimonatiger Einspruchsfrist vor (FLL 2013). Der Autor ist Mitglied dieses RWA.

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Die gewerbliche Sammlung für die Wildpflanzenproduktion in den Ursprungsgebieten ist genehmigungspflichtig. Foto: Kornelia Marzini

Grundlage der Arbeit ist das "Regiosaatgutkonzept" von Hiller & Hacker 2001, das im Rahmen eines von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Projektes der Leibniz-Universität Hannover weiter ausgefeilt worden ist (Prasse, Kunzmann, Schröder 2010). Dabei werden für Ansaaten zur Ergänzung der RSM Rasen "Regel-Saatgut-Mischungen Regiosaatgut (RSM Regio)" in bis zu vier standörtlichen Varianten für die verschiedenen "Ursprungsgebiete" erarbeitet.

Für naturschutzfachlich höherwertige Begrünungen bzw. für die Ausbringung von Arten, die wegen ihrer begrenzten Verbreitung nicht im kompletten Ursprungsgebiet verwendet werden können, enthält das Regelwerk auch Empfehlungen zu "naturraumtreuen Saatgut", welches ausgesät werden kann, häufiger aber mittels Übertragung von Druschgut, Mähgut, diasporenhaltigem Oberboden oder von Vegetationssoden ausgebracht wird. In diesem Zusammenhang werden die 1999 von der FLL herausgegebenen "Empfehlungen für Besondere Begrünungsverfahren" überarbeitet und im vorliegenden Regelwerk integriert.

Neben der Beschreibung der genannten Verfahren sind wie üblich Aussagen zu Abnahme, Pflege und Prüfungen sowie Musterausschreibungstexte enthalten.

Ursprungsgebiete

Im Rahmen des DBU-Projektes wurden für Deutschland 22 "Ursprungsgebiete" (Herkunftsgebiete) abgegrenzt, aus denen das gebietseigene Saatgut stammen muss. Weiterhin wurden Positivlisten für die im jeweiligen Ursprungsgebiet verwendbaren Pflanzenarten erstellt. Eine wichtige Arbeitshilfe dazu ist die Homepage www.regionalisierte-pflanzenproduktion.de; der Kartendienst erlaubt die Zuordnung des Einsatzortes zu einer Ursprungsregion, der Artenfilter dient im zweiten Schritt der Auswahl geeigneter Arten.

Bis 2010 ließ das Saatgutrecht den gewerbsmäßigen Handel von gebietseigenem Saatgut bestimmter Arten (Gräser und Leguminosen) nicht zu (Degenbeck 2006b). Dann wurde von der EU die Richtlinie 2010/60/EU erlassen, die mit der "Verordnung über das Inverkehrbringen von Saatgut von Erhaltungsmischungen (Erhaltungsmischungsverordnung ErMiV)" mit Wirkung vom 15.12.2011 in nationales Recht umgesetzt worden ist. In der ErMiV hat die beim DBU-Projekt erarbeitete Vorgehensweise einschließlich der Karte der 22 Ursprungsgebiete Eingang gefunden (siehe Abb. 1).

In der Übergangsfrist des BNatSchG bis 2020 darf die Produktion des gebietseigenen Saatgutes in acht zusammengefassten "Produktionsräumen" erfolgen. Darüber hinaus ist es in der Übergangsfrist in begründeten Ausnahmefällen zulässig, Saatgut auch in den unmittelbar an das Ursprungsgebiet der jeweiligen Erhaltungsmischung angrenzenden Ursprungsgebieten auszubringen (§ 4 (2) ErMiV).

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Abb. 1: Ursprungsgebiete und Produktionsräume für gebietseigenes Saatgut. Quelle: Erhaltungsmischungsverordnung (ErMiV) vom 6.12.2011

Zertifizierung von Wildpflanzensaatgut

Ein Nachweis, dass Wildpflanzensaatgut wirklich aus gebietseigenen Herkünften stammt, ist nur mit arbeits- und zeitaufwändigen Verfahren möglich, damit teuer und in der Praxis selten realisierbar. Der Nachweis wird deshalb vom Erzeuger über ein Zertifizierungssystem geleistet. Durch eine lückenlose Dokumentation des Vermehrungsprozesses für gebietseigenes Saatgut, mit Rückverfolgbarkeit der Ware bis hin zum Erntebestand, wird den Anforderungen des Naturschutzes Rechnung getragen.

