GaLaBau und Recht: Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

Die Haftung der Vertragsparteien für vom Auftraggeber verlangte Baustoffe oder Leistungen

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GaLaBau und Recht Recht und Normen
Oft wird es als ungerecht empfunden, für Mängel an Baustoffen oder Leistungen im Rahmen des Werkvertragrechts haften zu müssen, die der Auftraggeber explizit verlangt hat. Foto: Moritz Lösch/Neue Landschaft
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Stets trifft den Auftragnehmer bezüglich des Leistungsverzeichnisses eine Überprüfungspflicht.
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Auch bei vom Auftraggeber gestellten Baumaterialien und -stoffen ist der Auftragnehmer in zumutbarem Rahmen in der Prüfpflicht, so entschied im April das Oberlandesgericht Düsseldorf in einer aktuellen Entscheidung und bestätigte die gängige Rechtsprechung. Foto: Charlie 1956nrw/ CC BY-SA 3.0
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Wird die Ausschreibung oder Planung auf Bedenken des Auftragnehmers hin geändert. Kann sich der Auftragnehmer dennoch nicht beruhigt zurücklehnen.
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Viele Auftragnehmer beachten allerdings zu wenig, dass die Beschaffenheit des Baugrundes regelmäßig auch zu den vom Auftraggeber gestellten Baustoffen gezählt wird und sich dementsprechend die Prüfpflicht auch hierauf erstreckt. Foto: Moritz Lösch/Neue Landsch

Oft wird es von Auftragnehmern als ungerecht empfunden, für Mängel an Baustoffen oder Leistungen im Rahmen des Werkvertragsrechts haften zu müssen, die der Auftraggeber explizit verlangt hat. Unter Umständen war der Auftraggeber dabei sogar durch einen (scheinbar) fachkundigen Architekten vertreten, der auch nicht verhindert hat, dass es zu einer mangelhaften Leistung gekommen ist. Bei auftretenden Mängeln ist man allzu leicht bereit, dem Auftragnehmer die Schuld hieran zu geben.

In der VOB gibt es in § 13 Abs. 3 VOB/B eine eigene Haftungsregelung. Sie lautet: "Ist ein Mangel zurückzuführen auf die Leistungsbeschreibung oder auf Anordnungen des Auftraggebers, auf die von diesem gelieferten oder vorgeschriebenen Stoffe oder Bauteile oder die Beschaffenheit der Vorleistung eines anderen Unternehmers, haftet der Auftragnehmer, es sei denn, er hat die ihm nach § 4 Abs. 3 obliegende Mitteilung gemacht."

Nicht immer haftet der Auftragnehmer

Mit dieser Bestimmung wird die Verantwortlichkeit für eine mangelhafte Leistung prinzipiell erst einmal dem Unternehmer zugeschoben, der sich allerdings oft als zu Unrecht in Anspruch genommen fühlt.

Mangel in der Leistungsbeschreibung

Ein Auftragnehmer ist nach herrschender Meinung nicht schon von der Mängelhaftung befreit, wenn er sich auf die Richtigkeit und Vollständigkeit eines vom Auftraggeber stammenden Leistungsverzeichnisses verlässt. Dies gilt auch, wenn das Leistungsverzeichnis von einem als qualifiziert geltenden Architekten oder Sonderfachmann als Erfüllungsgehilfen des Auftraggebers stammt. Stets trifft den Auftragnehmer bezüglich des Leistungsverzeichnisses eine Überprüfungspflicht. Insbesondere muss der Auftragnehmer nachprüfen, ob die Angaben im Leistungsverzeichnis in ihren Einzelheiten wie auch in ihrer Gesamtheit technisch einwandfrei und zur Erreichung des vom Auftraggeber verfolgten Bauziels tauglich sind. Wenn nicht, ist der Auftragnehmer gehalten, den Auftraggeber rechtzeitig hierauf aufmerksam zu machen, wobei dies zumeist durch die Anmeldung von Bedenken geschieht (§ 4 Abs. 3 VOB/B). Unterlässt er dies oder artikuliert er seine Bedenken nicht mit der nötigen Klarheit oder dem entsprechenden Nachdruck, ist die Rechtsprechung allzu schnell mit einer Mithaft des Auftragnehmers wegen eines Mitverschuldens zur Hand. Sieht zum Beispiel ein Leistungsverzeichnis für eine äußere frostbeständige Verblendung Kalksandstein vor, so muss der Auftragnehmer mit Nachdruck Bedenken beim Auftraggeber anmelden, ansonsten gerät der Auftragnehmer allzu leicht in die (Mit-) Haftung.

