Die Linde - ein Baumporträt

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Die Linde, mit wissenschaftlichem Namen heißt sie Tilia, ist bei uns mit zwei Arten vertreten, der Winter-Linde, Tilia cordata Mill., und der Sommer-Linde, Tilia platyphyllos Scop. Häufig gepflanzt wird aber auch die Silber-Linde, Tilia tomentosa Moench, die in Südosteuropa, Klein-Asien und der Ukraine natürlich vorkommt.

Bei uns ist die Holländische Linde, Tilia x vulgaris Hayne, ein Bastard zwischen Tilia cordata und Tilia platyphyllos, anzutreffen. Da die Merkmale beider Eltern-Arten in dem Bastard unterschiedlich stark ausgeprägt sein können, ist es manchmal gar nicht so einfach zu entscheiden, um welche Linde es sich handelt.

Linden in Städten, Dörfern und an Landstraßen

Die Linde gilt als beliebtester Laubbaum in Deutschland, nicht etwa die Eiche wie manche meinen mögen, obwohl diese wegen ihres harten Holzes ein wesentlich höheres Alter erreichen kann. Linden sind an vielen Stellen in unseren Städten und Dörfern anzutreffen, bspw. als Hofbaum in der Nähe von Bauernhäusern, an Straßen und in Parkanlagen. Sie säumen Alleen, füllen Lücken zwischen alten, schmucken Häusern in Kleinstädten, gehören zum Baumbestand alter Klosteranlagen und Friedhöfe, stehen auf öffentlichen Plätzen, vor Rathäusern. Es ließen sich noch viele weitere Beispiele finden, aber die genannten zeigen wohl schon, dass Linden sehr beliebt und überall in unserer Umgebung zu finden sind.

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Doch wie beginnt eigentlich ein Lindenleben?

Aus den kleinen kugelförmigen Früchten, die an einem Flügel hängend vom Wind transportiert werden, entwickelt sich im Frühjahr eine Keimpflanze, die sich kaum als Lindenkeimling zu erkennen gibt, denn wer würde bei einem Baum mit herzförmigen Laubblättern, tief geteilte Keimblätter erwarten? Etwa im April sind die Keimlinge an offenen Standorten in großer Zahl zu finden. Erst im nächsten Entwicklungsstadium, wenn sich die ersten Laubblätter zeigen, wird es leichter die Jungpflanzen als Linden zu identifizieren, denn die ersten Laubblätter, die sogenannten Primärblätter, erinnern schon etwas an ein Lindenblatt, allerdings haben sie eine lang ausgezogene Blattspitze. Beim weiteren Wachstum nehmen die sogenannten Folgeblätter die "typische" Form an.

Das Lindenblatt

Es ist in der Winterknospe sorgfältig entlang der Blattnerven gefaltet und durch Knospenschuppen geschützt. Die äußeren sind hart und fallen im Frühjahr bald ab, die inneren sind rötlichgrün gefärbt und weich. Die Blätter aller Linden-Arten sind herzförmig gestaltet. Das der Silber-Linde ist mit einem dichten weißen Haarfilz bedeckt. Dieser reflektiert die Sonnenstrahlen und vermindert die Erhitzung des Blattes. Dies ist für eine Lindenart, die an warmen Standorten in Südosteuropa vorkommt, eine ökologisch gesehen "sinnvolle" Struktur. Bei starker Sonneneinstrahlung werden die Blattunterseiten dem Sonnenlicht zugewendet; Silber-Linden sind dann schon von weitem zu erkennen.

Jungbäume

Siedelt sich eine Linde selbst an und wächst im "Freistand", dann ist sie am Stamm von unten herauf beastet. Meistens werden jedoch Jungbäume gepflanzt, die über mehrere Jahre in Baumschulen kultiviert wurden. Hier werden sie gemäß den Erfordernissen durch regelmäßigen Schnitt geformt beziehungsweise "erzogen". Die Behandlung hängt davon ab, ob Stammbüsche, Halbstämme oder Hochstämme benötigt werden. Die Jungbäume zeigen die für Linden typische Kronenform, die an ein herzförmiges Lindenblatt erinnert. Im Herbst, wenn die Blätter heruntergefallen sind, ist der typische Kronenaufbau mit den bogig aufsteigenden unteren Seitentrieben besonders gut zu sehen.

