Eine Analyse der Potenziale

Stillgewässerrenaturierung mit schwimmenden Vegetationsstrukturen

von:
Renaturierung Naturschutz
Schwimmende Vegetationsinseln werden zur Begrünung von Kanälen in Haarlem/Niederlande eingesetzt. Foto: Jan H. de Jager, Nautilus

Stoffeinträge gelangen über landwirtschaftliche Nutzflächen aber auch über die Misch- und Trennkanalisation der Siedlungsräume in die Gewässer. Schwimmende Pflanzeninseln sind in der Lage, die natürlichen Selbstreinigungskräfte zu erhöhen und die ansonsten unbewachsenen Gewässerkörper zu beschatten. Sie fördern wasserreinigende Mikroorganismen und begrenzen die Phytoplanktonbildung.

Für 90 Prozent der Oberflächengewässer sind Verbesserungsmaßnahmen erforderlich, um die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie, das heißt einen guten ökologischen Zustand beziehungsweise ein gutes ökologisches Potenzial zu erreichen. Die Maßnahmen sind in den Bewirtschaftungsplänen beschrieben und betreffen in erster Linie Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerstruktur und Reduzierung von Stoffeinträgen (BMU 2013). Bedingt durch zahlreiche Nutzungen mit denen Uferverbau, Gewässerausbau und Begradigungen sowie Stauhaltung einhergehen, sind die Gewässer in ihrer Morphologie erheblich verändert und ihre Durchwanderbarkeit wird stark eingeschränkt. Stoffeinträge gelangen über landwirtschaftliche Nutzflächen aber auch über die Misch- und Trennkanalisation der Siedlungsräume in die Gewässer. Diese diffusen Einträge überschreiten deutlich die von Kläranlagen ausgehenden punktuellen Einträge (SenStadt 2001).

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Die Stadtspree in Berlin ist sowohl durch Uferverbau als auch durch die Stauhaltung verändert und ihrer ökologischen Durchgängigkeit dadurch erheblich eingeschränkt. Foto: Günther
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Die naturnahe Uferzonierung (a) ist durch hydromorphologische Veränderungen wie dieBöschungsneigung und/ oder das künstliche Abflussregime erheblich verändert. Die Weichholzzone und insbesondere auch die Röhrichtzone sind nur noch gering ausgeprägt oder fehlen vollständig (b,c). Schwimmende Inseln vor der Uferböschung können unabhängig von anthropogen veränderter Wassertiefe beziehungsweise Wasserstandschwankung wieder zur einer Ansiedlung von Röhricht beitragen (d). Grafik: Günther 2013 verändert nach Schlüter 1996
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Potenziale schwimmender Vegetationsbestände zur Verbesserung der Wasserqualität. Grafik: Günther 2013

1. Einleitung

1.1 Schwimmende Vegetationsstrukturen

Schwimmende Vegetationsstrukturen sind auf dem Wasser schwimmende und bepflanzte Konstruktionen aus Kunststoff, Stahl oder Hartschaum. Die Konstruktionen dienen der Stabilität sowie dem Auftrieb und bieten der Vegetation gleichzeitig die notwendige Verwurzelungsmöglichkeit. In erster Linie werden Sumpf- und Wasserpflanzen eingesetzt, die mit ihren Wurzeln die Konstruktion durchwachsen und ihre Nährstoffe direkt aus dem Wasser aufnehmen und nicht im Boden beziehungsweise Ufer verankert sind. Dadurch sind diese bepflanzten Konstruktionen unabhängig von der Wassertiefe beziehungsweise möglichen Wasserstandschwankungen, so dass sie an Standorten eingesetzt werden können, an denen sonst kein Pflanzenwachstum möglich wäre. So kann selbst bei vorhandenen Ufermauern an erheblich veränderten oder künstlichen Gewässern die Entwicklung einer Ufervegetation erfolgen.

1.2 Potenziale

Die schwimmenden Strukturen bieten aufgrund der naturnahen Artenauswahl die für Uferröhrichte typische hohe Anzahl an ökologischen Nischen. Schwimmende Inseln können daher Uferröhrichtstrukturen mit ihren für die Gewässer wichtigen Funktionen zur Verbesserung der Wasserqualität ersetzen, die aufgrund der veränderten Ufermorphologie und des durch Stauhaltung veränderten Abfluss- und Überflutungsregimes nicht mehr vorhanden sind.

