GaLaBau und Recht: Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

Der versteckte oder verdeckte Mangel - Welche Verjährungsfrist gilt wirklich?

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Jeder auf dem Gebiet des Bauwesens tätige Unternehmer, der gegenüber seinen Kunden während der Gewährleistungsfrist (Nacherfüllungsfrist) für eventuell auftretende Mängel an seinem Gewerk einzutreten hat, ist froh, wenn die Frist ohne ein Nachbesserungsverlangen seines Kunden vorübergegangen ist und im Übrigen die gestellte Gewährleistungsbürgschaft ohne deren Inanspruchnahme zurückgegeben wurde.

Umso misslicher ist aber die Situation, wenn ein Kunde nach Ablauf der vertraglichen, zumeist fünfjährigen werkvertraglichen Gewährleistungsfrist (nach VOB/B sogar nur vier Jahre) auf einer kostenlosen Beseitigung von behaupteten Mängeln besteht.

Beruft sich der Unternehmer gegenüber seinem Kunden auf Verjährung, wird fast immer von Auftraggeberseite das Argument gebracht, es habe sich um einen verdeckten oder versteckten Mangel gehandelt, den man nicht rechtzeitig erkennen und rügen konnte, so dass die Gewährleistungsfrist noch nicht abgelaufen sei. Auch nach Ablauf der gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten eigentlichen Gewährleistungsfrist könne man deshalb den Mangel noch zu Recht weiter geltend machen. Nachdem im Kaufrecht nach § 438 Abs. 1 Nr. 2 b BGB für Baumaterial, das am Bau verwendet wurde, auch eine 5-jährige Gewährleistungsfrist vom Gesetzgeber vorgesehen ist, wird auch bei kaufrechtlichen Ansprüchen nach Ablauf der gesetzlichen Gewährleistungsfrist mit dem Begriff des versteckten oder verdeckten Mangels von Käuferseite argumentiert.

Welche Fristen gelten?

Selbst in Fachkreisen besteht unter Technikern zum Teil immer noch die Meinung, dass bei einem verdeckten oder versteckten Mangel ein Mängelanspruch 30 Jahre lang vom Auftraggeber weiter verfolgt werden könne. Dieser weit verbreitete Irrglaube hält sich hartnäckig, so dass man selbst bei vereidigten Bausachverständigen immer wieder hört, ein solcher Mangel könne doch nicht nach fünf Jahren verjährt sein. Fragt man allerdings nach, aufgrund welcher Bestimmung im BGB oder in der VOB längere Fristen für verdeckte oder versteckte Mängel gegeben seien, bleibt man zumeist ohne Antwort. Den Begriff des verdeckten oder versteckten Mangels findet man kaum in höchstrichterlichen Urteilen, insbesondere nicht in Urteilen des 7. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, der für das Werkvertragsrecht zuständig ist. Stattdessen liest man häufiger den Begriff des "bei der Abnahme der Leistung nicht erkannten Mangels". Ausnahmeregelungen für verdeckte oder versteckte Mängel gibt es weder in der Rechtsprechung, noch im Gesetz, noch in der VOB, wobei im Übrigen zu beachten ist, dass der Lauf einer Gewährleistungsfrist im Werkvertragsrecht stets ab der Abnahme der Werkleistung beginnt.

Keine übertrieben lange Fristen

Der Gesetzgeber ging bewusst nicht von überlangen Gewährleistungsfristen aus. Es war eigentlich sein Bestreben, nach angemessener Zeit zwischen den Parteien endgültig den Rechtsfrieden einkehren zu lassen. Für Werkleistungen entschied sich der Gesetzgeber dabei auf eine fünfjährige Frist ab Abnahme. In dieses Schema, den Rechtsfrieden möglichst bald und unzweifelhaft einkehren zu lassen, passt auch die Bestimmung des § 640 Abs. 2 BGB, die dem Auftraggeber im speziellen Fall seine Gewährleistungsrechte nimmt, soweit er für ihm bekannte Mängel seine Rechte nicht bei der Abnahme vorbehalten hat. § 640 Abs. 2 BGB lautet wie folgt:

"Nimmt der Besteller ein mangelhaftes Werk gemäß Abs. 1 Satz 1 ab, obschon er den Mangel kennt, so stehen ihm die in § 634 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Rechte nur zu, wenn er sich seine Rechte wegen des Mangels bei der Abnahme vorbehält."

