Die Landesgartenschau Zülpich 2014

Bauen in der Braunkohle

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Neue Gärten und Landschaften gründen tiefer als in der Schicht des (möglichst humosen) Oberbodens. Gestalterisch wie bautechnisch erweist sich die Landesgartenschau Zülpich als besondere Herausforderung. Bis zu 400.000 Besucher werden ab April 2014 in Zülpich, der "Stadt der Badekultur" erwartet, wenn die Landesgartenschau ihre Tore öffnet.

Neben einer Aufwertung der öffentlichen Räume in der historischen Innenstadt lockt die Neugestaltung eines Parks am Fuße der mittelalterlichen Stadtmauer, die in Zülpich direkt auf die offene Landschaft trifft. Vor allem aber lockt die Landesgartenschau an den Zülpicher See. Der Seepark Zülpich ist zwischen Rhein und Eifel, einer an natürlichen Seen armen Landschaft, die neue Attraktion.

Es ist gute Tradition der Gartenschauen, neue Landschaften zu kreieren und sie der Öffentlichkeit zu präsentieren. Ob ein ehemaliger Kiessee wie in Norderstedt (Landesgartenschau Schleswig-Holstein 2011), eine militärische Konversionsfläche, ein Kasernengelände wie in Hemer (Landesgartenschau Nordrhein-Westfalen 2010) oder ein ehemaliges Flughafengelände wie zur Bundesgartenschau 2005 in München - immer wieder ist es die Kultivierung durch Umnutzung, die eine Gartenschau strategisch bedeutsam für die Entwicklung einer Stadt macht.

Und immer wieder führt eine Gartenschau dazu, dass Gestalter, Besucher und Anwohner Neues lernen über Geschichte und Identität einer Stadt. Die Landschaftsarchitekten Geskes + Hack, die für die Landesgartenschau Zülpich den Seepark gestalteten, haben in diesem Feld schon in der Vergangenheit besondere Genauigkeit bewiesen und Zeichen gesetzt. So wurde eine ehemals klösterliche Fischteichanlage in Tirschenreuth (Oberpfalz, Bayern) durch die Landesgartenschau 2013 zu einer großartigen gärtnerischen Inszenierung des Stadt-Land-Übergangs.

Und eine vergessene Industriefläche aus der Zeit der ersten Tuchfabriken in Reichenbach (Vogtland, Sachsen) ist durch die Landesgartenschau 2009 heute ein farbenfroher Garten im Respekt vor der Industriegeschichte des Ortes. Die von Geskes + Hack in den vergangenen Jahren realisierten Gartenschauen vermitteln jeweils in besonderer Weise zwischen Geschichte und Gegenwart.

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Immer wieder verbinden die Landschaftsarchitekten die Entwicklung attraktiver Freizeit- und Gartenanlagen mit der Aufdeckung vergangener Schichten. Diesen Schichten nähert man sich gestalterisch durch besondere bauliche oder Spielelemente.

In diesem Jahr bestreiten die Landschaftsarchitekten gleich zwei Landesgartenschauen. Im hessischen Gießen wird der in den 1960er Jahren von Prof. Günther Grzimek entworfene Stadtpark in der Wieseneckaue behutsam "modernisiert", weiterentwickelt und an die umgebenden Stadtgebiete angebunden. Ein thematischer Leitfaden wird durch Bezüge zu Forschung und Wissensvermittlung in der alten Universitätsstadt entwickelt.

In Zülpich entsteht die Schau aus der Geschichte der Landschaft. Dass es gleich die römische Antike ist, die in Zülpich freigelegt und neu angelegt werden kann als Inspiration für eine neue Landschaft, ist allerdings eher die Ausnahme. Auch hier ist die Verknüpfung zwischen Stadt und Freiraum das stadtstrategische Thema der Landesgartenschau - gleichwohl in einem größeren Maßstab als in Gießen, der nicht nur städtische Freiflächen, sondern auch die umgebende Landschaft einbindet.

So wurde aus der erfolgreichen Bewerbung Zülpichs um die Durchführung einer Landesgartenschau eine stadt- und landschaftsstrategische Herausforderung, die sich auch in der Teilung der Aufgaben zwischen den verschiedenen Landschaftsarchitekten zeigt. Die historischen Stadtspuren einerseits, die neue Hinwendung zur Landschaft andererseits führen in Zülpich zu drei Schwerpunkten der Landesgartenschau: Innenstadt, Park am Wallgraben und der neue Seepark am Zülpicher See.

