Aktuelle Forschungsansätze zu funktionsgerechten Gehölzpflanzungen

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Gehölze
Abb. 2: Pflanzschema mit 1 m Pflanzabstand für eine 6-reihige Hecke mit 4 % Führenden (in der Mitte und unten Entwicklungsprognosen) Quelle (Abb. 1 und 2): FLL-Leitfaden für die Planung, Ausführung und Pflege von funktionsgerechten Gehölzpflanzungen im besiedelten Bereich, 1999
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Gehölze sind wesentliche Elemente der Garten- und Landschaftsgestaltung und prägen maßgeblich die Gestaltungs- und Nutzungsqualität eines Grundstücks. In der Planung von Gärten, Parks und Landschaftselementen haben Gehölzpflanzungen in der Regel konkrete planerische Funktionen zu erfüllen. Dabei sind Leitziele für die jeweilige Planungssituation bedeutsam, um eine passende Bepflanzung zu entwickeln.

Bei den Funktionen kann man in technische, ökologische und gestalterische Aspekte unterscheiden. Eine planerische Hilfe bietet die Methodik von Werner Koch aus dem Sachverständigenbereich: die "Checkliste zur Prüfung und Beurteilung von Gehölzfunktionen" (Koch, 1987:15). Koch unterscheidet in Privatgärten mit ausschließlich grundstücksbezogenen Gehölzfunktionen und öffentlichen Freianlagen mit zusätzlich übergeordneten Wohlfahrtswirkungen. Im Folgenden soll sich auf Pflanzungen im öffentlichen und halböffentlichen Raum konzentriert werden. Zu den Funktionen der öffentlichen Wohlfahrtswirkung - also mit Nutzen für die Öffentlichkeit - gehören in Anlehnung an Koch:

  • gestalterische, architektonische und psychologische Funktionen von Gehölzen, wie die räumliche Gliederung der Stadtlandschaft, Anpassung der "Vegetationsmasse" an die umgebende "Baumassen", leitende Pflanzungen im Straßenbegleitgrün, und andere.
  • bautechnische Funktionen von Gehölzen, wie Erosionsschutz, Sicht- und Blendschutz, Windschutz, Auffangschutz, psychologischer Lärmschutz, Beschattung, Salzverträglichkeit, Bodensanierung, und andere.
  • stadtökologische, landschaftsökologische, kleinklimatische und lufthygienische Funktionen von Gehölzen, wie Temperaturausgleich, Stadtdurchlüftung, Erhöhung der Luftfeuchtigkeit in Trockenzeiten, Feinstaubbildung und CO2-Bindung, Schadstofffilterung und andere.

Für konkrete Planungen sind diese Angaben aber noch zu ungenau. Wie unterscheidet sich denn eine Gehölzpflanzung, die vorwiegend eine Auffangschutz-Funktion hat in der Artenzusammensetzung von einer Gehölzpflanzung, die vor allem eine Sichtschutz-Funktion hat (vgl. Schlüter, 1996)? Wie kann man die heute bedeutenden Themen der Feinstaubbindung und Klimaregulierung in der Stadt mit bestimmten Artenkombinationen unterstützen? Mit welchen Pflanzungen kann man die Luftfeuchtigkeit in der Stadt besonders nachhaltig erhöhen (vgl. Bruse, 2003; Gillner/Vogt/ Tharang et al., 2015)? Wie reagieren Strauchunterpflanzungen auf genormte Baumsubstrate? Während man seit längerem intensiv zu Straßenbäumen und Staudenpflanzungen im öffentlichen Grün forscht, ist der Bereich der "Strauchpflanzungen in der Stadt" noch weitgehend unbearbeitet und überzeugen auch die täglich im Stadtgrün erlebten Praxisbeispiele nicht immer. Möglicherweise liegt die mangelnde Aufmerksamkeit an den geringen Herstellungskosten von Strauchpflanzungen, doch können ungünstig konzipierte Gehölzpflanzungen langfristig und nachhaltig die Pflegekosten erhöhen. Um in diesem Bereich wertvolle Forschungsansätze wieder ins Bewusstsein zu holen und für die Landschaftsarchitektur besser nutzbar zu machen, hat sich bei der FLL (Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V.) ein neuer Regelwerksausschuss "Gehölzverwendung" gegründet. Aufbauend auf bestehenden Forschungsergebnissen sollen in den nächsten Jahren nach und nach zu wesentlichen Funktionen neue Planungshilfen erarbeitet werden. In einem ersten Schritt wird der Sichtschutz, insbesondere die funktional vorgegebene, raumbildende Höhe und Breite einer Pflanzung in der Stadt als Hauptfunktion bearbeitet, alle weiteren Funktionen als Spezialaufgaben damit kombiniert.