Die Zertifizierung gewährleistet für den Anwender eine verlässliche Saatgutqualität hinsichtlich Herkunft, genetischer Bandbreite, Keimfähigkeit, Reinheit und Fremdartenbesatz. Aus Kundensicht wäre es wünschenswert gewesen, hätte man sich auf ein bundesweit einheitliches Zertifikat geeinigt. In den Jahren 2006 und 2007 haben deshalb die Bayerischen Landesanstalten für Landwirtschaft (LfL) sowie für Weinbau und Gartenbau (LWG) die wenigen Wildsaatgut-Produzenten mit nennenswerten Marktmengen an den Verhandlungstisch geholt. Diese sind organisiert im Verband deutscher Wildsamen- und Wildpflanzenproduzenten (VWW) einerseits und im Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BdP) andererseits. In beiden Lagern waren bereits weit entwickelte Ansätze für ein Zertifizierungssystem vorhanden, die zusammengeführt werden sollten. Dies gelang aber nicht.

Als Konsequenz für die Anwender, Landschaftsplaner, Behördenvertreter und Landschaftsgärtner ergibt sich nun, dass zwei Zertifikate am Markt existieren, die voneinander nur geringfügig abweichen: der VWW hat 2008 das Label "VWW-Regiosaaten®" herausgebracht, der BdP 2009 das Label "RegioZert®" (Degenbeck 2010). Details dazu sind im Internet nachlesen (siehe www.natur-im-vww.de und www.bdp-online.de).

Zertifizierung von gebietseigenen Gehölzen

Der Staat will es im Wesentlichen den Wirtschaftspartnern selbst überlassen, die Produktion gebietseigener Gehölze über Zertifizierungsmodelle sicherzustellen. Dennoch ist die Kontrollierbarkeit insbesondere den Straßenbaubehörden als Hauptauftraggeber ein wichtiges Anliegen. Die 2002 in Bayern gegründete EAB hat hier Pionierarbeit geleistet, an der sich die anderen Zertifizierungsmodelle messen lassen müssen. Doch selbst das EAB-System lässt sich weiter optimieren.

Es ist Aufgabe der staatlichen Behörden, die zu erfüllenden Kriterien zur Anerkennung eines Zertifikats zu formulieren, wobei sich der Aufwand im vernünftigen Rahmen halten muss. Hierzu hat am 5. bis 6.11.2012 in Bonn ein Fachgespräch stattgefunden, bei dem auch die sieben zur Zeit existierenden Zertifizierungssysteme (siehe Tab. 1) vorgestellt und diskutiert worden sind.

Als Ergebnis dieser Gesprächsrunde hat die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) "Empfehlungen zu Zertifizierungsstandards im Bereich gebietseigener Gehölze" zusammengestellt, die mit BMU und BMELV abgestimmt sind und von allen Zertifizierungsmodellen beachtet werden müssen, um am Markt bestehen zu können. Die Kernaussagen sind folgende:

  • Die Zertifizierung wird privatwirtschaftlich organisiert und umfasst alle Stufen der Wertschöpfungskette.
  • Die Rückverfolgbarkeit bis zum Erntebestand ist zu gewährleisten.
  • Dazu soll eine Referenznummer verwendet werden, die auch für Abnehmer leicht nachvollziehbar ist.
  • Saatgutpartien sind grundsätzlich getrennt zu halten; Mischungen sind nur dann erlaubt, wenn die Rückverfolgbarkeit zweifelsfrei gewährleistet ist.
  • Die beauftragte Zertifizierungsstelle muss unabhängig sein.
  • Mindestens jährlich erfolgen Kontrollen durch einen sachkundigen Auditor.
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Tab. 1: Zertifizierungssysteme für gebietseigene Gehölze in Deutschland. Quelle: Degenbeck

Diese Mindeststandards müssen nun zügig umgesetzt werden. Die Auftraggeberseite legt großen Wert auf eine lückenlose Dokumentation vom Erntebestand (der ja der Naturschutzbehörde ohnehin gemeldet werden muss) bis zur verkaufsfertigen Ware. Die Kontrolle erfolgt im Wesentlichen auf der Basis der Aufzeichnungen des Betriebes und eines vorzulegenden Zertifikates. Eine genetische Kontrolle auf Kosten des Auftraggebers bleibt aber weiterhin möglich; schließlich dürfte die Mutterpflanze im Zweifelsfall noch auffindbar sein, um Referenzproben zu ziehen.

