Kommentar

Brauchbare Illegalität

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Kürzlich hat ein befreundeter Hochschullehrer der Betriebswirtschaft den Verfall der Sitten beklagt. Denn er hätte sich nie vorstellen können, dass ein so angesehenes Unternehmen wie Volkswagen mit Software Abgaswerte betrügerisch verfälschen würden. Das hätte es früher nicht gegeben. Meine Gegenthese war, dass die Zeiten immer besser werden, denn früher wäre der Skandal überhaupt nicht zu Tage getreten, da die Politik ihr eigenes Unternehmen immer geschützt hätte.

Schließlich lebt das Land Niedersachsen ganz gut von und mit der Sperrminorität bei Volkswagen. Welche der beiden Thesen nun zutreffender ist, wird sich nicht nachweisen lassen, da der Anteil nicht aufgedeckter Straftaten in der Wirtschaft systemimmanent im Dunkeln bleiben wird. Interessant ist auch, dass zumindest hinter vorgehaltener Hand, der eine oder andere den Betrug für legitim hält. Schließlich machen das ja irgendwie alle und der Skandal wurde in USA nur aufgedeckt, um die deutschen Autos von US-Markt fern zu halten. Nachdem amerikanische Gerichte schon hohe Schadenersatzforderungen gegen Volkswagen durchgesetzt haben, steht Ende September der Prozess gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Audi AG an, der sich wegen Betrugs verantworten muss.

Etwas Ähnliches haben wir im Falle der Cum-Ex-Geschäfte erlebt, die sich findige Investmentbanker ausgedacht haben. Das Unrechtsbewusstsein war bei den Beteiligten überhaupt nicht vorhanden. Neben den Banken haben auch Anwälte das Verfahren für rechtmäßig befunden und mancher befindet sich heute wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft.

Der Soziologe Niklas Luhmann nennt es "brauchbare Illegalität", wenn eine Organisation oder Unternehmen vom illegalen Verhalten der Mitglieder profitiert, das illegale Verhalten zum Standard wird und so legales Verhalten als Verstoß gegen die Werte der Organisation oder des Unternehmens empfunden wird. Unter der Überschrift "schummeln lohnt sich" hat sich Rainer Hank in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung auch mit diesem Thema beschäftigt und ist von Wirecard sehr schnell zum Baugewerbe gekommen. Eben weil es da so einfach ist zu schummeln. Werden Bauteile entfernt, Bodenbewegungen durchgeführt oder komplexe Arbeiten ausgeführt, sind diese ganz häufig einer späteren Prüfung entzogen.

Auch hier scheint es in manchen Betrieben eine anerkannte "brauchbare Illegalität" zu geben, wenn in großer Selbstverständlichkeit der berühmte nummerierte Lieferscheinblock jedem Studenten bekannt ist oder die vielen anderen kleinen und großen Abrechnungstricks zum Teil branchenüblich sind. Am Ende bleibt es Betrug, genauso wie Schichtdicken bewusst zu verringern, minderwertige Baustoffe zu verarbeiten oder ganze Leistungen gleich gar nicht auszuführen aber in Rechnung zu stellen.

Was für die Forderung nach einer besseren Kontrolle bei Wirecard durch Wirtschaftsprüfer gilt, gilt in gleicher Weise auch auf Baustellen für die Bauüberwachung. Wer in seiner Ausschreibung die Entsorgung von Boden nach Lieferscheinen ausschreibt, muss auch in der Lage sein, Personal zum Zählen von Lastkraftwagen bereit zu stellen, sonst macht Gelegenheit Diebe.

Ihr Martin Thieme-Hack

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Prof. Dipl.-Ing. (FH) Martin Thieme-Hack
Autor

Hochschule Osnabrück, Fakultät A&L

Hochschule Osnabrück University of Applied Sciences

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