Das heißt, kennt ein Auftraggeber (im Gesetz Besteller genannt) bei Abnahme positiv einen Mangel, verliert er nach der Vorschrift gegenüber dem Auftragnehmer mangels bei Abnahme erklärten Vorbehalt die in § 634 Nr. 1 bis 3 BGB genannten Rechte. Dies sind insbesondere Nacherfüllung (Gewährleistung), Selbstvornahme (früher Ersatzvornahme genannt) und Minderung. Wichtig ist für den Auftraggeber zu wissen, dass § 640 Abs. 2 BGB ihm wegen der Mängel nicht das Recht nimmt, Schadenersatz zu verlangen.

Fristen nach alter Rechtslage

Wahrscheinlich hält sich der Irrglaube, für einen verdeckten oder versteckten Mangel gebe es längere Gewährleistungsfristen, deshalb so hartnäckig, weil bis zum Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 1.1.2002 vom Auftragnehmer für arglistig verschwiegene Mängel nach altem Recht noch eine 30-jährige Verjährungsfrist galt und auch nach der Gesetzesänderung noch viele Urteile nach altem Recht mit langen Fristen veröffentlicht wurden. Nach weit mehr als zehn Jahren seit der Gesetzesänderung müsste es sich eigentlich herumgesprochen haben, dass diese 30-jährige Verjährungsfrist aus der Zeit vor der Schuldrechtsreform für arglistig verschwiegene Mängel nicht mehr existiert und es jetzt stattdessen Regelungen gibt, die wesentlich komplizierter sind und andere Fristen beinhalten.

Fristen bei Schadenersatzansprüchen

Für Schadenersatzansprüche wegen arglistig verschwiegener Mängel gilt nach § 195 BGB lediglich noch eine dreijährige Frist, wobei der Lauf der Frist abweichend von Gewährleistungsfristen nicht mitten im Jahr, sondern erst mit dem Schluss des Kalenderjahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 BGB). Da diese Frist kürzer ist als die gesetzliche Gewährleistungsfrist hat der Gesetzgeber zusätzlich eine Regelung in das Gesetz aufgenommen, wonach Schadenersatzansprüche wegen arglistig verschwiegenen Mängeln nicht vor Ablauf der normalen fünfjährigen Gewährleistungsfrist verjähren (§ 634 a Abs. 3 BGB).

Die besondere Frist des § 199 Abs. 2 BGB

Für Schadenersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, hat der Gesetzgeber in § 199 Abs. 2 BGB eine Ausnahmeregelung getroffen. Diese Ansprüche verjähren ohne Rücksicht auf Ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis erst in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen den Schaden auslösenden Ereignis an. Kommt es zu einer Körperverletzung oder sogar zu einem Todesfall, gilt nicht die zuvor erörterte dreijährige Verjährungsfrist, sondern eine lange 30-jährige Frist, was allerdings auch zur Folge hat, dass Krankenkassen und andere Sozialversicherer beim Schädiger auch 30 Jahre lang Regress für die Aufwendungen geltend machen können, die sie für den Geschädigten erbracht haben. Bei einem größeren Schadensfall kann diese langfristige Regressmöglichkeit gerade bei schwerwiegenden Dauerschäden unter Umständen zum finanziellen Ruin des Schädigers führen.

