Der Kommentar

Die Normen sind schuld

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Die Zahlen im Wohnungsbau sind alarmierend. Seit 2022 ist der Umsatz im Wohnungsbau in absoluten Zahlen um gut 10 Milliarden Euro gesunken, im Wirtschafts- und öffentlichen Bau dagegen um knapp 10 Milliarden Euro gestiegen. Auch die Baugenehmigungen im Wohnungsbau, gehen seit 2021 jährlich um gut 60.000 zurück. Dafür gibt es ganz viele Gründe.

Die gesamtwirtschaftliche Situation lässt Familien, die ein Eigenheim bauen wollen, zögerlich werden. Die jetzt höheren Zinsen, machen die Finanzierung weniger attraktiv. Dazu kommen die höhere Inflation, teurere Baustoffe durch Lieferengpässe, höhere Energiekosten und nicht zuletzt die hohen Grundstückspreise.

Nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen kostet aktuell die Herstellung eines Quadratmeters Wohnfläche in Großstädten durchschnittlich circa 4300 Euro. Das sind über 40 Prozent mehr als noch vor vier Jahren.

Auch wenn die Politik eine Wohnungsbau -initiative ausgerufen hat, bleiben die Tatsachen weit hinter den Zielen zurück.
Richten soll es jetzt ein neuer „Gebäude TypE“. „E“ steht für einfach oder experimentell.

Die Bundesregierung hat nämlich einen neuen Schuldigen gefunden, die Normen und die damit zumindest mittelbar in Verbindung stehenden „anerkannten Regeln der Technik“. Als „anerkannte Regel der Technik“ gilt, etwas verkürzt, was in der Wissenschaft anerkannt ist und sich in der Praxis bewährt hat. Normen können das abbilden, müssen sie aber nicht.

Das Bundesverwaltungsgericht hat schon 1983 (Az.: 4C 33-35/83) festgestellt, dass den Normen einerseits Sachverstand und Verantwortlichkeit für das allgemeine Wohl nicht abgesprochen werden. Andererseits darf aber nicht verkannt werden, dass es sich dabei auch um „Vereinbarungen gewisser Kreise handelt“, die eine bestimmte Einflussnahme auf das Marktgeschehen bezwecken.

Wenn sich aber alle Beteiligten an die Vorgaben der Normen halten, werden Normen am Ende doch zu dem, was sie nicht sind, zu „anerkannten Regeln der Technik“. Da Ingenieure naturgemäß sehr normengläubig sind, insbesondere Sachverständige leiden darunter, werden Normen doch durch die Hintertür zu Gesetzen, obwohl es sich um „Vereinbarungen gewisser Kreise“ handelt. Normungsarbeit ist eben auch oft Lobbyarbeit. Am Ende verdienen alle, wenn das Bauen teuer wird, vom Planer über den Lieferanten der Baustoffe bis zum Bauunternehmen.

Auch der Gesetzgeber macht es sich auch oft einfach, in dem das, was in Normungsgremien erarbeitet wurde, in Landesbauordnungen aufgenommen wird oder die Regelungen über den Umweg der „anerkannten Regeln der Technik“ doch unumgänglich werden. Im Wohnungsbau ist das Rad offenbar überdreht worden und man muss zurückrudern.

So ist bereits in den neuen DIN-Länder-Vertrag aufgenommen worden, dass in technischen Normen notwendige Mindeststandards von Komfortstandards getrennt werden sollen. Etwas, was in europäischen Normen schon lange Standard ist. Dort gibt es sehr oft Qualitätsstufen, aus denen sich die Akteure den für das jeweilige Projekt den richtigen Standard aussuchen können. Alle haben den Anspruch als „anerkannten Regeln der Technik“ zu gelten.

Nun haben wir auch im Landschaftsbau immer mehr Normen und Regelwerke, beispielsweise von der FLL, an denen auch der Verfasser dieser Zeilen beteiligt ist. Müssen wir auch über die Gartenanlage TypE nachdenken?

Ihr Martin Thieme-Hack

NL-Stellenmarkt

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Prof. Dipl.-Ing. (FH) Martin Thieme-Hack
Autor

Hochschule Osnabrück, Fakultät A&L

Hochschule Osnabrück University of Applied Sciences

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