Der Klimawandel: Eine unberechenbare Zukunft

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Der Klimawandel hat sich derart schnell zur unleugbaren Tatsache verdichtet, dass sogar ich überrascht bin. Ein Umdenken ist angesagt. "Weiter wie immer" wird bald nicht mehr funktionieren.

Regeln der alten Zeit gelten nicht mehr. Die neue Zeit steht nicht etwa kurz vor der Tür, sie beherrscht uns bereits. Im Prinzip existieren, was die Bepflanzung angeht, zwei gegensätzliche Lösungsansätze, mit den Folgen des Klimawandels umzugehen.

  • Kräftig dagegenhalten, "weiter wie bisher, alles kein Problem". Wir können dem Klimawandel mit allerlei Bewässerungssystemen und High-Tech entgegentreten. Ihn sozusagen ignorieren und das Problem durch eine massive Steigerung von Material-, Wasser- und Energieverbrauch erst einmal ent-, am Ende aber noch verschärfen.
  • Mit dem sich wandelnden Klima arbeiten. Das heißt, Pflanzen zu verwenden, die einerseits mehr Hitze und Trockenheit aushalten oder andererseits sogar Starkregen ertragen. Dabei müssen wir nicht weit fahren und exotische Länder nach dürreresistenten Arten absuchen. Wir haben die meisten der passenden Wildpflanzen schon bei uns. Sie leben seit Jahrtausenden im Rheintal oder Steppengebieten in Mittelfranken, in den Sandtrockenrasen von Brandenburg oder auf Kalktrockenrasen entlang von Donau und Altmühl, an den Oderhängen oder wer weiß noch wo. Mit diesem Erfolgsrepertoire der Evolution können wir auf teure technische Bewässerungseinrichtungen verzichten und auf die Erneuerungskraft der Natur setzen.

Nur so zum Vergleich ein Blick zurück in Verhaltensregeln der alten Zeit: Wässern Sie Ihr Blumenbeet - oder noch besser: Ihren Rasen - in einem der ständigen Jahrhundertsommer einmal Monate nicht. Wie sähen beide dann wohl aus? Falls Sie sich das nicht vorstellen können, dazu haben wir ein Bild, das den Zustand nach bescheidenen zwei regenlosen Wochen zeigt. Und vergleichen Sie das mit den Beispielen der Wildpflanzen nach drei Monaten ohne Wasser. Unsere heimischen Wildpflanzen sind an Katastrophen angepasst. Sie überleben auch widrige Zeiten. Kurzum: Die können das.

Die Unberechenbarkeit im Wasserhaushalt (ürermäßig viele Starkregenereignisse oder viel zu trocken) und die gleichzeitig kontinuierliche Erwärmung lässt uns den Blick weiten für neue Ansätze und Lösungen im Garten. Naturnahe Grünanlagen sind zwar ebenfalls dem Klimawandel ausgesetzt, liefern gerade deshalb aber zahlreiche Chancen, seine negativen Folgen zu begrenzen. Teilweise helfen sie uns sogar, mit der Natur so umzugehen, dass der Klimawandel selber abgemildert wird.

Die Naturgartenplanerin Ulrike Aufderheide sagte bei der Naturgarten-Intensiv-Tagung in Grünberg im März 2019 zum Klimawandel, dass wir Naturgärtner nur ein kleiner Teil des Problems sind, aber ein großer Teil der Lösung. Wildpflanzen und natürliche Lebensräume besitzen hohe Regenerationskräfte. Psychologen sagen zur dieser Fähigkeit der Selbstrettung Resilienz.

Es hilft nicht mehr, darum herumzureden und so zu tun, als ob man etwas tut, in Wirklichkeit aber alles den gewohnten Gang laufen lässt. Wir müssen handeln, dringend und viel schneller und radikaler als Politiker und Wähler das je mögen wollen. Es wird hart werden in den kommenden Jahrzehnten und ich sage das nur als Pflanzenmensch im Hinblick auf das, was passieren wird: In einigen Jahrzehnten wird dieses Land in seiner Vegetation nicht mehr wieder zu erkennen sein. Das ist meine neue Voraussage. Die Frage ist, ob wir Naturgärtner als vorausschauende Wesen etwas dazu beitragen können, um das, was zu kommen droht, abzumildern und zumindest teilweise zu kompensieren.

Was passiert mit unseren Pflanzen überhaupt? Wir betrachten hierfür exemplarisch die Vorgänge und Auswirkungen auf Rasen und Wiesengesellschaften.

