Junge Landschaft

A walk in the park

von:

103. FOLGE: Unsere Serie für den Nachwuchs erläutert das wichtigste GaLaBau-Grundlagenwissen vom Abstecken bis zum Zaunbau: Diesmal geht es um das Thema Dendrologie.

Als ich vor geraumer Zeit mit einer Gruppe von allein reisenden, minderjährigen Jugendlichen aus Syrien, Afghanistan, Eritrea und Albanien bei einer Führung durch den Bergpark Wilhelmshöhe in Kassel von den Jungs getestet wurde, ob ich auch wirklich all die Bäume und Sträucher kennen würde, kam ich ganz schön ins Schwitzen. Donnerwetter, da standen Bäume und Gehölze, die ich sicher schon einmal gesehen hatte, aber so richtig abrufbereit war mein Wissen an manchen Stellen nicht.

Ich erinnerte mich an einen dendrologischen Führer, der vor Jahren einmal von der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessens herausgegeben wurde und der mir in meiner Tätigkeit an der ehemaligen Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau in Kassel bei der Bestimmung von Gehölzen im Rahmen der überbetrieblichen Lehrgänge oft aus der Patsche geholfen hatte. Wieder zu Hause angekommen begab ich mich sofort auf die Suche nach dem Büchlein und wurde fündig: Ziemlich abgegriffen und verstaubt lag es vor mir und brachte mich auf eine Idee:

Warum nicht eigene dendrologische Führer erstellen?

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Um allen gleich den Zahn zu ziehen: Ich werde nicht selbst aktiv und nehme keine Auftragswerke an, sondern jeder kann sich seinen "Gehölzführer" selbst erstellen. Dazu bieten sich Lerngruppen, Berufsschulklassen und ähnliche Zweckgemeinschaften an. Und Gelände findet man überall. Keiner erwartet jetzt, dass ein Zweimann/-frauteam in einer Woche den Schlosspark von Sanssouci kartiert und gehölztechnisch aufarbeitet, sondern im Kleinen liegt das Geheimnis:

  • Wo finden wir unsere Projekte? - im Garten eines Einfamilienhauses, auf dem Berufsschulgelände, auf dem Weg zum Betrieb, im Umfeld eines Supermarktes.
  • Was soll das bringen? - Erweiterung und Festigung der Pflanzenkenntnisse.
  • Wie kann man das Ergebnis weiter nutzen? - als Vorbereitung auf die Zwischen- und Abschlussprüfung, als Lehr- und Lernmaterial im Berufsschulunterricht, als Bestandsaufnahme vor Ort.

Wie ist so ein Gehölzführer aufgebaut?

Nun man muss das Fahrrad nicht neu erfinden und kann sich an bereits vorhandenen Materialien sicher ein Beispiel nehmen. Hier sehr kurz der Aufbau am Beispiel von Kassel Wilhelmshöhe.

1. Als Arbeitsgrundlage ist ein Plan des Geländes mit seinen Gebäuden und auch mit den Baum- und Strauchstandorten sehr von Nutzen. Das könnte eine Aufgabe für den Vermessungsunterricht sein. Die Geländeaufnahme mit unterschiedlichen Verfahren (rechtwinkliges oder polares Koordinatensystem) ist eine ordentliche Herausforderung und eine gute Übung für den Baustellenalltag. In Kassel war das sicher nicht das Kernproblem, weil eine Unmenge von historischen und vermessungstechnischen Kartenmaterialien vorhanden war.

2. Der zweite Schritt sollte es sein, genau einen bestimmten Weg (oder mehrere - kommt auf die Größe des Projektes an) und die Kennzeichnung der einzelnen Gehölze festzulegen. Danach kann man die Reihenfolge der zu bearbeitenden Gehölze festlegen. Bergpark Wilhelmshöhe wurde in 15 Touren unterteilt, die unter uns gesagt manchmal ziemlich anspruchsvoll sind. Die Gehölze der Touren sind insgesamt durchgehend nummeriert.

3. Jetzt kommt die Stelle, bei der die Arbeit anfällt und bei der Schweißausbrüche vorprogrammiert sind: die Bestimmung der Pflanzen.

