Jedes Jahr wird aus Unkenntnis viel Geld verschenkt

Das Jahresende naht: An die Verjährung denken

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Verjährung Recht und Normen
Eine Mahnung hat keinen Einfluss auf den Eintritt der Verjährung. Foto: Stockfotos-MG, Adobe Stock

Vor einigen Jahren erhielt ich gegen 16 Uhr an Silvester zu Hause einen Anruf von einem mittelständigen hessischen Bauunternehmer, der meinte, er säße gerade an seinem Schreibtisch und gehe die noch nicht bezahlten Rechnungen seiner Kunden durch. Bei einigen Forderungen sei er sich nicht sicher, ob und wann sie möglicherweise verjähren. Es blieb mir nichts anderes übrig, als den Umständen entsprechend, den Unternehmer in seiner Not zu beraten.

Bei einem Schuldner musste ich ihm sagen, dass die fünf Rechnungen betreffend verschiedene Bauvorhaben, in wenigen Stunden um 24 Uhr verjähren, wenn er nicht schnellstens noch etwas unternimmt, um die Verjährung abzuwenden. Ich riet ihm, umgehend einen Mahnbescheid zu beantragen und den Antrag quer durch Hessen noch bis Mitternacht zum zuständigen Mahngericht nach Hünfeld zu bringen. Das hat der Unternehmer dann auch getan. Allerdings hat er das Formular so ungeschickt ausgefüllt, dass sich ein paar Jahre später der Bundesgerichtshof mit der Sache beschäftigen musste.

Es ist immer wieder erschreckend, wie wenig sich mittelständige Unternehmer um ausstehende Forderungen kümmern und keine Kenntnis haben, wann Forderungen verjähren. Ich habe jedes Jahr Mandate, bei denen ich den Mandanten die unerfreuliche Mitteilung machen muss, dass ihre Forderungen bereits verjährt sind. Man hört dann immer wieder den Einwand, man habe doch die offene Rechnung häufig angemahnt und nicht auf die Forderung verzichten wollen. Das reicht aber zur Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung einer Vergütungsforderung nicht aus. Eine Mahnung hat keinen Einfluss auf den Eintritt der Verjährung!

Wann verjährt eine Forderung?

Prinzipiell kann eine Forderung nur verjähren, wenn sie zuvor einmal fällig geworden ist. Am Bau heißt das für eine werkvertragliche Vergütungsforderung, dass die Leistung vom Auftraggeber abgenommen sein muss, denn ohne Abnahme der Werkleistung gibt es keine Fälligkeit und ohne Fälligkeit auch keine Verjährung. Für die meisten Vergütungsansprüche aus einem Werk- oder Kaufvertrag gilt eine dreijährige Verjährungsfrist. Sie beginnt stets am ersten Tag des folgenden Kalenderjahres. Für eine Forderung, die zum Beispiel am 01.07.2015 fällig wurde, beginnt die dreijährige Verjährungsfrist erst am 01.01.2016, so dass die dreijährige Verjährungsfrist erst am 31.12. 2018 um Mitternacht abgelaufen ist.

Da immer nur fällige Forderungen verjähren können, gibt es im Baubereich eine Besonderheit zu beachten. Zumeist vereinbaren die Parteien bei einem Bauvertrag eine fünfprozentige Gewährleistungssicherheit, die ablösbar sein soll durch eine Bankbürgschaft. Das bedeutet, dass erst nach Stellung der fünfprozentigen Sicherheit in Form einer Bürgschaft, der Sicherheitseinbehalt fällig wird. Ohne Stellung einer Sicherheit kann dementsprechend erst nach Ablauf der Gewährleistungsfrist die Sicherheitsleistung zur Auszahlung gelangen und damit fällig werden. Das bedeutet, die Vergütungsforderung selbst und der Sicherheitseinbehalt unterliegen unter Umständen einem unterschiedlichen Fristenbeginn.

Jeder Inhaber eines Zahlungsanspruchs aus Kauf- oder Werkvertragsrecht sollte sich bewusst sein, dass seine fällige Forderung nach drei Kalenderjahren mit Kalenderjahresendrechnung verjährt. Um den Eintritt der Verjährung zu retten, sollte man entweder mit dem Schuldner einen Verjährungsverzicht vereinbaren oder von ihm ein Anerkenntnis der Forderung erhalten (etwa in Form einer Ratenzahlungsvereinbarung etc.). Beide vorstehenden Varianten führen zu einer Unterbrechung der Verjährung, d. h. die Verjährungsfrist von drei Jahren läuft nochmals neu, allerdings mit der Besonderheit, dass dieses Mal die Kalenderjahresendrechnung nicht mehr zum Tragen kommt und die Verjährung dementsprechend mitten im Kalenderjahr ablaufen kann.

