75 Jahre Fachschule für Gartenbau in Erfurt

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Gartenbau hat in Erfurt schon seit dem frühen Mittelalter Tradition. Insbesondere Christian Reichart (1685 bis 1775), der ein wichtiger Wegbereiter des Erwerbsgartenbaus nicht nur in Erfurt war, hat diese Tradition bestärkt. Es war auch sein Verdienst, dass sich der Erfurter Gartenbau bis Mitte des 20. Jahrhunderts zu einem wichtigen Wirtschaftszweig der Stadt entwickelte. (1, 2, 3)

Seine Erkenntnisse und Erfahrungen prägten seither viele Gärtnergenerationen, auch hinsichtlich der gärtnerischen Ausbildung. Er schrieb: "Mein Sinn und unmaßgeblicher Vorschlag geht vielmehr dahin, dass junge Leute eine Ausbildung zur Praxi, oder einen solchen Unterricht bekommen mögen, welchen sie wirklich mal in Praxi nutzen und vermittelt denselben weitergeben können".(2)

Die Fachschule für Gartenbau Erfurt

Schon 1843 wurde in Erfurt am ehemaligen Botanischen Garten eine private Gärtnerlehranstalt gegründet, die aber wegen fehlender Bewerber nach wenigen Jahren geschlossen wurde. 1896 gründete Professor Dr. Hans Settegast im thüringischen Bad Köstritz eine Gartenbaulehranstalt, die von 1906 die 1906 zur Höheren Gartenbaulehranstalt entwickelt wurde. Bis zur Umwandlung in ein Lazarett während des 2. Weltkrieges und ihrer Verlegung 1943 nach Liegnitz (heute Polen) wurden mehr als 2000 Gartenbauinspektoren ausgebildet. (4)

Der 2. Weltkrieg hatte auch in die Ausbildung der "Höheren Gartenbaubildung" große Lücken gerissen. Ein Jahr nach Ende des 2. Weltkrieges wurde für die gärtnerische Fachschulausbildung auf Grundlage des Befehls 254 der sowjetischen Militäradministration vom 20.08.1946 sowie des Beschlusses des damaligen Landesamtes für Landwirtschaft und Forsten, Sitz Weimar, im Oktober 1946 die Fachschule für Gartenbau Erfurt als Rechtsnachfolger der Höheren Gartenbaulehranstalt Bad Köstritz gegründet (5). Als Standort der Fachschule für Gartenbau waren die durch Luftminen 1944 zerstörten Gebäude und das Gelände der ehemaligen, bis 1929 weltweit agierenden Saatzuchtfirma Haage & Schmidt in der Krämpfer Flur vorgesehen. Vorangegangen war die mit "Wirtschaftsvergehen des Eigentümers Fritz Schmidt" begründete Enteignung des Unternehmens.

Da die Gebäude dort noch in Schutt und Asche lagen, wurde im September 1946 zunächst mit der Ausbildung von 34 Gärtnermeistern und elf Technikern in der ehemaligen Landesobstbauschule in Gotha-Töpfleben, firmierend mit dem Namen "Fachschule für Gartenbau Erfurt - ehemals Bad Köstritz" unter Leitung des ersten Direktors, Herrn Körner, begonnen. Die Technikerausbildung fand ab Herbst 1947 im Hans-Lang-Haus in Erfurt, Allerheiligenstraße 9/10, statt. In diesem Schul-Provisorium, in dem Schlaf- und Wohnräume zugleich Unterrichtsräume waren, wurde bis Oktober 1949 unterrichtet. Im Oktober 1949 zog die Fachschule für Gartenbau Erfurt in die von der Stadt Erfurt "erworbenen" und wiedererrichteten Gebäude in die Leipziger Straße 56 (heute 77) um. (5) Nachfolger von Direktor Körner wurde von 1947 bis 1964 Ferdinand Benisch.

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Gartenbauinspektor Günter Wuttke hat das bis heute sichtbare Parkkonzept für das zunächst weitgehend baumfreie Gelände erarbeitet. Um das Wohl der Studenten und Mitarbeiter sorgte sich von 1946 bis 1986 Küchenleiterin Irmgard Werner. Sie verstand es hervorragend, die aus den Anzuchtflächen des Lehrbetriebs gewonnenen Produkte in die Versorgung einzubeziehen - eine bleibende Erinnerung aller damaligen Fachschüler.

