Größtes Gründach eines Ministeriums in Berlin vorgestellt

Bundesregierung setzt Signal für mehr Dachbegrünung

Dachbegrünung
Bundesbauministerin Barbara Hendricks vor dem neuen Bundesinnenministerium. Sie plädiert für mehr Dach- und Fassadengrün in Deutschlands Städten und Gemeinden. Foto: Patrick Thieme-Hack/Neue Landschaft
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Das frisch gepflanzte Gründach des Innenministeriums: Später entsteht ein blau-silbriges Steppengrasgeflecht mit Zwerg-Schwertlilien, Geranium Cantabrigiense und niedrige Gräsern. Foto: Vogt Landschaftsarchitekten
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Auf dem Neubau des Bundesinnenministeriums entsteht derzeit das größte Gründach eines Ministeriums in Berlin. Mit 3715 m² extensiver Dachbegrünung setzt die Bundesregierung ein deutliches Signal für ökologische Nachhaltigkeit durch Pflanzenverwendung in Städten und Gemeinden. Dahinter steckt ein neuer städtebaulicher Ansatz. Was sich wie ein Konjunkturprogramm für den Garten- und Landschaftsbau sowie das Dachdeckerhandwerk auswirken kann, stößt bei Eigentümern und in der Wohnungswirtschaft auf Widerwillen.

Die Dachflächen des neuen Innenministeriums können jährlich rund 37000 kg CO und 743 kg Staubpartikel binden. Je nach Regenereigniss werden zwischen 55000 und 111000 Liter Wasser gespeichert. Für die Pläne zeichnet das Landschaftsarchitekturbüro Vogt aus Zürich verantwortlich. Die Planer entschieden sich für ein blau-silbriges Steppengrasgeflecht mit Zwerg-Schwertlilien, Geranium Cantabrigiense und niedrigen Gräsern. In Teilflächen werden auch kleinwüchsige Gehölze gepflanzt. Der künftige Pflegeaufwand des Daches ist gering. Einmal im Jahr muss die Begrünung kontrolliert und unerwünschter Aufwuchs entfernt werden. Jeweils im April wird Volldünger ausgebracht.

Jährlich 37000 kg CO2 gebunden

Eine gesonderte Bewässerung des Gründachs ist überflüssig. Die Vegetationstragschicht speichert einsickerndes Wasser pflanzenverfügbar und gibt Überschusswasser an eine Dränschicht ab. Deren Hohlraumvolumen nimmt das überschüssiges Wasser auf, speichert es zwischen und führt es den Dachabläufen zu. Von dort aus wird es zu Versickerungsmulden auf dem Gelände des Bundesinnenministeriums geleitet.

Früher stand Photovoltaik im Mittelpunkt

Bis vor wenigen Jahren setzte die Bundesregierung noch ganz auf Photovoltaik auf ihren Dächern. Als 1999 das Kanzleramt und große Teile der Bundesregierung von Bonn nach Berlin umzogen, entstanden auf über 10000 m2 Dachfläche sechs Photovoltaikanlagen und vier Solarkollektoren mit knapp 1000 m2. Insgesamt 20 Millionen Mark stellte der Bund damals für das Solarprogramm zur Verfügung.

Auch der Bundestag und der Bundespräsident installierten Solaranlage auf die Dächer ihrer Neubauten. Die Solarwirtschaft freute sich damals über "ein wichtiges Signal" der Regierung. Wer Berlins Regierungsbauten heute von oben betrachtet, sieht deshalb bis auf wenige Ausnahmen grau oder ziegelrot.

Auf dem Bundesjustiz- und dem Bundesumweltministerium gibt es jeweils ein kleines Dachgärtchen, das den Mitarbeitern für Pausen zur Verfügung steht. Das Bundesverkehrsministerium, früher Sitz des Bauministers, hat 420 m² der Flachdächer seiner Anbauten begrünt. Das Landwirtschaftsministerium verfügt über 71 m² Begrünung auf dem Müll- und Fahrradhaus sowie verschiedenen Carport im Wirtschaftshof.

Hendricks will mehr Grün auf Dächern

Die Bundesregierung will nun die Verbreitung von Moosen, Gräsern und Pflanzen auf Deutschlands Dächern verstärken. "Die Stadtentwicklungspolitik muss sich in den kommenden Jahren viel stärker den Anforderungen des Klimaschutzes und der Klimaanpassung stellen", erläuterte Bundesbauministerin Barbara Hendricks kürzlich. "Dazu hat sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt, bis 2020 mit der Aufwertung von Grünanlagen, mit Dächer- und Fassadengrün die Durchgrünung der Siedlungen deutlich zu erhöhen."

Hamburgs Gründachstrategie wird von ihrem Ministerium bereits aus dem Programm "Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel" unterstützt. Weitere Konkretisierungen zu mehr Grün auf Deutschlands Dächern werden von einem Kongress erwartet, den das Bundesbauministerium am 10. und 11. Juni in Berlin veranstaltet. Dort will die Umweltministerin ein Grünbuch mit dem Arbeitstitel "Grün in der Stadt" präsentieren und öffentlich zur Diskussion stellen.

Widerstand von Eigentümerverbänden

In der Dachbegrünung steckt ein enormes Potenzial. Lediglich acht Prozent der Dächer in der Hauptstadt sind nach Berechnungen von Prof. Dr. Manfred Köhler, Fachgebiet Landschaftswissenschaften und Geomatik an der Hochschule Neubrandenburg, bisher begrünt. Nach seiner Einschätzung sieht es in anderen deutschen Großstädten ähnlich aus. Bisher wurde vor allem mit finanzieller Förderung für mehr Grün auf den Dächern geworben. Möglich wäre es aber auch, die Bauherren per Bauordnung zu Maßnahmen zu verpflichten. Mehr Begrünungen würden auf alle Fälle wie ein Konjunkturprogramm für den Garten- und Landschaftsbau sowie das Dachdeckerhandwerk wirken. Gegen diese Entwicklung gibt es jedoch Widerstand von Eigentümerverbänden und aus der Wohnungswirtschaft. Corinna Merzyn, Geschäftsführerin des Verbandes Privater Bauherren (VPB), rechnet mit steigenden Kosten durch Dachbegrünung. "Je stärker die Baukosten steigen, desto kräftiger schrumpfen die aus den Mieteinnahmen erzielbaren Renditen, so dass am Ende keine Privatpersonen mehr bereit sein werden, in neue Wohnungen zu investieren", warnte sie gegenüber der Tageszeitung "Die Welt".

Patrick Thieme-Hack/Christian Münter

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