Insbesondere erhöhen die schwimmenden Pflanzeninseln die natürlichen Selbstreinigungskräfte und beschatten die ansonsten unbewachsenen Gewässerkörper. Die frei im Wasser unter den Inseln schwebenden Wurzeln bieten eine Aufwuchsoberfläche für wasserreinigende Mikroorganismen von 10-15m2)/m2). Weiterhin setzen sich auf der Oberfläche der Wurzeln im Wasser suspendierte Schwebstoffe ab und sinken durch die verringerte Fließgeschwindigkeit auf den Gewässergrund. Untersuchungen haben gezeigt, dass unter einem Quadratmeter einer zweijährigen Insel insgesamt 0,29 kg Schwebstoffe ausgefiltert wurden. Ältere Inseln mit höheren Wurzeloberflächen von bis zu 114 m2)/m2) könnten dann bis zu 2,2 kg oder 37 Prozent der jährlichen Fracht herausfiltern (Smith und Kalin 2000).

Durch Beschattung des Wasserkörpers entsteht ein stärker ausdifferenziertes Mosaik aus beschatteten und unbeschatteten Bereichen. Dadurch konnte eine geringere Phytoplanktonbildung festgestellt werden. Zudem wird ein naturnäheres Lichtregime im Wasserkörper gewährleistet, die Wassertemperatur während der Sommermonate reduziert und das Risiko von Sauerstoffmangel für Fische in dieser Zeit verringert. Diese positiven Funktionen für die Gewässer verbunden mit dem schwimmenden, flexiblen Einsatz unter Berücksichtigung von bestehenden und zu erhaltenden Nutzungen ermöglicht den maßnahmenorientierten Einsatz entsprechend dem "Prager Ansatz". Dieser Ansatz leitet das gute ökologische Potenzial von erheblich veränderten Wasserkörpern direkt über die möglichen ökologischen Verbesserungsmaßnahmen her und nicht entsprechend dem Verfahren gemäß HMWB-Leitfaden indirekt aus der Ausprägung der biologischen Qualitätskomponenten (Ecostat 2006). Der Einsatz von auf dem Wasser schwimmenden Vegetationsstrukturen könnte daher eine ökologische Verbesserungsmaßnahme darstellen, die an geeigneten Stellen unter Beibehalt der bestehenden Nutzungen eingesetzt wird.

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Die schwimmenden Inseln am Treptower Park/Berlin wurden als naturschutzfachliche Kompensationsmaßnahme für Eingriffe in das Gewässer eingesetzt. Die Konstruktion besteht aus Kunststoff und unterstützt nicht die dauerhafte Entwicklung der Vegetation auf dem Wasser, so dass diese immer wieder ausfällt und unter hohem Pflegeaufwand jährlich nachgepflanzt werden musste. Nach Aussagen des Eigentümers wurde auf die Maßnahme mittlerweile verzichtet, weil der naturschutzfachliche Nutzen der Maßnahme angezweifelt wird. Foto: Günther
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Die schwimmenden Inseln am Treptower Park/Berlin wurden als naturschutzfachliche Kompensationsmaßnahme für Eingriffe in das Gewässer eingesetzt. Die Konstruktion besteht aus Kunststoff und unterstützt nicht die dauerhafte Entwicklung der Vegetation auf dem Wasser, so dass diese immer wieder ausfällt und unter hohem Pflegeaufwand jährlich nachgepflanzt werden musste. Nach Aussagen des Eigentümers wurde auf die Maßnahme mittlerweile verzichtet, weil der naturschutzfachliche Nutzen der Maßnahme angezweifelt wird. Foto: Günther
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Auf den Seen im Donaudelta treten oft große schwimmende Inseln auf, wenn diese durch Hochwasserereignisse aufschwimmen und durch den Wind über die Gewässer bewegt werden. Abgerissene Teile von schwimmenden Inseln sind nach einem Hochwasser aus dem Donaudelta an das Ufer des Schwarzen Meers getrieben. Foto: Günther