Das Studium fand bis 1956 in den Fachrichtungen Gemüsebau, Obstbau, Zierpflanzenbau, Samenbau sowie Garten- und Landschaftsgestaltung statt. Voraussetzung für das Studium war der erfolgreiche Abschluss mindestens der 8. Klasse, der Gärtnerlehre und meist eine ein- bis zweijährige "Gehilfenzeit". Bis 1951 schlossen die Absolventen der Fachschule für Gartenbau Erfurt nach zweijähriger Ausbildung mit dem Titel Gartenbautechniker ab. Von 1952 wurden die Studienvoraussetzungen auf den Abschluss der "Mittleren Reife", erfolgreicher Lehrabschluss und Facharbeit im Betrieb festgelegt, aber weiterhin auch Bewerber aufgenommen, die die 8. Klasse, die Gärtnerlehre sowie eine zweijährige "Gehilfenzeit" als Berufspraxis erfolgreich absolviert hatten.

Ab 1952 schlossen der Absolvent/die Absolventin sowie 1967 nach der 3. Hochschulreform der DDR nach dreijähriger Ingenieurschule mit dem Titel Gartenbauingenieur ab. Das Fernstudium erforderte die Delegierung durch den Betrieb bei weiterer Betriebszugehörigkeit und Lohnfortzahlung. Es dauerte vier Jahre. Ab 1956 war die Fachrichtung Zierpflanzenbau nur noch an der Fachschule für Gartenbau in Dresden-Pillnitz (später Bannewitz), die Fachrichtung Garten- und Landschaftsgestaltung neben Obst- und Gemüsebau nur noch in Erfurt und die Fachrichtung Pflanzenzüchtung in Quedlinburg vertreten. Die Fachrichtungen Obst- und Gemüsebau sowie Baumschule konnten in Werder studiert werden.

Ab 1946 bis 1979 wurden Gärtner nach mehrjähriger Praxis an der Fachschule/ Ingenieurschule für Gartenbau Erfurt auf die Gärtnermeister- beziehungsweise bis 1967 auf die Saatgutmeisterprüfung vorbereitet. (5) Von hier aus wurden aber auch die Gärtnermeisterprüfungen für die damaligen Bezirke Erfurt, Gera und Suhl organisiert. Von 1980 bis 1991 war dafür die Kreislandwirtschaftsschule Erfurt, Hochheimer Straße, verantwortlich. 1965 übernahm der seit 1955 hier als Fachschullehrer arbeitende Karl-Ernst Hacker (Promotion 1973) die Leitung der Fachschule.

Ingenieurschule für Gartenbau Erfurt (IfG)

Nach der 3. Hochschulreform der DDR von 1967 wurde ab 1968 das Studium auf circa 20 Prozent Zeitanteil gesellschaftswissenschaftlicher Lehrgebiete sowie um Kybernetik/EDV und das wissenschaftlich-produktive Studium erweitert. Die Studenten schlossen das dreijährige Studium nach dem Leitungspraktikum und erfolgreicher Verteidigung der Ingenieurarbeit mit dem Titel Gartenbauingenieur ab. Die jährliche Lehrkapazität betrug mit Fernstudium 250 Studenten.

Bis 1980 wurden jährlich je eine Seminargruppe der Spezialisierung Obstbau, Gemüsebau und Garten- und Landschaftsgestaltung aufgenommen, ab 1981 in Kooperation mit der Ingenieurschule für Bauwesen Gotha und dem VEB Garten- und Landschaftsbau Mühlhausen je zwei Seminargruppen Garten- und Landschaftsgestaltung. Zu den Fachschullehrern und Dozenten, die ab Mitte der fünfziger und zum Teil bis in die achtziger Jahre die Fachgebiete der Garten- und Landschaftsgestaltung unterrichteten, gehörten: Günter Wuttke, Siegfried Bohrisch, Hans Holland, Werner Kurze, Christine Laaser, Dr. Dieter Anton, Dr. Wolfgang Borchardt und Dr. Erhard Kister. (6,7)

Zu den Stärken der Ausbildung an der IfG Erfurt gehörte die Wissenschaftlichkeit und Praxiswirksamkeit. Diese kam insbesondere in einem System von Beleg- und Abschlussarbeiten mit wissenschaftlich begründeten und praxisbezogenen Ergebnissen zum Ausdruck. Basis dafür war, dass eine Anzahl von Fachschullehrern promovierte und mit den Studenten wissenschaftlich-praktische Arbeit in den Betrieben leistete.