Änderung der Leistung wegen Bedenken des Auftragnehmers

Wird die Ausschreibung oder Planung auf Bedenken des Auftragnehmers hin geändert, kann sich der Auftragnehmer dennoch nicht beruhigt zurücklehnen. Nach der Rechtsprechung muss er vielmehr erneut prüfen, ob er aufgrund der Änderungen in die Lage versetzt wurde, nunmehr eine mängelfreie Leistung zu erbringen. Ist dies nicht möglich, hat er insbesondere wegen seiner Fachkenntnisse die Pflicht, erneut darauf hinzuweisen und die Entscheidung des Auftraggebers wiederum abzuwarten. Im Übrigen kann ein Auftragnehmer oft den Anordnungen des Auftraggebers nicht folgen, weil man gegen zwingendes öffentliches Recht verstoßen würde. Dies gilt zum Beispiel bezüglich der EnEV, deren Einhaltung für die Parteien zumeist nicht disposibel, sondern zwingend ist.

Auf keinen Fall sollte sich der Auftragnehmer verleiten lassen, Auftraggeberpflichten zu übernehmen. Das heißt, mit der Bedenkenanmeldung sollte kein Änderungsvorschlag verbunden werden, wenn man sich nicht absolut sicher ist, dass dieser Änderungsvorschlag auch in der vorgeschlagenen Form ohne Risiko ausgeführt werden kann. Mit einem Änderungsvorschlag übernimmt man als Auftragnehmer allzu leicht eine eigentlich nicht gewollte Planungsverantwortung, die sehr schnell zu einer Haftung führen kann, die im Zweifel nicht versichert ist.

Mangel durch vom Auftraggeber gelieferte Stoffe oder Bauteile

Resultiert der Mangel auf einem vom Auftraggeber gelieferten Stoff oder Bauteil, geht man aus Vernunftsgründen eigentlich von einer Verantwortlichkeit und Haftung des Auftraggebers aus. Der Auftragnehmer ist selbst in einem solchen Fall nicht von vorneherein freigestellt. Die Rechtsprechung entlässt ihn nicht völlig aus der Haftung, nur weil das Material bauseits gestellt wurde. Selbst da obliegt dem Auftragnehmer - allerdings im zumutbaren Rahmen - eine eigene Prüfpflicht. Dies hat gerade erst wieder das Oberlandesgericht Düsseldorf in einer im April 2015 neu veröffentlichten Entscheidung festgestellt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.10.2014, Az. 22 U 72/14). Beim Auftragnehmer wird aufgrund seiner Ausbildung eine Kenntnis von Stoffen und Bauteilen vorausgesetzt, die der Auftragnehmer dann aber auch anwenden muss. Er hat den vom Auftraggeber an die Baustelle gelieferten Stoff insbesondere einer visuellen Überprüfung zu unterziehen, muss ihn unter Umständen betasten, nachmessen und im speziellen Einzelfall auch einer Geruchsprobe unterziehen. Labormäßige Untersuchungen werden vom Auftragnehmer allerdings nicht verlangt.

Viele Auftragnehmer beachten allerdings zu wenig, dass die Beschaffenheit des Baugrundes regelmäßig auch zu den vom Auftraggeber gestellten Baustoffen gezählt wird und sich dementsprechend die Prüfpflicht auch hierauf erstreckt. Allerdings ist § 377 HGB mit der dort vorgesehenen unverzüglichen Rügepflicht bei Werkverträgen nicht anwendbar (siehe OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.07. 2014, Az. 22 U 192/ 13).

Mangel an vom Auftraggeber vorgeschriebenen Stoffen und Bauteilen

Nach der Rechtsprechung ist der Auftragnehmer in vielen Fällen von einer Mängelhaftung befreit, wenn der Mangel auf einem vom Auftraggeber vorgeschriebenen Stoff oder Bauteil zurückzuführen ist. Vorgeschriebene Materialien kommen in der Praxis häufiger vor als man vielleicht vermuten kann.

Ein großer Elektrokonzern schreibt zum Beispiel bei seinen Aufträgen das gesamte Material wie Schalter, Steckdosen etc. produktspezifisch aus, ohne auch nur im geringsten gleichwertige Materialien zuzulassen. Man will damit erreichen, dass nur Materialien von Tochter- oder Schwestergesellschaften zum Einsatz gelangen und man im eigenen Haus keine Konkurrenzprodukte zu Gesicht bekommt.

