Bestimmung wichtiger Salix-Arten am Naturstandort und ihre Verwendung in der Ingenieurbiologie

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Weiden sind eine weitgehend unbeachtete, aber dennoch sehr interessante heimische Gehölzgattung. Üblicherweise assoziiert man mit dem Begriff am ehesten die majestätisch eine Parkanlage prägende Trauerweide, die auffällig im zeitigen Frühjahr blühenden Kätzchen oder das Bindematerial der Korbflechter.

Weiden bilden eindrucksvolle Baumsolitäre entlang naturnaher Flüsse (Abb.1). Im Baumschulsortiment sucht man nahezu vergeblich nach heimischen Arten. Hier werden wenige, vorwiegend Kultursorten mit ausgeprägten Kätzchen oder hängendem Wuchs angeboten. Dabei ist sie mit circa 60 Arten in Europa vertretene Gattung recht umfangreich. Die große Ähnlichkeit der äußeren Merkmale und die Vielzahl an Kreuzungen untereinander macht die Unterscheidung der Arten ausgesprochen kompliziert. Mit Bestimmungsshlüsseln, die alle Arten abdecken, tun sich selbst Dendrologen schwer. Um der vielfältigen Beeutung der heimischen Weidenart gerecht zu werden und um die am häufigsten anzutreffenden Arten besser erkennbar zu machen, wurde ein Bestimmungsschlüssel für die zehn häufigsten Weidearten des Tief- und Hügellandes einschließlich zweier häufiger Hybride entwickelt. An der TU Dresden in Lehrveranstaltungen erprobt, soll dieser Schlüssel nunj zugänglich gemacht werden, damit die anzutreffenden Weiden als Gehölze fachgerecht benannt und verwendet werden können.

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Salix Arboristik
Tab. 1: Definition der Material-Kategorien von Weiden

Die Eigenschaften der Weiden als Grundlage ihrer Bedeutung und Verwendung

Landschaftsästhetische Bedeutung

Weiden prägen in weiten Teilen Deutschlands die Landschaftsräume mit ihren großen und kleinen Fließgewässern, den Bächen, Flüssen und Strömen. Dabei kommen sie als Solitäre vor, wie hier an der Elbe bei Mühlberg, oder sie bilden mehr oder weniger geschlossene Ufergehölzsäume entlang der Gewässer. Gleich ob Siedlungsgebiete oder ausgeräumte Agrarlandschaft, die lineare meist kaum hervortretende Struktur der Fließgewässer bekommt durch die Weiden und weitere Ufergehölze eine vertikale deutlich wahrnehmbare Dimension. Weiden sind als Lichtgehölzart selten in waldartigen Beständen anzutreffen. Am wohlsten fühlen sie sich im Freistand am Gewässer, können mächtige Kronen ausbilden (Abb. 1) und haben wie im Fall der Silber-Weide eine Lebenserwartung von bis zu 200 Jahren (Roloff 2017).


Ökologische Bedeutung

Eine der häufigsten Weidenarten ist die Sal-Weide. Mit der Blüte im März und den weithin leuchtenden, gelben Kätzchen ist sie zumindest zur Blütezeit am leichtesten erkennbar. Als das Bienennährgehölz des zeitigen Frühjahrs steht sie stellvertretend für die hohe ökologische Bedeutung der heimischen Weidenarten. Die meisten Arten besiedeln als typische Bewohner der Fließgewässer die Uferböschungen, können als einzige neben der Erle ins Wasser hinein und in den dauerfeuchten Bereich der Sohle wurzeln. Das Wurzelwerk ist sehr feingliedrig und dicht und bietet freiliegend ideale Lebensraumbedingungen für eine Vielzahl an wirbellosen Kleintieren und die Fischfauna. Im Verbund mit dem Sohl- und Ufersubstrat bildet es eine stabile Verankerung und Erosionssicherung. Kann demgegenüber in bewuchsfreien Ufer- und Sohlpartien Substrat abgetragen und umgelagert werden, tragen die Gehölze zu einer kleinteiligen und wertvollen Strukturierung der Gewässerläufe bei, deren Vielfalt wiederum Arten der Flora und Fauna Lebensraum bietet. Die Beschattung bei geschlossenen Gehölzsäumen sorgt für ein ausgeglichenes Binnenklima und kaum schwankende Wassertemperaturen, die aquatisch gebundenen Arten ebenfalls zu Gute kommen. Deckung und nahrhaftes Grün für Wild, Ansitzwarten und Nistmöglichkeiten für Singvögel und Höhlenbrüter, besonders in den Morschungen und Klüftungen alter Weiden (Abb. 2), zählen zu den weiteren Werten dieser Artengruppe. Da die meisten Weidenarten zudem schnellwüchsig und kurzlebig sind, dürften sie unersetzbar als Totholzlieferanten für die große Gruppe der Insekten und holzzersetzenden Arten sein.

