90 Jahre Landschaftsarchitektur - Technische Universität Berlin

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Ökologie Klimagerechte Landschaftsplanung
Königliche Gärtnerlehranstalt 1909 an ihrem Standort in Berlin-Dahlem. Foto: aus Lange 1909

Am 16. Oktober 2019 eröffnete die Technische Universität (TU) Berlin das neue Semester mit einem Festakt. Es galt, 90 Jahre Landschaftsarchitektur zu feiern. Der Studiengang geht auf die in Deutschland und wohl auch europaweit älteste Gründung einer universitären Ausbildung für Landschaftsarchitektur, damals noch als "Gartenkunst", zurück.

Die Ausbildung in der Gartenkunst hat im Preußischen Staat eine lange Tradition. 1823 gründet Peter Joseph Lenné die erste Ausbildungsstätte für Gartenkünstler, die Königliche Gärtnerlehranstalt zu Berlin und Potsdam. Sie war für viele Jahre die wichtigste Institution im deutschsprachigen Raum, an der bedeutende Persönlichkeiten der Disziplin erlernten und auch lehrten. Sie kann als Vorgängerinstitution der universitären Ausbildung angesehen werden.

Zu Beginn des 20 Jahrhunderts wurden die Forderungen immer lauter, sich von der gärtnerischen Praxis zu lösen und eine stärker künstlerische und akademische Ausrichtung anzustreben. Hintergrund war zum einen das enorm angewachsene Wissen um alle Bereiche der Gartenkunst (Kunsthistorie, Gartendenkmalpflege, Naturwissenschaften, Ökologie, Vermessungswesen, Architektur, Soziologie), das adäquat wissenschaftlich vermittelt werden sollte. Aber auch der Wunsch nach einer Reform der Gartenkunst kam immer stärker auf. Die Gartenkunst sollte nicht länger ein elitärer Luxus vermögender und einflussreicher Kreise sein, sondern wurde als eines der zentralen Instrumente zur Lösung der sozialen Fragen propagiert. Eine Abkehr vom erstarrten Stil des Landschaftsgartens wurde gefordert. Parks in neuen Formen und mit neuen Funktionsbereichen wie Spielplätze, Sporteinrichtungen oder Kleingärten sollten der wachsenden großstädtische Bevölkerung einen Ausgleich ihres erschöpfenden Alltags ermöglichen.

Gründung der Universitären Ausbildung für Gartenkünstler

Selbst nach dem Ende des Kaiserreiches und der Etablierung der Republik dauerte es noch bis 1929 bis ein erster Studiengang für Gartenkunst etabliert werden konnte. Er wurde zunächst an der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin angesiedelt. Eine Kooperation gab es mit der Lehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau in Berlin-Dahlem (LuFA), Nachfolgerin der Königlichen Gärtnerlehranstalt, und der Technischen Hochschule zu Berlin (später TU Berlin), die ebenfalls Vorlesungen für die ersten Studierenden anboten. Die Ausbildung ist damit das erste universitäre Studium für Landschaftsarchitektur in Deutschland. Zugleich ist es auch einer der ersten Studiengänge in dieser Profession weltweit. Erster Professor für Gartenkunst wurde der Stadtgartendirektor von Berlin, Erwin Barth. Nach seinem Tod 1933 wird er durch den linientreuen Heinrich Wiebking-Jürgensmann ersetzt.

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Gebäude der TU Berlin am Ernst-Reuter Platz (zweites von links mit Steinfassade: Erweiterungsbau – Sitz des Instituts für Landschaftsarchitektur und Umweltplanung). Foto: TU Berlin
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Fachgebiet Vegetationstechnik und Pflanzenverwendung in der ehemaligen Direktorenvilla der Königlichen Gärtnerlehranstalt. Foto: Kühn

Angliederung an die TU Berlin

1946 wird die Institution als Institut für Gartenkunst und Landschaftsgestaltung neu gegründet. Ab 1951 schließen sich die Mitarbeiter, die im Westen verbleiben wollten, der Technische Universität Berlin an, wo Herta Hammerbacher bereits seit 1945 das Lehrgebiet Gartengestaltung innerhalb der Architektur-Fakultät der TU Berlin leitete. Sie gestaltete auch die kriegszerstörten Außenanlagen um die wiederaufgebauten und neu entstandenen Gebäude rund um den Ernst-Reuter-Platz. 1950 wurde Herta Hammerbacher Professorin an der TU Berlin. Sie war damit die erste weibliche Ordinaria (Inhaberin eines Lehrstuhls) an dieser Technischen Universität.