Vielleicht an dieser Stelle einige Tipps, damit die Motivation nicht gleich am Anfang am Boden liegt:

- Sehr hilfreich ist es, jemanden ins Team einzubeziehen, der sich vielleicht schon ein wenig mit Pflanzen auskennt. Da kommen einige Kandidaten in Frage: Berufsschullehrer, Meister, Chef.

- Im Gepäck sollten Bestimmungsbücher mitgeführt werden. Bestimmungsbücher - keine Bilderschinken; man muss die Pflanzen tatsächlich an ihrem Merkmalen erkennen und richtig bestimmen können. (Einige ausgewählte Werke findet ihr am Ende des Artikels in den Quellen) Zusätzlich ist es immer von Vorteil, eine zweite Meinung zu den Pflanzen einzuholen. Das kann man ganz einfach mit einer Bestimmungsübung mit Kollegen realisieren oder in Form eines Wettbewerbes in der Berufsschule.

4. Ist alles klar, beginnt die Dokumentation. Hier gibt es unterschiedliche Möglichkeiten: die traditionelle Papiervariante, eine Dateiform, aber auch modernere Varianten wie QR-Code sind denkbar. Wichtig ist bei allen die genaue Beschreibung der Pflanzen in Wort und Bild. Hinzufügen muss ich aber, dass der Baumführer des Bergparkes sich leider nicht an Profis wie Landschaftsgärtner richtet, sondern an die breite Öffentlichkeit. Deshalb lässt er auch genaue Beschreibungen des jeweiligen Gehölzes vermissen. Stattdessen informiert er recht genau über die Geschichte des Baumes oder Strauches. Der Kasseler Gehölzführer besitzt leider keine Bilddokumente und ist unverständlicher Weise auch im Kartenmaterial und den wenigen vorhandenen Bildern in Schwarz-Weiß gehalten. Da bleibt die Anschaulichkeit auf der Strecke.

Ein kleines Projekt im Eigenversuch

Als mir die Idee zu diesem Thema kam, habe ich versucht, dieses mit einem kleinen Testprojekt auszuprobieren. Mein Opfer war ein mir nahegelegener Supermarkt, der mir schon seit geraumer Zeit durch seine sehr abwechslungsreiche Bepflanzung auffiel.

Mit meinen selbst festgelegten vier Schritten ging ich die Sache an.

Schritt 1 - und schon die ersten Schwierigkeiten!

Ziemlich blauäugig lief ich bei der Geschäftsleitung des Supermarktes auf, brachte meine Idee vor und fragte nach Bauunterlagen. Ich glaube man hat die ganze Sache nicht richtig verstanden. Also neuer Anlauf: Gemeindeamt - dort stellte man mir großzügig einen Stadtplan zur Verfügung. Nun ja, der gute Wille war da, aber mit dem Ding hätte ich das Gemeindehaus nicht gefunden, der war alles andere als eine Vermessungsgrundlage.

Nächster Versuch: Ich musste eine Möglichkeit finden, möglichst effektiv und in kurzer Zeit (also die bekannten Vermessungverfahren fielen dabei ins Wasser) an eine genaue Planungsgrundlage zu gelangen. Bei einer bekannten Internetsuchmaschine war ich im Routenplaner fündig. Ich druckte mir ein in der größten Vergrößerung recht unscharfes Satellitenbild vom Supermarkt aus - und zeichnete mir einen eigenen Grundriss in Eigenregie.

Schritt 2 - Wer die Wahl hat…

Unter den misstrauen Blicken der Angestellten des Supermarktes machte ich mich auf den Weg und suchte Bäume und Sträucher aus, die für meinen Versuch in Frage kommen könnten. Dabei war ich vor allem an solchen Gehölzen interessiert, die sich auch in unserem AuGaLa-Pflanzenbuch wiederfanden und die irgendwie leicht zugänglich waren. Die Runde sollte nicht so groß werden und sich an keinem Punkt überschneiden. Am Ende fiel meine Wahl auf fünf Bäume und 9 Sträucher beziehungsweise Strauchgruppen.