Nutzungstechnische Bedeutung

Wohl als Ausgleich zu ihrer Kurzlebigkeit und als Anpassung an zum Teil Extremstandorte weisen die Weiden ein hohes Regenerationsvermögen auf. Dieses bescherte ihnen eine Nutzungsform, die gleichermaßen landschaftsprägend wurde: die Kopfweide (Koeppe 1983). Bei häufigen Rückschnitten auf gleiche Stammlänge bilden diese eine Kopfform aus und entwickeln bis zu drei Meter lange gleichmäßige, verzweigungsfreie Jahresruten, die für die Korb- und Weidenflechterei das bestimmende Ausgangsmaterial sind. Die zusätzlich hohe Elastizität und Biegefestigkeit findet sich bei kaum einer anderen Gehölzart wieder, so dass die Ruten auch im Fachwerk- und Zaunbau sowie im Erd- und naturnahen Wasserbau Anwendung fanden und auch gegenwärtig noch finden. Im naturnahen Wasserbau ist Weidenmaterial der maßgebliche Bestandteil der ingenieurbiologischen Bauweisen. Ihre Fähigkeit zur Spross- und Adventivwurzelbildung sowie weitere biotechnische Eigenschaften versetzen Weiden in die Lage, in einem aus verschiedenen Komponenten zusammengesetzten "Bauwerk" (=ingenieurbiologische Bauweise) spezielle Funktionen zu übernehmen (Schiechtl & Stern 1994).

Ingenieurbiologische Bauweisen sind nachhaltig und naturnah. Sie kommen fast ausschließlich mit natürlichen Materialien aus und sind nach einer initialen Entwicklungsphase des Anwachsens kaum mehr erkennbar. Aus den ingenieurbiologischen Bauweisen entwickeln sich naturnahe Weiden- und Ufergehölz-Bestände. Diese können neben Ufer- und Erosionsschutzfunktionen auch zur Habitatvielfalt an den Fließgewässern beitragen, damit eine ökologische Funktionalität bieten sowie landschaftsprägende und erholungswirksame Grünverbindungen etablieren.

Umsetzung der Richtlinie zur Verwendung gebietsheimischen Pflanzmaterials durch die Ingenieurbiologie

Um der Bedeutung der Weiden gerecht zu werden, gehören die natürlichen heimischen Weidenbestände zu den vom Bundesnaturschutzgesetz besonders geschützten Biotopvorkommen (BNatSchG, §§ 1 und 30). Die standörtliche Anpassung, die Reaktionsfähigkeit auf Witterungsextreme und sich ändernde klimatische Bedingungen sowie die geringere Anfälligkeit gegenüber Schädlingen und Parasiten sind nach Kowarik & Seitz (2003) weitere Vorzüge heimischer Gehölzarten in diesen Habitaten. Im Jahr 2009 wurde mit § 40 in der Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes die Rechtsgrundlage dafür geschaffen, dass bei Neuanlagen von Gehölzbeständen in der freien Natur nur noch Pflanzmaterial verwendet werden darf, das seinen genetischen Ursprung in der jeweiligen Region hat (BMU 2012). Rechtsverbindlich umzusetzen ist diese Regelung ab 1. März 2020. Gegenwärtig sind gewünschte Stückzahlen noch nicht für jede heimische Art und jedes Vorkommensgebiet verfügbar. Nicht absehbar ist, ob es der Baumschulpraxis gelingen wird, dies ab Frühjahr 2020 zu gewährleisten.

