BGH zur Nachtragsberechnung

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In einem aktuellen Urteil hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) erstmals zu Art und Weise der Berechnung von Nachträgen nach der VOB/B geäußert. Dabei folgt er einer ganz eigenen Linie.

Der Ausgangsfall klingt banal und ist eigentlich auch ganz einfach. Der Auftragnehmer war mit Abbrucharbeiten beauftragt. Ausgeschrieben war die Entsorgung von 1 t Bauschutt, tatsächlich entsorgt wurden über 86 t. Der Auftragnehmer hatte einen Einheitspreis von 462 Euro angeboten. Bei der Kalkulation hatte der Auftragnehmer unter anderem Fremdkosten für Deponie- und Transportleistungen in Höhe von 292 Euro berücksichtigt, tatsächlich kostete dies aber nur 92 Euro. Für die über 10 Prozent hinausgehenden Mehrmengen verlangte der Auftragnehmer die vereinbarten 462 Euro, der Auftraggeber wollte nur die tatsächlich angefallenen Kosten zuzüglich der ursprünglich kalkulierten Aufschläge bezahlen.

Der Auftraggeber konnte sich in diesem Fall durchsetzen. Der Auftragnehmer erhielt nicht die kalkulierten, letztlich fiktiven Kosten, sondern konnte für die Mehrmenge nur die tatsächlich entstandenen Kosten (zuzüglich Aufschläge) durchsetzen. Die streitenden Vertragspartner hatten die Geltung der VOB/B vereinbart. Grundlage für die zusätzliche Vergütung war § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B. Danach ist für eine über 10 Prozent der Ursprungsleistung hinausgehende Mehrmenge "auf Verlangen ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren".

Weil der Auftraggeber die Mehrmengen nicht angeordnet hatte, sondern sie sich gewissermaßen zufällig durch die abweichenden tatsächlichen Verhältnisse des abzubrechenden Gebäudes ergeben haben, kam es auf diese Regelung an. Hätte es sich um eine ausdrücklich angeordnete geänderte Leistung gehandelt, so wäre § 2 Abs. 5 VOB/B anzuwenden gewesen - der jedoch praktisch wortgleich mit § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B ist. Wegen dieser Wortgleichheit hat die Entscheidung des BGH auch Bedeutung über die dort angesprochene Norm hinaus.

Der BGH hat § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B so verstanden, dass er den Vertragspartnern vorschreibt, dass sie einen geänderten Preis vereinbaren müssen. Im entschiedenen Fall hatten die beiden Vertragspartner den vom Auftragnehmer kalkulierten Aufschlag von 20 Prozent nicht in Frage gestellt, daher ging der BGH insoweit von einer abgeschlossenen Vereinbarung aus.

Wie ist es aber zu verstehen, dass die Vereinbarung die Mehr- und Minderkosten berücksichtigen soll? Diese Frage stellte sich natürlich schon lange und schon oft. In der Vergangenheit wurde die Berechnung so vorgenommen, dass nur die Veränderung von Kosten beim neuen Preis berücksichtigt wurden: Welche Kosten entstehen bei der ursprünglich beauftragten Leistung, welche Kosten bei der zusätzlich angefallenen Leistung? Gab es bei diesen Kosten keinen Unterschied, so ließ man auch den Preis unverändert. Für den vom BGH entschiedenen Fall hätte das bedeutet, dass der Auftragnehmer wie verlangt den ursprünglichen Einheitspreis erhalten hätte.

Wie dargestellt hat der BGH aber eine andere Berechnung vorgenommen. Warum? Der BGH ging davon aus, dass die Regelung in § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nicht die eben für die Vergangenheit dargestellte Bedeutung hat. Er sah es vielmehr so, dass für die Höhe des neu zu vereinbarenden Einheitspreises letztlich keine festen Vorgaben vorhanden sind; der BGH spricht von einer vertraglichen Regelungslücke.