Auch sollen Kunden im Konzerngebäude möglichst keine Konkurrenzprodukte erkennen können.

Der Trocal-Folien-Fall

Ein vorgeschriebener Baustoff ist mehr als nur eine nicht zwingend verbindliche Angabe in einer Leistungsverzeichnisposition. Dem Auftragnehmer muss vielmehr erkennbar sein, dass er kein anderes Produkt als vertragsgemäß zum Einsatz bringen darf, als das vom Auftraggeber ausdrücklich genannte, wie dies zum Beispiel beim Trocal-Folien-Fall geschehen ist. Dort hatte der Auftraggeber durch seinen Architekten bei der Flachdacheindeckung die gerade neu in den Markt gekommene Kunststofffolie Trocal verlangt, für die es bisher im Dachdeckerbereich keinerlei negative Erfahrungen bezüglich deren Dichtigkeit gab. Kein Dachdecker, der die Folien einbaute, hatte auch nur im Geringsten Anlass, wegen der verlangten Trocal-Folien Bedenken anzumelden. Erst im Laufe einiger Jahre erwies sich die Folie in ihrer damaligen chemischen Zusammensetzung für die Flachdachabdichtung als ungeeignet, da die Folie infolge einer Weichmacherwanderung versprödete und nach einigen Jahren jeweils undicht wurde.

Das Oberlandesgericht Köln nahm zu Recht bei seiner Entscheidung an, dass es sich um einen durch den Auftraggeber (vertreten durch den Architekten) vorgeschriebenen Baustoff handelte und der Auftragnehmer deshalb ausnahmsweise für die Undichtigkeit der Folie nicht haftete. Das Gericht nahm an, dass der Auftragnehmer ohne eigene Dispositionsmöglichkeiten bei der Auswahl der Folie an die Anordnungen des Auftraggebers gebunden war und sich hieran gehalten hat. Insbesondere gab es für den dortigen Auftragnehmer auch keinen Anlass, bezüglich der Trocal-Folie mangels negativer Berichte an deren Eignung auch nur im Geringsten zu zweifeln.

Die "Ausreißerentscheidung" des BGH

Bestimmt der Auftraggeber in einem Vertrag den Baustoff nur generell, das heißt ohne wegen des Baustoffs weitere zwingende Vorgaben zu machen, muss der Auftraggeber nur dafür einstehen, dass der Baustoff generell für den vorgesehenen Anwendungsbereich geeignet ist. Ist dies der Fall, haftet der Auftragnehmer weiterhin nur für im Einzelfall auftretende Mängel. Erweist sich ein gelieferter Baustoff dabei als mangelhaft, ohne dass er generell ungeeignet wäre, spricht der Bundesgerichtshof von einem so genannten "Ausreißer". In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ging es um Tonziegel, die auf dem Dach eines Hauses neu eingedeckt und für die Baumaßnahme auch grundsätzlich geeignet waren. Die konkrete Lieferung erwies sich nach geraumer Nutzungszeit allerdings als mangelhaft, weil in dem gebrannten Ton der Ziegel Kalkeinschlüsse vorhanden waren, die sich erst später durch Feuchtigkeitseinwirkung als weiße Stippe zeigten (so genannte Kalkmännchen). In einem solchen Fall, bei dem sich das vom Auftraggeber im Rahmen eines Werkvertrags verlangte Material bei der konkreten Lieferung als mangelhaft erwiesen hat, sieht der Bundesgerichtshof keine Haftung des Auftraggebers für einen solchen "Ausreißer". Bei einem "Ausreißer" handelt es sich stets um Einzelfälle und nicht um eine generelle Ungeeignetheit. Dementsprechend belässt es der Bundesgerichtshof bei der normalen werkvertraglichen Gewährleistungshaftung des Auftragnehmers.

Die Fälle, bei denen der Auftraggeber wegen zwingender Anordnungen eines bestimmten Materials oder einer Ausführungsart in die Haftung genommen werden kann, sind nicht so häufig, wie es die Auftragnehmerseite gerne hätte. Dennoch sei jedem Auftragnehmer bei Schäden, die auf auftraggeberseitiger Anordnung (mit) beruhen, angeraten, den Auftraggeber zu versuchen, mit in die Haftung zu nehmen. Oft gelingt es auch abweichend von der oft als ungerecht empfundenen Rechtsprechung im Rahmen eines Vergleichs, eine Mitschuld des Auftraggebers mit entsprechender Kostenbeteiligung zu erreichen.

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 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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