Lindenblüten

Linden beginnen schon als Jungbaum zu blühen, bei der Sommer-Linde wird der Beginn der Blühphase ab einem Alter von etwa 15 Jahren angeben. Die Winter-Linde steht bereits im Alter von zehn Jahren in voller Blüte. Die Lindenblüten sind fünfzählig mit Kelch- und Kronblättern, etwa 30 Staubblättern, die in fünf Bündeln um den Fruchtknoten stehen. Aus dem Fruchtknoten entwickelt sich eine kleine Nuss mit einem Samen. Markant sind die Blüten- bzw. Fruchtstände der Linde, denn sie stehen an einem Flügel, der teilweise mit der Blütenstandsachse verwachsen ist. Die Blütenstände sind bei der Winter-Linde vier- bis zehnzählig, bei der Sommer-Linde ist der Blütenstand nur zwei- bis fünfzählig. Die einzelnen Blüten von Winter- und Sommer-Linde sehen sich sehr ähnlich, dagegen sind die der Silber-Linde deutlich anders gestaltet. Ihre Kelch- und Blütenblätter sind weißlich gefärbt und wirken schmaler, weil sie etwas eingerollt sind, zudem spreizen sie sich nicht so stark zur Seite; sie haben etwa doppelt so viele Staubblätter wie Winter- und Sommer-Linde. Wie die Blätter der Silber-Linde sind auch ihre Früchte mit einem dichten weißen Haarfilz bedeckt.

Einige Zeit war nicht klar, weshalb unter den Baumkronen der Silber-Linde immer wieder tote Hummeln lagen. Frühere Untersuchungen ergaben, dass der Nektar der Blüten der Silber-Linde einen speziellen Zucker, die Mannose, enthält, den Hummeln nicht abbauen können. Man nahm an, dass dies die Ursache für das Sterben der Insekten sei. Neuere Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass die Insekten nicht durch die Mannose sterben, sondern weil es um diese Jahreszeit kaum noch andere nektarproduzierende Pflanzen gibt; die Silber-Linde blüht erst nach den bei uns einheimischen Linden-Arten. Der Nektar der Silber-Linde reicht aber nicht aus, um den Mangel auszugleichen. Die Insekten kommen von weither, finden nicht genug Nektar und fallen deswegen geschwächt zu Boden.

Tee und Honig

Bekannt sind die Linden als heilende Bäume; die Blüten werden seit dem Mittelalter arzneilich genutzt. Hildegard von Bingen bezeichnete sie als sehr heilkräftig. Die Blüten der Winter- und Sommer-Linde stehen als Droge "Flores Tiliae" im Deutschen Arzneibuch. Sie enthalten Schleimstoffe, Flavonoide, Gerbstoffe und geringe Mengen ätherisches Öl. Die Blüten entfalten als Tee aufgebrüht eine schweißtreibende und krampflösende Wirkung, ähnlich der des Holunders (Sambucus nigra). Sie lindern bei Erkältungs- und Infektionskrankheiten die Symptome.

In den Lindenblüten finden Insekten, vor allem Bienen, Schwebfliegen, Hummeln und Fliegen, an der Basis der Kelchblätter, reichlich Nektar; dieser wird von Haaren, die als Haarnektarien bezeichnet werden, abgeschieden. Dies findet vor allem in den Morgen- und Abendstunden statt.

Die Honigbiene sammelt den Nektar der Lindenblüten, daraus entsteht der Lindenblütenhonig. Außerdem sammelt sie Honigtau, den auf der Linde sitzende Läuse erzeugen; dieser Honig trägt den Namen Lindenhonig. Die beiden Honigarten sind zwar von unterschiedlicher Farbe und Konsistenz, ihre Heilwirkung ist aber identisch. Je nachdem, ob der Honig von Blüten oder vom Honigtau stammt, wird von einer Blüten- und einer Honigtautracht gesprochen.

Geflügelte Fruchtstände

Ganz typisch ist für die Fruchtstände der Linden ein Flügel, der etwa zur Hälfte mit dem Stiel verwachsen ist und als Flugorgan dient. An dem freien Teil des Stieles hängen die kugelförmigen Früchte, je nachdem, ob es sich um Winter-, Sommer- oder Silber-Linde handelt in unterschiedlicher Zahl. Bei Winter- und Sommer-Linden fällt auf, dass die Flügel weitgehend unbehaart sind, denn ihre Austrocknung ist durchaus "erwünscht", sollen sie doch als Flugorgan möglichst leicht sein. Sie vollführen eine interessante Flugbewegung als sogenannte Schraubendrehflieger. Allerdings bleiben zahlreiche Fruchtstände an den Zweigen des Baumes hängen, mitunter den ganzen Winter über. Deshalb wird die Linde auch zu den sogenannten Winterstehern gerechnet.