Im Juli 1985, zum 300. Geburtstag Christian Reicharts, wurde der IfG Erfurt der Ehrenname "Christian Reichart" zuerkannt und seine Bronzebüste von Kerstin Stöckel im Gelände der IfG errichtet. (7) Ab 1977 bis 1986 wurde die Ingenieurschule von mir sowie ab 1986 bis 1990 von Klaus Baumgärtner und bis Mai 1991 von Dr. Karl Exner geleitet. Im Mai 1990 wurde bis zum Ende 1991 Herr Dr. Hajo Schuster von der Belegschaft zum Direktor der IfG Erfurt gewählt. Er bereitete den Aufbau der Fachbereiche in der neu entstandenen Fachhochschule Erfurt (FHE) und die Beendigung der Fachschulbildung an der IfG vor.

Insgesamt hat die Ingenieurschule für Gartenbau circa 4000 Gartenbautechniker, Gartenbauingenieure, Gärtnermeister und Saatgutmeister ausgebildet. Gleichzeitig wurde der Aufbau einer neuen Fachschule für Gartenbau an der LVG angestrebt, um künftig Gärtner ohne Hochschulzugangsberechtigung zu Führungskräften des Gartenbaus (Techniker/Meister) weiterhin in Erfurt qualifizieren zu können.

Fachschule für Gartenbau und Fachhochschule Erfurt

Bei der Erarbeitung und Verwirklichung neuer Konzepte Höherer Gartenbausbildung in Erfurt wurden die Gründer der LVG und der Fachbereiche Gartenbau und Landschaftsarchitektur der FHE vor allem von Kollegen aus Hessen, Nord-Rhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz unterstützt. Am 01.07.1991 habe ich, im Auftrag des damaligen Thüringer Ministers für Land- und Forstwirtschaft Dr. Volker Sklenar, die Lehr- und Versuchsanstalt Gartenbau Erfurt als Nachfolgeeinrichtung der ehemaligen Ingenieurschule für Gartenbau auf deren Gelände und ab Februar 1992 in der Leipziger Straße 75 mit den Fachbereichen gärtnerisches Versuchswesen, Überbetriebliche Ausbildung, Ein- und Zweijährige Fachschule sowie Gartenbauberatung gegründet. Sie ist im BUGA-Jahr Erfurt 2021 im 30. Jahr aktiv. (8)

Parallel dazu wurden auf dem Gelände der ehemaligen Ingenieurschule für Gartenbau Erfurt, Leipziger Straße 77 die Fachbereiche Gartenbau (Dekan Prof. Dr. Gerhard Timm) und Landschaftsarchitektur der Fachhochschule Erfurt (Dekan Prof. Wolfgang Hartmann) gegründet. Beide Einrichtungen entwickelten sich als selbständige, jedoch kooperierende Einrichtungen im "Grünen Bildungszentrum" in der Leipziger Straße. Ab 1991 wurde die Ein-und Zweijährige Fachschule für Gartenbau in der LVG und das vierjährige Studium zum Diplomgartenbauingenieur FH, ab 2007 das dreijährige Studium zum Bachelor, später das zweijährige weiterführende Studium zum Master an der FHE etabliert.

Am 29.09.1991 nahm die LVG Erfurt die Arbeit der Ein- und Zweijährigen Fachschule für Gartenbau mit einem Lehrgang für die Fortbildung zum Wirtschafter Gartenbau mit 14 Teilnehmern aus Thüringen und Hessen auf Basis der Lehrprogramme des Landes Hessen auf. Als Leiter der Fachschule wurde Dr. Wolfgang Borchardt (später Prof. an der FHE) berufen, der zugleich als Fachbereichsleiter für den Garten- und Landschaftsbau der LVG fungierte. Nachfolger als Leiter der Fachschule waren beziehungsweise sind Dr. Reinhard Wagner, derzeit Annett Panknin.

