11059 qualifizierte Baumpfleger braucht das Land

Die Ausbildungsstandards in der europäischen Baumpflege, "European Tree Worker" (ETW) und "European Tree Technician" (ETT), haben sich seit den 90er Jahren bestens bewährt und sind gut etabliert. Wer fachgerecht ausgeführte Baumpflege beauftragt, kann sich bei Ausführenden mit den Qualifikationen ETW und ETT sicher sein, dass die Arbeiten nach neuestem Stand der Technik erfolgen und das europaweit. Auf diese Kehrtwende in der Baumpflege können alle Beteiligten zu recht stolz sein. Für die Herausforderungen der Zukunft existiert nun ein effizientes Aus- und Weiterbildungssystem, das schnell reagieren kann.

Eine Baumfachkraft für jede Gemeinde

Flexibel und effizient muss auch jetzt gehandelt werden. Denn Bundesverbände wie der BGL und der BAHÖ weisen auf den eklatanten Fachkräftemangel im Bereich der urbanen Baumpflege hin. Seriös geschätzt benötigen die 11 059 deutschen Kommunen¹) dieselbe Anzahl an Planstellen für fachgerechte Baumpflege, wenn man davon ausgeht, dass zumindest eine Baumfachkraft je Gemeinde zur Verfügung stehen sollte. Tatsächlich gibt es derzeit jedoch gerade einmal 1000 ausgebildete Baumexperten auf dem Niveau des European Tree Technician und rund 2000 European Tree Worker (oder vergleichbare Abschlüsse), um unsere wertvollen Bäume fachgerecht zu pflegen und das bereits eingesetzte Kapital zu sichern beziehungsweise zu steigern. Alle Straßenbehörden, Wasserstraßenverwaltungen und sonstige Gebietskörperschaften, die Baumbestände zu pflegen und zu erhalten haben, wurden bei der Bedarfsschätzung noch gar nicht berücksichtigt.

Es ist augenscheinlich, dass rund 2000 Baumexperten (ETW/ETT) für das gesamte Bundesgebiet zu wenig sind. Würde man alle Baumfachleute in einer Landkarte der BRD eintragen, wäre das kahle Ergebnis erschreckend. Zusätzlich zum aktuellen Fachkräftemangel ist noch die Fluktuation zu berücksichtigen. Nicht alle European Tree Worker werden sprichwörtlich "bei der Arbeit alt". Den gefährlichen und körperlich anspruchsvollen Job geben etliche nach kurzer Zeit auf. Aber auch Rente, berufliche Veränderung oder ein Arbeitsunfall führen dazu, dass statt mehr Fachpersonal für die Bäume eher weniger zur Verfügung steht, da die derzeitige Ausbildungslandschaft nicht leistungsfähig genug ist.

Don Quijote-Ritt auf dem Motorsägenschwert

Da die Baum-Verkehrssicherungspflicht für Kommunen trotzdem zu erfüllen ist, wird diese verantwortungsvolle Tätigkeit durch weniger- oder nichtqualifiziertes Personal erledigt. Das Ergebnis können Sie landauf und landab beobachten: Der durchschnittliche Stadtbaum steht nur mehr 40-60 Jahre im Straßenraum (Krieter). Bevor dieser der Allgemeinheit voll funktionserfüllend mit seinen Wohlfahrtswirkungen zur Verfügung steht, wird er bereits wieder gefällt. Das eingesetzte Kapital wird schlecht gepflegt und muss vorzeitig vernichtet werden, ein Schaden, der in die Millionen geht. Die wenigen ausgebildeten Baumpfleger (ETW, ETT od. andere gleichwertige Abschlüsse) kämpfen in Deutschland gegen die Fehlleistungen im Baum-Grünraum-Management. Breit gemacht hat sich dazu, dass sogenannte SKT A- bezw. SKT B-zertifizierte Baumkletterer als Baumfacharbeiter angesehen werden und diese dann vielfach entsprechend von Kommunen eingesetzt werden. Ein rechtlich bedenklicher Don Quijote-Ritt auf dem Motorsägenschwert. Denn Regelwerke (ZTV-Baumpflege und weitere FLL-Regelwerke) und Rechtsprechung geben vor, wer Baumsicherungsarbeiten durchführen soll. Falsch bearbeitete Bäume stellen ein hohes Gefährdungspotenzial dar. Die Haftung übernimmt zunächst der Baumeigentümer, der Auftraggeber. Im Schadensfall sollte er beweisen können, dass Baumarbeiten von fachlich geeigneten Personen durchgeführt wurden. Versicherungen sind Experten darin, herauszufinden, ob sie eine Zahlung verweigern können.

Eklatanter Fachkräftemangel bedeutet auch, dass derzeit 70 Prozent aller Baumpflege- und Sicherungsarbeiten durch Nichtfachkräfte erfolgen. Zwei von drei Bäumen am Schulhof, am Kinderspielplatz, im Park, am Friedhof, an der Straße als potentiell rechtliche Gefahrenbäume? Sieht man sich aufmerksam in den Städten um, finden sich genügend Beispiele, die deutlich zeigen, dass zu wenige Fachleute mit der Pflege und Erhaltung beauftragt sind. Besonders auffällig sind die vielen falsch eingebauten Kronensicherungssysteme, die oft nicht mehr als eine "Beruhigungsschnur" darstellen. Eine gefährliche Sicherheit wird suggeriert. Kronenbruchsicherheit ist ein hochkomplexes Thema, das nicht über ein Produktvideo erklärt werden kann. In der aktuell laufenden Überarbeitung der ZTV-Baumpflege sind die Kronensicherungen und deren fachliche Umsetzung ein breit diskutiertes Thema.

