Ergebnisse des Projektes KURAS

Die Potenziale der Regenwasserbewirtschaftung

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Im BMBF-Forschungsprojekt KURAS wurde eine Methode vorgeschlagen, mit der Maßnahmen der Regenwasserbewirtschaftung für konkrete Stadtquartiere ausgewählt und platziert werden können. Hinsichtlich der möglichen Ziele geht die Methode über die wasserwirtschaftliche Wirkung hinaus und betrachtet zusätzlich Effekte auf Umwelt (Grundwasser und Oberflächengewässer, Biodiversität) und Bewohner (Stadtklima, Freiraumqualität, Gebäudeebene) sowie den Aufwand an Kosten und Ressourcen.

Grundlage der Methode sind die lokalen Gegebenheiten. Diese werden verknüpft mit einer Bewertung von 27 Maßnahmen, von der Gebäudeebene bis zum Kanaleinzugsgebiet. Die Methode wurde im Rahmen eines Planspiels für zwei Berliner Bestandsquartiere angewendet. Es zeigte sich, dass angestrebte Effekte mit der Methode in einem hohen Maße erreicht werden können. Die Ergebnisse unterstreichen auch die Vorteile eines integrierten Ansatzes: Kombinationen von dezentralen Maßnahmen, etwa auf Gebäude- und Grundstücksebene, mit zentralen Maßnahmen können sehr positive Effekte erzielen; die unterschiedlichen Maßnahmen sind also in Kombination und nicht in Konkurrenz zu denken. Die gezeigten Arbeiten sind das Ergebnis einer Zusammenarbeit zahlreicher Projektpartner (Abb. 1).

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Hintergrund

Der hohe Versiegelungsgrad von Innenstädten und die Ableitung des Regenwasserabflusses über die vorhandene Misch- und Trennkanalisation führen zu einer erheblichen Belastung von Oberflächengewässern bei Starkregen und einer ausgeprägten Hitzesituationen im Sommer. Städtische Planungen zur Reduktion von Hitzeinseln oder zur Erfüllung der EG Wasserrahmenrichtlinie gehen von einem wichtigen Beitrag der Regenwasserbewirtschaftung bei der zukünftigen Lösung der Hitze- und Gewässerproblematik aus (z.B. SenStadt 2011). Die Maßnahmen sind bekannt, allerdings fehlt für eine standortspezifische Auswahl eine konsequente Effektbewertung für Einzelmaßnahmen und Maßnahmenkombinationen. Zudem gibt es einen Bedarf an Methoden die eine integrierte Maßnahmenplanung in der Gesamtkonzeption für städtische Quartiere ermöglichen. Entsprechend wurden im BMBF-geförderten Vorhaben KURAS (Konzepte für urbane Abwassersysteme und Regenwasserbewirtschaftung) existierende Maßnahmen der Regenwasserbewirtschaftung umfassend bewertet sowie eine Methode entwickelt die eine integrierte Planung von Maßnahmen der Regenwasserbewirtschaftung für konkrete Stadtquartiere anstrebt.

Betrachtete Maßnahmen

Der Begriff der Regenwasserbewirtschaftung wurde in KURAS weit gefasst und beinhaltet Maßnahmen auf allen Ebenen der Stadt, vom Gebäude bis zum Kanaleinzugsgebiet (s. Abb. 2). Die untersuchten Maßnahmen wurden in sieben Kategorien aufgeteilt: (i) Gebäudebegrünung, (ii) Regenwassernutzung, (iii) Entsiegelung, (iv) Versickerung, (v) Künstliche Wasserflächen, (vi) Reinigung, (vii) Stauraum im Kanal. Jede Kategorie umfasst mehrere Einzelmaßnahmen, wie in Abbildung 2 dargestellt. So werden in der Kategorie Gebäudebegrünung die vier Maßnahmen "extensive Dachbegrünung", "intensive Dachbegrünung", "erdgebundene Fassadenbegrünung" und "systemgebundene Fassadenbegrünung" unterschieden. Eine weitere Unterteilung der Maßnahmen (z. B. bei extensiver Dachbegrünung nach Aufbau oder Substratdicke) wurde nicht vorgenommen.

