GaLaBau und Recht: Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

Bemerkenswerte Entscheidungen in Baurechtsstreiten

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Jeder Auftraggeber muss aufpassen, wie lange ein Gerüst an einer Baustelle erforderlich ist und wann nicht mehr. Foto: Alberto, Adobe Stock

Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht der Bundesgerichtshof oder eines der Oberlandesgerichte der Bundesländer Entscheidungen veröffentlichen, die für den Baubereich von Bedeutung sind. Dementsprechend versuche ich mit meinen Beiträgen die wichtigsten Entscheidungen für die GaLaBau-Unternehmer zu kommentieren. Dieses Mal habe ich folgende Entscheidungen ausgewählt:

1. Vergütung von Gerüstvorhaltezeiten

Häufiger Streit vor den Gerichten ist die Höhe der vereinbarten Vergütung. Oft würde es reichen, wenn die Parteien den Text der ausgeschriebenen Leistung sorgfältiger gelesen hätten. Ein besonderes Kapitel stellen die Leistungen dar, die auf Zeit ausgeschrieben sind. So hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf in einem entschiedenen Rechtsstreit (Az. 24 U 347/20) über Gerüstvorhaltekosten zu entscheiden.

Zwischen Baubetrieben, zu denen auch der GaLaBau-Bereich gehört, wird die Dauer einer Gerüstvorhaltung normalerweise der vorgesehenen Bauzeit angepasst. Allzu oft ist die Bauzeit allerdings deutlich länger, als ursprünglich vorgesehen. So war es auch bei dem Sachverhalt der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Gerüstbauer und eine Baufirma vereinbaren bis zur geplanten Fertigstellung eines Neubaus am 09.10.2018 die Vorhaltung eines Gerüstes. Die Vergütung des Gerüstbauers war mit 99,50 Euro pro Woche vorgesehen. Da die Baumaßnahme bis zum 09.10.2018 nicht fertiggestellt war, lässt der Gerüstbauer das Gerüst ohne besondere Absprache mit der Baufirma weiter stehen. Später verlangt er von der Baufirma für die Zeit nach dem 09.10.2018 bis zur Fertigstellung der Bauleistung am 05.07.2019 die vereinbarte Vergütung. Die Baufirma lehnt eine Bezahlung mit der Begründung ab, für den Zeitraum nach dem 09.10.2018 sei eine Gerüstvorhaltung nicht verlangt und das Gerüst auch in dieser Zeit überhaupt nicht genutzt worden.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf war der Meinung, es komme nicht darauf an, ob die Baufirma das Gerüst nach Ablauf der vereinbarten Grundstandzeit tatsächlich genutzt hat oder nicht. Es reiche vielmehr allein die Nutzungsmöglichkeit des Gerüstes durch die Baufirma. Es falle regelmäßig nicht in den Einfluss- und Verantwortungsbereich des Gerüstbauers, ob tatsächlich das Gerüst benutzt wurde.

Da es allein der Wahrnehmung der Baufirma unterliege, entspricht es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Üblichkeit, dass die Verpflichtung des Auftragnehmers zur Vorhaltung des Gerüstes erst beendet ist, wenn der Auftraggeber ausdrücklich darauf hinweist, ein Abbau solle erfolgen. Im Fall des Oberlandesgerichts Düsseldorf war unstreitig kein solcher Hinweis seitens der Baufirma gegeben worden. Auch hatte sich die Vorhaltezeit tatsächlich bis zum 05.07.2019 verlängert. Die Baufirma musste dementsprechend für die zusätzliche Zeit der Gerüstvorhaltung die vereinbarte Vergütung zahlen.

Das Urteil lässt den Schluss zu, dass jeder Auftraggeber aufpassen muss, wie lange ein Gerüst an der Baustelle erforderlich ist und wann nicht mehr. Um unnötig Geld zu investieren, sollte ein Auftraggeber stets rechtzeitig die Standzeit beim Gerüstbauer abmelden. Unternimmt der Auftraggeber nichts, muss er nicht überrascht sein, wenn er dem Gerüstbauer in erheblichem Umfang eine zusätzliche Vergütung zahlen muss.

Die Entscheidung des Gerichts gilt nicht nur für die Vergütung von Gerüststandzeiten. Auch bei anderen zeitabhängigen Vergütungen ist die beschriebene Rechtsprechung anwendbar. Insbesondere sei an die Vergütung für mobile Toilettenanlagen, Baucontainern, Baukränen etc. gedacht. Auch Pauschalvereinbarungen schützen den Auftraggeber oft nicht, wenn sich die Bauzeit wesentlich verlängert.

2. Die Vergütungspflicht weggefallener LV-Positionen

In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass bei einem Auftrag ganze LV-Positionen in Wegfall geraten, wobei es sich um fest zum Auftrag gehörende Positionen handelt und nicht etwa um reine Bedarfspositionen. Bei einem Einheitspreisvertrag sind die im LV angegebenen Mengen vom Aufsteller des Leistungsverzeichnisses geschätzt.

