GaLaBau und Recht: Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

Aktuelle Urteile zu Vergabe- und Verbraucherthemen

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Gute Fachkräfte sind rar. Doch ist die Abwerbung von Mitarbeitern direkt auf der Baustelle durch Konkurrenzunternehmen legitim? Unter Umständen muss man wohl damit leben, so entschied das Bayerische Oberste Landesgericht. Foto: Moritz Lösch, Neue Landschaft

Wenn man für öffentliche Auftraggeber arbeiten will, kommt man als Unternehmer nicht umhin, sich mit den Grund-zügen des Vergaberechts zu befassen. Auch private Auftraggeber schreiben bei größeren Objekten häufig nach VOB/A aus. Es lohnt sich deshalb, sich über vergaberechtliche Entscheidungen zu informieren. Es ist zwar richtig, dass viele zum Vergaberecht veröffentlichten Entscheidungen Aufträge oberhalb der Schwellenwerte betreffen (europaweite Vergabe). Die meisten Grundsätze dieser Entscheidungen sind aber auf Vergaben unterhalb der Schwellenwerte übertragbar.

1. Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichtes vom 09.04.2021, Az. Verg 3/21

Eine für den GaLaBau beachtliche Vergabeentscheidung ist vor kurzem durch das Bayrische Oberste Landesgericht ergangen (Beschluss vom 09.04.2021, Az. Verg 3/21). Es lohnt sich, diese Entscheidung zu kennen. Da die dortigen vom Gericht aufgestellten Grundsätze ohne weiteres auch für Vergaben unterhalb der Schwellenwerte von Bedeutung sind. Der vom Gericht entschiedene Sachverhalt kann letztendlich bei jedem GaLaBau-Unternehmer vorkommen.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Bei einer europaweiten Ausschreibung für den Abschluss eines Dienstleistungsauftrages lag nach der Submission Bieter A an erster Stelle. Dem Bieter B, der an zweiter Stelle lag, wurde von der Vergabestelle in einem Informationsschreiben nach § 134 GWB vom Auftraggeber mitgeteilt, dass man beabsichtige, dem an erster Stelle liegenden Bieter A den Auftrag zu erteilen. Daraufhin rügte Bieter B, Bieter A sei von der Vergabe auszuschließen, da er nachweislich schwere Verfehlungen aufgrund eines wettbewerbswidrigen Verhaltens begangen habe.

Als Grund für die behauptete, schwere Verfehlung wurde angeführt, am 22.07.2020 hätten zwei Mitarbeiter des Bieters A versucht, während der Arbeitszeit von ihm als Kontrahenten an der Arbeitsstelle Mitarbeiter abzuwerben. Hierbei seien auch Visitenkarten überreicht worden. Man wolle seitens Bieter A auch noch versuchen, weitere Mitarbeiter abzuwerben, wenn dem Bieter A der Auftrag erteilt werde. Neben der gerügten schweren Verfehlung (versuchte Abwerbung) verfüge Bieter A auch nicht über genügend Personal, um den Auftrag ausführen zu können.

Die Vergabekammer Südbayern wies mit Beschluss vom 10.02.2021 die Beschwerde des Bieters B zurück, so dass es nunmehr zur Entscheidung durch das bayrische Oberste Landesgericht kam. Sinngemäß hat das Gericht sodann wie folgt entschieden:

1. Eine "schwere Verfehlung" muss die Integrität des Bieters in Frage stellen. Ob eine schwere Verfehlung die Integrität des Bieters in Frage stellt, ist eine Bewertung mit prognostischem Charakter, so dass dem Auftraggeber insoweit ein Beurteilungsspielraum zusteht.

2. Die Abwerbung von Mitarbeitern eines Konkurrenten ist in der Regel keine schwere Verfehlung.

Das Gericht billigt mit seiner Entscheidung dem Auftraggeber, wie ich meine, einen recht weiten Beurteilungsspielraum zu, ob die Vorwürfe Auswirkungen auf die Ausführung der ausgeschriebenen Leistungen hat. Das Gericht kam des Weiteren zu dem Ergebnis, dass die Abwerbung von Mitarbeitern eines Konkurrenten möglicherweise eine Wettbewerbswidrigkeit darstellen könnte. Dies soll aber im Hinblick auf die Vergabe des Auftrags keine schwere Verfehlung des Bieters A sein.