Sinngemäß sagt der BGH, dass zwar die Mehr- und Minderkosten zu berücksichtigen sind - aber wie genau das Berücksichtigen erfolgen muss, soll die VOB/B an dieser Stelle nicht sagen.

Streiten sich die Vertragspartner aber auch genau hierüber, also die Berechnungsweise der veränderten Vergütung, müssen die Gerichte an ihrer Stelle entscheiden. Wenn und soweit keine Einigung vorliegt, schließen die Gerichte die Regelungslücke. Wie? Indem sie, so der BGH, die neuen Preise auf Grundlage der tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge berechnen. Der BGH verfolgt mit dieser Methode das Ziel, einerseits auf Seiten des Auftragnehmers eine nicht auskömmliche Vergütung zu vermeiden und andererseits auf Seiten des Auftraggebers eine übermäßige Belastung zu verhindern. Dies sei am besten durch Berücksichtigung der vom BGH so genannten Kostenwirklichkeit zu erreichen. Das kann, wie der entschiedene Fall zeigt, für den Auftraggeber gut sein, weil der Preis sinkt, in anderen Fällen sind die tatsächlichen Kosten höher als ursprünglich kalkuliert und der Preis steigt.

Was bedeutet diese Entscheidung für die Praxis?

Für beide Vertragspartner sinkt - wenn sie nichts anderes vereinbaren - die Preissicherheit bei Mehrmengen. Weil die tatsächlichen Kosten erst im Nachhinein feststehen, können also neue Preise erst nach Durchführung und Abrechnung der Mehrmengen verhandelt und bezahlt werden.

Ausdrücklich spricht der BGH die Möglichkeit an, bereits im Ausgangsvertrag Vereinbarungen für solche Fälle zu treffen. Auch ich hatte bisher § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B (und § 2 Abs. 5 VOB/B) so verstanden, dass sie auch Regeln für die Art und Weise der Kostenfortschreibung enthalten. Wenn das wie vom BGH entschieden nicht der Fall sein soll, fehlt tatsächlich etwas Wichtiges - denn Änderungen des Vertrages sind auf dem Bau der Regelfall und müssen daher unbedingt möglichst klar im Vertrag berücksichtigt werden. Es gibt sowieso schon genug Streit wegen Nachträgen, dieses Konfliktpotential sollte man unbedingt reduzieren. Es bietet sich daher an, für den Fall von abweichenden Massen (also § 2 Abs. 3 VOB/B) sowie für geänderte und zusätzliche Leistungen (§ 2 Abs. 5, Abs. 6 VOB/B) zu vereinbaren, dass die Preise in Fortschreibung der Ausgangskalkulation gebildet werden.

Gibt es keine solche Vereinbarung, muss der Auftragnehmer die tatsächlich angefallenen Kosten und gegebenenfalls ihre Erforderlichkeit nachweisen. Der BGH führt dazu aus, dass diese "ohne Weiteres ermittelt werden" können. Jedenfalls in dem vom BGH entschiedenen Fall war das so, es dürfte aber nicht immer so ganz einfach sein. Auf diese tatsächlich entstandenen und erforderlichen Kosten dürfen dann angemessene Zuschläge angesetzt werden, wobei vermutlich Auftraggeber und Auftragnehmer unterschiedliche Vorstellungen von der Höhe angemessener Zuschläge haben dürften. Auch insoweit ist die ursprüngliche Kalkulation des Auftragnehmers nicht automatisch relevant.

Der BGH spricht an, dass die tatsächlich angefallenen und erforderlichen Kosten von einem Gericht auch geschätzt werden können. In der Vergangenheit hat sich aber gezeigt, dass Gerichte eine sehr detaillierte Grundlage für die Schätzung verlangen. Auftragnehmer müssen sich also darauf einstellen, zukünftig die tatsächliche Kosten und ihren Bezug zu bestimmten Leistungen umfassender als bisher erfassen und nachweisen zu müssen. Dies betrifft sowohl Eigen- als auch Fremdleistungen.