Der Einsatz könnte mit Hilfe des Strahlursprungs- und Strahlwirkungsprinzipes optimiert werden, um eine Durchwanderbarkeit der ansonsten ungegliederten Gewässerabschnitte zu realisieren. Dazu wird der gesamte Gewässerverlauf nach Strahlursprung und Strahlwirkungsstrecke unterschieden (Halle 2008). Die Gewässerabschnitte des Strahlursprungs sind solche, die den Biozönosen Lebens- und Reproduktionsraum mit entsprechend hoher Habitatausstattung im gesamten Gewässerquerschnitt bieten. Dagegen ist die Strahlwirkungsstrecke der verbindende Korridor zwischen den Ursprungsabschnitten mit einer reduzierten Habitatausstattung aufgrund irreversibler Restriktionen. Diese Abschnitte sollen über eine Mindesthabitatausstattung verfügen, damit der Korridor durchwandert werden kann und das Gewässer somit seine vollständige ökologische Durchgängigkeit erhält. Je nach Raumangebot und bestehender Nutzungen wären schwimmende Vegetationsstrukturen entweder als kleine Trittsteine innerhalb der Strahlwirkungsstrecke aber auch als Strahlursprung bei größerem Raumangebot denkbar. Gerade Makrophyten sind aufgrund ihrer Ausbreitungsstrategien für eine Entwicklung und Besiedlung von Gewässerabschnitten nach dem Strahlwirkungsprinzip geeignet (Weyer 2007).

1.3 aktuelle Herausforderungen

Bisherige Bauweisen können diese Potenziale nicht erreichen, weil sie bisher nur für kurze Zeit eingesetzt werden können. Die zentrale Herausforderung liegt in der Kenntnis der langfristigen Anwendbarkeit der verschiedenen Konstruktionen und Vegetationsgesellschaften unter unterschiedlichen Standortbedingungen. Sobald sie auf dem Wasser installiert sind, sind sie für eine Wartung nur noch schwer zugänglich. Die Zugänglichkeit wird mit zunehmender Entfernung vom Ufer, einer eingeschränkten Befahrbarkeit der Gewässer oder durch fehlende regelmäßige Zugangsmöglichkeiten zum Gewässer erschwert. Für die bisher eingesetzten Anlagen liegen sicherlich aus diesen Gründen keine kontinuierliche und objektive Dokumentationen über längere Zeiträume vor. Aus gleichem Grund wurden Vegetationsausfälle und Konstruktionsschäden oft nicht behoben oder zu spät erkannt. In der Konsequenz sind beschädigte Anlagen, wenn diese nicht mehr dem Bild einer bepflanzten Insel entsprachen, ohne genaue Ursachenanalyse wieder von den Gewässern entfernt worden.

Eine Installation nach dem Strahlprinzip erfordert eine großflächige Installation, um die umweltentlastenden Funktionen zu erreichen. Dieser Flächenbedarf führt bei den bisher am Markt verfügbaren Konstruktionen zu einem großflächigen und dauerhaften Eintrag der nicht verrottbaren Konstruktionsmaterialien in die Gewässer, weil sich Material und Pflanzenwurzeln untrennbar miteinander verbinden. Diese dauerhaften Einträge auf natürlichen Gewässern sind im Zuge einer Renaturierung nicht vertretbar. Zudem haben sich die Materialien bei vergangenen, großflächigen Anwendungen als so kostenintensiv herausgestellt, dass tatsächlich nur einzelne und isolierte Anlagen realisiert werden konnten oder auf die Maßnahme gleich vollständig verzichtet wurde (Hammond et al. 2008). Die Ziele einer Gewässerstrukturierung und Wasserqualitätsverbesserung entsprechend der Wasserrahmenrichtlinie können mit den bisherigen Konstruktionen daher nur eingeschränkt oder gar nicht erreicht werden.

2. Schilfrohrgabione nach natürlichem Vorbild

2.1 Vorbild Natur

In der Natur treten schwimmende Vegetationsstrukturen als langlebiges und stabiles Sukzessionsstadium bei der Verlandung von Stillgewässern auf. So schwimmt auf dem Hautsee in Thüringen seit mehreren 100 Jahren eine Pflanzeninsel als "Haut der Erde" und gab dem See damit seinen Namen. Je nach Trophiegrad des Gewässers sind unterschiedliche Pflanzengesellschaften an der Entstehung der schwimmenden Sukzessionsstadien beteiligt. Sie werden daher entweder als Schwingrasen in oligotrophen, als Schwingried in mesotrophen oder als Schwingröhricht in eutrophen Gewässern bezeichnet (Mauersberger und Mauersberger 1997). Unabhängig von diesen Gesellschaften bestehen die schwimmenden Vegetationsstrukturen aber alle ausschließlich aus lebenden Pflanzen und deren abgestorbenen organischen Bestandteilen. Aus diesen entstehen im Laufe der Zeit organische Matten mit Dicken von bis zu 50-60 cm, die ähnliche charakteristische Eigenschaften aufweisen.