Römischer Einfluss auf die neue Freizeitlandschaft

Die Gründung Zülpichs geht auf die Römer zurück. Die Stadt am Kreuzungspunkt mehrerer römischer Handelswege war vor fast 2000 Jahren das größte Bad nördlich der Alpen. Soldaten und Händler sammelten sich in Zülpich. Wobei das römische Bad, heute Keimzelle für ein einzigartiges Museum der Badekultur, nicht mit einer Wellness-Anlage aktuellen Zuschnitts verwechselt werden sollte. Die Badekultur war Teil der Alltagskultur für alle Bevölkerungsschichten, die Bade-Abläufe waren im gesamten römischen Reich standardisiert - ein gewisser Luxus wie Fußbodenheizung, die Verfügbarkeit von reichlich warmem Wasser und die ornamentale Ausschmückung der Thermen gehörte zu diesem Standard.

Seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. existierte die römische Siedlung Tolbiacum inmitten der Eifel. Die Lage an der Kreuzung mehrerer römischer Fernstraßen, u. a. nach Bonn, Köln, Reims und Trier, ist teilweise noch heute im Stadtgrundriss und in der Feldflur Zülpichs zu erkennen. Die römische Therme entstand im 2. Jahrhundert nach Christus.

Aus den Besonderheiten der römischen Geschichte leiteten die Landschaftsarchitekten Geskes + Hack ihre wesentlichen Entwurfsideen für die Landesgartenschau Zülpich ab. Um einen überzeugenden Bezug zwischen See und Stadt herzustellen und das Seeufer als städtischen Raum neu zu definieren, setzen die Landschaftsarchitekten auf starke Gesten: die historisch nachgewiesene Achse einer alten Römerstraße, bepflanzt mit Säulen-Hainbuchen in Anlehnung an das mediterrane Vorbild der Zypressen, bindet als Allee die Innenstadt wie eine Fuge in der neuen Landschaft an den See an. Ihren Abschluss bildet ein vorgelagerter Aussichtspunkt mit Blick auf den See und die neue Freizeitlandschaft. Dieser Höhepunkt erinnert an eine Römerbastion, und der Blick von dort fällt auf den neuen Strandpark mit dem markanten Promenadendeck, das eine Badekultur des 21. Jahrhunderts begründet. Der Zülpicher See ist hier nicht einfach eine Badestelle. Sondern geboten wird eine Inszenierung des Badens, der Freizeit auf einer Plattform, die weit in den See hinausreicht. Das Baden ist heute Sport, Erholung und immer auch ein Stück Selbstdarstellung. Die urbane Bühne im See entspricht dieser Bedeutung des Badens und knüpft an eine ebenso traditionsreiche wie aktuelle Badeästhetik der Seebrücken, Badeschiffe und Strandpromenaden an.

Doch diese gestalterischen Leitideen werden in Zülpich weder kopiert noch musealisiert. Vielmehr nehmen die Landschaftsarchitekten die Bedeutungen einer ebenso historischen wie gegenwärtigen Badekultur auf und finden einen neuen, gegenwärtigen Ausdruck.

Kippen und Böschungen

Denn Zülpich hat eben auch eine jüngere Geschichte. Eine typische Geschichte des 20. Jahrhunderts - und ihr verdankt Zülpich seinen 85 ha großen See. Zülpich liegt im Bereich des niederrheinischen Braunkohlenbeckens. Daher wurde am Rande der Stadt ab 1953 in zwei Tagebauen Braunkohle abgebaut. In diesen zwar technisch modernen, aber relativ kleinen Gruben mit einem ungünstigen Verhältnis zwischen abzutragender Deckschicht und Kohleflöz erwies sich der Braunkohle-Abbau rasch als unwirtschaftlich. Aufgrund des feinkörnigen Bodens, einem Lehm-Löß-Tonsand-Gemisch, bereiteten die Verkippung des Abraums und die Gestaltung von Kippen und Böschungen im Zuge der Rekultivierung der Tagebaue einige Schwierigkeiten. Schon 1967 wurden die Gruben wieder aufgegeben. So entstand im Laufe der 1970er Jahren aus der Braunkohlegrube der Zülpicher See, der als Wassersportrevier äußerst beliebt und attraktiv ist. Bis 2008 gehörte die Wasserfläche einer Nachfolgegesellschaft der Bergwerksgründer Familie Rolff. Mit dem Beschluss zur Durchführung der Landesgartenschau erwarb die Stadt Zülpich den See, den sie bis dahin gepachtet hatte, inklusive 25 ha Nebenflächen am Ufer - den Flächen des heutigen Seeparks. Somit erschließt die Stadt mit ihrem Gartenschaukonzept nachhaltig ihr touristisches Potenzial als "Stadt am See".