Fristenlauf bei Schadenersatzansprüchen

Da die dreijährige Regelfrist erst zu laufen beginnt, wenn der Auftraggeber "von den Anspruch begründeten Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt", haben Schadenersatzansprüche, die sich auf arglistige Täuschung gründen, letztendlich andere Laufzeiten als die Gewährleistungsansprüche. Die Schadenersatzansprüche des Auftraggebers wegen arglistigem Handeln des Auftragnehmers beginnen stets erst mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Auftraggeber Kenntnis von dem Anspruch und seines Schuldners erlangt hat. Durch das Tatbestandsmerkmal der "Kenntnis eines Anspruchs" kann es durchaus zu einer wesentlich späteren Verjährung kommen, als es das vertragliche Gewährleistungsrecht vorsieht. Ich möchte dies an folgendem Beispiel verdeutlichen.

Noch Schadenersatz nach Gewährleistungsende

Bei einer Baumaßnahme ist die werkvertragliche Gewährleistungsfrist endgültig am 1.7.2012 abgelaufen. Erst am 1.10.2012 erhält der Auftraggeber Kenntnis von der Mangelhaftigkeit der Werkleistung, die er auch dann erst erkannt hat. Hat der Auftragnehmer gegenüber dem Auftraggeber arglistig gehandelt, zum Beispiel den Mangel verschwiegen, ist ein derartiger Anspruch auf Schadenersatz gegen den Auftragnehmer trotz Ablaufs der fünfjährigen Gewährleistungsfrist nicht verjährt. Der Lauf der Verjährungsfrist hat bei einem solchen Mangel erst später begonnen. Wegen der gesetzlich vorgesehenen Kalenderjahresendrechnung für Verjährungsfristen nach § 199 BGB hat für einen aus Arglist begründeten Anspruch erst ab 01.01.2013 der Lauf der Verjährungsfrist begonnen und endet am 31.12.2015 um 24.00 Uhr.

Zu beachten ist allerdings, dass auch die Schadenersatzansprüche nicht grenzenlos lange geltend gemacht werden können. Nach § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB verjähren die Ansprüche nach zehn Jahren, gerechnet von der Entstehung des Anspruchs.

Verhinderung des Ablaufs der Fristen

Hat der Auftragnehmer bis dahin den Schadenersatzanspruch des Auftraggebers nicht befriedigt, muss der Auftraggeber vor dem 31.12.2015 rechtzeitig Maßnahmen ergreifen, die seinen Anspruch retten, das heißt, der Auftraggeber muss für eine Hemmung oder Unterbrechung der Verjährungsfrist Sorge tragen. Dies kann zum Beispiel durch die Beantragung eines Mahnbescheides, durch Beantragung eines selbständigen Beweisverfahrens oder durch Klage bei Gericht geschehen.

Zur Vermeidung unnötiger Kosten vereinbaren vernünftige Parteien oft auch für gewisse Zeiträume den Verzicht auf die Einrede der Verjährung, was zumeist die kostengünstigste Lösung ist, wenn beide Parteien guten Willens sind und eine Klärung herbeiführen wollen. Freilich ist auch die Möglichkeit eines Schuldanerkenntnisses durch den Auftragnehmer gegeben. Dann allerdings gilt die Verjährungsfrist als unterbrochen und läuft für den anerkannten Anspruch nochmals völlig neu (§ 212 BGB). Dies gilt auch für den so genannten VOB-Vertrag.

Mängelnachschau

Nicht zuletzt, weil das Argument einer gegebenen längeren Verjährungsfrist wegen verdeckten oder versteckten Mangels rechtlich nicht zieht, gehen immer mehr Auftraggeber zur Wahrung ihrer Rechte dazu über, rechtzeitig vor Ablauf der Gewährleistungsfristen nochmals eine Nachschau vorzunehmen, ob und gegebenenfalls welche Mängel innerhalb der Gewährleistungsfrist möglicherweise an dem Gewerk des Unternehmers aufgetreten sind. Die öffentliche Hand ist sogar angehalten, solche Begehungen, die zumeist ohne die Auftragnehmerseite erfolgen, durchzuführen und hinsichtlich festgestellter Mängel fristwahrende Maßnahmen zu ergreifen.