1992 begann an der Fachschule der Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau Erfurt ein Lehrgang der Zweijährigen Fachschule zum Gartenbautechniker. Inhalt, Form und Organisation der Lehre wurden von 1991 an im steten Miteinander mit den Fachschulen der anderen Bundesländer und Vertretern der Berufsverbände weiterentwickelt. Der fachspezifische Unterricht wurde und wird vom Fachbereichsleiter und Fachschullehrern durchgeführt, die im Versuchswesen arbeiten und in der landschaftsgärtnerischen Praxis gearbeitet haben. Für den Garten- und Landschaftsbau sind das derzeit Dr. Gerd Reidenbach, Annett Panknin, Bettina Wiesel, Steffen Köhne und Dr. Reinhard Wagner. Diese Verbindung von Lehre und Praxis nach den Prinzipien Christian Reicharts hat sich bis heute bewährt. Ebenso das ab 1993 praktizierte Modell der berufsbegleitenden Einjährigen Fachschule zum Wirtschafter Gartenbau in Vorbereitung auf die Gärtnermeisterprüfung.

Im gemeinsamen Bemühen um die Fortsetzung der Traditionen der Höheren Gartenbaubildung in Erfurt und Bad Köstritz durch LVG und FHE wurde 1992 in Abstimmung und mit Unterstützung damals noch lebender Mitglieder des nach 1945 in der Bundesrepublik agierenden "Bundes ehemaliger Köstritzer" der "Verband der ehemaligen Erfurter und Köstritzer - Gartenbau und Landschaftsarchitektur e. V." gegründet. Der Verband fördert gemeinnützig die Bildung und wissenschaftliche Arbeit der Mitarbeiter und Studenten von FHE und LVG. Der Verband wird von der Vorsitzenden Prof. Dr. Birgit Wilhelm und Prof. Dr. Björn Machalett geführt.

Seit 2019 ist die ehemalige Lehr- und Versuchsanstalt Gartenbau Erfurt eine Organisationseinheit des Thüringer Landesamtes für Landwirtschaft und Ländlichen Raum (TLLLR). Sie gehört zur Abteilung 3 (Landwirtschaftliche Erzeugung, Gartenbau und Bildung) des TLLLR. Die staatliche Fachschule am Lehr- und Versuchszentrum Gartenbau in Erfurt bietet auch vom September 2021 an neue Ausbildungsgänge zum Techniker, Wirtschafter oder Meister in der Fachrichtungen Gartenbau sowie Garten- und Landschaftsbau an (9).

Sowohl das Lehr- und Versuchszentrum Gartenbau des TLLLR als auch die Fakultät Landschaftsarchitektur, Gartenbau und Forstwirtschaft betreiben angewandte Gartenbauforschung, die auch in die Lehre hineinwirkt. Sie sind für die Zukunft gut aufgestellt und konzentrieren sich auf neue Herausforderungen in Lehre und Forschung für den Gartenbau.

Quellenverzeichnis

(1) Czekalla, E. und Prass, R.: Blumenstadt Erfurt, Schriften des Vereins für Geschichte und Altertumskunde von Erfurt, Sutton Verlag GmbH, Erfurt 2011.

(2) Reichart, C.: Land-und Gartenschatz in sechs Theilen, Erfurt, Nonne 1753.

(3) Reichart, C.: Einleitung zum Garten- und Ackerbau. Erfurt, Nonne, 1758/59, Erster und Zweiter Theil, Cap. 23.

(4) Henkel, H.: Beiträge zur Chronik der Höheren Lehranstalt für Gartenbau zu Bad Köstritz, Neuwied/Rh. 1972.

(5) Rüdinger-Wittler, W.: 55 Jahre höhere Gartenbaubildung in Erfurt, Stadt und Geschichte Erfurt, 1/2002.

(6) Festschrift der Ingenieurschule für Gartenbau 1946 - 1971.

(7) Festschrift der Ingenieurschule für Gartenbau Erfurt zum 40-jährigen Bestehen. Erfurt, im Oktober 1986.

(8) Czekalla, E.: Ausbildung für Gärtner in Thüringen. In: Gärtnerbörse/Gartenwelt 1992, S. 1424.

(9) WEB-Site der TLLLR im Juli 2021.

(10) Czekalla, E.: Gärtnerische Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie Gartenbauforschung in Erfurt. In: "Kultiviert - Ein Jahrtausend Gartenbau in Erfurt", Förderverein Deutsches Gartenbaumuseum Erfurt, 2021, S. 29 bis 41.

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