Ausbildungsinitiative wird benötigt

Abhilfe kann nur durch Aus- und Weiterbildung geschaffen werden. Kompetente Ausbildung vermittelt auch das Rüstzeug, um Unsinniges von Fachlichem zu trennen. Wir benötigen schnellstmöglich eine Ausbildungsinitiative, eine "Baumpflege Agenda 3000", um den Bedarf an mehr als 11000 qualifizierten Baumpflegern in den nächsten fünf bis zehn Jahren decken zu können. Während sich die Regelwerke und die damit verbundenen gesetzlichen Notwendigkeiten zum Glück rasch weiter entwickeln, fehlen überall die Fachkräfte, die die notwendigen Maßnahmen durchführen können.

Dafür braucht es aber auch die Unterstützung der Gebietskörperschaften. Während derzeit die Ausbildung überwiegend in der Freizeit erfolgt, müssen arbeitsmarktpolitisch auch die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass Quereinstieg und Integration auch werktags erfolgen können. Integration kann vor allem mit einem europaweit anerkannten (Weiterbildungs-) Ausbildungsstandard gelingen. Der ETW wird in mehr als 23 Ländern anerkannt und viele weitere Länder stehen in den Startlöchern für ihre ersten ETW-Prüfungen. Es wird ständig nach sinnvollen Wegen für die Integration von Flüchtlingen gesucht. Die Baumpflege bietet dafür beste Voraussetzungen. Eine sportliche Herausforderung für junge Menschen, die aus ihrer Heimat, auch der Ausbildung, gerissen wurden. Nach zwölf Monaten können sie bereits fachgerechte Arbeit für die Bäume, damit für die Allgemeinheit, leisten. Wenn nur endlich die geplanten Förderprogramm umgesetzt werden würden. In der Nürnberger Schule sind ab 2017 spezielle Praktikumsplätze geplant, wo die Baumpflege mehrsprachig erlernt wird und die Ausbildung mit einer ETW-Prüfung endet. Sozial kompetente, bestens integrierte Facharbeiter können somit von den Förderstellen innerhalb kürzester Ausbildungszeit bei Bedarf selbst in ihre Dienststellen integriert werden oder stehen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung.

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Künftig gibt es drei Ausbildungswege

Baumbiologie, Bodenkunde, Pflanzenbestimmung, Standortbedingungen, Baumschulwesen, Schnitttechniken, Baustelleneinrichtung, Pflegetechniken, Wurzelschutz, Pflanzung, Naturschutzrecht, Baumkrankheiten, Verkehrssicherungspflicht, Baumscheibengestaltung, Baumkontrolle nach FLL - dies alles sind Schwerpunkte in der Ausbildung qualifizierter Baumpfleger. Es gibt außer dem ETW keine vergleichbare Ausbildung, auf die wir zurückgreifen können. Die Nürnberger Schule reagiert bereits ab Herbst 2017 auf den Fachkräftemangel. Künftig gibt es drei Möglichkeiten, die qualifizierte Baumpflege zu erlernen.

1. "ETW-Klassik": Bestens etabliert finden drei Module von Freitag bis Montag statt. Dazwischen gibt es mehrere Wochen Zeit, um erworbenes Wissen zu wiederholen und zu festigen. Nach den drei Modulen gibt es die zweitägige Prüfung mit sechs Prüfungsstationen.

2. "ETW-Weekday": Von Montag bis Freitag intensiv lernen und üben, ohne ein Wochenende opfern zu müssen. Mit vier Wochen Training und je zwei bis drei Wochen Abstand dazwischen kann der Lehrgang nach etwa drei Monaten erfolgreich abgeschlossen werden.

3. "ETW-Kompakt": Vier Wochen langes Intensivtraining von Montag bis Freitag ohne Unterbrechung für alle, die schnell einen Abschluss benötigen. Nach einem Monat ist es bereits möglich, die Prüfun erfolgreich zu bestehen. Ab 2018 gibt es auch für den ETT ein modifiziertes Ausbildungsangebot, um sich ausschließlich werktags fortbilden zu können. Der European Tree Worker wird künftig neben seiner baumpflegerischen Tätigkeit zu Weiterbildung verpflichtet sein. Nachweise über jährlich zehn Fortbildungsstunden sind für eine erfolgreiche Rezertifizierung notwendig. Fachvorträge (BAHÖ Weiterbildungsweekend im Mai 2017), Kurse und Besuche von Spezialmessen sind für die Ausübung der modernen Baumpflege somit unerlässlich. Ob fachkundiger Großbaumverpflanzer oder Sachkundiger für Wurzelraumsanierung und Düngung - dies sind nur einige Beispiele, wie umfangreich die Ausbildung an der Nürnberger Schule ist, um für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet zu sein. BAHÖ

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