Alle betrachteten Maßnahmen existieren in diversen Umsetzungen. Dies war eine Voraussetzung für deren Untersuchung in KURAS, da die Maßnahmenbewertung auf realen Anwendungen beruhen soll.

Quantitative Bewertung der Maßnahmen

Innerhalb der sieben Kategorien wurden alle in Abbildung 2 aufgeführten 27 Einzelmaßnahmen quantitativ bewertet nach ihren Auswirkungen auf Biodiversität, Grundwasser, Oberflächengewässer, Stadtklima, Freiraumqualität sowie den Nutzen auf Gebäudeebene und den Aufwand an Ressourcen und direkten Kosten. Für jeden dieser insgesamt acht Effekte wurden Bewertungsindikatoren festgelegt und für alle Maßnahmen einheitlich quantifiziert. Zudem wurde das Ausmaß der jeweiligen Maßnahmenwirkung in die drei Klassen "gering", "moderat" und "hoch" eingeteilt (Abb. 3). Dadurch ergibt sich eine Maßnahmen-Effekt-Matrix die eine Auswahl geeigneter Maßnahmen für einen angestrebten Effekt erlaubt (Matzinger et al. 2016a).

Abbildung 3 zeigt am Beispiel des Effektes von extensiver Dachbegrünung auf Oberflächengewässer, warum mehrere Indikatoren pro Effekt Sinn machen. Eine extensive Dachbegrünung zeigt ein sehr hohes Potenzial Abflussspitzen zu brechen. Dadurch ist die Maßnahme aus Sicht des Effektes auf Oberflächengewässer sehr gut geeignet, für (a) Gebiete mit Mischkanalisation wo Oberflächengewässer durch Mischwasserüberläufe bei Starkregen belastet sind und (b) für Gebiete mit Trennkanalisation wo kleine Fließgewässer einer starken hydraulischen Belastung ausgesetzt sind. Für Trenngebiete mit hoher stofflicher Belastung (z. B. bei Einleitung in Kleinseen) ist die Dachbegrünung als Einzelmaßnahme weniger geeignet (Abb. 3). Dies liegt daran, dass der Dachabfluss im Vergleich zum Straßen-Hofabfluss sehr gering belastet ist. Obwohl die Dachbegrünung einen guten relativen Rückhalt für abfiltrierbare Stoffe (AFS) aufweist ist die absolute Reduktion der stofflichen Belastung dadurch sehr gering (etwa im Vergleich zu Versickerungsmaßnahmen, Teichen oder Retentionsbodenfilter die den Abfluss von Straßen und Höfen bewirtschaften und einen AFS-Rückhalt > 600 kg ha-¹ a-¹ aufweisen). In Kombination kann eine Dachbegrünung aber natürlich trotzdem sinnvoll sein, da durch eine teilweise Abkopplung von schwach belasteten Dachflächen, eine Reinigungsmaßnahme (z. B. ein Bodenfilter) deutlich kleiner ausfallen kann (und die Dachbegrünung weitere positive Effekte z. B. auf das Kleinklima oder die Biodiversität bewirkt).

"KURAS-Methode" der integrierten Regenwasserbewirtschaftung

Die angewendete Methode der integrierten Planung von Maßnahmen der Regenwasserbewirtschaftung verknüpft lokale Anforderungen/Probleme mit einer quantitativen und semi-quantitativen Bewertung der Maßnahmen-Effekt-Matrix, um geeignete und machbare Maßnahmen auszuwählen und im Stadtquartier zu platzieren (Abb. 4).

Die Schritte in Abbildung 4 wurden exemplarisch für zwei Berliner Stadtquartiere der Größe 1 km² im Rahmen eines Planspiels durchgeführt. Zunächst wurde bei der Problemanalyse die Ausgangssituation der sechs Effekte Biodiversität, Grundwasser, Oberflächengewässer, Stadtklima, Freiraumqualität und der Nutzen auf Gebäudeebene ausgewertet, um Maßnahmen dort verorten zu können, wo sie das größte Potenzial haben. So zeigt die Beispielkarte in Abbildung 4 zum Effekt Stadtklima in welchen Bereichen eine ungünstige humanbioklimatische Situation beziehungsweise eine Hitzebelastung (rote Farbe) aktuell vorliegt.

