GaLaBau und Recht: Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

BGH-Urteil zur Preisermittlung bei Mehrmassen, was nun?

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Preisbildung Recht und Normen
Statt der herrschenden Meinung zu folgen, lehnt sich der Bundesgerichtshof für die Berechnung der Vergütung von Mehrmassen an die Regelung des § 650c BGB an. Foto: Ralph Orlowski, Adobe Stock

Am 08.08.2019 hat uns der BGH mit einem Urteil (Az. VII ZR 34/18) zu § 2 Abs. 3 VOB/B überrascht, das für die Abrechnung von Massenmehrungen von großer Bedeutung ist. Mein Kollege Prof. Dr. Mark von Wietersheim hatte in der Oktober-Ausgabe der Neuen Landschaft sehr verdienstvoll auf die Entscheidung des BGH hingewiesen und zum Teil auch schon Konsequenzen für die Praxis aufgezeigt.

Wie bekannt, gibt es im Wesentlichen in der VOB/B drei Bestimmungen, die sich mit geänderten Abrechnungsverhältnissen befassen.

Die Regelung der VOB

- Anfall von Mehrmassen, ohne dass der Vertragsinhalt geändert oder ergänzt wurde, §2 Abs. 3 VOB/B.

- Vergütungen bei geänderten Leistungen gem. § 2 Abs. 5 VOB/B.

- Vergütungen für zusätzliche Leistungen gem. § 2 Abs. 6 VOB/B.

Das neue Urteil des BGH befasst sich nur mit dem Fall des § 2 Abs. 3 VOB/B, weil der Sachverhalt keinen Anlass gab, auf andere Bestimmungen hinzuweisen. Im konkreten Fall war die Entsorgung von einer Tonne Bauschutt ausgeschrieben. Ohne dass es zu einer Vertragsänderung kam, fielen sodann allerdings 83,92 Tonnen zur Entsorgung an. Der Auftragnehmer berechnete dementsprechend für die ganz erheblichen Mehrmassen jeweils den hohen Einheitspreis. Der Auftraggeber war allerdings nicht bereit, mehr als 150,40 Euro je Tonne zu bezahlen, weil der Auftragnehmer entsprechende Ersparnisse insbesondere bei den Container- und Transportkosten gehabt habe.

Die Regelung des § 2 Abs. 3 VOB/B

Es sei daran erinnert, dass nach der Vorschrift generell bei Massenüberschreitungen von bis zu 10 Prozent der Einheitspreis unverändert bleibt. Für die darüber hinausgehende Überschreitung, das heißt mehr als 110 Prozent insgesamt, ist auf Verlangen nach § 2 Abs. 3 VOB/B ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten zu vereinbaren. Ebenso gibt es in der Vorschrift eine Regelung für Mindermassen, die hier nicht näher erörtert werden soll.

Korbion'sche Formel

Die bisherige herrschende Meinung folgte der sogenannten Korbion'schen Formel (benannt nach dem bedeutenden Baurechtler Prof. Korbion). Diese lautet kurzgefasst: "Guter Preis bleibt guter Preis, schlechter Preis bleibt schlechter Preis."


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Ein Auftragnehmer, der bei Massenmehrungen sich bisher an nicht kostendeckenden Einheitspreisen weitgehend festhalten lassen musste, wird durch die neuen Urteilsgründe des BGH, bei Mehrmassen über 110 Prozent vor Verlusten geschützt. Foto: Ute Grabowsky

Für die Bildung eines neuen Preises bedeutet dies nach der bisher fast einhellig vertretenen Meinung, dass sich am vereinbarten Preis für die Mehrmenge nur solche Kostenelemente ändern, die durch die Mengenänderung verursacht sind. Statt der herrschenden Meinung zu folgen, lehnt sich der BGH für die Berechnung der Vergütung von Mehrmassen an die Regelung des § 650c BGB an. Das heißt, der Vergütungsanspruch für die Mehrmassen (über 110%) soll unter Berücksichtigung des vermehrten bzw. verminderten Aufwandes nach den tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten sowie Wagnis und Gewinn ermittelt werden. Für die Abrechnung des Auftragnehmers bedeutet dies für über 110 Prozent hinausgehende Massen, dass keine Fortschreibung insbesondere auch nicht für den Gewinnanteil erfolgen soll, sondern nur noch ein angemessener Zuschlag berechnet werden darf. Bei Mehrmassen im Sinne des § 2 Abs. 3 VOB/B wird mit der neuen Rechtsprechung im Zweifel der Auftraggeber besser gestellt als bisher. Fälle, in denen Auftragnehmer bei ihrer Preisgestaltung in Erwartung deutlich höherer Massen entsprechend kalkuliert haben, um einen Vorteil hieraus zu ziehen, dürften nach der neuen Rechtsprechung seltener von Erfolg gekrönt sein.

Wie reagiert die Praxis?