Alle Arten besitzen ein ausgeprägtes Luftleitgewebe, über das sie ihre unter Wasser liegenden Organe mit Luftsauerstoff versorgen. Durch diese mit bis zur Hälfte ihres Volumens Luft erfüllten Organe erhalten die Pflanzenbestände insbesondere in den frühen Sukzessionsstadien, in denen sich die Wurzeln und Rhizome zu miteinander verflochtenen schwimmenden Schichten verwachsen, ihren Auftrieb.

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Arbeitsschritte zur Herstellung der Schilfrohrgabione: 1. Ballierdraht und -gewebe werden in den Holzrahmen eingelegt. Foto: Günther 2013
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Arbeitsschritte zur Herstellung der Schilfrohrgabione: 2. Einlegen der Schilfrohrhalme in zwei Lagen kreuzweise zueinander. Foto: Günther 2013
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Arbeitsschritte zur Herstellung der Schilfrohrgabione: 3. verschlossene Schilfrohrgabione im Holzrahmen. Foto: Günther 2013
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Arbeitsschritte zur Herstellung der Schilfrohrgabione: 4. fertige Schilfrohrgabione. Foto: Günther 2013

Alle Arten sind durch eine hohe Produktivität gekennzeichnet, durch die diese Schichten schnell an Dicke zunehmen. Im Gegensatz zu den oberirdischen Organen der Arten sind ihre unterirdischen Teile mehrjährig. Die unterirdische Phytomasse der Röhrichte und Seggen schwankt je nach Art und Standort zwischen 6000-10.000 g Trockenmasse je Quadratmeter (gTM m-²)). Im Verhältnis zur oberirdischen Phytomasse kann die unterirdische Masse dabei mit bis zu dem Dreifachen überwiegen. Die Gesellschaften meso- und oligotropher Standorte entwickeln zwar nur eine unterirdische Phytomasse von 2500-3200 gTM m-²), diese entspricht aber bis zu 97 Prozent der Gesamtphytomasse. Arten eutropher Standorte besitzen daher die größte unterirdische Phytomasse und entwickeln daher auch schneller dickere Wurzel-Rhizomenkörper. Für eine schwimmende Typhamatte wurde aufgrund dieser hohen Produktivität ein Dickenzuwachs von 5,8 mm pro Jahr festgestellt. Ein 50-60 cm dicke schwimmende Matte ist damit rund 100 Jahre alt (Hogg und Wein 1987). Mit zunehmendem Alter der Matten nimmt auch der Anteil abgestorbener, organischer Substanz zu. Diese ehemaligen lebenden Organe werden innerhalb der Matte im anaeroben Bereich als Torf angelegt. Weil dieser Torf eine Dichte von bis zu 1,4 g cm-³) besitzt, müssten diese Körper eigentlich versinken. Für den Auftrieb der Torfkörper ist das während der anaeroben Abbauprozesse produzierte Sumpfgas identifiziert worden. Das Sumpfgas besteht in jahreszeitlich wechselnden Anteilen aus 40 Prozent Methan und 60 Prozent Kohlenstoffdioxid. Als Quelle dienen junge Kohlenstoffverbindungen von frisch abgestorbenen Pflanzenteilen oder Wurzelexsudaten der lebenden Pflanzen. Das Gas verfängt sich in kleinen Bläschen, die durch die Wasserspannung im Poren- und Haftwasser innerhalb der Torf-Wurzel-Matrix gehalten werden. Die durchschnittliche Gasmenge wird mit bis zu 10 Volumenprozent angegeben, sodass ein rund 50 cm dicker Typhamattenkörper etwa 40,2 l Gasvolumen beziehungsweise zirka 40 kg Auftrieb besitzt. Dieser Anteil beträgt rund 90 Prozent des Gesamtauftriebes und liegt damit weit über dem Auftrieb durch die Phytomasse. Diese Eigenschaften junger und alter schwimmender Vegetationsbestände werden als Grundlage für die Entwicklung schwimmender Vegetationsbestände nach natürlichem Vorbild herangezogen.