Stamm, Rinde, Borke, Stockausschläge, Maserknollen

Die Linden können mächtige Stämme bilden, 800 bis 1000 Jahre alt werden und einen Stammdurchmesser von fast 2m erreichen. Die Rinde junger Bäume ist dunkelgrau bis braun gefärbt und zeigt sogenannte Korkwarzen. Beim weiteren Dickenwachstum des Stammes reißt die Rinde auf und wird zur Borke. Bei Winter- und Sommer-Linde ist die Borkenstruktur ähnlich; sie ist längsrissig und dicht gerippt. Die Silber-Linde hat in der Jugend eine relativ glatte Rinde, die erst sehr viel später aufreißt und nicht so tiefrissig wird wie bei unseren einheimischen Linden-Arten. In der Krone der Silber-Linde haben Starkäste noch viele Jahre eine glatte Rinde.

An der Basis des Lindenstammes sind häufig sogenannte Stockausschläge in großer Zahl zu finden, sie können beinahe einen Teppich aus vielen kurzen Trieben bilden, sollten aber regelmäßig entfernt werden. Mitunter treiben am Stamm bis in etwa einen Meter Höhe zahlreiche Knospen aus. Bei Bäumen, die zu starker Knospenbildung am Stamm neigen, entstehen knollenartige Verdickungen, die sogenannten Maserknollen.

Lindenholz und seine Nutzung

Das Holz der Sommer-Linde ist gelblichweiß und weich, das der Winter-Linde etwas rötlich, sehr leicht und hat einen seidigen Glanz. Es wird von Tischlern und Holzschnitzern sehr geschätzt. Das Lindenholz galt als heilig - lignum sacrum - aus ihm wurden zahlreiche Marien- und andere Heiligenstatuen, reich verzierte mittelalterliche Altäre und Krippen geschnitzt. Es dient aber auch für die Herstellung aller möglichen Haushaltsgegenstände - Löffel, Spielsachen, Holzbrettchen, Bleistifte.

Vorkommen und Verbreitung

Die Winter-Linde kommt in Mitteleuropa von der Ebene bis in Gebirgslagen vor, in den Alpen steigt sie bis 1500 m hoch. Im Osten reicht ihr Areal bis zum Ural, Krim und Kaukasus, in Westsibirien bis zum Irtisch. Sie kommt in geschützten Lagen, in sommerwarmen Eichen- und Eichen-Hainbuchen-Wäldern, aber auch in Mischwäldern mit Ahorn und Esche, insbesondere an Hängen, vor. Reinbestände bildet sie nur im östlichen Teil ihres Areals.

Die Sommer-Linde kommt in Europa mit Ausnahme von Skandinavien vor; mit zerstreuten Vorkommen ist sie in Kleinasien und im Kaukasus anzutreffen. In den Nordalpen steigt sie bis 1000 m hoch, in den Südalpen sogar noch höher. Sie wächst in verschiedenen Laubwäldern zusammen mit Buchen, Ahorn, Eschen, Ulmen und bevorzugt nährstoffreiche Böden.

Die Silber-Linde mit höherem Anspruch an Sommerwärme ist auf Südosteuropa beschränkt; das Areal reicht bis zum nördlichen Kleinasien. Wegen ihres schnellen Wuchses und ihrer Toleranz gegenüber Lufttrockenheit - durch die perfekte Ausstattung ihrer Blätter mit verdunstungshemmendem Haarkleid - wird sie in der Stadt häufig als Allee- und Parkbaum gepflanzt.

Gestalt der Linden

Winter- und Sommer-Linden erreichen Höhen bis zu 30 m; sie bilden dichte große, häufig weit ausladende Kronen. Die Starkäste haben im unteren und mittleren Kronenbereich eine waagerechte Orientierung. Im Gegensatz zu den beiden einheimischen Linden-Arten zeichnet sich die Silber-Linde durch einen breiten pyramidalen Wuchs aus, dieser wird gebildet durch spitzwinklig aufragende Starkäste.

