Blühende Landschaft zwischen Römern und Germanen in Öhringen

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Historische Parks und Gärten
Der Limes. Foto: RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten

Tritt man durch das rekonstruierte Limestor, bekommt man einen Eindruck von der Größe der historischen Anlage. Hier, wo einst der Limes Römer und Germanen trennte, sind nun blühende Landschaften entstanden. Unter dem Motto "Der Limes blüht auf" öffnet die Landesgartenschau in Hohenlohe Ende April die Tore für die Besucher. Kurz vor der Eröffnung wird den verschiedenen Ausstellungsbereichen noch der letzte Schliff gegeben, damit der Limes, der 450 m lange römisch-germanische Grenzwall, auch wirklich erblühen kann. Nach fünfjähriger Planungsphase nun ein Ausblick auf das Fest in Hohenlohe.

Die Aufgaben der Öhringer Gartenschau sind für Planer und ausführende Betriebe enorm vielfältig. Das Gelände spannt den Bogen zwischen historischer Parkanlage über Renaturierung im Gewässer bis hin zum extensiven Landschaftspark. Zwischen behutsamer Rekonstruktion vergangener Gartenkunst und Überformung landwirtschaftlich genutzter Flächen, zwischen Streichelzoo und Skateanlage, zwischen Landart und Limestor liegen die Herausforderungen, die die Akteure der Gartenschau in den vergangenen Jahren gemeistert haben. Im Ergebnis hat die Stadt Öhringen den stadtnahen Freiraum für die kommenden Jahrzehnte entwickelt. 2017 werden der Baulärm und der Staub vergessen sein. Die Nachhaltigkeit mit der gearbeitet wurde, lässt viel Dauerhaftes für die Öhringer Bürger noch weit nach dem Jahr 2016 übrig. Zunächst aber steht die eigentliche Ausstellung im Mittelpunkt. Schließlich soll mit der Gartenschau im Sommer 2016 ein großes Fest gefeiert werden. Anhand des jährlichen Öhringer Weinfests lässt sich erahnen, welche Ausmaße diese Feier annehmen kann.

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Historische Parks und Gärten
Eine der neuen Brücken über die Ohr. Foto: RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten
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Die westliche Allee mit den vorgelagerten Staudenbeeten. Foto: RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten
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Detailausschnitt der Ausführung der Muschelkalkhochbeete. Foto: RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten

Das Gartenschaugelände ist in vier Teilbereiche gegliedert, die sich entlang des Flusslaufs Ohrn auffädeln. Der Hofgarten, eine historische Parkanlage in der Innenstadt, der Cappelrain, ein Naturraum in dem die Ohrn durch einen neuen Mäander renaturiert wurde, die Cappelaue, ehemals landwirtschaftlich genutzte Flächen, und das Hofgut Cappel, eine weitere historische Gartenanlage. Drei neue Brückenbauwerke mit einer Länge von bis zu 26 m verbinden die Gebiete entlang der Ohrn zukünftig noch besser miteinander.

Hofgarten

Betritt man den Hofgarten, das städtebauliche Herz der Öhringer Innenstadt, stellt man fest, dass dieser sich keiner Stilepoche mehr eindeutig zuordnen lässt. Elemente des englischen Landschaftsparks sind ebenso zu finden wie die Elemente der barocken Gartenkunst. Zusammen mit dem Landesdenkmalamt wurde ein Leitzustand definiert, nach dem die einzelnen Elemente rekonstruiert und saniert wurden. Eine besondere Herausforderung stellte dabei der Umgang mit dem jahrhundertealten, zum Teil aber sehr maroden Baumbestand dar. Ein Highlight bildet die neue Hofgartentreppe, die das höher gelegene Schloss mit dem eigentlichen Garten verbindet. Die Architektur nach dem Vorbild einer Sprungschanze wirkt dynamisch, der goldene Anstrich wird dem monarchischen Kontext der Anlage gerecht.

Die beiden raumprägenden Alleen im Nordteil wurden komplett neu aufgesetzt. Dazu wurden 62 Carpinus betulus fastigiata als Stammbusch gepflanzt.

Im Bereich eines ehemaligen Küchengartens entstand ein von Hecken umsäumter Gartenraum, der Generationengarten, der durch zwei riesige Flügelnussbäume dominiert wird. Schiffe aus Muschelkalkstein sind als Hochbeete zu einem floralen Muster arrangiert und mit Sumpfstauden bepflanzt. Hierzu wurden Ortbetonwände abgedichtet und mit Unterwassersubstrat verfüllt. Die Verblendung erfolgte mit 30 cm langen und 4 cm hohen Natursteinriemchen aus Muschelkalk.

