GaLaBau und Recht: Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

Bindung des Bieters an sein Angebot - Öffentliche Auftraggeber gehen oft zu ihren Gunsten großzügig mit Bindefristen um

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GaLaBau und Recht Vergaberecht
Öffentliche Auftraggeber gehen oft zu ihren Gunsten großzügig mit Bindefristen um. Foto: RioPatuca, Fotolia

Im GaLaBau-Bereich werden recht viele Aufträge für öffentliche Auftraggeber insbesondere für Städte und Gemeinden abgewickelt. Die meisten Aufträge werden nach erfolgter Ausschreibung vergeben. Leider halten sich öffentliche Auftraggeber häufig nicht an die Vorgaben der VOB, obwohl Teil A der VOB eigentlich für Bund, Länder, Landkreise, Städte und Gemeinden sowie manche öffentlichen Sondervermögen verbindlich ist.

Da ein interessierter Bieter seine Chancen auf einen Auftrag nicht unnötig gefährden will, unternimmt kaum einer in der Vergabephase etwas gegen VOB-widrige Ausschreibungsbedingungen. Dies gilt besonders auch hinsichtlich der in den Ausschreibungsunterlagen enthaltenen Fristen, wie lange sich ein Bieter an sein Angebot gebunden halten soll.

Die Regelungen der VOB

Immer wieder muss man feststellen, dass öffentliche Auftraggeber für die Einreichung von Angeboten recht knappe Fristen vorsehen, wohingegen die Fristen, innerhalb derer die Bieter an ihr Angebot gebunden sein sollen, oft über Gebühr großzügig bemessen werden. Dabei gibt es in Teil A der VOB für Auftraggeber verbindliche Regelungen. § 10 Abs. 1 VOB/A verlangt für die Bearbeitung und Einreichung von Angeboten eine ausreichende Angebotsfrist vorzusehen, wobei auch bei Dringlichkeit die Frist nicht unter zehn Kalendertagen betragen soll. Bei der Bemessung der Fristen soll insbesondere der Aufwand für die Bearbeitung einschließlich der Besichtigung von Baustellen sowie für die Beschaffung von Unterlagen berücksichtigt werden, die für die Angebotsbearbeitung notwendig sind. Oft müssen vom Bieter produktspezifische Angaben ermittelt werden, die man selbst im Zeitalter der Computer nicht so ohne weiteres erlangen kann. Der Auftraggeber möge bedenken, dass der Bieter auch noch etwas anderes zu tun hat, als nur gerade das für ihn vorgesehene Angebot zu bearbeiten. Mit zu geringen Angebotsfristen schädigt sich letztendlich der Auftraggeber selbst, weil bei zu knapp bemessenen Angebotsfristen die Gefahr besteht, nur wenige oder gar zu wenige Angebote auf eine Ausschreibung zu erhalten. Gerade in letzter Zeit musste ich mehrfach erleben, dass auf eine Ausschreibung nur ein oder zwei Angebote eingegangen waren, die im Übrigen sich nicht unbedingt mit den Vorstellungen des Auftraggebers deckten.

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Das Oberlandesgericht Brandenburg hat mit einer bemerkenswerten Entscheidung zugunsten des Bieters geurteilt. Foto: CC-BY-SA 4.0

Nach § 10 Abs. 4 VOB/A hat der Auftraggeber eine angemessene Frist zu bestimmen, innerhalb der die Bieter an ihr Angebot gebunden sind (Bindefrist). Die Bestimmung verlangt, dass die Bindefrist so kurz wie möglich und nicht länger bemessen werden soll, als der Auftraggeber für eine zügige Prüfung und Wertung der Angebote benötigt. Eine längere Bindefrist als 30 Kalendertage soll nur in begründeten Ausnahmefällen festgelegt werden können. Das Ende der Bindefrist soll durch Angabe des Kalendertags bezeichnet werden. Manche an die VOB gebundene Auftraggeber verhalten sich so, als hätten sie von § 10 Abs. 4 VOB/A keine Kenntnis.