1952 wird zusätzlich Gustav Allinger zum Ordentlichen Professor an die TU Berlin berufen, 1961 folgt ihm Hermann Mattern, der die Landschaftsarchitektur im Nachkriegsdeutschland entscheidend prägte.

Neue Aufgabenbereiche: Umweltplanung und Stadtökologie

Bereits Hermann Mattern förderte die Landschaftsplanung. 1971 wurde Hans Kiemstedt als sein Nachfolger berufen. Die Nachkriegsjahre und damit die dringenden Aufbauarbeiten in deutschen Städten waren vorbei. Die lokale und globale Zerstörung der Umwelt rückte nun zunehmend in den Fokus. Neue Planungsinstrumente auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene mussten entwickelt werden. Globalisierung, Klimawandel und Bevölkerungswachstum führen zu immer neuen Umweltfragen. Sie werden in der Landschaftsplanung, die sich in diesem Zusammenhang zur Umweltplanung weiter entwickelte, erforscht.

Die naturwissenschaftlichen und ökologischen Fachgebiete lieferten lange Zeit nur das nötige Basiswissen für die Gartenkunst und später die Landschaftsplanung. 1973 wurde aus den Fachgebieten der Botanik das weltweit erste Institut für Ökologie gegründet. Mit der Ausrichtung auf den Bereich Stadtökologie versuchte man, aus der Not der eingemauerten Stadt eine Tugend zu machen: man suchte seine Forschungsfelder nicht jenseits des Eisernen Vorhangs in der freien Natur, sondern beforscht die Situation vor Ort in (West-) Berlin. Dadurch betraten die Wissenschaftler*innen es ein völlig neues und damals einzigartiges Forschungsfeld, für das Berlin richtungsweisend wurde. Erst durch die daraus entstandenen Erkenntnisse ist ein "Naturschutz in der Stadt" überhaupt denkbar.

Mit der Prüfungsordnung von 2012 wurden die Studiengänge der Umweltplanung und der Ökologie von der Landschaftsarchitektur getrennt. Damit wurde dem Umstand Rechnung getragen, dass sich die unterschiedlichen Vertiefungen soweit spezialisiert hatten, dass sie inzwischen als eigene Berufsbilder wahrgenommen werden. Seit dieser Zeit entscheiden sich die Studierenden schon bei der Bewerbung, ob sie den Bachelor Ökologie und Umweltplanung (OekUP) oder Landschaftsarchitektur (LA) der TU Berlin studieren wollen. Jeder Bereich (also Ökologie, Umweltplanung und Landschaftsarchitektur) hat inzwischen auch seinen eigenen Master.

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Freiflächen der TU Berlin am Ernst-Reuter-Platz, gestaltet von Herta Hammerbacher. Foto: TU Berlin

Zurückgewinnung der Landschaftsarchitektur

In den 1980er und 1990er Jahrhunderts war die Ausbildung, die inzwischen Landschaftsplanung hieß, sehr stark durch Diskussionen um die Deutungshoheit der Umweltprobleme, ihre Bewertung und die richtigen Wege aus der Krise geprägt. Naturwissenschaftliche, planerische aber auch soziologisch-funktionale Ansätze traten in den Vordergrund. Die Gartenkunst war obsolet geworden, die Idee zur Entwicklung der Umwelt und des Freiraums gestalterische, ästhetische Kriterien heranzuziehen, war heftig umstritten.

Hans Loidl arbeitete daran dem Entwurf als zentrale Methode in der Landschaftsarchitektur wieder Geltung zu verschaffen. Er und seine Schüler*innen trugen damit entscheidend dazu bei der Landschaftsarchitektur in Deutschland zu einem erneuerten Selbstbewusstsein und -verständnis zu verhelfen. Aus dem Studiengang Landschaftsplanung wurde 2006 Umweltplanung und Landschaftsarchitektur. Somit wurde in Berlin erstmal der heute gültige Begriff "Landschaftsarchitektur" verwendet. Durch die klaren methodischen Abgrenzungen der unterschiedlichen Ausrichtungen (Umweltplanung: Planung, Ökologie: naturwissenschaftliche Empirie, Landschaftsarchitektur: Entwurf) war es ab den 2000er-Jahren auch wieder möglich gewinnbringend in Kontakt zu kommen und sich gegenseitig zu befruchten.