Holzdecks in gleicher Formensprache, ein Spielplatz mit dem Thema Blütentraum sowie ein flaches Wasserbecken komplettieren das neue Ensemble, welches sich um die beiden Großgehölze gruppiert. Ein neuer Spielplatz ist im Osten des Parks auf der Allmandwiese mit dem Thema Gräserwald entstanden. 60 bis zu 7 m hohe Stahlgräser schwingen wie Ähren im Wind und beherbergen zahlreiche Spielangebote. Beachtenswert ist vor allem der neue Streichelzoo im Süden des Parks. Seit Jahren ist das Öhringer Tiergehege ein Anziehungspunkt in der Region. Das Konzept der einzelnen Stallungen wurde aufgelöst und durch eine Vogelvoliere und ein einzelnes großes Stallgebäude ersetzt. Die Außenanlagen bilden jetzt einen Streichelzoo mit Schafen, Eseln, Hühnern und Kängurus. Die Holzarchitektur, die für die Gebäude gewählt wurde, setzt sich durch einen Zaun aus 450 Holzlamellen im Freiraum fort und fügt das Gehege in die Architektur des Parks ein.

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Der neue Streichelzoo. Foto: RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten
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Die Rotbuchenhecke entlang des historischen Grenzwalls. Foto: Landesgartenschau Öhringen 2016 GmbH
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Der Gräserwald vor der historischen Kulisse. Foto: Atelier hans-georg kellner

Cappelrain

Mit der Renaturierung des Flusslaufes im Verbindungsraum zwischen Hofgarten und Cappelaue schafft Öhringen die wohl nachhaltigste Stadtentwicklung. Neben der Verlegung der begradigten Ohrn auf einer Länge von 300 m wurde das Leitungsnetz der Stadt komplett erneuert. Eine neue 26 m lange Brücke verbindet die Ortsteile im Norden und Süden zukünftig miteinander. Im Bauch der Brücke wurde die Heizleitung für das angrenzende Schulgebäude verlegt. Der neue Brückenkopfplatz korrespondiert mit dem neuen Bauwerk und stärkt die Verbindung der neuen Skateanlage im Süden mit den Sportflächen im Norden.

Der ohnehin schon stark durch eine Schule, die Schwimmbäder und Sportanlagen geprägte Freiraum wird durch weitere Angebote für die Öhringer Jugend noch attraktiver gemacht.

Der Fluss wurde durch einen seitlichen Steinverbau hochwassersicher hergestellt. Lenkbuhnen, Rauschen und Störsteine erhöhen die Diversität des Gewässers enorm und geben Habitate für Artenvielfalt in Fauna und Flora. Aber auch für die Öhringer Bürger gibt es neue Möglichkeiten zur Naherholung und Aufenthalt am Gewässer. Oberhalb des neuen Ohrnstrands mit seinen breiten Kiesflächen entsteht eine Beachbar auf zwei Holzdecks, die sich durch Natursteinmauern in Sitzhöhe zum Gewässer abtreppen.

Cappelaue

Die Cappelaue steht als offener Landschaftsraum in starkem Kontrast zu den anderen Ausstellungsbereichen. Die ehemals landwirtschaftlich genutzten Flächen konnten im Vorfeld von der Stadt Öhringen gesichert werden, um sie als einen extensiven Landschaftspark umnutzen zu können. Der historische Grenzwall Limes stellt dabei den Mittelpunkt des Geländes dar.

Die von Nord nach Süd verlaufende Grenze zwischen dem römischen Reich und Germanien blieb dem Motto der Gartenschau treu und wurde vegetativ durch eine Heckenskulptur aus Fagus sylvatica 'purpurea' in Szene gesetzt. Der übrige Park folgt dem achsialen Thema parallel zum Limes und wird in Ost-Westrichtung durch lange Schwünge unterbrochen. Die großzügigen Wiesenflächen im Auenbereich der Ohrn sind zurückhaltend bespielt. In Birkenhaine eingebettete Spiel- und Sportflächen sollen zukünftig als Anziehungspunkte in der ganzen Region wirksam sein. Der großzügige Spielplatz mit Spielgeräten in Schwarz-Weiß-Lackierung, folgt dem Birkenthema der Umgebung und prägt mit einem 10 m hohen Kletterturm und angrenzenden Kletterstrukturen den südlichen Parkteil. Das Pendant zum Spielplatz südlich der Ohrn ist die Multifunktionssportanlage im Norden, die sich ebenfalls durch eng gepflanzte Betulagehölze in die Auenlandschaft einschmiegt. Zwei Natursteinbastionen in den beiden Parkteilen ziehen die Anlage als einzige wiederkehrende architektonische Elemente zusammen.