Das Kammergericht Berlin hat die Entscheidung des BGH bereits aufgegriffen und in einem Urteil verwendet. Im entschiedenen Fall kam es aber dazu, dass auch ohne ausdrückliche Vereinbarung die Kalkulation des Auftragnehmers fortgeschrieben wurde (KG v. 27.08.2019 - 21 U 160/18). Das Kammergericht stützt sich in diesem Fall darauf, dass die Kalkulation des Auftragnehmers nicht angegriffen wurde - was im Fall des BGH anders war, weil der Auftraggeber sich auf die tatsächlich entstandenen Kosten stützen konnte. Bleibt die Kalkulation, auf die sich ein Unternehmer für seinen Nachtrag bezieht, unstreitig, ist nach dem Kammergericht die von ihm auf dieser Grundlage errechnete Mehrvergütung im Zweifel auf Grundlage seiner tatsächlichen Mehrkosten ermittelt. Dieses Urteil bezieht sich ausdrücklich auf einen Nachtrag nach § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B!

Der Auftraggeber kann jedenfalls bei Fremdleistungen die Kalkulation relativ einfach in Frage stellen, indem er nämlich vom Auftragnehmer Auskunft über die tatsächlich entstandenen Fremdkosten verlangt. Dazu muss sich der Auftragnehmer äußern, auch im Prozess. Tut er das nicht, kann der Auftraggeber mit anderweitig ermittelten Kosten arbeiten, zum Beispiel auf ihm anderweitig bekannte Kosten oder Kostenvoranschläge anderer Firmen. Jedenfalls für Eigenleistungen und bei unstreitiger Kalkulation würde die Rechtsprechung des Kammergerichts zu einer Fortschreibung der bisherigen Praxis führen.

Diese Entscheidung des BGH betraf ausdrücklich nur § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B, die Abrechnung von Mehrmengen. Wie oben angesprochen ist die Regelung in § 2 Abs. 5 VOB/B zur Preisbildung bei geänderten Leistungen insoweit wortgleich und daher auch betroffen. Um innerhalb eines Vertrages gleichlaufende Regelungen zu haben, sollten zukünftig aufzunehmende entsprechende vertragliche Regelungen auch die Fälle von § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B (Minderleistungen) und § 2 Abs. 6 VOB/B (zusätzliche Leistungen) betreffen. Die vertragliche Regelung auch dieser Fälle erhöht die Preissicherheit insgesamt erheblich und verhindert es, dass je nach Fallgruppe unterschiedliche Berechnungsmethoden angewendet werden müssen. Dabei ist insbesondere zu bedenken, dass nicht auszuschließen ist, dass die Rechtsprechung des BGH auch auf diese anderen Fälle angewendet werden kann - wie schon oben erwähnt das Kammergericht. Dann würde auch insoweit eine verbindliche Abrechnungsregelung fehlen.

Bei bereits laufenden Verträgen kann ebenfalls noch jetzt eine Vereinbarung getroffen werden, wie in solchen Fällen vorzugehen ist. Das dürfte sich bei umfangreichen Vorhaben empfehlen. Natürlich kann die Vereinbarung auch einzelfallbezogen abgeschlossen werden, also nur für bestimmte Fallgruppen oder einzelne Nachträge.

Fazit

Mit der Feststellung einer Lücke in § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B hat der BGH eine grundsätzliche und von den bisherigen Abrechnungsweisen abweichende Entscheidung getroffen. Die ohne anderweitige Vereinbarung erforderliche Umstellung auf die tatsächlichen erforderlichen Kosten zzgl. Aufschläge bedeutet eine Erhöhung des Dokumentationsaufwandes für Auftragnehmer; wirtschaftlich kann sich diese Vorgehensweise für beide Vertragspartner auswirken. Zur Erhöhung der Preissicherheit empfehlen sich vorbeugende vertragliche Regelungen zur Berechnungsweise bei Nachträgen aller Art. n

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