So genanntes "Organisationsverschulden"

Im Zusammenhang mit längeren Fristen trägt wohl eine auch heute noch immer wieder zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12.03.1992 bei, die die Juristen unter dem vom BGH geprägten Stichwort "Organisationsverschulden" einordnen. In dieser noch nach altem Fristenrecht ergangenen Entscheidung, bei der es um den Einsturz einer mehr als 20 Jahre vor dem Schadensfall erbauten Scheune ging, entwickelte der BGH rechtliche Grundsätze zum so genannten "Organisationsverschulden". Nach dieser Rechtsprechung wollte der BGH sicherstellen, dass sich der Unternehmer seiner vertraglichen Offenbarungspflicht bei Ablieferung des fertigen Werkes nicht dadurch entziehen kann, dass "er sich unwissend hält oder sich keiner Gehilfen bei der Pflicht bedient, Mängel zu offenbaren".

Der BGH verlangt von einem Unternehmer, der arbeitsteilig, das heißt mit Personal tätig ist, die organisatorischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass ein Gewerk sachgerecht überprüft wird, "ob das Bauwerk bei der Ablieferung mängelfrei ist". Nimmt diese Überprüfung der Unternehmer nicht selbst vor, muss er dafür sorgen, dass seine Erfüllungsgehilfen das Gewerk ausreichend überwachen.

Das Urteil des BGH aus 1992

Bei der vom BGH ergangenen Entscheidung zur eingestürzten Scheune hatte sich ein Bauleiter des Generalunternehmers praktisch um den Einbau von speziellen Fertigteilen im Dachbereich nicht gekümmert. Diese waren zum Teil zu kurz und passten überhaupt nicht ineinander. Jeder nur halbwegs aufmerksame Bauleiter hätte dies nach Sachverständigenmeinung ohne Mühe erkennen können. In einem solchen Fehlverhalten eines Bauleiters des Unternehmers sah der BGH ein "Organisationsverschulden" und nahm die Auftragnehmerfirma so in die Haftung, als hätte sie arglistig getäuscht.

Da eine arglistige Täuschung in solchen Fällen im Rahmen eines Rechtsstreits kaum nachweisbar sein dürfte, wird seitens des BGH ausdrücklich betont, den Unternehmer so zu behandeln, als hätte er arglistig getäuscht. Es laufen dann die für die arglistige Täuschung geltenden Verjährungsfristen mit allen weiteren Tatbestandsmerkmalen (dreijährige Frist mit Kalenderjahresendrechnung ab positiver Kenntnis des Mangelschadens und des Anspruchsgegners, siehe oben).

Fazit

Entgegen landläufiger Meinung gibt es für verdeckte oder versteckte Mängel keine längeren Gewährleistungsfristen. Auch für sie gilt die gesetzliche Regelung des Werkvertragsrechts, das heißt fünf Jahre, es sei denn, die Parteien haben vertraglich andere Fristen ausdrücklich vereinbart.

Bei Flachdacharbeiten hat es sich zum Beispiel in manchen Bereichen Deutschlands eingebürgert, eine zehnjährige Gewährleistungsfrist zu vereinbaren. Nur im Falle arglistigen Handelns seitens des Auftragnehmers kann der Fristenlauf deutlich später beginnen und dementsprechend auch später enden, wenn der Auftraggeber von dem Anspruch und seinem Schuldner erst später Kenntnis erlangt hat. Auf alle Fälle sollte der Anspruchsteller immer Auge haben, dass entgegen früherer Rechtslage mit einer 30-jährigen Verjährung heute für derartige Schadenersatzansprüche spätestens nach zehn Jahren seit Entstehung des Anspruchs Verjährung eintritt. Ausnahme hiervon sind lediglich die Ansprüche, die unter § 199 Abs. 2 BGB fallen (Verstoß gegen Leib, Leben und Gesundheit).

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 Rainer Schilling
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Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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