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Rasen in wildblumenarmer Umgebung

Der reine Rasen aus Hochzuchtgräsern der Marke Weidelgras und Co. hat relativ schlechte Überlebenschancen während länger andauernder Hitzewellen. Die handelsüblichen Grasmischungen versagen spätestens nach ein bis zwei Wochen ohne ausreichende Feuchtigkeit. Dann stellen Eigenheimbesitzer ihre Rasensprenger an. Und wie durch ein Wunder bleibt die geschorene Matte grün. Was aber tun Kommunen mit hektarweise Rasenflächen? Gewiss scheitern sie schon an der puren Fläche. 30 m² Rasen können Sie wässern, 30.000 m² nicht mehr. Und - selbst wenn sie es wollte - wird die Kommune an dieser Aufgabe schon deshalb verzweifeln, weil Wasser dann rationiert sein wird und für solche profanen Dinge wie englischen Rasen nicht verschwendet werden darf. Da ist eine gewisse Panik unter Hochzuchtrasenanbietern durchaus verständlich. Die alten Rezepte funktionieren nicht mehr und an neue hat keiner gedacht.

Schauen wir genau hin: Was passiert ohne Wässern? Währt die Trockenheit nicht allzu lange, also nicht mehr als vielleicht einen Monat, dann kann sich Gras wieder regenerieren. Zumeist aus der Wurzel und (bei den Hochzuchtsorten) seltener aus Samen, ergrünt die Schurmatte aus sich heraus neu. Die eigenständige Verjüngung funktioniert natürlich weniger gut, wenn sich wegen zu scharfen Rasenmähens niemals Blüten und erst Recht keine Samen bilden konnten.

Und falls die Trockenheit noch länger anhält? Nehmen wir drei Monate: Dann sieht es schlecht aus für unseren geliebten Englischen. Das Hochglanzprodukt erweist sich als Fehlinvestition. Der Rasen verschwindet ganz - die Fläche erbraunt. Wir befinden uns in dem Moment geistig vielleicht auf einer sommerlichen Rasenfläche im Golf von Palermo, räumlich aber dummerweise in Dresden. Tatsächlich sehen wir die Auswirkungen des Klimawandels dort am stärksten, wo es jetzt schon weniger Niederschläge gibt. Ein Blick in den Osten Deutschlands kann also sehr heilsam wirken für alle, die meinen, es ginge vielleicht doch noch irgendwie so weiter wie bisher.

Natürlich habe ich die Regeneration verschiedener Rasenflächen verfolgt. Ein Jahr später sieht die kahlbraune Fläche tatsächlich wieder grün aus. Aber erst der Blick ins Detail bestätigt, was da grünt. Es sind vor allem einjährige Ackerunkräuter wie Knöterich oder Melde, die durch die Hitze gerissene Lücken ausfüllen. Das Grün ist also nur Scheinrasen. Wie wir gleich sehen werden, liegt das an der artenarmen Gesamtausstattung. Ersatzarten sind nicht in Sicht, da Rasen im golfideologischen Reinfall aus Gras, nichts als Gras bestehen soll.

Wird es die Jahre danach wieder feuchter, kann mit einiger Mühe der alte Rasen die Lücken erobern, falls das ausdauernde Wildkräuter wie Weißklee nicht schon erledigt haben. Aber, und das ist die Wettervorhersage der Zukunft: Die Trockenjahre werden sich häufen, auch direkt hintereinander. Und so wird dem geliebten englischen Rasen im öffentlichen Grün von unserer Seite aus ein sentimentales "Farewell" zuteil.

Erkenntnisse

  • Gräser des Rasens leiden besonders unter dem Klimawandel
  • spontan im Umland vorkommende Kräuter und Staudenarten können die Lücken füllen
  • handelt es sich um eine artenarme Umgebung, sind das vorwiegend Einjährige Unkräuter wie Einjähriges Rispengras, Vogelknöterich oder etwa Weißklee

Rasen in wildblumenreicher Umgebung

Mit dieser Motivation drehen wir noch ein paar Fahrradrunden und erkunden andere Rasenflächen in Dresden. Wie sieht es da nach drei Monaten Dürre aus? Wo sind die Überlebenden und wie heißen sie? Was passiert mit Rasen, sobald heimische Wildblumen in der Nähe sind?

Es ist ziemlich erstaunlich, aber je weiter wir an den Rand Dresdens driften, wo naturnahe Vegetation ins Stadtgebiet hineinlappt, desto mehr füllen sich die ins Gras gerissenen Lücken mit allerlei Wildkräutern. Wir entdecken, dass es eine beachtliche Bandbreite trockenheitsverträglicher Arten gibt. Die anscheinend nicht nur die Hitzephasen überleben können, sondern sogar noch fleißig blühen und Samen ausstreuen. So finden sich Zweijährige wie Natternkopf, Wegwarte oder Ochsenzungen. Daneben blühen Vertreter aus der Zunft der Stauden: Wiesenflockenblumen, Karthäusernelken oder Herbst- und Rauher Löwenzahn. Graukresse sowie Frühlingsfingerkraut gedeihen neben Wildem Hornklee. Es scheint, als ob Arten der mageren trockenen Blumenwiesen nur auf das Absterben des englischen, in diesem Fall ostdeutschen Rasens gewartet hätten. Sie wandeln sozusagen auf natürliche Weise Rasenflächen in Kräuterrasen um, womit wir automatisch beim nächsten Thema wären. Kräuterreiche Rasen, auch Blumen- oder Kräuterrasen genannt.