Der Umgang mit Bergbaufolgelandschaften ist eine Herausforderung für mehrere Städte und Regionen. Internationale Bauausstellungen im Ruhrgebiet wie in der Lausitz widmeten sich in den 1990er Jahren diesem Thema. Die Landschaftsarchitektur wurde im Laufe dieses Transformationsprozesses immer mehr zu einem Schlüssel der Entwicklungsstrategien. Die Aufgabenfelder erweiterten sich um Aspekte des Sanierungsbergbaus und der Tourismusförderung. Damit verbinden sich immer weitergehende Anforderungen an die Landschaftsarchitektur. Neben der Anlage repräsentativer öffentlicher Räume und funktionaler Freiräume für Sport, Spiel und Erholung sowie der Landes- und Stadtverschönerung durch Gärten und Parks wird das Wirken der Landschaftsarchitekten heute auch anhand regionalwirtschaftlicher Erwartungen bemessen. Eine komplexe Entwicklungssteuerung beispielsweise tourismuswirtschaftlicher Prozesse wird erwartet, und in der Stadtbildpflege sehen viele Kommunen eine Schlüsselstrategie in der Standortkonkurrenz um Ansiedlungen und stabile Bevölkerungsstrukturen.

Geostrategie Bergbaufolgelandschaft

Gerade Kommunen im Transformationsprozess suchen ihre Chance in neuartigen Industrie- und Bergbaufolgelandschaften. Denn die sogenannten "weichen Standortfaktoren" führen dazu, dass Städte und Regionen erheblichen Aufwand betreiben, um ihr Stadt- und Landschaftsbild zu pflegen und zu entwickeln. Dieser Aufwand zeigt sich auch in bautechnisch immer anspruchsvolleren Aufgaben.

Das Aufgabenspektrum der Landschaftsarchitekten, insbesondere im Rahmen von Gartenschauen, hat sich über Gartenbeete und Gehölzpflanzungen hinaus immer weiter entwickelt. Deichhohe Wälle markieren heute neue Landschaften wie in Wolfsburg (entstanden zur niedersächsischen Landesgartenschau 2004), neue Seen entstehen oder Restlöcher werden reaktiviert. In der Lausitz wird für den Tourismus sogar ein neues Kanalnetz zur Verbindung der zu Wassersportseen gewandelten Braunkohlegruben angelegt, und in Berlin diskutierte man einige Zeit lang über einen künstlichen Berg auf dem Tempelhofer Feld. Die Dimensionen der Landschaftsarchitektur weisen längst über die Aufgabe der Landesverschönerung hinaus, mit der postindustriellen Freizeitgesellschaft sind neue Erwartungen an die Gestaltung und die Sanierung von Landschaften und ihre Funktionsvielfalt verbunden. Das macht die Landschaftsarchitekten zu Ingenieuren immer größerer Wandlungsprozesse. Das ästhetische Wissen und das Wissen des Ingenieurs verbinden sich angesichts der Dimensionen neuer Landschaften auf eine neuartige Weise.

In Zülpich potenzierten sich zwei Herausforderungen: Angesichts der Dimension des Sees musste eine deutliche Geste die Stadt mit dem See verbinden. Und diese neue Stegkonstruktion musste auf dem See in einem Boden verankert werden, der durch Braunkohleflöze und Tonschichten gekennzeichnet ist. Die Gründungsstatik der neuen baulichen Elemente im Wasser wurde angesichts des eher weichen Untergrundes zur spezifischen Herausforderung. Und zu überwinden war mit dem neuen Seepark ein großer Höhenunterschied zwischen Stadtgebiet und Seeufer. Besondere Herausforderungen also auch für ein erfahrenes Landschaftsarchitekturbüro, die in Kooperation mit den Wasserbauingenieuren AbTiWa bewältigt werden konnten.