Zur Not müssen die Gerichte helfen

Oft bleibt einem Gläubiger nichts anderes übrig, als sich der Dienste der Justiz zu bedienen, um die verjährungsbedrohten Forderungen noch zu retten. Dies kann geschehen, in dem man einen Mahnbescheid beantragt oder Klage erhebt. Der nicht ausreichend kundige Gläubiger sollte sich dabei am besten eines Rechtsanwalts bedienen. Schließlich haftet der Rechtsanwalt, wenn ihm in der Sache ein Fehler unterläuft und die Forderung trotz seiner Beauftragung verjährt. Beachten sollte man auf alle Fälle, dass Mahnbescheide nicht mehr zur Unterbrechung der Verjährung sondern lediglich zur Hemmung führen.

Im Gegensatz zur Verjährungsunterbrechung wird bei der Hemmung lediglich der Zeitraum, währenddessen nach dem Gesetz die Verjährung gehemmt ist, nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet. Wird ein Mahnverfahren nicht weiterbetrieben oder gerät es aus anderen Gründen zum Stillstand, so endet die Hemmung der Verjährung bereits sechs Monate nach der letzten Verfahrenshandlung (§ 204 Abs. 2 BGB). Bei einem im Dezember eines Jahres beantragten und Anfang Januar des Folgejahres dem Schuldner zugestellten Mahnbescheides, bedarf es deshalb schon im Juli des Folgejahres weiterer Prozesshandlungen, um die geltend gemachte Forderung nicht doch noch verjähren zu lassen.

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Letzte Rettung Mahnbescheid

Ein Gläubiger kann beim zuständigen Gericht den Mahnbescheid durchaus selbst beantragen. Er muss sich nur eines speziellen Formulars bedienen, das im Fachhandel gekauft oder auch mit dem Computer heruntergeladen werden kann. Dieser Mahnbescheidsantrag ist beim zuständigen Amtsgericht einzureichen. In den meisten Bundesländern sind zentrale Mahngerichte eingerichtet, die unabhängig vom eigentlichen Gerichtsbezirk zuständig sind (z. B. Hagen und Euskirchen in Nordrhein-Westfalen sowie Hünfeld in Hessen). Mit einem korrekt ausgefüllten Mahnbescheidsantrag, der spätestens bis zum 31.12. eines Jahres bis 24 Uhr im Fristenkasten des Mahngerichts eingegangen sein muss, kann man problemlos und preiswert die Hemmung einer Verjährung erreichen.

Voraussetzung ist nur, dass die Zustellung des Mahnbescheids im neuen Jahr "demnächst" erfolgen kann und es dementsprechend mit der Hemmung der Verjährung keine Probleme gibt. Stimmt die Adresse des Schuldners nicht oder kann ihm aus anderen Gründen der Mahnbescheidsantrag nicht vom Gericht zugestellt werden, ist stets größte Eile geboten, weil ansonsten doch noch die Verjährung eintreten kann.

Mahnbescheid bringt Zeitgewinn

Mit dem Mahnbescheid gewinnt man als Gläubiger zumindest erst einmal ein halbes Jahr Zeit, um vielleicht doch noch die Sache außergerichtlich mit dem Schuldner regeln zu können. Man muss dem Schuldner allerdings oft klarmachen, dass entgegen seiner Hoffnung die Forderung doch nicht verjährt ist und er sich deshalb mit der Sache auseinandersetzen muss. Dringend anzuraten ist jedem Gläubiger, es nicht auf den letzten Drücker ankommen zu lassen und möglichst frühzeitig einen Mahnbescheid zu beantragen. Wenn einem Gläubiger erst zwischen Weihnachten und Neujahr auffällt, dass Forderungsverjährung droht, ist wegen der wenigen Arbeitstage größte Eile geboten. Oft kann die Frist nur noch durch einen Kurier zum zuständigen Mahngericht gerettet werden.

Was kommt nach dem Mahnbescheid?