Mit Blick auf diese Regelung haben die meisten heimischen Weidenarten einen entscheidenden Vorteil gegenüber allen weiteren Gehölzarten: Auf Grund ihres Adventivwurzelvermögens sind sie in der Lage, aus Pflanzenteilen, zum Beispiel Ast- oder Wurzelstücken, sprossbürtige Faserwurzeln zu bilden, anzuwachsen und eine neue Pflanze auszubilden. Diese vegetative Vermehrbarkeit ist entscheidende Grundlage der Verwendung der Weiden in der Ingenieurbiologie. So können Äste, Zweige, Ruten, Stecklinge, Steckhölzer und Setzstangen, aber auch Wurzelstöcke und Baumstämme, in die Erde gesteckt oder eingebaut und zur Begründung neuner Gehölzbestände genutzt werden. Die Anzucht bewurzelter Jungpflanzen aus Sämlingen kann komplett entfallen. Vielmehr gewinnt man das Weidenmaterial kostengünstig im Rahmen der Gehölzpflege in der näheren Umgebung, baut es sofort wieder an Ort und Stelle ein und kann damit auf einfache Weise die Richtlinie zur Verwendung gebietsheimischen Pflanzmaterials umsetzen.

Möglichkeiten der "Pflanzung" und Entwicklung von Weiden

Die Pflanzung von Weiden kann demnach jenseits der Baumschulsortimente durch ingenieurbiologische Bauweisen erfolgen. Gegenwärtig werden um die 100 verschiedene Bauweisen beschrieben, die unter Verwendung von Weidenmaterial als punktuelle, lineare und flächige Bauweisen Einsatzmöglichkeiten erschließen (Schiechtl & Stern 2002, SMUL 2005, Zeh 2007 und WBW 2013). Abb. 3 und Tab. 1 zeigen, welche Komponenten aus einem Weidenbestand für ingenieurbiologische Bauweisen gewonnen werden können. Aus der Anzahl an möglichen bewurzelungsfähigen Pflanzenteilen ergeben sich Bauweisen und Bauweisenkombinationen, die für jede Begrünungsaufgabe individuelle Lösungen anbieten. Am häufigsten Verwendung finden Weidensteckhölzer, lebende Pflöcke und Weidensetzstangen sowie Lebendfaschinen aus austriebsfähigem Astwerk. Größere Teile des Lebendmaterials lassen sich zur Strukturierung eines Bestands oder Gewässerufers einsetzen. So können zum Beispiel Baumstämme und Wurzelstöcke als strömungslenkende und sich begrünende Buhnen eingebaut werden.

Fast alle heimischen Weidenarten weisen die Eigenschaft der adventiven Bewurzelung auf, so dass diese mittels Einbau austriebsfähiger Pflanzenteile "angepflanzt" werden können. Beispielsweise entwickeln sich aus einzeln eingebauten Weidensetzstangen bei regelmäßigem Schnitt Kopfweiden (vgl. Abb. 4 bis 8). Lineare Bauweisen wie Lebendfaschinen sind unter anderem geeignet, Baumweidenbestände zu initialisieren. Mit flächigen Bauweisen, die nur aus Weidenkomponenten bestehen, lassen sich Weidengebüsche anlegen. Werden weitere standortgerechte Gehölzarten wie Schwarz-Erle, Esche oder Berg-Ahorn mit den Bauweisen eingebaut, dient die Weide als Pionierbaumart zur schnellen Begrünung, bis sich die Klimaxarten bestandsbildend etabliert haben. Aufgrund ihres großen Lichtbedürfnisses verschwinden die Weidenarten dann nach und nach aus diesen Beständen. Ihren typischen Habitus entwickeln sie nur bei ausreichend Freistand und Belichtung.