2.2 Aufbau und Materialien der neuen Bauweise

  • 2.1 Herstellung und Bepflanzung eines organischer Körper

Zur Herstellung eines organischen Körpers können trockene Schilfrohrhalme mit korrosionsunbeständigem Draht zu einer "Schilfrohrgabione" zusammen gebunden werden. Die trockenen Halme sind insbesondere in den Nodien lufterfüllt, so dass der Körper dadurch zu Beginn auf dem Wasser schwimmt. Die Dichte der Halme liegt zwischen 0,28 und 0,34 g cm-³). Dadurch kann ein Schilfrohrgabionenkörper in den Abmessungen 70 x 70 x 10cm zwischen 11,3 bis 15,4kg Masse tragen.

Für die Bepflanzung können Pflanzen ausgewählt werden, die in den späten schwimmenden Sukzessionsstadien auftreten. Geeignet escheinen die Röhrichtarten Schilf (Phragmites australis), Rohrkolben (Typha spec.), Scheinzyperngras-Segge (Carex pseudocyperus), Teichbinse (Schoenoplectus lacustris) oder die Zwischenmoorarten Schmalblatt-Wollgras (Eriophorum angustifolium), Fieberklee (Menyanthes trifoliata), Sumpf-Blutauge (Comarum palustre) und Faden-Segge (Carex lasiocarpa).

2.3 Wirkungsweise

Die Schilfrohrgabionen können unmittelbar nach der Bepflanzung auf das Wasser gesetzt werden, denn sie schwimmen aufgrund der geringen Dichte der Schilfrohrhalme. Die Halme verlieren ihren Auftrieb durch die Aufnahme von Wasser, so dass die Gabione immer weiter in das Wasser eintaucht. Dieser Eintauchvorgang dauert bei einer zirka 10 cm dicken Gabione zwischen sechs bis acht Monaten. Beim Eintauchen der Halme in das Wasser setzt der Abbau der organischen Substanz ein. Der Abbau äußerte sich durch eine Abnahme des Gehalts an gelöstem Sauerstoff im Wasser auf unter 1 mg/l. Unter diesen Bedingungen werden innerhalb der ersten Monate die leicht abbaubaren Substanzen wie Blattscheiden zersetzt. Die Halme bleiben aufgrund ihres Anteiles an schwer abbaubaren Substanzen vollständig erhalten. Dadurch stellt sich eine konstante Dichte der Halme von rund 1,04 g cm-³) ein.

Gleichzeitig entwickelt sich in dieser Zeit die eingesetzte Vegetation. Die Pflanzen durchwachsen mit ihren unterirdischen Organen die auf dem Wasser schwimmende Schilfrohrgabione und es entsteht ein miteinander verwachsener, fester und elastischer Körper. Die produktiven Röhrichtarten sind in der Lage, durch die Menge ihrer unterirdischen und lufterfüllten Organe den Auftrieb der Gabionen zu gewährleisten. Die etwas weniger produktiven Zwischenmoorarten entwickeln dagegen ein fein verzweigtes Wurzelnetz. Die Faden-Segge ist zum Beispiel in der Lage, an allen Teilen ihrer Rhizome Feinwurzeln zu bilden. Durch dieses feine Wurzelnetz entsteht innerhalb des Gabionenkörpers eine hohe innere Oberfläche auf der sich Sumpfgasbläschen niederschlagen können, analog zum Auftrieb der natürlichen Vorbilder. Dieser Effekt ist bereits in der zweiten Vegetationsperiode messbar. Besonders bei den Pflanzenarten, die ein dichtes und verzweigtes Wurzelbild entwickeln, kann das Sumpfgas in diesem Entwicklungsstadium bereits bis zu 90 Prozent des Gesamtauftriebes ausmachen. Damit entwickelt sich aus der Schilfrohrgabione innerhalb von etwa zwei Vegetationsperioden ein fest durchwachsener organischer Körper, der seinen Auftrieb wie die natürlichen Schwingrasen über das Sumpfgas in seinem Inneren erhält.