Linden im Herbst

Die Färbung der Blätter im Spätsommer und Herbst ist besonders schön, allerdings kann die Herbstfärbung relativ zeitig - bereits Ende August - einsetzen. Das mag daran liegen, dass das Lindenblatt zart ist und durch Hitzeperioden geschädigt wird. Die Lindenblätter fallen dann auch bald herunter. Insbesondere bei den Winter-Linden ist das helle Gelb der Blätter von besonderer Leuchtkraft. Eine sehr alte Winter-Linde hebt sich von den um sie stehenden Gehölzen, insbesondere vom benachbarten Spitz-Ahorn durch ihr hellgelbes Laub, deutlich ab. In diesem Zustand ist die Architektur der Krone mit weit ausladenden Starkästen deutlich zu sehen.

Bei der Sommer-Linde ist das Herbstlaub etwas dunkler, goldgelb, beinahe etwas bräunlich gefärbt. Sind die Blätter weitgehend abgefallen, dann treten die für diese Lindenart stark waagerecht orientierten Äste deutlich hervor. Eine Straße mit den drei genannten Linden-Arten ist bei beginnender Färbung der Blätter besonders interessant, denn hier lässt sich bereits anhand der Laubfärbung erkennen, um welche Lindenart es sich handelt. Das Laub der Linden ist sehr zart, es eignet sich gut zum Kompostieren und zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Gärten.

Linden in der Stadt

In städtischen Räumen ist die Linde sehr oft zu finden, auch wenn sie auf Streusalz mit verkümmerten Blättern reagiert. Glücklicherweise ist in letzter Zeit der Streusalzeinsatz zurückgegangen. Die Linden Tilia cordata, T. platyphyllos und T. x vulgaris gelten unter zahlreichen anderen Arten als die wichtigsten Stadtbaumarten (Roloff 2014).

Seit einigen Jahren werden Versuche mit verschiedenen anderen Baum-Arten und -Sorten im Hinblick auf die zukünftige Eignung in unseren Städten unternommen, vor allem im Hinblick auf die veränderten Klimabedingungen. In der Liste "50 Straßenbaumarten der Zukunft" (Roloff 2014) werden auch die Sommer-Linde T. platyphyllos Scop. und die Krim-Linde T. x euchlora K. Koch genannt. Allerdings wird erst ein langjähriger Test zeigen, welche Arten/Sorten für die verschiedenen Gegebenheiten am besten geeignet sind. Auch wenn Linden wegen des Honigtaus an Straßen nicht sehr beliebt sind, so duften sie während der Blüte wunderbar und spenden einen intensiven Schatten.

Die Linde in der Mythologie

Wie kein anderer Baum ist die Linde im Volksbewusstsein verankert, sei es als Dorflinde, als Hausbaum, Linden auf Kirchplätzen, als Gerichtslinde, als Tanzlinde. Die Linde war der Mittelpunkt der Dörfer, als Baum unter dem Verträge geschlossen wurden. Unter der Linde traf man sich, tanzte, sang und war fröhlich; bereits Martin Luther sagte "die Linde ist uns ein Friede- und Freudenbaum".

Dass unter der Linde Gericht gehalten wurde, ist in zahlreichen alten Urkunden belegt. Man glaubte, dass unter einem als heilig angesehenen Baum die Wahrheit ans Licht kommen müsse. So enthalten manche Gerichtsurteile die Schlussformel "gegeben unter der Linde". Eine berühmte Gerichtslinde befindet sich in Staffelstein in Bayern, sie soll mit etwa 1200 Jahren zu den ältesten Linden in Europa gehören.

Die Linde wird wegen ihres betörenden Duftes in zahlreichen Volksliedern besungen, zahlreiche Gedichte und Essays sind ihr gewidmet. Viele Ortschaften tragen die Linde in ihrem Namen, zum Beispiel Lindau und Lindenhain.

In früheren Zeiten wurden von den Bewohnern der Siedlungen zwischen den beiden bei uns einheimischen Linden-Arten nicht unterschieden; schließlich lieferten beide Arten den Lindenblütentee, den Bast für Seile und auch das Holz zum Schnitzen. Wenn vom Tanz unter der Dorflinde oder der Linde als Gerichtsbaum gesprochen wird, ist es meistens auch nicht eindeutig, um welche Art es sich handelt.

Literatur

Laudert, D. 2004: Mythos Baum, Geschichte, Brauchtum. BLV Verlagsgesellschaft mbH München Wien Zürich 80797 München.

Roloff, A. 2014: Stadt- und Straßenbaumarten der Zukunft - welche sind geeignet? In: Dujesiefken, D. (Hrsg.): Jahrbuch der Baumpflege, Hayetmarket Media, Braunschweig, 171-181.

Dr. Isolde Hagemann
Autorin

Biologin, Lektorin an der Universität Salzburg

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