Zeitraubend, schwer durchsetzbar, firmentaktisch und doch fast immer gerechtfertigt

Baubetrieblicher Nachtrag

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Mit technischen Nachträgen kennen sich Bauleiter bestens aus. Im Vergleich zum baubetrieblichen Nachtrag sind die technischen Nachträge meist schnell gestellt und oftmals eindeutig und leicht zu belegen. Kurz gesagt, hier gibt es keinen oder nur wenig Diskussionsstoff. Ganz anders ist dies häufig bei baubetrieblichen Nachträgen.

Was ist ein baubetrieblicher Nachtrag? Definieren kann man einen baubetrieblichen Nachtrag als eine Aufstellung von Kosten aus Störungen und Behinderungen im Bauablauf. Wann liegt eine Störung oder eine Behinderung des Bauablaufs vor? Simpel gesagt immer dann, wenn nicht so gebaut werden kann, wie ursprünglich kalkuliert und vom Bauleiter geplant. Wenn es so einfach ist, warum ist es dann zeitraubend, schwer durchsetzbar und firmentaktisch geprägt?

Um diese Frage zu klären, wird nachfolgend in fünf einfachen Schritten erklärt, wie ein baubetrieblicher Nachtrag aufgebaut werden kann. Anschließend zeigen wir Ihnen an Hand eines Musterprojektes die Erstellung eines baubetrieblichen Nachtrags in der Praxis.

Erster Schritt: Erstellen Sie einen Bauzeitenplan Soll-Null

Als erstes erstellt der Bauleiter einen Bauzeitenplan (BZP) Soll-Null. Dieser Bauzeitenplan sollte dem Auftraggeber übergeben werden. Dies ist unsere Planung nach der wir bauen wollen. Dieser Bauzeitenplan ist die Vergleichsgrundlage für mögliche spätere Forderungen aus Störungen und Behinderungen im Bauablauf. Die Abbildung zeigt den Bauzeitenplan Soll-Null für das Musterprojekt.

Zweiter Schritt: Das Bautagebuch als Beweismittel

Ein gut geführtes Bautagebuch ist elementar für die spätere gerichtliche Beweisführung zu der es hoffentlich erst gar nicht kommt. Ziel ist es, den baubetrieblichen Nachtrag bereits vorgerichtlich durchsetzen zu können. Auch dem Auftraggeber gegenüber ist das Bautagebuch der Beleg für aufgetretene Störungen und Behinderungen. Wichtig hierbei ist, dass aufgetretene Störungen und Behinderungen klar benannt sind.

Bei Störungen im Bauablauf sind im Bautagebuch zu vermerken:

  • Der Grund der Störung
  • Der Ort der Störung (Baufeld)
  • Die Auswirkung der Störung
  • Das Angebot an die örtliche Bauleitung, an anderer Stelle zu arbeiten.


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Abb. 1: BZP Soll-Null. Quelle: www.baustellen-organisation.de
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Abb. 2: BZP Soll-Strich. Quelle: www.baustellen-organisation.de

Dritter Schritt: Erstellen einer Behinderungsanzeige oder auch Störungsmeldung

Bei einer Behinderungsanzeige denken die meisten Bearbeiter auf beiden Seiten wohl sofort an die harten Bandagen. Dabei dient die Behinderungsanzeige oder auch Störungsmeldung nicht nur als Durchsetzungsmittel für baubetriebliche Nachträge. In erster Linie dienen sie der Abwehr von Forderungen seitens des Auftraggebers aus Verzögerung, welche zu einem späteren Bauende als geplant führen. Rein rechtlich gesehen könnte ein Auftraggeber, bei nicht eingehaltenem Bauende, Vertragsstrafe vom Auftragnehmer fordern. Außerdem ist der Auftragnehmer gemäß § 6 VOB/B verpflichtet den Auftraggeber auf Störungen hinzuweisen.

Vierter Schritt: Erstellen des Bauzeitenplan Soll-Strich

Resultierend aus den Störungen ergibt sich eine Veränderung des Arbeitsablaufes und somit auch eine Veränderung des Bauzeitenplan Soll-Null. Aus diesem wird, mit den eingetretenen Störungen und Veränderungen, der Bauzeitenplan Soll-Strich. Er ist folglich eine Aktualisierung des Bauzeitenplan Soll-Null mit vergröberten Daten aus dem bisherigen Bauverlauf und der Prognose (Planung) für den weiteren Bauverlauf. Die Abbildung zeigt einen Bauzeitenplan Soll-Strich für das Musterprojekt.