Natürliche Schwingrasen befinden sich dadurch in einem aus ökologischer Sicht stabilen Zustand. Kurzfristige Störungen können diesen Zustand nicht verändern. Versuche, bei denen die oberirdischen Pflanzenteile entfernt worden sind und der restliche Mattenteil unter Wasser gedrückt wurde, haben gezeigt, dass der Torfkörper nach kurzer Zeit wieder an die Wasseroberfläche zurückstrebt (Krüsi 1989). Das unter Wasser entstehende Sumpfgas konnte nicht durch das Aerenchym der Pflanzen abtransportiert oder in der Rhizosphäre der lebenden Pflanzenwurzeln oxidiert werden. Dadurch hat das Gasvolumen innerhalb des Torfkörpers zugenommen und seinen Auftrieb erhöht, bis die untergetauchte Matte wieder aufgeschwommen ist. Die unterirdischen Pflanzenteile treiben aufgrund ihres Regenerationsvermögens nach dem Auftauchen wieder aus (Krusi und Wein 1988). Schwimmende, bewachsene Torfflächen reagieren somit gegenüber kurzfristigen Störungen elastisch stabil (Gigon1981) und können sich daher über viele Jahre schwimmend auf dem Wasser halten.

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Dieselbe Schilfrohrgabione im Mai 2011. Foto: Günther
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Schwimmende und bepflanzte Schilfrohr-gabionen (Menyanthes, Comarum, Carex und Eriophorum), Juni 2009. Foto: Günther
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Auftrieb in kg/m2 der einzelnen Komponenten der Schilfrohrgabione und einer rund 100 Jahre alten schwimmenden Typhamatte (* Gewicht der lebenden Phytomasse abhängig von der Art der Pflanzung). Grafik: Günther (verändert nach Hogg und Wein 1987)

3. Diskussion

3.1 Auftrieb

Die Schilfrohrgabione gewährleistet den anfänglichen Auftrieb und die anaeroben Bedingungen infolge starker Sauerstoffzehrung, wenn der Körper in das Wasser eintaucht. Die Pflanzen durchwachsen den Körper und produzieren in seinem Inneren fortlaufend neue junge Phytomasse, die durch Wurzelexsudate und ihrem anaeroben Abbau als Sumpfgasquelle dient. Damit sind durch die bepflanzte Schilfrohrgabione die notwendigen Grundlagen für den natürlichen Eigenauftrieb der Schilfrohrgabionen gelegt. Der Einfluss von Wind und Wellen auf die anaeroben Abbauprozesse innerhalb der bepflanzten Schilfrohrgabionen ist bisher noch nicht untersucht und daher sind auch noch keine Aussagen möglich, ab wann diese Faktoren einer schwimmenden Entwicklung entgegen wirken. Am Rand natürlicher Schwingrasen ist meistens eine produktivere Pflanzengesellschaft zu beobachten. Diese entsteht, weil durch Wind und Wellen ununterbrochen sauerstoffreiches Wasser in die Randbereiche der Matten eingetragen wird und der Torfkörper vollständig zersetzt, d.h. mineralisiert wird (Succow und Josten 2001). Die dabei frei werdenden Ionen nehmen die Pflanzen sofort wieder auf, so dass in diesen Randbereichen besonders in nährstoffarmen Gewässern oft eine produktivere Pflanzengesellschaft mit zum Beispiel Carex lasiocarpa auftritt. Diese meist höheren Arten dämpfen gleichzeitig den Einfluss der Wasserbewegung (Müller 1973). Weiterführende Untersuchungen sind somit notwendig, um den Einfluss von Wind und Wellen auf die Konstruktionen besser prognostizieren und gegebenenfallls weitere Optimierungen des Aufbaus treffen zu können. Grundsätzlich erscheint ein dickerer Aufbau der Gabione sinnvoll, denn dieser würde günstigere Voraussetzungen für die Sumpfgasbildung bieten, weil die Methanproduktion mit zunehmender Mächtigkeit des anaeroben Horizontes (Meyer et al. 2001), das heißt der Gabionendicke, ansteigt.

Ein höherer Aufbau der Gabione würde die Zeit, in der die Gabione in das Wasser eintaucht und die einzelnen Halme ihren Auftrieb verlieren zudem verlängern. Wenn die Halme einer 10 cm dicken Gabione in ca. sechs bis acht Monaten ihren Auftrieb verlieren, können die Gabionen nur zu Beginn der Vegetationsperiode bepflanzt und auf das Wasser gesetzt werden, damit die Pflanzen ausreichend Zeit haben, die Halmschichten zu durchwachsen. Bei einem dickerer Aufbau und einem dadurch verursachten, längeren Eintauchvorgang würde der Zeitpunkt an dem die Gabione bepflanzt und auf das Wasser gesetzt wird, nicht zwingend zu Beginn der Vegetationsperiode gelegt werden müssen, sondern könnte auch während der Vegetationsruhe erfolgen.