Lange oder zu lange Bindefristen und ihre Folgen

In einem vom Oberlandesgericht Brandenburg (Urteil vom 10.08.2017, Az. 12 O 173/15) entschiedenen Fall hatte ein öffentlicher Auftraggeber in seinen Vergabeunterlagen eine Zuschlagsfrist von 84 Tagen vorgesehen. Kurz vor Ablauf dieser 84 Tage erteilte der Auftraggeber dem günstigsten Bieter den Zuschlag. Dieser fühlte sich nach so langer Zeit nicht mehr an sein Angebot gebunden und verweigerte die Ausführung. Daraufhin sprach der Auftraggeber nunmehr eine Vertragskündigung nach § 8 Abs. 3 VOB/B des nach seiner Auffassung geschlossenen Vertrages aus und verlangte von dem unwilligen Bieter Schadenersatz. Auch wenn für öffentliche Auftraggeber eine gewisse Vertragsfreiheit gelten soll, hat hier das Oberlandesgericht Brandenburg mit einer bemerkenswerten Entscheidung zugunsten des Bieters (AN) entschieden.

Die Entscheidungsgründe des Oberlandesgerichts

Das Gericht stützte sich hierbei auf eine alte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21.11.1991 (Az. VII ZR 203/90). Die Bestimmungen der VOB/A werden zwar nach herrschender Meinung der Rechtsprechung nicht Vertragsgegenstand. Teil A der VOB soll lediglich eine Verwaltungsvorschrift sein. Der BGH war damals jedoch der Meinung, dass diese Verwaltungsvorschrift mittelbare Rechtswirkungen zum Beispiel auf die Konkretisierung von dem im Vertragsrecht geltenden Grundsatz von "Treu und Glauben" haben kann. Das Oberlandesgericht Brandenburg hielt unter Bezugnahme auf § 10 Abs. 4 VOB/A das Verhalten des Auftraggebers für treuwidrig, wenn er ohne besondere Gründe zu nennen, eine wesentlich längere Bindefrist in seinen Ausschreibungsunterlagen vorsieht, als es die VOB in § 10 VOB/A bestimmt.

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Bieter, die sich auf die Unwirksamkeit der Bindefrist berufen wollen, sollten vorher juristischen Rat einholen. Foto: goodluz, Fotolia

Ohne ausdrücklich besondere Gründe anzuführen und zu beweisen meint das Oberlandesgericht Brandenburg sei eine Ausdehnung der Zuschlagsfrist über die 30 Tage, nicht gerechtfertigt. Bei dem vom Gericht entschiedenen Fall war die Bindefrist um 54 Tage (!) länger als es von § 10 Abs. 4 VOB/A maximal ohne Angabe besonderer Gründe vorgesehen ist. Das Gericht hielt den Bieter nach so langer Zeit nicht mehr an sein Angebot gebunden und wertete den späten Zuschlag nicht im Sinne eines Vertragsschlusses sondern lediglich als ein neues Angebot des Auftraggebers, das im vorliegenden Fall zweifelsfrei der Bieter nicht mehr angenommen hatte. Der öffentliche Auftraggeber ist dementsprechend in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht Brandenburg unterlegen und hatte die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Wie ist die Rechtslage bei privaten Auftraggebern?

Das Oberlandesgericht Brandenburg hat sich in seiner Entscheidung ausdrücklich auf § 10 Abs. 4 VOB/A gestützt. Eine Vorschrift die bei privaten Auftraggebern keine Rolle spielt, da bei diesen normalerweise nicht zwingend nach VOB/A ausgeschrieben wird. Generell wird man Ausschreibungsunterlagen allerdings als Allgemeine Geschäftsbedingungen des Auftraggebers ansehen können, so dass diese Bedingungen bei einer Entscheidung, ob eine Bindefrist wirksam ist oder nicht, einer Inhaltskontrolle unterzogen werden können, wie dies § 307 BGB vorsieht. Ergibt sich bei einer derartigen Inhaltskontrolle eine unangemessene Benachteiligung des Bieters, so ist die vorgesehene Bindefrist, unwirksam. Die herrschende Meinung geht wohl davon aus, dass eine unangemessene Benachteiligung des Bieters gegeben ist, wenn ohne besondere Gründe Bindefristen von mehr als sechs Wochen vorgesehen werden. Im Ergebnis kommt damit die herrschende Meinung auch im privaten Bereich zu einem ähnlichen Ergebnis, wie es das Oberlandesgericht Brandenburg in seinem oben zitierten Urteil für einen öffentlichen Auftraggeber entschieden hat.

Da die Verweigerung der Annahme eines Auftrages beziehungsweise das Berufen auf eine überlange Bindefrist mit erheblichen Risiken und im Zweifel auch ernstzunehmenden Schadenersatzansprüchen verbunden ist, sei jedem Bieter, der sich auf die Unwirksamkeit der Bindefrist berufen will, dringend angeraten, zuvor den Rat eines kompetenten Juristen einzuholen.

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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