Das Gericht hält den Versuch der Abwerbung von Mitarbeitern für nicht so schwer, dass man einen solchen Abwerbeversuch als schwere Verfehlung einordnen muss, die zum Ausschluss des Bieters führen muss. Das Gericht räumt dem Auftraggeber einen Ermessensspielraum ein, den im vorliegenden Fall das Gericht zugunsten des Bieters A gewertet hat. Darüber hinaus meint das Gericht, nicht jede rechtliche Verfehlung sei bei der Vergabeentscheidung als "schwere Verfehlung zu bewerten, die zu einem Ausschluss des Bieters führen müsse.

Bieter B hat mit seinem Anschwärzen seines Konkurrenten damit sein Ziel nicht erreicht. Es müssen vielmehr nachvollziehbare Gründe vorliegen, dass der betroffene Bieter A den Auftrag nicht integer abwickeln kann. Nicht jeder Rechtsverstoß führt gleichzeitig zu der Annahme, dass ein Bieter nicht integer den erhaltenen Auftrag abwickeln kann. Erfreulicherweise haben Versuche, dass ein Bieter den anderen beim Auftraggeber anschwärzt, in laufenden Vergabeverfahren selten Erfolg.

In einem vom Verfasser betreuten Vergabeverfahren, in dem ein Bieter versuchte, den Konkurrenten anzuschwärzen, zeigte sich, dass der anschwärzende Bieter selbst mehrere vergleichbare Verstöße begangen hatte, die auch Grund für erhebliche Zweifel an dessen Integrität aufkommen ließen. Ehe man bei einem Auftraggeber versucht, einen Konkurrenten anzuschwärzen, sollte man an den Grundsatz denken: "Wer selbst im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen".

Besonders interessant dürfte der weitere Leitsatz der Entscheidung des Gerichts sein (sämtliche Leitsätze nach Vergaberecht Heft 5, Seite 620 ff.). Der Leitsatz lautet wie folgt:

"Einem Bieter müssen die zur Leistungserbringung erforderlichen Mittel nicht bereits im Zeitpunkt der Angebotsabgabe oder bei Zuschlagserteilung zur Verfügung stehen. Sofern sich der öffentliche Auftraggeber keinen anderen Zeitpunkt vorbehält, muss der Bieter erst zum Zeitpunkt der Leistungserbringung über die eignungsrelevanten Mittel verfügen und das benötigte Personal einstellen."

Nach der Auffassung des Gerichts, die auch die herrschende Meinung sein dürfte, muss ein Bieter nicht bereits im Zeitpunkt seines Angebots über die entsprechenden personellen Kapazitäten verfügen. Gleiches gilt wohl auch für das erforderliche Gerät. Erst zum Zeitpunkt der Leistungserbringung muss der Bieter in der Lage sein, seinen vertraglich übernommenen Verpflichtungen voll und ganz nachzukommen. Dies ist auch vernünftig, da die meisten Bieter sich an einer ganzen Reihe Ausschreibungen beteiligen müssen bis sie einen Auftrag erhalten.

Das Vorhandensein von ausreichend Personal und Gerät zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe würde in die Dispositionsfreiheit des Bieters erheblich eingreifen. Der Bieter muss nur sicherstellen, dass er bei Auftragserteilung zu Beginn der Arbeiten für ausreichend Kapazitäten gesorgt hat. Nach Meinung des Gerichts muss nur auf Verlangen des Auftraggebers ein Bieter darlegen, aus welchen Gründen ihm das zur Auftragserfüllung erforderliche Personal und Gerät bei Auftragsbeginn tatsächlich zur Verfügung stehen wird.

2. Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig vom 07.04.2021, Az. 12 U 147/20

Ein Generalunternehmer verpflichtet sich gegenüber einem privaten Kunden zur Errichtung eines Einfamilienhauses zu einem Pauschalpreis von 398.000 Euro. Dem Vertrag wurden die vorformulierten Bedingungen des Generalunternehmers und ein Zahlungsplan zugrunde gelegt. Der Generalunternehmer errichtete sodann das Einfamilienhaus. Der Kunde zahlte gemäß dem vereinbarten Zahlungsplan sämtliche vertraglich vorgesehenen Raten. Erst nach vollständiger Bezahlung aber vor Abnahme bemerkte der Kunde, dass der Spitzboden des Hauses niedriger ist, als er vertraglich vorgesehen war. Er verlangt deshalb von dem Generalunternehmer Nachbesserung und zur Absicherung der Nachbesserung die Rückzahlung einer 5-prozentigen Abschlagsrate in Höhe von 19 900 Euro.