Fünfter Schritt: Erstellen des baubetrieblichen Nachtrags

Zunächst muss die aufgetretene Störung eindeutig und für einen Dritten nachvollziehbar dem Auftraggeber zuzuordnen sein. In diesem Fall geht man juristisch von einer Zurechnung "dem Grunde nach" aus. Der Nachweis "dem Grunde nach" muss eindeutig geführt werden - "haftungsbegründende Kausalität". Erst als nächstes ist der Anspruch der Höhe nach zu berechnen. Der Anspruch der Höhe nach ergibt sich oft aus Ansprüchen, die aus der Verlängerung der Bauzeit und verschlechterter Produktivität, zum Beispiel aus zerstückelten Bauabläufen, entstehen. Hinzu kommt, dass oftmals technische und baubetriebliche Nachträge aus einer Störung kombiniert werden können. Hier ist erkennbar, warum der baubetriebliche Nachtrag auch eine firmentaktische Entscheidung ist. Welchem Kunden mute ich welche Art des Anspruchs in welcher Höhe zu, um auch weiterhin in einem guten Auftragsverhältnis agieren zu können?

Nachfolgend ein Praxisbeispiel, an dem Sie die fünf Schritte nachvollziehen können.

Schritt 1: Bauzeitenplan Soll-Null

Geplant hat der Bauleiter das Projekt mit einer Fünf-Mann-Kolonne zu bauen. Beginn ist der dritte April und die ersten drei Tage sind mit der Baustelleneinrichtung, den Rodungsarbeiten und dem Abbruch geplant. Nach diesen Arbeiten ist das Projekt in zwei Baufelder unterteilt bei denen Arbeitspakete wie "Auskoffern", "KG-Rohre legen" "Planum erstellen" und ähnliche vorgegeben sind. Bei einem reibungslosen Ablauf finden die abschließenden Hauptarbeiten am dritten Juli statt. So zumindest die Planung im Vorfeld. (s. Abb. 1 BZP Soll-Null).

Baustellen
Quelle: www.baustellen-organisation.de

Schritt 2: Bautagebuch

Die Kolonne beginnt am dritten April ihre Arbeit auf der Baustelle. Allerdings liegen die Fällgenehmigungen für drei große Bäume nicht vor. Diese hätte der Auftragnehmer einholen müssen. Diese "Störung" ist im Bautagebuch unter Bemerkung wie folgt vermerkt: "Fällgenehmigung für Bäume an Ecke SW liegen nicht vor. Unterbrechen der Arbeit bis Klärung. Nach Anweisung Ausweichen auf Zusatzarbeit". Folglich arbeiten, wie im BZP Soll-Null geplant, zwei Arbeitskräfte mit je acht Stunden im Arbeitspaket "Baustelleneinrichtung", drei Arbeitskräfte jedoch nur sechs Stunden im Arbeitspaket "Roden". Zwei dieser Drei sind die restlichen zwei Stunden mit Zusatzarbeit beschäftigt und der Polier mit Klärung wegen der fehlenden Fällgenehmigung. Ein unbeteiligter Dritter (zum Beispiel ein Richter) kann an Hand dieses Bautagebuches erkennen, wie der Arbeitsablauf auf der Baustelle an diesem Tag war.

Schritt 3: Behinderungsanzeige

Konsequenterweise hat die Bauleitung auf Grund der fehlenden Fällgenehmigung eine Behinderungsanzeige oder Störungsmeldung abzugeben. Das Fehlen der Genehmigung hat Auswirkung auf die Ablaufstruktur. Die Arbeitspakete "Roden" und "Abbruch" können nur teilweise zusammenhängend ausgeführt werden. Abgeschlossen werden können diese Arbeitspakete erst wenn die Fällgenehmigung vorliegt. Folglich könnte die Behinderungsanzeige in diesem Fall wie folgt lauten:

Schritt 4: Bauzeitenplan Soll-Strich

Der geänderte Arbeitsablauf auf Grund der fehlenden Fällgenehmigung wird in einen Bauzeitenplan Soll-Strich dargestellt. Bei einer so kleinen Störung wie im vorliegenden Fall würde in der Regel die Bauleitung keinen BZP Soll-Strich erstellen. Jedoch lässt sich an diesem simplen Beispiel der Sinn und Zweck des BZP Soll-Strich gut erklären sowie die eben nicht unerheblichen Auswirkungen dieser "Kleinigkeit" aufzeigen.

Für das Arbeitspaket "Roden", geplant mit einem Arbeitstag, wird jetzt 1,5 Tage, und für das Arbeitspaket "Abbrucharbeiten" werden aus zwei Arbeitstagen dann 2,75 Tage. Diese beiden Arbeitspakete können erst nach Erhalt der Fällgenehmigung beendet werden. Der Mehraufwand ergibt sich aus zusätzlichen Ein- und Abrüstzeiten, Anarbeiten an fertiggestellte Teilstücke, eventuell Schützen fertig gestellter Flächen, erforderlicher Einsatz kleinerer Maschinen und weiteren Punkten.