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Die Treppenanlage aus Muschelkalk und Schilfsandstein vor dem historischen Hoftheater. Foto: RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten

Hofgut Cappel

Das Hofgut ist eine private Parkanlage, die in den sechs Monaten der Landesgartenschau der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird. Historisch sind wenige Plangrundlagen erhalten geblieben. Auch archäologische Untersuchungen konnten nur bedingt Aufschluss über das tatsächliche Erscheinungsbild geben. Heute teilt sich die Anlage in drei Teilbereiche auf, die durch unterschiedliche Zeitepochen geprägt sind: den barocken Teil, der sich mit geometrischen Formen und drei Landschaftsterrassen zum Herrenhaus und dem davor gelegenen Wasserbassin abtreppt, den klassizistisch geprägten Teil rund um das Herrenhaus und den funktional geprägten Wirtschaftshof, dessen Gebäude sich rund um eine zentrale Rasenfläche anordnen.

Auf Grundlage dieses Leitzustandes wurde die Anlage instand gesetzt. Der vorhandene Fichtenwald des barocken Teils, der die Gartenanlage über die Jahrzehnte verfälscht hat, wurde gerodet, um die gestalterisch wertvollen Gehölze und Wege wieder in Szene zu setzten. Die Anlage ist dadurch optisch wieder durchgängig lesbar. Die historischen Mauern vor dem Herrenhaus wurden aufwendig kartiert, bautechnisch bewertet und denkmalgerecht saniert. Das große Wasserbassin ist in seiner Originalgröße rekonstruiert worden. Parallel um das Wasserbecken verlaufende Wechselflorbeete unterstützen die elliptische Form des Bassins. Eine 30 cm breite Einfassung aus radial geschnittenen Schilfsandsteinblöcken bildet heute den Abschluss zu dem üppig bepflanzten Becken. Der Bereich des Wirtschaftshofes wurde in seinen Grundzügen belassen. Einzig der mittlere Bereich zwischen den Gebäuden ist als ebene Rasenfläche hergestellt worden, um ihn für kleinere Veranstaltungen nutzbar zu machen.

Baustoffe und Materialien

Bei der Auswahl der Baustoffe wurde soweit wie möglich auf regionales Material zurückgegriffen, das traditionell in Hohenlohe verbaut wird. Muschelkalk und Schilfsandstein sind die favorisierten Natursteine, die auch zukünftig den stadtnahen Freiraum prägen. Die funktionalen Nachteile der Tausalzresistenzklasse gegenüber Konkurrenzprodukten wurden von der Stadt Öhringen zugunsten einer denkmalgerechten Gestaltung bevorzugt. Ein nachhaltiger Umgang mit den Ressourcen durch Holzauswahl nach Forrest Stewardship Council sollte heute selbstverständlich sein. Die Wegeverbindungen wurden im Bereich der denkmalgeschützten Anlagen teilweise aus funktionalen Gründen in Asphaltbauweise ausgeführt. Um den gestalterischen Ansprüchen einer historischen Parkanlage gerecht zu werden, wurden diese mit einer epoxitharzgebundenen Einstreudecke optisch an eine traditionelle wassergebundene Decke angeglichen.

Dass Großveranstaltungen nicht nur Widerstand und Skepsis in der Bevölkerung bedeuteten, macht die Öhringer Gartenschau besonders deutlich. So haben zahlreiche Bürger und Vereine die Gartenschau unterstützt und ebnen durch ihr ehrenamtliches Engagement den Weg für eine erfolgreiche Ausstellung. Besonders deutlich wird die Unterstützung am Projekt Kristallturm, einem 18 m hohen Kletterturm, der ausschließlich durch eine Bürgerinitiative finanziert wurde und ein Höhepunkt der Ausstellung sein wird.

Auch wenn die Besucherzahlen zum jetzigen Zeitpunkt nur zu erahnen sind, ist die Gartenschau für Öhringen jetzt schon ein voller Erfolg und macht Lust und Mut für folgende Gemeinden, die Arbeit und Mühe auf sich zu nehmen. Es lohnt sich.

Dipl.-Ing. Johannes Czerniejewski
Autor

RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten

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