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Mit einem neuen Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig gewährt der Gesetzgeber dem Kunden mit Verbrauchereigenschaft einen besonderen Schutz. Foto: Sven Hagge, CC BY-SA 3.0

Das Gericht lehnt die Rückzahlung der 5-prozentigen Abschlagsrate des vereinbarten Werklohns ab und bejaht lediglich in seinem Urteil einen Anspruch des Kunden auf Sicherheitsleistung in Höhe von ebenfalls 5 Prozent des vereinbarten Werklohns. Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, der Zahlungsplan des Generalunternehmers sei unwirksam, da die für den Auftraggeber, als Verbraucher, nach § 650 Abs. 2 BGB vorgesehene Sicherheitsleistung nicht im Zahlungsplan berücksichtigt wurde. Nach der Vorschrift hätte der Zahlungsplan bereits bei der ersten Forderung einer Abschlagszahlung vorsehen müssen, dass der Generalunternehmer eine Sicherheit in Höhe von 5 Prozent des vereinbarten Werklohns zu stellen hat. Eine solche Sicherheitsleistung sah der Zahlungsplan nicht vor.

Auf den ersten Blick scheint die Rückzahlung einer Rate von 5 Prozent des Werklohns und eine Sicherheitsleistung in Höhe von 5 Prozent das Gleiche zu sein. Das ist jedoch nicht richtig. Die Stellung einer Sicherheitsleistung ist nicht identisch mit der Rückzahlung einer Rate an den Kunden. Sicherheitsleistung bedeutet, dass der Generalunternehmer dem Kunden eine Garantie, eine Bürgschaft oder ein sonstiges Zahlungsversprechen eines Kreditinstituts oder eines Versicherers geben muss (§ 650 m Abs. 3 BGB). Nach der Vorschrift hat der Kunde selbst nach vollständiger Bezahlung des vereinbarten Werklohns vor Abnahme noch Anspruch auf eine Sicherheitsleistung in Höhe von 5 Prozent der vereinbarten Vergütung.

Die Sicherheitsleistung soll gegenüber dem Generalunternehmer die Abnahmereife und fristgerechte Fertigstellung der vereinbarten Leistung absichern. Bei einem gewerblichen Kunden, der kein Verbraucher ist, hätte dieser keinen Anspruch auf Sicherheitsleistung und müsste sich auf die Verfolgung seiner Mängelrechte gegenüber dem Generalunternehmer beschränken. Auch hier gewährt der Gesetzgeber dem Kunden mit Verbrauchereigenschaft einen besonderen Schutz.

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Was passiert, wenn das verbaute Holz sich nach einer Zeit als mangelhaft zeigt? Hier können auch Unternehmer als Verbraucher angesehen werden und können die entsprechenden Vorteile genießen. Foto: Andreas Hermsdorf, pixelio.de

3. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 07.04.2021, Az.: VIII ZR 191/19

Ein Tischler bezieht 2012 von einem Holzhändler Bauholz für die Sanierung der Terrasse und die Außentreppe seines Privathauses. Die Rechnung für das gelieferte Holz wurde vom Holzhändler auf die Tischlerei des Auftraggebers ausgestellt. Drei Jahre nach Lieferung rügt der Tischler die eingebauten Hölzer wegen erheblicher Risse in der Verleimung und verlangt Vorschuss für den Ausbau und die Entsorgung der mangelhaften Hölzer sowie für den Aufwand der Lieferung und den Einbau mangelfreien Materials. Der Holzhändler lehnt die Kosten für den Aus- und Wiedereinbau ab. Zu Unrecht!

Der BGH sieht den Tischler, der tagtäglich mit Holz zu tun hat und dementsprechend Fachmann auf seinem Gebiet ist, im speziellen Fall als Verbraucher an und gewährt ihm alle Verbraucherrechte, d. h. der Tischler hat nicht nur Anspruch auf neues, einwandfreies Material, sondern erhält auch die Ein- und Ausbaukosten als Verbraucher zugesprochen. Die Entscheidung zeigt, dass eine normalerweise gewerblich tätige Person selbst auf ihrem speziellen Gebiet als Verbraucher angesehen und die entsprechenden Vorteile eines Verbrauchers genießen kann.

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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