Ausblick

Nach vielen Jahren mit Diskussionen und Gutachten darüber, ob gebietseigene Pflanzen überhaupt ausgeschrieben werden dürfen (Degenbeck 2006), hat der Gesetzgeber Klarheit geschaffen; jetzt geht es um praxistaugliche Vorgehensweisen bei der Vergabe dieser im Regelfall öffentlichen Aufträge nach VOB/A.

Die FLL-Empfehlungen für Begrünungen mit gebietseigenem Saatgut werden zahlreiche praktische Hinweise enthalten, unter anderem Musterausschreibungstexte. Für naturschutzfachlich höherwertige Begrünungen empfiehlt sich ein Blick auf die Homepage des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit (www.stmug.bayern.de) mit ausführlichen Informationen zum Thema "Autochthones Saat- und Pflanzgut". Der "Leitfaden zur Verwendung gebietseigener Gehölze" bietet viele brauchbare Hilfestellungen (siehe www.bmu.de).

Der Abstimmungsprozess zwischen den Auftraggebern, den Naturschutzbehörden und den Produzenten ist auf einem sehr guten Weg, wenngleich noch lange nicht am Ziel. Es ist Aufgabe der Naturschutzverwaltungen der Länder, zügig geeignete Erntebestände auszuweisen bzw. zuzulassen. Was die Mindeststandards der Zertifizierung betrifft, werden Übergangsfristen notwendig sein, da bei den Gehölzen bislang kein existierendes Zertifizierungssystem alle Anforderungen erfüllen kann. Sollen sich die abgestimmten Mindeststandards wirklich durchsetzen, muss deren Einhaltung auch stichprobenhaft kontrolliert werden.

§ 40 (4) BNatSchG:

"Das Ausbringen von Pflanzen gebietsfremder Arten in der freien Natur sowie von Tieren bedarf der Genehmigung der zuständigen Behörde. Künstlich vermehrte Pflanzen sind nicht gebietsfremd, wenn sie ihren genetischen Ursprung in dem betreffenden Gebiet haben. (...) Von dem Erfordernis einer Genehmigung sind ausgenommen:

1. Der Anbau von Pflanzen in der Land- und Forstwirtschaft

(...)

4. das Ausbringen von Gehölzen und Saatgut außerhalb ihrer Vorkommensgebiete bis einschließlich 1. März 2020; bis zu diesem Zeitpunkt sollen in der freien Natur Gehölze und Saatgut vorzugsweise nur innerhalb ihrer Vorkommensgebiete ausgebracht werden."

Literatur

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (2012): Leitfaden zur Verwendung gebietseigener Gehölze. Broschüre, 32 S.

Degenbeck, M. (2006): Begrünungen mit gebietsheimischen Pflanzen - Vereinbar mit den Wettbewerbs- und Vergabebestimmungen? - Neue Landschaft 5/2006, S. 35-40.

Degenbeck, M. (2006b): Artenreiche Ansaaten in der freien Landschaft - Spagat zwischen Naturschutzanforderungen, Saatgutrecht und Landschaftsbaupraxis Rasen-Turf-Gazon 4/2006, S. 164-168.

Degenbeck, M. (2010): Zertifizierung von Wildpflanzensaatgut - Chance für mehr Naturschutz im Landschaftsbau - Naturschutz und Landschaftsplanung 3/2010, S. 90-91

Degenbeck, M. (2012): Gebietseigene Gehölze: Der aktuelle Stand - Neue Landschaft 8/2012, S. 49-51.

Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau (1999): Empfehlungen für Besondere Begrünungsverfahren, 29 S.

Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau (2013): Empfehlungen für Begrünungen mit gebietseigenem Saatgut - Gelbdruck, 109 S.

Hiller, A., Hacker, E. (2001): Ingenieurbiologie und die Vermeidung von Florenverfälschungen - Lösungsansätze zur Entwicklung von Regiosaatgut - Mitteilungen der Gesellschaft für Ingenieurbiologie 18, S. 16-42

Prasse, R., Kunzmann, D., Schröder, R. (2010): Entwicklung und praktische Umsetzung naturschutzfachlicher Mindestanforderungen an einen Herkunftsnachweis für gebietseigenes Wildpflanzensaatgut krautiger Pflanzen - Unveröffentlichter Abschlussbericht eines DBU-Projektes der Leibniz-Universität Hannover, 166 S.

Dipl.-Ing. Martin Degenbeck
Autor

Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau

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