Wenn dem Schuldner der Mahnbescheid vom Gericht zugestellt wurde, hat dieser 14 Tage Zeit, um gegen den Mahnbescheid Widerspruch einzulegen. Unterlässt er das, kann der Gläubiger nach Ablauf der 14-Tagesfrist beim Mahngericht einen sogenannten Vollstreckungsbescheid beantragen. Dieser ist ein vollwertiger vollstreckbarer Titel, mit dem man dann den Gerichtsvollzieher gegen den Schuldner in Lauf setzen kann. Dabei bleibt allerdings immer zu hoffen, dass beim Schuldner etwas zu holen ist und nicht der alte Satz gilt: "Außer Spesen nichts gewesen".

Was kommt nach dem Widerspruch?

Hat man mit dem Mahnbescheidsantrag erst einmal die Vergütungsforderung vor der Verjährung gerettet und hat der Schuldner gegen den Mahnbescheid Widerspruch erhoben, stellt sich spätestens nach sechs Monaten die Frage: Was ist weiter zu tun? Ist der Schuldner nicht bereit zu zahlen oder einen Kompromiss einzugehen, bleibt dem Gläubiger nichts anderes übrig, als einen Rechtsstreit zu führen oder auf die Forderung zu verzichten. Hat ein Rechtsstreit hinreichend Aussicht auf Erfolg, und ist der Schuldner auch nur halbwegs solvent, bietet sich dann der Übergang vom Mahnverfahren in einen ordentlichen Rechtsstreit an. Als Gläubiger sollte man sich allerdings immer vor Augen halten, dass Prozessieren in Deutschland teuer ist, zumeist lange dauert und der Erfolg nicht prognostiziert werden kann. Jedem Gläubiger sei deshalb angeraten, sich gut zu überlegen, ob er wirklich die Justiz bemühen will oder ob es nicht doch sinnvoller erscheint, mit dem Schuldner einen außergerichtlichen Vergleich zu schließen.

Endlich ein Vollstreckungstitel

Ist es dem Gläubiger allerdings gelungen, einen vollstreckbaren Titel in Form eines Vollstreckungsbescheides oder durch Urteil erlangt zu haben, hat man dann allerdings alle Zeit der Welt. Die Hauptforderung verjährt dann erst in 30 Jahren. Lediglich für die titulierten Zinsen gibt es eine abweichende Regelung. Sie verjähren wiederrum innerhalb von drei Jahren mit Kalenderjahresendrechnung, es sei denn, man unternimmt für die Zinsen einen Vollstreckungsversuch, der zu einem Neubeginn der Verjährung für den Zinsanspruch führt. Nachdem man heute bei Kreditinstituten kaum noch eine Verzinsung der Bareinlage erreichen kann, sind dagegen die vom Gesetzgeber vorgesehenen Verzugszinsen äußerst üppig.

§ 288 BGB gewährt dem Gläubiger Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozent-Punkten über dem Basiszinssatz. Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen sogar neun Prozent-Punkte über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 2 BGB). Der Gesetzgeber will mit den hohen Zinssätzen Druck auf den Schuldner ausüben, um ihn mit den hohen Zinsen zur Zahlung der titulierten Forderung zu bewegen.

Andere Verjährungsfristen am Bau

Meine vorstehenden Ausführungen gelten nur für die Verjährung von Vergütungsforderungen. Eine große Rolle spielt in der Praxis die Verjährung von Gewährleistungsansprüchen. Insoweit sei nur darauf hingewiesen, dass für Gewährleistungsansprüche - ganz gleich ob Kauf- oder Werkvertragsrecht anwendbar ist - die oben behandelte Kalenderjahresendrechnung nicht gilt. Nach Kaufrecht beginnt die Gewährleistungsfrist ab Übergabe der Sache und beim Werkvertragsrecht ab Abnahme der Werkleistung. Die Fristen enden dementsprechend nicht am Kalenderjahresende sondern bereits mitten im Jahr, wobei viele Unternehmer nicht wissen, dass nach § 438 Abs. 1 Nr. 2 BGB für Baumaterialien eine fünfjährige Kaufgewährleistungsfrist gilt, wenn das Material sodann auch für ein Bauwerk verwendet wurde. Selbst manche Lieferanten wissen das nicht oder wollen es nicht wissen. Es lohnt sich auf alle Fälle stets ein Blick in das Gesetz, bevor man sich auf Verjährung beruft.

Rainer Schilling

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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