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Bäume - Biodiversität und Insektensterben

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Berichte und Diskussionen um die Auswirkungen des Klimawandels rankten sich bislang um die unmittelbaren Folgen von globaler Klimaerwärmung und die damit verbundenen Wetterextreme wie Trockenheit, Hitzewellen, Starkregenereignisse oder Sturmextreme. Die Meldungen zum Insekten- und Vogelsterben überschlagen sich, wobei die Ursachen weniger dem Klimawandel zugeschrieben werden, sondern hauptsächlich der Zerstörung von Lebensräumen durch eine immer intensivere Landwirtschaft mit ihren Ackergiften, Industrialisierung und Flächenfraß durch immer ausufernde Infrastruktur, so zum Beispiel aktuell Bündnis 90 Die Grünen. Schnell werden Lösungen ohne Überprüfung ihrer Auswirkungen angeboten und mit hohen Geldforderungen verbunden. Pflanzenlieferanten nutzen die Situation für die Eigenwerbung, um ihre Produkte mit dem Hinweis u.a. auf Futterquellen für Insekten und Verbesserung der Biodiversität anzubieten, ohne dies detailliert mit Studien für konkrete Grünplanungen belegen zu können.

Aber ist das Verständnis für die komplexen Populationszusammensetzungen, ihre Veränderungen sowie die dafür verantwortlichen Faktoren in der Langzeitbetrachtung nicht viel zu unvollständig? In der Forstwirtschaft wird über ausgereifte Überwachungssysteme die Populationsentwicklung von Forstschädlingen ermittelt, um unter ökonomischen Aspekten Gegenmaßnahmen einleiten zu können. Auch in Hinblick auf Stadtbäume sind die pflanzenschädigenden Insekten vielfach als Objekt beschrieben, aber ein Monitoring zur Populationsdynamik findet bislang nicht statt, um Veränderungen jeglicher Art sicher erkennen zu können. Über andere Insekten wie zum Beispiel Bestäuber, Lästlinge, Mücken, Räuber und Parasiten ist nur durch wenige Studien etwas bekannt. Das wäre aber von großer Bedeutung für eine gezielte Pflanzenverwendung und Grünunterhaltung in der Stadt. Von daher ist es folgerichtig, dass im Weißbuchprozess endlich ein flächendeckendes Monitoring gefordert wird. Auf der vor kurzem stattgefundenen Fachtagung "Wie funktioniert Stadtgrün - selbstregulierende Ökosystemleistungen grüner Infrastruktur" wurden diese Zusammenhänge von zahlreichen Entomologen diskutiert und im Ergebnis die völlig unzureichende Datengrundlage festgehalten.

Auch wenn die Studien über ein großes Insektensterben in der Phytomedizin durchaus kritisch gesehen werden, so sind sie in der Sache sicher wertvoll. Gefragt sind jetzt komplexe Studien zu den populationsdynamischen Veränderungen der Insekten sowohl in baumgeprägten Stadtregionen als auch außerhalb. Die Grünkonzepte müssen weiterentwickelt werden, damit sie in stabilen ökologischen Gleichgewichten zur Gesunderhaltung von Stadtbäumen und damit zur Sicherstellung ihrer gewünschten Funktionen beitragen. Dies bedeutet, dass die Lebensbedingungen für Insekten über Futterangebote, Versteck- und Überwinterungsmöglichkeiten gezielt verbessert werden, ohne Schädlinge und Lästlinge zur Sicherung der urbanen Lebensqualität für den Menschen zu fördern. Pflegekonzepte und die Infrastruktur der Stadt müssen grundlegend hinterfragt werden, will man die Ökosystemleistungen des Stadtgrüns in seiner Vielfalt wirklich nutzen. Dies geht über die Gedanken des Naturschutzes weit hinaus. Sehen wir das Insektensterben als Warnsignal. Ihr Prof. Dr. Hartmut Balder

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Prof. Dr. habil. Hartmut Balder
Autor

Professor für Phytopathologie und Pflanzenschutz im urbanen Bereich

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