3.2 Kosten

Die Bauweise besteht ausschließlich aus unbelebten organischen beziehungsweise verrottbaren Materialien und den lebenden Pflanzen. Dadurch können diese Systeme auf Gewässern eingesetzt werden, ohne dass dabei großflächig Kunststoffe und andere unverrottbare Baustoffe dauerhaft eingetragen werden. Schilfhalme fallen zum Beispiel während der Gewässerpflege durch Landschaftspflegeverbände an, ein genauer Materialpreis ist daher nur schwer und allgemeingültig zu ermitteln. Daher ist anzunehmen, dass die anfallenden Materialkosten geringer sind, als die Kosten bisheriger technischer Systeme aus Kunststoff oder Edelstahl. Allerdings ist der Aufwand zur Herstellung und Bepflanzung der Schilfrohrgabionen in Handarbeit hoch, so dass die Personalkosten die geringen Materialkosten wieder aufwiegen.

Die Unterhaltungskosten erscheinen aber in jedem Fall geringer als herkömmliche Systeme, weil sich ein natürlicher Eigenauftrieb einstellt, mit dem sich die Konstruktionen langfristig schwimmend auf dem Wasser entwickeln. Das Prinzip einer nach dem Strahlursprungs- und Strahlwirkungsstrecke ununterbrochenen Kette von selbstschwimmenden Vegetationsstrukturen auf staugeregelten Gewässern erscheint nur mit solch einer Lösung dauerhaft zu funktionieren.

Literatur

BMU - Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 2013. Die Wasserrahmenrichtlinie. Eine Zwischenbilanz zur Umsetzung der Maßnahmenprogramme 2012, 36 S.

Ecostat, 2006. Alternative Methodology for defining Good Ecological Potential (GEP) for Heavily Modified Water Bodies (HMWB) and Artificial Water Bodies (AWB). Annex II in: Good practice in managing the ecological impacts of hydropower schemes; flood protection works; and works designed to facilitate navigation under the Water Framework Directive", final Version, November 30th 2006.

Gigon, A., 1981. Ökologische Stabilität, Typologie und Realisierung. Fachbeiträge zur schweizerischen MAB-Information 7. Bern, 41 S.

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Hammond, M., Ellis, P., Leake, C., 2008. Floating Wetlands: Assesment of Viability as a Method for the Restoration of Wet Mineral Workings. Minerals Industry Sustainable Technology Programme Minerals Industry Research Organisation, 286 S.

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Mauersberger, H., Mauersberger, R., 1997. Die Seen des Biosphärenreservates "Schorfheide-Chorin" : eine ökologische Studie ; Untersuchungen zur Struktur, Trophie, Hydrologie, Entwicklung, Nutzung, Vegetation und Libellenfauna. Dissertation. Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, 421 S.

Meyer, K., Höper, H., Blankenburg, J., 2001. Spurengashaushalt und Klimabilanz bei Vernässung. In: Kratz, R., Pfadenhauer, J., Hrsg. Ökosystemmanagement für Niedermoore Strategien und Verfahren zur Renaturierung. Stuttgart, 104-111.

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Smith, M.P., Kalin, M., 2000. Floating Wetland Vegetation Covers for Suspended Solids Removal. In: HILL, C.M., Proceedings of the Quebec 2000: Millennium Wetland Event (Selected Papers), "Treatment Wetlands for Water Quality Improvement". Quebec City, Canada. 6-12.08.2000, 143-148 S.

Succow, M., Josten, H., eds, 2001. Landschaftsökologische Moorkunde. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung. Stuttgart. 622 S.

Weyer, K.v.d., 2007. Aquatische Makrophyten in Fließgewässern des Tieflandes - Mögliche Maßnahmen zur Initiierung der Strahlwirkung. In. Schriftenreihe des Deutschen Rates für Landespflege 81, 67-70.

Dr. Henning Günther
Autor

Wissenschaftlicher Mitarbeiter

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