Kleine Stadt mit großem Park

Insgesamt umfasst der neue Seepark Zülpich 20 ha. Die Landschaftsarchitekten konzentrierten sich angesichts der Dimension der Aufgabe in dieser Stadt mit 20.000 Einwohnern auf wesentliche Gesten, die den neuen Seepark kennzeichnen. Dieses sind die Fuge und Verknüpfung zwischen Stadt und See, die sich der gestalterischen Verbindung zwischen Bäderkultur und Gartenkultur widmet. Und es ist die Entwicklung einer sinnfälligen Erschließung des neuen Sees. Treppenanlagen und Rampen, flankiert von terrassierten Staudenbeeten und Baumgruppen mit Gehölzarten des Tertiärwaldes, überwinden den Geländeunterschied der Uferböschung zwischen der oberen Uferpromenade und dem Weg direkt am Ufer. Verschiedenste Themengärten sind in die obere, städtisch anmutende Promenade integriert.

Während der Uferstreifen im Bereich der Römerbastion mit urbanen Themengärten ausgestaltet ist, vermittelt der Seepark in seinem Charakter zwischen Stadt und Landschaft. Die Seeachse, die auf das Seebad zuläuft, leitet den Besucher über einen Schmuckplatz mit Kirschbäumen und Gartenterrassen mit üppigem Wechselflor, die Themen der römischen Badekultur aufgreifend, hinunter zur Seearena, dem zentralen Veranstaltungsbereich der Landesgartenschau.

Dort wird in Richtung Zülpicher See ein 6 m breiter Terrassenbereich aus Betonsteinpflaster parallel zu mehreren Gebäuden errichtet. Diese Terrasse erweitert sich im Bereich der Freitreppe zur Seebühne. Dieser Bereich ist gegenüber dem benachbarten Strandareal durch Betonelemente und Winkelstützen gefasst. Für die Entwässerung dieser Flächen musste ein eigenes Rinnensystem entwickelt werden, um Erosionen zu vermeiden.

Die Seebühne selbst war eine noch größere bautechnische Herausforderung. Denn diese Bühne sollte weder Teil des Ufers noch Teil des Sees sein, sondern beide verbinden. Daher galt es, die Seebühne mit Betonsteinpflaster und Holzauflagen aus Lärchenholz zu gestalten. Dazu wurde im Anschluss an die 20 x 28 m große Aufweitung der Pflasterfläche vor der Freitreppe teilweise an Land und teilweise im See eine Einfassung mit Betonwinkelstützelementen gebaut. Das Seebad selbst wird über Senkkästen (Spundwände mit Betonfundamenten) im Bereich der tragenden Baugrundschichten gegründet. Die wasserseitigen Plattformen bestehen aus einer feuerverzinkten Stahlkonstruktion aus Längs- und Querträgern, die miteinander und auf den Gründungspfählen verschraubt sind. Ein Aufwand, der wegen der Gründung in den eher weichen Bodenschichten notwendig wurde. Umfangreiche Bodenbewegungen im Bereich des nun vergrößerten Strandes waren notwendig, um heute einen völlig neu aufgebauten Sandstrand mit 40 cm feinkörniger Sandschicht anbieten zu können. Strand und Seeterrasse sind die Höhepunkte der Badekultur 2014.

In unmittelbarer Nähe der Seeachse entstand ein Wasserspielplatz, dessen Grundriss und dessen Spielelemente wie Wasserbecken, Rinnen, Holzdecks und Brunnen den Motiven der römischen Therme entnommen sind. Am Uferhang des Seeparks sind zudem Waldpakete und besondere Gärten zur aktiven Freizeitgestaltung entstanden. Die Blicke zur Eifel und über die Zülpicher Börde sowie die Betonung der Sichtachsen macht diese Neuanlage auch aufgrund ihrer Dimension zum Landschaftspark.

Autor

Landschaftsplaner, Fachautor

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