Kurz noch eine Erkenntnis aufschreiben. Sobald ein Potenzial von trockenheitsverträglichen Wildblumen in der Nähe wächst, können sie schnell ausgebrannte Rasenflächen besetzen. Das stimmt uns einigermaßen zuversichtlich, wobei wir gespannt sind, wie die Geschichte weitergeht. Die Katastrophe als Chance für einen bunteren, lebendigen Neubeginn?

Erkenntnisse

  • Hinter jeder Katastrophe steckt mindestens eine Chance
  • Benachbarte Wildblumen können Rasenflächen erobern

Kräuterrasen

Hier befinden wir uns generell auf nährstoffreichen Standorten mit mehr oder weniger humusreichen Böden und moderater Feuchtigkeitsversorgung. Sie vermuten sehr richtig: Darin sind bereits etliche Wildblumen enthalten. In guten Mischungen artenreicher Kräuter- beziehungsweise Blumenrasen wäre das ein Kräuteranteil von 20 bis 30 oder im Höchstfall sogar 50 Prozent. Und es ist wirklich interessant zu sehen, was da passiert. Wir begeben uns zu Ansichtszwecken erneut nach Dresden, wo es 2018 monatelang im Sommer quasi gar nicht und im ganzen Jahr insgesamt nur 421 mm geregnet hat, genau genommen nur 63 Prozent der durchschnittlichen Regenmenge von rund 670 mm. Das ist wahrlich nicht viel, würde wissenschaftlich schon zum Steppenklima gezählt, taugt gewissermaßen als Test für unsere soeben aufgestellte These, dass Kräuter überlebensfähiger sind als Gräser und bei Trockenheit tendenziell zunehmen.

Wir besuchen als erstes die Ansaat eines Blumenrasens in einem Naturgarten - und bleiben, weil es so spannend ist, in Dresden-Langebrück. Dort überwiegen sandige, nährstoffarme, von sich aus wenig wasserspeichernde Böden. Auf solchen humusarmen Standorten hat die Flora per se zu kämpfen. Es sind typische Grenzstandorte, an denen unsere Erkenntnisse wachsen. Extreme fordern heraus: Pflanzen, Beobachter und Einsichten.

Ein trockener Frühling mit drei darauf folgenden heißen und gefühlt regenlosen Sommermonaten hinterlassen 2018 ihre Spuren. Zunächst einmal verwundert, dass es überhaupt etwas zu sehen gibt. Tatsächlich steht die sechs Wochen zuvor gemähte Fläche Ende August fast in Vollblüte - ausschließlich mit trockenheitstauglichen Wildblumen. Als zweites dann wieder das bereits angedeutete Phänomen: Gräser sind ausgefallen. Heu am Stiel, das ist das Bild. Es bleibt sehr viel mehr Platz für die Wildblumen und wir fragen uns, ob die den nutzen können? Dazu müssten sie nämlich trotz chronischer Dürre in der Lage sein, noch Samen zu bilden. 2019, das Jahr darauf, wundern wir uns deshalb nicht wenig, dass noch mehr Wildblumen auf der Fläche stehen als früher. Das Gras ist nahezu verschwunden unter der Blütenmenge, die in einem Frühling und Frühsommer mit zumindest von Januar bis März ausreichend Regenfällen nahezu explodiert ist. Wir entdecken etwas, das uns später noch stärker beschäftigen wird: Bestimmte Wildblumenarten bekommen durch Dürrejahre Extrachancen.

Die erste Erkenntnis gleicht der von Rasenflächen:

  • Gras verschwindet und das ist neu:
  • die Verunkrautung mit Einjährigen ist geringer
  • Wildblumen nehmen zu

Wir halten an dieser Stelle fest, dass die Zukunft unser Grün unterschiedlich hart trifft. Während reine Rasenflächen eher schwieriger oder gar unmöglich im Unterhalt werden, haben Bereiche mit heimischem Wildblumenanteil größere Chancen. Die Zukunft wird von uns also weit mehr Wildpflanzen fordern, als das bislang der Fall war. Wir sind gespannt, wie es weiter geht und müssen offen bleiben.

Fachtagung zum Thema Klimawandel:
28. 2. bis 1. 3. 2020,
Bildungstättte Gartenbau,
Grünberg, Hessen,

www.naturgarten-intensiv.de

Dr. Reinhard Witt
Autor

Freiberuflicher Biologe, Journalist und naturnaher Grünplaner

Reinhard Witt - Fachbetrieb für naturnahe Grünplanung

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