Dachgärtner Verband zeigt die Biotop-Funktion von Dachbegrünungen

Das Biodiversitäts-Gründach der IGA Berlin 2017

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Auf dem Besucherzentrum der Internationalen Gartenausstellung Berlin 2017 kommt derzeit eines der spannendsten Gründach-Projekte Deutschlands zur Ausführung. Gemeinsam mit Kooperationspartnern installiert der Deutsche Dachgärtner Verband verschiedene Biodiversitätsmodule, die die knapp 2000 m² große Dachfläche in ein Experimentierfeld für die Artenvielfalt verwandeln.

Dort, wo die Natur durch Baumaßnahmen zerstört und der Boden versiegelt wurde, können Dachbegrünungen verloren gegangene Grünflächen zum Teil kompensieren und Ersatzlebensräume für Flora und Fauna schaffen. Vor allem naturbelassene, pflegearme Extensivbegrünungen sind wichtige Rückzugsräume für Tier- und Pflanzenarten. Wildbienen, Schmetterlinge und Laufkäfer finden hier Nahrung und Unterschlupf. Die Entwicklung der Artenvielfalt hängt dabei aber sehr stark davon ab, wie die Lebensräume aufgebaut sind, die den Pflanzen und Tieren auf dem Dach angeboten werden. Reine Sedumbegrünungen, die häufig in Kombination mit sehr niedrigen Substratstärken installiert werden, können dieses Potenzial nur unzureichend ausschöpfen. Dabei lässt sich durch verschiedene Gestaltungsmaßnahmen und die Berücksichtigung grundlegender Biodiversitätsprinzipien bei der Planung und Ausführung die Biotop-Funktion begrünter Dachflächen mit vergleichsweise geringem Aufwand gezielt fördern.

Dieser Ansatz wird aktuell auf dem Dach des Besucherzentrums der Internationalen Gartenausstellung in Berlin einem Praxistest unterzogen. Auf dem 2000 m² großen, leicht geneigten Dach wird eine herkömmliche Extensivbegrünung (Schutz-, Dränage- und Wasserspeicherlage, 6cm mineralisch geprägtes Substrat, Anspritzbegrünung mit verschiedenen Sedumarten) mit einem Mosaik verschiedener Biodiversitätsmodule ergänzt. Im Einzelnen wurden auf dem Dach des Besucherzentrums folgende Biodiversitätsmodule installiert:

Modulation der Substratoberfläche beziehungsweise der Substrathöhe:

Durch Variationen in der Substrathöhe entstehen unterschiedliche Lebensräume, die das Artenspektrum der Bepflanzung erweitern. Während für die niedrigwüchsigen, anspruchslosen Sedumarten und andere Sukkulenten 6 cm Substrathöhe ausreichend sind, wurde der Wurzelraum für die artenreiche Kräuter- und Gräservegetation auf den Anhügelungen auf bis zu 15 cm erhöht.

Verbesserung der Substratqualität:

Neben der Substrathöhe spielt auch die Zusammensetzung der Gründach-Systemerden für die Pflanzenetablierung eine wichtige Rolle. Im Bereich der Substratanhügelungen wurden die nährstoffarmen und mineralischen Systemerden herkömmlicher Extensivbegrünungen mit einem organischen Substrat ergänzt, das als Humus- und Nährstofflieferant für die anspruchsvollere Mischflora dient.

Vegetationsfreie Bereiche (Sandinseln, Lehmflächen und Grobkiesbeete):

Vegetationsfreie Bereiche in Form von Sandlinsen, Lehmflächen und Grobkiesbeeten stellen wichtige Biotopbereicherungen dar und werden von Insekten und anderen tierischen Dachbewohnern als Versteck, Brut- und Sonnenplätze benutzt. Sandbeete sollen spezielle sandbrütende Insekten anlocken (z.B. Grabwespen, Sandbienen). Lehm dient vielen Insekten und Vögeln als Baumaterial. Und Grobkiesbeete bieten zum Beispiel für Spinnen und Käfer Unterschlupf.

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Temporäre Wasserflächen:

An einzelnen Stellen der Dachfläche wurden Folien eingearbeitet und mit Sand abgedeckt, um das Regenwasser über einen längeren Zeitraum auf dem Dach zurückzuhalten. Diese Bereiche sollen das Wasserangebot für Insekten und Vögel verbessern.

Pflanzenauswahl:

Für die Bepflanzung der angehügelten Bereiche wurden gezielt Arten ausgewählt, die Bedeutung als Futterpflanzen für Insekten besitzen. Da der Lebensraum auf dem Dach den Standortbedingungen der natürlichen Trockenrasen-Vegetation ähnelt, wurden zusätzlich Arten aus dieser Florengesellschaft berücksichtigt. Neben Stauden, die in Dachbegrünungssubstrat vorkultiviert wurden, kam auf zwei Anhügelungen auch eine Kräuter/Gräser-Saatgutmischung zum Einsatz.

Nisthilfen für Insekten:

Zur dauerhaften Insekten-Ansiedlung wurden auf dem Dach verschiedene Nisthilfen eingesetzt. Neben Insektenhotels für Wildbienen und Schlupfwespen wurden Hummelnistkästen und Ameisensteine ausgebracht.

Einbringung von Totholz:

Abgestorbene Äste und Stämme stellen ein besonders wertvolles Strukturelement dar. Totholz wird unter anderem von Moosen, Flechten, Pilzen, Käfern, Fliegen, Mücken, Ameisen und solitären Wildbienen oder Wespen als Lebensraum genutzt, weshalb der Begriff "Biotop-Holz" treffender erscheint. Zusätzlich können Vögel die Totholzhaufen als Ansitzplätze, Singwarten und Nahrungsbiotope nutzen.