Diese Arbeitspakete sind nun in den Bauzeitenplan Soll-Strich einzupflegen. Ebenso sind die Arbeitspakete betroffen, die unterbrochen werden, um die Restarbeiten von "Roden" und "Abbruch" zu erledigen. Auf Grund dieser Unterbrechungen ergibt sich im Bauzeitenplan Soll-Strich ein Bau-Ende für den zehnten Juli; somit eine Woche Bauzeitverlängerung. Wie kann aus 1,25 Tagen Mehraufwand eine Woche Bauzeitverlängerung entstehen? Die Zerstücklung der Arbeitsabläufe hat Auswirkungen auf verknüpfte nachfolgende Arbeiten. Selbst das störungsfreie Baufeld Zwei wird hierdurch beeinflusst, da im Baufeld Eins teilfertige Arbeiten erst nach Beseitigung der Störung abgeschlossen werden können. Die Verknüpfungen der Arbeitspakete und die Auswirkungen der Störungen werden im BZP Soll-Strich graphisch nachvollziehbar dargestellt.

Schritt 5: baubetrieblicher Nachtrag

Der baubetriebliche Nachtrag für das Musterprojekt ist in den Tabellen 1 und 2 ausgeführt.

Die geplanten Arbeiten wurden mehrfach durch eine Störung unterbrochen. Die Störung war die fehlende Fällgenehmigung für drei Bäume in der SW-Ecke des Baufelds Eins (siehe BZP Soll-Strich V1 Zeile 4). Dies erforderte eine Umstellung der Bauablaufplanung in Teilabschnitte. Diese Zerstücklung in Teilabschnitte führt zu zusätzlichen Ein- und Abrüstzeiten, Aufwendungen für das Anarbeiten und Erschwernisse durch teilweise erforderliches Schützen der fertiggestellten Abschnitte und Erschwerung der An- und Abtransporte der Materialien sowie des Geräteeinsatzes.

Baustellen
Tab. 1: Baubetriebliche Nachtrag für das Musterprojekt
Baustellen
Tab. 2: Baubetriebliche Nachtrag für das Musterprojekt

Durch den geänderten Arbeitsablauf auf Grund der Störung ergeben sich also beim Vergleich von BZP Soll-Null und BZP Soll-Strich V1 Differenzen bezüglich der kapazitiven Personalkosten. Ein Arbeitskräftetag entspricht acht Stunden, folglich ergibt sich eine Differenz von 18 Arbeitsstunden. Bei einem vertraglich vereinbarten Stundenverrechnungssatz von 50 Euro ergeben sich:

18 h x 50 Euro = 900 Euro Personalkosten

Die Differenz von 18 Arbeitskräftestunden können von der Baustellenbesetzung in unserem Beispiel (5 AK die 40 h täglich arbeiten) in 0,45 Tagen abgearbeitet werden. Für diese 0,45 Tage können wir einen Mehraufwand für die Leistungsgeräte geltend machen. Bei dieser Baustelle betragen die Kosten für die Leistungsgeräte - gemäß vereinbarten Verrechnungssätzen mit dem Auftraggeber - in Summe 600 Euro täglich. Daher ergibt sich:

600 Euro x 0,45 Tage

= 270 Euro Maschinenkosten

Hinzu kommen die 2 h = 100 Euro für die Klärungszeit die der Polier benötigt

Summiert ergibt sich aus dieser "Kleinigkeit" - fehlende Fällgenehmigung - ein nachweisbarer Mehraufwand in Höhe von 1270 Euro. Dabei wurden Baustellengemeinkosten und allgemeine Geschäftskosten, die sich aus der Bauzeitverlängerung ergeben würden, noch nicht berücksichtigt. Diese Kosten sind um die in den kapazitiven Kosten - Personal und Leistungsgeräte - enthaltenen Zuschlagssätze zu reduzieren.

Zusammenfassung

Ein baubetrieblicher Nachtrag erfordert etwas Zeit der Bauleitung, rechtliche Kenntnisse und auch Einfühlungsvermögen gegenüber der Situation und den Beteiligten. Die Anzeige über Störungen gegenüber dem Auftraggeber ist zwingend. Die Entscheidung, ob sie daraus einen baubetrieblichen Nachtrag geltend machen ist letztlich abhängig vom Verhältnis zum Auftraggeber, vom fundierten Nachweis und von der Höhe des Nachtrages. Die Rendite der Projekte hängt nicht unwesentlich vom störungsfreien (kalkulierten) Ablauf ab. Wie im Rechenbeispiel dargestellt, verursacht bereits eine kleine Störung deutliche Mehrkosten. Bei komplexen Projekten ab ca. 200.000 Euro mit mehreren Gewerken auf der Baustelle sind Störungen vorprogrammiert und die entstehenden Mehraufwendungen liegen schnell im fünf- bis sechsstelligen Bereich. Baubetriebliche Nachträge können im Einzelfall über Verlust oder Gewinn entscheiden.

 Enrico Rösch
Autor

Projektsteuerung und baubetriebliche Nachträge im Landschaftsbau

 Jürgen Schwarz
Autor

Projektsteuerung und baubetriebliche Nachträge im Landschaftsbau

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