Schritt 3 - Meine Bestimmung

Das Bestimmen der einzelnen Gehölze war nicht die Schwierigkeit. Vieles hätte ich ohne das Buch ganz sicher bestimmt. Viel wichtiger war die richtige Auswahl der zu bestimmenden Merkmale der Pflanzen und die Auswahl der Literatur, welche für die Arbeit am besten geeignet schien. Es bietet sich an, mit einem professionellen Bestimmungsschlüssel, wie man ihn von Schmeil/Fitschen/U. Hecker/R. Lüder und ähnlichen Autoren kennt, zu arbeiten. Viele werden sich jetzt fragen: Warum? Das will ich, in dem Wissen auf Widerstände zu treffen, erklären: Die Pflanzenbücher, auch unsere sehr guten AuGaLa-Pflanzenbücher, die im Allgemeinen in Benutzung sind, haben den Nachteil, dass es im eigentlichen Sinne gar keine Bestimmungsbücher sind, sondern Lexika. Mit ihnen kann man sich, vorausgesetzt man kennt die Pflanze schon ein wenig, Informationen und weiterreichende Fakten zu dieser besorgen. Eine Bestimmung ist nicht möglich. Mein Rat: den Bestimmungsschlüssel für die reine Erkennung und das Pflanzenbuch für die Detailarbeit wie Beschreibung, Herkunft, Pflege, Besonderheiten einpacken.

Schritt 4 - Die Schreibtischarbeit

Bei meiner Feldarbeit kamen mir immer neue Ideen, um diesen kleinen Gehölzführer nutzen zu können. Das Einfachste wäre, ihn stumpfsinnig immer wieder abzuarbeiten und eine Art Kontrollhefter für den Vergleich zu erarbeiten. Das ist aber im Laufe der Zeit der Tod der ganzen Arbeit, weil jedermann schon weiß: Baum e = Amelanchier lamarckii, steht an der Ecke zum Supermarkt! Also neue Wege sind gesucht. Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich gemeinsam mit einer Gruppe von Auszubildenden aus dem Helferbereich die Idee, die Pflanze der Woche über eine Bilddatei mit dem Handy regelmäßig am Montag an jeden Azubi zu verschicken. Das war rein lerntechnisch ein Erfolgsmodell, weil nicht nur jeder die Pflanze kannte, sondern auch das Bild auch auf seinem Handy haben wollte. Im Zeitalter von GPS und QR-Code findet man dort sicher auch noch ausgereiftere Taktiken, dieses Lernmaterial effektiv zu nutzen.

Welchen Nutzen hat man nun aus einem Gehölzführer

Viele denken jetzt sicher: Mal wieder was Neues! Sicher, aber Fakt ist, das Pflanzenlernen immer noch der schwierigste Part in der Ausbildung zu sein scheint. Dabei ist dies in keinem Fall so. Erst wenn man sich mit dem Pflanzensystem und den botanischen und biologischen Zusammenhängen vertraut macht, sich auch im Freien mit ihnen beschäftigt, sie anfasst, daran riecht und sie von Nahem betrachtet, fällt irgendwann der Groschen und die Erkennung geht leichter von der Hand. Vielleicht sollte man in diesem Stadium daran arbeiten, eine eigene Methode des Lernens von Pflanzennamen zu entwickeln. Dafür ist an dieser Stelle leider keine Zeit mehr und wir vertagen dieses Thema auf den nächsten Artikel. Uwe Bienert

Nächsten Monat lesen Sie:
"Training für's Dachstübchen", (Teil 1)
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Quellen:

Einheimische Laubgehölze (Hecker, Quelle & Meyer Verlag Wiebelsheim), Grundkurs Gehölzbestimmung (Lüder, Quelle & Meyer Verlag Wiebelsheim),Taschenlexikon der Gehölze (Schmidt/Hecker, Quelle & Meyer Verlag Wiebelsheim), International Standard ENA 2010-2015 (M.H.A. Hoffmann, ENA's European Plant Names Working Group), Die Nadelgehölze (Krüssmann, Paul Paray Verlag Berlin/Hamburg 1955), Wikipedia, www.baumkunde.de

 Uwe Bienert
Autor

Landschaftsgärtner-Meister und Ausbilder

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