Konsequenzen bei nicht kostendeckenden Einheitspreisen

Wenn man die Entscheidungsgründe des BGH auf Fälle anwendet, bei denen Auftragnehmer nicht kostendeckende Einheitspreise angeboten haben, dürfte das Urteil für Auftragnehmer von Vorteil sein. Konsequenter Weise wird man bei Anwendung der Grundsätze des BGH davon auszugehen haben, dass der vereinbarte (nicht kostendeckende) Einheitspreis nur für 110 Prozent der Vertragsmenge gilt. Für die darüber hinausgehenden Mehrmassen wäre nicht mehr der nicht kostendeckende alte Einheitspreis sondern der Preis anzusetzen, der sich nach den tatsächlich erforderlichen Kosten richtet mit Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten sowie Wagnis und Gewinn. Ein Auftragnehmer, der bei Massenmehrungen sich bisher an nicht kostendeckenden Einheitspreisen weitgehend festhalten lassen musste, wird durch die neuen Urteilsgründe des BGH, bei Mehrmassen über 110 Prozent vor Verlusten geschützt. Die neue Rechtsprechung des BGH ist dementsprechend nicht in jedem Fall nur zum Vorteil des Auftraggebers.

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Die Vergütung wird nach den im Ausschreibungstext festgelegten Ermittlungsgrundsätzen errechnet. Foto: Andreas Hermsdorf, pixelio.de

Andere Regelungen im Vertragstext

Sämtliche vorstehenden Ausführungen gelten nur, soweit die Vertragsparteien keine abweichenden Regelungen zur Vergütung von Massenmehrungen getroffen haben. Im Zivilrecht herrscht nach wie vor in gewissem Umfang Vertragsfreiheit, d. h. es steht den Parteien frei, eigene Regelungen zu treffen, sofern sie nicht gegen zwingende gesetzliche Vorschriften oder gegen die guten Sitten verstoßen.

So finden sich beispielsweise immer wieder Vertragstexte, in denen § 2 Abs. 3 VOB/B abgeändert wird, so zum Beispiel dass die Vorschrift gänzlich abgedungen wird und die Nachtragspreise für Massenmehrungen stets unverändert bleiben sollen. Eine Bestimmung die, je nach Kalkulation für die eine oder andere Partei, durchaus schmerzlich werden könnte. Oft wird die 10-prozentige Überschreitung bei Mehrmassen in § 2 Abs. 3 VOB/B dahingehend geändert, dass eine Anpassung der Vergütung bei 20 oder gar bei 30-prozentiger Überschreitung erfolgen soll.

Schutz vor Korbion'scher Formel

Da die herrschende Meinung die bereits oben erwähnte Korbion'sche Klausel für Auftraggeber bei Massenmehrungen und Nachträgen erheblich schädigen kann, haben öffentliche Auftraggeber und dort insbesondere Kommunen zumeist schon in ihren Ausschreibungstexten versucht vorzubeugen. Man hat dort Bestimmungen zum Vertragsinhalt gemacht, die die Preisermittlung bei Massenmehrungen auch bei Änderungen oder zusätzlichen Leistungen regeln sollen. Man wollte damit verhindern, dass Auftragnehmer bei Massenmehrungen Phantasiepreise zugrunde legen. Darüber hinaus sollten auch die oft negativen Folgen der oben genannten Korbion'schen Formel eingeschränkt werden. So finden sich gerade bei Kommunen häufig Regelungen in den Ausschreibungstexten, die unter Bezugnahme auf eine oft sogar hinterlegte Urkalkulation aufzeigen, wie die Vergütung bei Mehrmassen ermittelt werden soll. Sofern keine Bedenken gegen den Inhalt solcher Klauseln bestehen (fast immer wirksam) gehen diese Preisermittlungsbestimmungen der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wohl vor. Es käme dann nicht auf die erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten sowie Wagnis und Gewinn an. Die Vergütung wird dann nach den im Ausschreibungstext festgelegten Ermittlungsgrundsätzen errechnet.

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Auftragnehmer, die zu ihren Gunsten höhere Massen kalkuliert haben, dürften künftig weniger Erfolg bei der Rechtsprechung verbuchen. Foto: Kittiphan, Adobe Stock

Ausblick

Sofern nicht nach vertraglichen Bestimmungen eine andere Regelung vertraglich vereinbart ist, wird sich die Ermittlung der Vergütung von Mehrmassen wohl nicht nur auf § 2 Abs. 3 VOB/B beschränken. Der Verfasser geht davon aus, dass auch die sich aus § 2 Abs. 5 VOB/B (geänderte Leistung) und § 2 Abs. 6 VOB/B (zusätzliche Leistung) ergebenen Vergütungen an der neuen Rechtsprechung messen lassen müssen. Befürchtet ein Unternehmer aufgrund der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bei Mehrmassen zu schlecht abzuschneiden, sollte er bei vom Auftraggeber geänderten oder zusätzlichen Leistungen vor Beginn der Arbeiten dem Auftraggeber ein schriftliches Angebot unterbreiten und sich dieses zeitnah noch vor Ausführung der Arbeiten beauftragen lassen. Wenn ein Auftraggeber unter Bezugnahme auf ein schriftliches Angebot des Auftragnehmers einen Auftrag erteilt, dürfte dieser dem Ergebnis der neuen BGH-Rechtsprechung vorgehen. Mit dieser Methode umgeht der Auftragnehmer auch die Frage, welche Zuschläge auf die für die Nachträge ermittelten Kosten angemessen sind und welche nicht.

Für Juristen ist ein neues weites Feld eröffnet. Man wird sich über die "tatsächlich erforderlichen Kosten" sowie über angemessene Zuschläge streiten. Sicherlich wird bei dem Streit auch die Ermittlung der Gemeinkosten Thema sein. Bei der Abrechnung von Mehrmassen werden wir wohl in nächster Zeit noch mit einer ganzen Reihe neuer Urteile beglückt werden.

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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