Ein Gehölz ist ein lebendes, in der Entwicklung am jeweiligen Standort nicht immer berechenbares Gartenelement. Um die zu erwartenden dynamischen Wachstums- und mitunter auch Verdrängungsprozesse planerisch besser vorhersehen zu können, können Gehölze innerhalb der Pflanzung in funktionale Kategorien eingeteilt werden. Eine Hilfe kann hierbei der unter Leitung von Prof. Dr. Peter Brahe entwickelte "Leitfaden für die Planung, Ausführung und Pflege von funktionsgerechten Gehölzpflanzungen im besiedelten Bereich" sein (FLL, 1999). Hierbei werden die Arten in wesentliche Funktionsträger unterschieden, wie Führendes Gehölz (F) und Mantelgehölz (M), Begleitgehölz (B) und Dienendes Gehölz (D). Mithilfe der Funktionsaufgaben lassen sich Gehölzplanungen im Zusammenhang mit dem Pflanzungstyp (waldartige Pflanzung, Hain, Hecke o.ä.), der vorgesehenen Höhenabwicklung und der zur Verfügung stehenden Flächengröße feinjustieren (s. Abb. 1 und 2).

Führende Gehölze sind funktionstragende Dauergehölze mit hoher Lebenserwartung und damit die wesentlichen Träger der Funktionen einer Pflanzung. Damit sich ein führendes Gehölz jederzeit optimal entwickeln kann, wird bei der Pflanzung eine größere Ausgangsgröße und Endhöhe im Verhältnis zu den Nachbarpflanzen gewählt. Sie haben eine hohe Funktion im Gesamtzusammenhang der Pflanzung.

Mantelgehölze dienen einer Sichtschutz-, Windschutz- oder/und psychologischen Lärmschutzfunktion und sind entsprechend im Randbereich von Grundstücken oder in internen Gliederungsstrukturen von Gartenräumen angeordnet. Hierzu werden dauerhafte und seitlich abschirmende Arten mit geringerer Ausgangsgröße und Endhöhe als ihre führenden Nachbararten gewählt. Auch Mantelgehölze haben eine hohe Funktion.

Begleitende Gehölze sind schattenverträgliche Dauergehölze im Unterstand. Sie sollen für einen möglichst schnellen Bestandsschluss sorgen und in der Altersphase eine dauerhafte untere Pflanzenschicht bilden. Die Arten sind dauerhaft, mit einer hohen Schattenverträglichkeit und von niedriger Ausgangsgröße.

Dienende Gehölze werden nur für eine zeitlich begrenzte Funktion gepflanzt und dienen zur Sicherung des Zuwachsraumes für langsamentwickelnde Führende und Mantelgehölze als konkurrenzschwache Füllgehölze in den ersten Anwachsjahren. Die Arten sind schnellwüchsig und ohne große Lebenserwartung auszuwählen (z. B. Weichholzarten). Sie haben nur eine geringe Funktion und Ausgangsgröße.

Übergeordnetes Ziel bei den Pflanzempfehlungen wird die Minimierung von Pflegekosten durch genaue Abstimmung auf Standort und Pflanzmaße sein. Die genauen Kenntnisse über die konkrete Pflanzsituation und Bodenverhältnisse vor Ort sind eine wesentliche Grundlage für den späteren Erfolg oder Misserfolg einer Gehölzpflanzung. In der näheren Diskussion um Vereinfachung des komplexen Standortsystems werden schwach saure bis saure Standorte als untypisch für Standorte in der Stadt als Sonderstandorte ausgeschlossen. Bei der Unterteilung in Höhenstufen sollte sich möglichst an fachlich charakteristischen Maßen orientiert und eine Kompatibilität mit Höhenstufen-Einteilungen geachtet werden.