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Exkursion des Studios Landschaftsarchitektur: Retensionsteich im Wuhlepark, Berlin-Marzahn. Foto: Kühn

Heute

Heute gibt es eine Lehreinheit von Landschaftsarchitektur, Umweltplanung und Ökologie. Somit arbeiten alle drei hier entstandenen Ausrichtungen immer noch in Lehre und Forschung zusammen, was zu beträchtlichen Synergien führt.

Die Landschaftsarchitektur besitzt seit 2012 einen eigenen Bachelor und einen eigenen Master-Studiengang. Jährlich werden ca. 30 Masterstudierende und ca. 45 Bachelorstudierende aufgenommen. Die Nachfrage nach Studienplätzen ist ungebrochen. Die Landschaftsarchitektur ist im Rahmen der Lehre für die Studiengänge Bachelor und Master Landschaftsarchitektur verantwortlich und leistet Beiträge für weitere, teilweise internationale beziehungsweise englischsprachige Studiengänge in der Architektur, Urban Design, Ökologie und Umweltplanung sowie für den Lehramtsstudiengang Landschaftsbau.

Die Landschaftsarchitektur an der TU Berlin ist, ganz gemäß ihrer langen Tradition, einer der weltweit bedeutenden Ausbildungsstätten für diesen Studiengang. Vier Fachgebiete übernehmen die zentralen Lehr- und Forschungsaufgaben:

das FG Landschaftsbau-Objektbau, wird durch Prof. Cordula Loidl-Reisch vertreten und erforscht und lehrt konstruktions- und materialbezogenes Entwerfen in der Landschaftsarchitektur.

Prof. Undine Giseke, vertritt das Fachgebiet Freiraumplanung. Es beschäftigt sich mit den Zusammenhängen von Stadt- und Freiraumentwicklung in räumlichen, sozialen und kulturhistorischen Dimensionen, zeitgenössischer Freiraumproduktion und zukünftiger Landschaftsentwicklung.

Das Fachgebiet (FG) Entwerfen/Landschaftsarchitektur (Prof. Jürgen Weidinger) widmet sich der Theorie und Methodik der Landschaftsarchitektur in der Objektplanung.

Das FG Pflanzenverwendung und Vegetationstechnik (Prof. Dr. Norbert Kühn) beschäftigt sich mit pflanzenbasierten Lösungen ("Plant Based Solutions") für Klimaadaptation, Freiraumgestaltung und der Erhaltung historischer Gärten

(zu den Profilen der Fachgebiete siehe dazu auch: Feldhusen 2019: Vier Perspektiven Landschaftsarchitektonischen Denkens).

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Offenes Haus der Landschaftsarchitektur zum Semesterende: Vorstellung der Ergebnisse der Projekte und Studios. Foto: Kühn

Ausblick

In Zeiten der Globalisierung und des Klimawandels werden Freiräume, grüne Infrastrukturen und demokratische Orte im Freien immer wichtiger. Die Vegetation leistet wichtige Beiträge für die Klimaadaption. Somit haben sich zwar die (Lehr- und Forschungs-) Konzepte und die Ziele in der Landschaftsarchitektur mit der Zeit gewandelt. Eine qualitativ hochwertige Grünversorgung zu sichern ist jedoch immer noch vorrangiges Ziel - damit hat die Landschaftsarchitektur nichts von ihrer Bedeutung für die Menschen verloren. Die Landschaftsarchitektur muss sich den neuen Herausforderungen des Anthropozän stellen und kann dafür wichtige Beiträge leisten.


Zum Nachlesen:

  • Feldhusen, S., 2019: Vier Perspektiven Landschaftsarchitektonischen Denkens. Berlin: Universitätsverlag der TU Berlin.
  • ILAUP (Institut für Landschaftsarchitektur und Umweltplanung) (Hrsg.), 2006: Perspektive Landschaft. Berlin: Wissenschaftlicher Verlag.
  • Loidl, H., Bernard, S., 2003: Freiräume(n). Entwerfen als Landschaftsarchitektur (Deutsch). Basel: Birkhäuser Verlag.
Prof. Dr. Norbert Kühn
Autor

Leiter des Fachgebiets Vegetationstechnik und Pflanzenverwendung am Institut für Landschaftsarchitektur und Umweltplanung der TU Berlin

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