Salix Arboristik
Tab. 2: Eigenschaften der 10 wichtigsten Weidenarten einschließlich zweier häufiger Hybride im Sommer (wichtigste Alleinstellungsmerkmale fett)
Salix Arboristik
Tab. 3: Eigenschaften der 10 wichtigsten Weidenarten einschließlich zweier häufiger Hybride im Winter (wichtigste Alleinstellungsmerkmale fett)

Die weiteren Anforderungen sind bei einer Weidenpflanzung ebenfalls unkompliziert. Deren Fähigkeit zur Wurzelbildung an überschütteten Spross- und Stammabschnitten lässt es im Gegensatz zu den meisten Hochstammpflanzungen gleichgültig sein, wie hoch oder tief sie gepflanzt und ob sie nachträglich übererdet werden. Auch an das Pflanzsubstrat stellen Weiden keine Anforderungen. Als Pionierpflanze sind sie in der Lage, Rohböden zu besiedeln, durch Wurzelaktivitäten die Bodenflora und Fauna zu mobilisieren und den Standort zu erschließen. Ihr Regenerations- und Stockausschlagvermögen macht Weiden unempfindlich gegenüber mechanischen Beschädigungen und regt die Pflanze stattdessen zu zusätzlichem Wachstum aus schlafenden Knospen an. Das heißt, auch nach rigorosen und wiederholten Rückschnitten, wie bei einem Auf-den-Stock-setzen üblich, treiben sie wieder aus, verjüngen sich und wachsen zu einem neuen Baum oder Strauch heran.

Bestimmung der häufigsten Weidenarten am Naturstandort im Tief- und Hügelland (A. Roloff)

Nachfolgend werden neu erarbeitete, einfache und praktikable Bestimmungsschlüssel für die 10 häufigsten Weidenarten (incl. zwei Hybride) im Sommer- und im Winterzustand nach vegetativen Merkmalen vorgestellt. Für die Bestimmung sollten keine beschatteten Zweige und keine stark wüchsigen einjährigen Stockausschläge verwendet werden, da diese abweichende Eigenschaften aufweisen. Die zutreffenden Eigenschaften sind in Tabelle 2 und 3 ebenfalls für Sommer und Winter übersichtlich dargestellt. Außerdem veranschaulicht Abb. 9 zeichnerisch die wichtigsten Blattmerkmale.

Salix Arboristik
Vgl. Tab. 2 und Abb. 9

Literatur

BMU - Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.) (2012): Leitfaden zur Verwendung gebietseigener Gehölze. Berlin.

Koeppe, H.D. (1983): Bedeutung, Erhaltung und Pflege von Kopfweiden. Anthos 22: 24-30.

Kowarik, I.; B. Seitz (2003): Perspektiven für die Verwendung gebietseigener ("autochthoner") Gehölze. Neobiota 2: 3-26.

Roloff, A. (2017): Der Charakter unserer Bäume - Ihre Eigenschaften und Besonderheiten. Ulmer, Stuttgart.

Roloff, A.; A. Bärtels (2018): Flora der Gehölze - Bestimmung, Eigenschaften, Verwendung. 5. Aufl. Ulmer, Stuttgart.

Schiechtl, H. M.; R. Stern (1994): Handbuch für naturnahen Wasserbau. Eine Anleitung für ingenieurbiologische Bauweisen. Österreichischer Agrarverlag, Wien.

SMUL - Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft (Hrsg.) (2005): Ufersicherung - Strukturverbesserung - Anwendung ingenieurbiologischer Bauweisen im Wasserbau - Handbuch (1). Dresden.

Stowasser, A. (2011): Potenziale und Optimierungsmöglichkeiten bei der Auswahl und Anwendung ingenieurbiologischer Bauweisen im Wasserbau. Dissertation. Schriftenreihe Umwelt und Raum, Band 5, 2011. Göttingen.

WBW - Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung mbH & Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) (Hrsg.) (2013): Ingenieurbiologische Bauweisen an Fließgewässern Teil 1, Leitfaden für die Praxis, Teil 2, Steckbriefe aus der Praxis Teil 3, Arbeitsblätter für die Baustelle. Karlsruhe.

Zeh, H. (2007): Ingenieurbiologie - Handbuch Bautypen. Vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich. Zürich.

Autorin

Projektingenieurin bei Stowasserplan

Autor

Geschäftsführer und Projektleiter von Stowasserplan

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