Neben traditionellen Blockpflanzungen aus einer Gehölzart soll versucht werden, ob sich bei Gehölzmischungen beziehungsweise Gehölz-Staudenmischungen auch besonders vorteilhafte Artenkombinationen entwickeln lassen. Hierbei kann man sich Zwei-Art-Pflanzungen, Drei-Art-Pflanzungen oder auch Mehr-Arten-Pflanzungen vorstellen, die sich untereinander in Funktion, Wuchs- und Gestaltungsaspekten unterstützen.

a) Kombinationsvarianten mit Arten verschiedener Lebenszyklen

  • Kombination von schnell wachsenden/kurzlebigen und langsam wachsenden/langlebigen Arten
  • Kombination von im Jahresverlauf früh-grünenden und noch spät wirkungsvollen Arten
  • Kombination von frühblühenden und spätblühenden Arten
  • Kombination von Arten mit deutlichem Sommeraspekt und Arten mit deutlichen Winteraspekt

b) Kombinationsvarianten zur Einbettung konkurrenzschwächerer Funktionsarten

  • Kombination von strukturstarken Arten als Basispflanzung und eingefügten besonderen Funktionsträgern (ohne guten eigenen Flächenschluss, nur in Kombi-nation einsetzbar)
  • Kombination von Arten mit unterschied-lichen Funktionen, wie Sichtschutz und Feinstaubbindung, Salzverträglichkeit und Erosionsschutz, Regenwasserversickerung und Stadtdurchlüftung, Beschattung und Verdunstungsleistung o. Ä.

c) Kombinationsvarianten hinsichtlich des Wuchscharakters (Raumstruktur)

  • Kombination schleppenbildenden und aufrechten Arten (bes. Verdichtungspotential)
  • Kombination hochfüßiger Arten und bodendeckenden Flächenarten (Hainwirkung)
  • Kombination von Arten mit gleichen Pflegeschnitt-Zeiten (Pflegekostenreduzierung)

Ein erster Feldversuch mit 30 niedrigen Gehölzmischungen beziehungsweise Gehölz-Staudenmischungen für das öffentliche Grün bis 50 cm Höhe ist im Herbst 2014 an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf im Versuchsgarten am Glashaus/Fachbereich Landschaftsarchitektur gepflanzt worden (siehe Abb. 3 und 4). Zudem werden großflächige und höhere Pflanzungen an klimatisch unterschiedlichen Forschungsstandorten folgen. In einem dritten Schritt sollen die besten Pflanzungen in mehreren Städten unter realistischen Stadtbedingungen getestet werden. Die neuen Hilfen können kein Ersatz für fundierte Pflanzenkenntnisse sein, aber bei der sicheren Auswahl für neue Pflanzungen helfen. Es bleibt spannend abzuwarten, wie sich die Mischungen an den unterschiedlichen Standorten entwickeln werden.

Literatur

Bruse, M. (2003): Stadtgrün und Stadtklima. Wie sich Grünflächen auf das Mikroklima in Städten auswirken. In: LÖBF—Mitteilungen 1/03.

FLL, Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. (1999): Leitfaden für die funktionsgerechte Ausführung und Pflege von Gehölzpflanzungen im besiedelten Bereich. Bonn.

Gillner, S.; J. Vogt; A. Tharang; S. Dettmann; A. Rohloff (2015): Coole Typen - Mikroklimatische Wirkung von Straßenbaumarten. In: Jahrbuch der Baumpflege 2015.

Koch, W. (1987): Aktualisierte Gehölzwerttabellen, Bäume und Sträucher als Grundstücksbestandteile an Straßen, in Parks und Gärten sowie in der freien Landschaft einschließlich Obstgehölze. 2. Auflage. Karlsruhe.

Schlüter, U. (1996): Pflanze als Baustoff. Ingenieurbiologie in Praxis und Umwelt. Berlin, Hannover.

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Prof. Dr.-Ing. Swantje Duthweiler
Autorin

Pflanzenverwendung, Fakultät Landschaftsarchitektur, Hochschule Weihenstephan-Triesdorf

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