Durch die Installation der Elemente, soll sich auf dem Dach mit der Zeit ein besonders artenreicher und ökologisch wertvoller Lebensraum entwickeln. Das Biodiversitäts-Gründach der IGA ist als praktisches Anschauungsprojekt konzipiert. Den Besuchern der Gartenausstellung wird die Möglichkeit geboten, das Dach über eine Plattform neben dem Gebäude zu besichtigen. Die artenreiche Grünfläche auf dem Dach ist außerdem Bestandteil des IGA-Biodiversitätspfades. Online kann man das Dach bereits heute über die Webcam der Gartenausstellung jeden Tag in Augenschein nehmen (http://iga-berlin.contempo-webcam.de/iga-hautpeingang-gaerten-der-welt.php).

Neben den Projektträgern IGA Berlin 2017, Grün Berlin, fairplants-System, ZinCo und Deutscher Dachgärtner Verband konnten in der Zwischenzeit weitere Kooperationspartner gewonnen werden, die sich mit ihrem Expertenwissen in das Projekt einbringen. So kommt das Material für die Bepflanzung der angehügelten Bereiche von den Firmen Fehrle Stauden aus Schwäbisch Gmünd - Lindach und Rieger-Hofmann aus Blaufelden-Raboldshausen. Ansprechpartner im Bereich der Nisthilfen ist die Firma Schwegler Vogel- und Naturschutzprodukte aus Schorndorf. Und für das Totholz zeichnete sich die Firma Kusche und Dremel Baumdienst aus Falkensee verantwortlich.

Eine besonders schöne und zukunftsorientierte Kooperation ergab sich mit dem Fachverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Berlin und Brandenburg und dem Ausbildungsförderwerk Berlin. Gemeinsam mit 14 hochmotivierten Landschaftsgärtner-Azubis wurden die verschiedenen Biodiversitäts-Elemente Anfang August auf dem Dach des Besucherzentrums installiert. Vier Wochen später wurden dann in einer zweiten Aktion die Stauden gepflanzt, die für das Projekt vorkultiviert wurden. Die Nachwuchskräfte hatten größtenteils noch keine Gründach-Erfahrung und konnten so einen praxisorientieren Einblick in die vielfältigen Möglichkeiten der Dachbegrünung gewinnen. Gleichzeitig wurde deutlich, dass die Planung und Gestaltung artenreicher Dachbegrünungen ein solides Grundwissen über die ökologischen Zusammenhänge natürlicher Lebensräume und entsprechende Pflanzenkenntnisse erfordert und damit ein spannendes Arbeitsfeld für die grüne Branche darstellt.

Dem Deutschen Dachgärtner Verband dient das Berliner Biodiversitäts-Gründach in der Zukunft als wichtiges Referenzprojekt, um bei neu ausgeführten Gründach-Projekten für eine stärkere Berücksichtigung der Artenvielfalt zu werben. Ein Upgrade bereits existierender, artenarmer Extensivbegrünungen zum Biodiversitätsdach ist durch den gezielten Einsatz der verwendeten Module natürlich ebenfalls möglich. Die Vorteilsargumentation gegenüber den Bauherren und Investoren muss sich dabei nicht auf die Aspekte der Artenvielfalt beschränken. Untersuchungen der letzten Jahre belegen, dass die Biodiversität auch Einfluss auf die weiteren Wohlfahrtswirkungen begrünter Dächer wie Schadstofffilterung, Regenwasserrückhalt und die Verdunstungsleistung nehmen kann (s. Literatur: Franzaring et al. 2016, Connop et al. 2013, Cook-Patton & Bauerle 2012).

Die Dokumentation und das wissenschaftliche Monitoring der Maßnahmen erfolgen in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Berlin. Im Rahmen der Projektbegleitung sollen neben der Entwicklung der Lebensräume auch ökonomische Fragestellungen untersucht werden. Hierzu gehört eine Betrachtung der Installationskosten im Vergleich zu herkömmlichen Extensivbegrünungen. Ein wichtiger Punkt ist dabei auch die verbesserte Anerkennung artenreicher Extensivbegrünungen als Minimierungs- oder Kompensationsmaßnahme bei der Eingriffs-/ Ausgleichsbilanzierung, um auf diesem Wege eine Gegenfinanzierung für die erhöhten Installations- und Pflegekosten zu erhalten. In England ist man in diesem Bereich schon einen Schritt weiter. Dort wurde bereits vor sieben Jahren das Biodiversitäts-Gründach der Sharrow Primary School in Sheffield in die Liste der nationalen Naturschutzgebiete aufgenommen.

Literatur

Franzaring, J., Steffan, L., Ansel, W., Walker, R., Fangmeier, A. (2016): Water retention, wash-out, substrate and surface temperatures of extensive green roof mesocosms - Results from a two year study in SW-Germany. Ecological Engineering 94 (2016), Seite 503-515.

Connop, S., Nash, C., Gedge, D. Kadas, G, Owczarek, K and Newport, D. (2013): TURAS green roof design guidelines: Maximising ecosystem service provision through regional design for biodiversity. London: University of East London.

Cook-Patton, S.C., Bauerle, T.L. (2012): Potential benefits of plant diversity on vegetated roofs: A literature review. Journal of Environmental Management 106 (2012), Seite 85 - 92.

Dipl.-Wirt. Biol. Wolfgang Ansel
Autor

Deutscher Dachgärtnerverband

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