Endgültig abgerechnet werden die sodann ausgeführten und aufgemessenen Massen. Wird bei einer Abrechnung festgestellt, dass bei einzelnen Positionen die Mengen um mehr als 10 Prozent nach oben oder unten von den geschätzten Massen abweichen, ist auf Verlangen einer Vertragspartei ein neuer Einheitspreis für die Mehr- oder Mindermengen nach § 2 Abs. 3 VOB/B zu ermitteln. Verlangt keine der Parteien eine Anpassung wegen veränderter Massen, so bleibt der Einheitspreis unverändert.

In einem Urteil vor dem Oberlandesgericht Celle, Az. 16 U 34/20, ging es darum, dass ein Auftraggeber während der Ausführung der Leistungen dem Auftragnehmer mitteilte, eine Position im LV sei nicht mehr notwendig und er deshalb auf deren Ausführung verzichte. Der Auftragnehmer hat die weggefallene Position nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B als Teilkündigung abgerechnet, wohingegen der Auftraggeber der Meinung war, man könne die Abrechnung nur nach den Grundsätzen der Mengenminderung nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B ermitteln.

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Das Oberlandesgericht Celle entschied in einem Urteil zur Problematik Abrechnung nach den Grundsätzen der Teilkündigung. Foto: Hajotthu, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

Das Oberlandesgericht Celle und mit ihm später auch der Bundesgerichtshof (Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 12.01.2022, Az. VII ZR 240/20) halten die Meinung des Auftragnehmers für richtig, wonach nach den Grundsätzen der Teilkündigung abzurechnen ist. Das Oberlandesgericht Celle sieht eine Preisanpassung nach § 2 Abs. 3 VOB/B nur in den Fällen anwendbar, in denen sich das Risiko einer Fehleinschätzung verwirklicht (z. B. ungenaue Massen), weil im Hinblick auf die Mengen andere Verhältnisse vorgefunden wurden, als sie im Vordersatz des Leistungsverzeichnisses-Eingang gefunden haben.


Dieser Meinung war bereits der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 26.01.2012, Az. VII ZR 19/11). Der Wegfall einer Position aus dem Leistungsverzeichnis habe nichts mit einer ursprünglichen Ungenauigkeit der Mengenermittlung zu tun. Es handele sich hierbei um eine isolierte Entscheidung des Auftraggebers, nach Vertragsschluss auf eine Leistungsposition zu verzichten.

Ein solcher Fall ist als Teilkündigung abzurechnen, das heißt der Auftragnehmer kann für die weggefallene Leistung die volle Vergütung verlangen. Er muss sich nur seine ersparten Kosten anrechnen lassen. Regelmäßig wird er damit auch den entgangenen Gewinn realisieren können. Der Auftraggeber muss sich über die Konsequenzen im Klaren sein, wenn er im Nachhinein auf die Ausführung gewisser im vertraglichen LV vorgesehene Leistungen verzichten will.

3. Automatische Vereinbarung der VOB?

Immer wieder muss ich es als Rechtsanwalt in der Praxis erleben, dass die Parteien in Rechtsstreiten auf Bestimmungen der VOB/B Bezug nehmen. Überprüft man die bei Gericht beiderseits eingereichten vertraglichen Unterlagen, ist aber an keiner Stelle die VOB/B genannt oder auf einzelne Bestimmungen der VOB/B Bezug genommen. Auch wenn die Parteien in ihrem Vortrag vor Gericht wie selbstverständlich von den Bestimmungen der VOB/B ausgehen, ist diese doch nicht automatisch vereinbart.

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Geschäftspartner sollten vertraglich genau festlegen, ob sie sich an die Bestimmungen der VOB oder des BGB halten. Foto: Neue Landschaft


In einem Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Az. 22 U 179/18 hat das Gericht klargestellt, dass die Parteien die VOB ausdrücklich vereinbaren müssen. Dies gilt auch in den Fällen, wenn beide Vertragspartner branchenkundig sind. In seinem Beschluss vom 29.07.2019 betont das Gericht, die VOB sei nichts anderes "als eine normale allgemeine Geschäftsbedingung", die nur Vertragsbestandteil werden könne, wenn deren Geltung zwischen den Parteien auch vereinbart werde. Bei branchenkundigen Vertragsparteien kann lediglich darauf verzichtet werden, dem Vertragspartner den Text der VOB zur Verfügung zu stellen.

Anders ist die Situation, wenn der Vertragspartner des Auftragnehmers ein Verbraucher (§ 13 BGB) ist. Um die VOB in einen Vertrag mit einem Verbraucher einzubeziehen, muss sichergestellt werden, dass der Verbraucher über den Inhalt der VOB in zumutbarer Weise Kenntnis erlangen kann. Ich empfehle deshalb bei Verträgen mit Verbrauchern, den Text der VOB bereits mit dem Vertragsangebot zu übermitteln. Auch wenn sich die Bestimmungen der VOB und die des BGB im Laufe der Jahre immer mehr angenähert haben, gibt es doch immer noch gravierende Unterschiede, so dass es im Einzelfall durchaus darauf ankommen kann, ob man es mit einem VOB- oder einem BGB-Vertrag zu tun hat.

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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