Änderung der allgemeinen anerkannten Regeln der Technik während der Bauausführung

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Recht und Normen
In einer neuen Entscheidung hält der Bundesgerichtshof an dem Grundsatz fest, dass ein in Auftrag gegebenes Werk zum Zeitpunkt der Abnahme den anerkannten Regeln der Technik entsprechen muss. Foto: H.D. Volz, pixelio.de

In einer neuen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 14.11.2017, Az. VII 65/14 befasst sich das Gericht mit der Frage, was der Auftragnehmer dem Auftraggeber schuldet, wenn sich bei einem Werkvertrag während der Bauausführung vor der Abnahme die anerkannten Regeln der Technik ändern.

In seiner Entscheidung hält der BGH an dem Grundsatz fest, dass ein in Auftrag gegebenes Werk zum Zeitpunkt der Abnahme den anerkannten Regeln der Technik entsprechen muss. Ebenso verlangt das Gericht, dass ein Auftragnehmer die anerkannten Regeln der Technik für sein Gewerk kennt. Gelten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch ältere technische Regeln und ändern sich diese während der Vertragsausführung, hat nach Meinung des Gerichts der Auftragnehmer die Pflicht, den Auftraggeber über die Änderung und die damit verbundenen Konsequenzen und gegebenen Risiken unaufgefordert zu informieren, es sei denn, diese sind dem Auftraggeber bekannt oder ergeben sich ohne weiteres aus den Umständen.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs

Der Entscheidung des Gerichts lag folgender Sachverhalt zugrunde: Als Auftraggeber verlangt die Klägerin auf der Grundlage eines von ihr im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens eingeholten Sachverständigengutachtens Vorschuss für Mängelbeseitigungskosten in Höhe von brutto 856 800 Euro. Die Beklagte war vom Auftraggeber beauftragt, drei Pultdachhallen in verzinkter Stahlkonstruktion zu einem Festpreis von 770.000 Euro zuzüglich 19 Prozent Mehrwertsteuer zu errichten. In der Gebäudebeschreibung war für die Hallen eine Schneelast von 80 kg/m² angegeben. Dieser Wert entsprach der DIN 1055-5 (1975). Es erfolgte sodann die bauaufsichtliche Einführung der geänderten DIN 1055-5 (2005), die allerdings erst öffentlich-rechtlich verbindlich für Bauvorhaben wurde, deren Genehmigung nach dem 01.01.2007 beantragt wurde. Im vom Bundesgerichtshof entschiedenen Rechtsstreit war die Baugenehmigung im Jahr 2006 beantragt worden. Nach der neuen DIN 1055-5 (2005) wäre eine Schneelast von 139 kg/m² anzusetzen gewesen. Die drei Hallen wurden in der Zeit bis August 2007 errichtet. Nachdem das mit der Montage der vorgesehenen Photovoltaikanlage auf dem Dach befasste Unternehmen wegen der Durchbiegung der Dachkonstruktion Bedenken angemeldet hatte, forderte die Klägerin die Beklagte zur Verstärkung der Dachkonstruktion auf. Die Beklagte kam dieser Aufforderung nicht nach, stellte die Schlussrechnung und zeigte am 01.07.2008 die Fertigstellung ihrer Leistung an. Die Klägerin verweigerte die förmliche Abnahme.

Die Urteilsgründe in Kurzform

Wie so oft, stellt der BGH mit seiner Entscheidung nicht beide Seiten zufrieden. Er verlangt, dass die Beklagte als Auftragnehmerin ihre Leistung im Zweifel nach den neuen technischen Vorgaben mit der erhöhten Schneelast auszuführen hat, da deren Leistung zum Zeitpunkt der vorgesehenen Abnahme den anerkannten Regeln der Technik entsprechen müsse. Dies gelte auch dann, wenn für die Pultdächer aufgrund früherer erteilter noch gültiger Baugenehmigung eine Ausführung mit geringeren Schneelastwerten öffentlich rechtlich zulässig war.

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Ebenso verlangt das Gericht mit seinem Urteil, dass ein Auftragnehmer die anerkannten Regeln der Technik für sein Gewerk kennt. Foto: Stockwerk-Fotodesign, Fotolia

Die Vorinstanzen hatten dies im Prinzip ebenso gesehen wie der Bundesgerichtshof, wobei dieser allerdings in seiner Entscheidung eine maßgebliche Differenzierung vorsieht. Das Gericht war der Meinung, die Beklagte als Auftragnehmerin hätte die Klägerin über die geänderten allgemeinen Regeln der Technik informieren und sie als Auftraggeberin entscheiden lassen müssen, ob sie abweichend von der Baugenehmigung nach den neuen anerkannten Regeln der Technik die Einhaltung der höheren Schneelastwerte wünscht oder ob es bei den wesentlich geringeren alten Werten bleiben soll. Die Beklagte hatte der Klägerin keinerlei Hinweis auf die neuen erhöhten Schneelastwerte gegeben, sondern sich an den ursprünglich geschlossenen Vertrag gehalten.

Der Bundesgerichtshof hält die Ausführung nach den niedrigeren Werten zwar für statthaft, meint aber, dass dies nur zulässig sei, wenn die Klägerin als Auftraggeberin über die Situation informiert und dennoch lediglich eine Ausführung mit den niedrigeren Schneelastwerten gewünscht hätte. Mangels einer Information der Klägerin müsse die Beklagte die neuen Schneelastwerte einhalten. Anders als die Vorinstanzen gibt der Bundesgerichtshof allerdings den deutlichen Hinweis, dass die Vorinstanzen erneut prüfen müssen, ob aufgrund der vertraglichen Gegebenheiten die erheblichen Mehrkosten für die Ertüchtigung der Pultdächer ganz oder teilweise von der Klägerin als "Sowiesokosten" getragen werden müssen.

Die Konsequenzen aus der Entscheidung des BGH für die Auftragnehmerin

Die Beklagte wäre nicht in die missliche Situation geraten, wenn sie wegen der geänderten anerkannten Regeln der Technik so früh wie möglich die Klägerin über die geänderten technischen Gegebenheiten informiert hätte. Die VOB, die zwischen den Parteien auch vereinbart war, sieht in einem solchen Fall eigentlich nicht eine allgemeine Information sondern sogar die Anmeldung von Bedenken gegen die vertragliche Art der Ausführung vor. Hätte die Beklagte Bedenken angemeldet und die Klägerin entscheiden lassen, welche Schneelastwerte letztendlich zur Ausführung gelangen sollen, wäre die Beklagte nie in diese für sie missliche teure Situation geraten. Auch sollte eine Fachfirma nicht nur die einschlägigen verbindlichen DIN-Normen kennen. Als Fachfirma kann man eigentlich von ihr erwarten, dass sie auch vor Einführung einer neuen (geänderten) DIN-Norm sich über die technische Entwicklung informiert. Im vorliegenden Fall war die maßgebliche DIN-Norm zwar noch nicht generell eingeführt, aber bereits seit 2005 bekannt. Entwürfe (Gelbdrucke) hierzu gab es sogar schon früher, so dass die Versäumnisse der Beklagten dazu führen können, mit einem ganz erheblichen Betrag in die Haftung zu geraten. Der Bundesgerichtshof hat zwar zu einem Sachverhalt entschieden, der den Garten- und Landschaftsbau nicht unmittelbar betrifft. Bei ansonsten vergleichbarem Sachverhalt würde die Entscheidung auf dem Gebiet des Garten- und Landschaftsbaus wohl ebenso ausfallen.

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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