Ausgegraben

OBST UND GEMÜSE aus dem eigenen Garten sind schwer angesagt. Angela Merkel nutzte ihren Besuch bei US-Präsident Barack Obama Anfang Mai, um sich den Gemüsegarten der Präsidentengattin zeigen zu lassen. Nur eine Woche zuvor erschien im Wiley-VHC Verlag ein neuer Band der "Für Dummies"-Reihe mit Tipps und Tricks zur Planung von Nutzgärten. Die Buchreihe zielt seit Jahren auf die technologieaffine Generation Y, die am liebsten per What's App und SMS miteinander verkehrt.

Irgendwie erinnert die verbreitete Rückkehr zum Nutzgarten an die im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts einflussreiche "Jugendbewegung", die dem von der Industrialisierung geprägten städtischen Leben ein neues Naturerleben entgegensetzte. So wie die Jugendbewegten einst auf hergebrachte Kulturelemente und Volkslieder zurückgriff, werden jetzt alte Tomaten- und Gurkensorten gepflanzt und traditionelle Kleingewächshäuser errichtet.

Aber Vorsicht: Während die Jugendbewegung noch tausende Menschen anzog, um in der freien Natur zu wandern und die Emanzipation des Nachwuchses zu propagieren, geht es heute doch eher um einzelne Familien und kleine Gruppen, die sich zusammentun, um wie zu Urgroßmutters Zeiten den Gemüsegarten zu hegen und zu pflegen. So schnell wie diese Bewegung gekommen ist, kann sie auch wieder verschwinden. Schnecken und Blattläuse werden das ihre tun, um den Nutzgärtnern das Leben sauer zu machen, im kleinen Gewächshaus entwickeln sich in stehender Luft Weiße Fliegen, bei hoher Luftfeuchte Pilzerkrankungen. Da ist der Supermarkt dann doch bequemer.

Christian Münter