Als weitere lokale Randbedingung wurde die Machbarkeit unterschiedlicher Maßnahmen geprüft. Die Beispielkarte in Abbildung 4 weist auf ein erhebliches Potenzial für Dachbegrünung hin: immerhin 40 Prozent der Dachflächen im gezeigten Beispielquartier sind begrünbar (aber noch unbegrünt). Bei der Erstellung der Karte wurde vereinfacht davon ausgegangen, dass alle Flachdächer extensiv oder intensiv begrünbar sind. Weitere Aspekte, wie Denkmalschutz, Statik oder planungsrechtliche Einschränkungen wurden nicht geprüft. Analoge Karten zur Maßnahmenmachbarkeit wurden auch für andere Maßnahmen erstellt, so etwa für Maßnahmen der Versickerung, aufgrund von Bodeneigenschaften und Flurabstand.

Die Ziele für die ausgewählten Quartiere wurden im Rahmen eines Workshops mit Vertretern des Landes, des betroffenen Bezirks, des Abwasserentsorgers, des Berliner Immobilienmanagements sowie von Umweltverbänden ermittelt. Dabei wurden die Interessensvertreter (nach Vorstellung der Problemanalyse) gebeten im Diskurs eine Priorisierung der oben genannten sechs (in der Regel positiven) Effekten sowie der direkten Kosten und des Ressourcenverbrauchs vorzunehmen (s. Bsp. in Abb. 4). Die Auswahl und Platzierung sinnvoller Maßnahmen findet wiederum im Diskurs unter Zuhilfenahme der lokalen Informationen und des Auswahlinstrumentes statt. Im Projekt wurde die Methode für jedes Quartier drei Mal durch unterschiedliche Personengruppen mit derselben Zielstellung durchgeführt.

Wirkung der Maßnahmenkombinationen

In der Folge werden die Ergebnisse für eines der beiden Quartiere (mit Mischkanalsystem) kurz erläutert. Für das Gebiet wiesen die drei resultierten Maßnahmenkombinationen deutliche Unterschiede in der Art (Maßnahmen mit höchstem Anteil: Baumrigole, Regenwassernutzung, Gebäudebegrünung), im Ausmaß (Anteil der befestigten Fläche an Maßnahmen: 30 %, 43 %, 45 %) und in der räumlichen Verortung auf. Für die Berechnung der Effekte der Maßnahmenkombinationen wurden die Maßnahmen im Detail mit dem Wasserbilanz-Modell Storm dimensioniert. Bei allen drei Kombinationen wurde die Abflusskomponente des Niederschlags von 48 Prozent auf 29 bis 35Prozent reduziert, zu Gunsten der Verdunstung (neu 45-47 % des Niederschlags) und der Versickerung (neu 18-22 %, inkl. Interflow). Die Leistung der Maßnahmenkombinationen für die acht Effekte wurde aufgrund unterschiedlicher Extrapolationsmethoden bewertet.

Bezüglich der durch die Interessensvertreter priorisierten Effekte Oberflächengewässer, Stadtklima sowie Schutz des Grundwassers zeigen sich deutliche Verbesserungen: Die Kombinationen reduzieren die Fracht an zehrenden Stoffen durch Mischwasserüberläufe um 46 bis 59 Prozent und vermeiden (auf das Pumpwerkeinzugsgebiet hochskaliert) bisher fünf Mal pro Jahr auftretende fischkritische Situationen im direkt beeinflussten Gewässer. Die erhöhte Verdunstung (z. B. durch Fassadenbegrünung) und Beschattung (z. B. durch Baumrigolen) reduziert den Hitzestress am Tag (UCTI > 32 °C) an exponierten Standorten um bis zu 700 h/a und in der Nacht um bis zu vier Tropennächte (Tmin > 20 °C). Der Grundwasserstand wird durch die Maßnahmenkombinationen auf Jahresbasis nur geringfügig um wenige mm beeinflusst, was im Falle des Gebietes mit ohnehin geringen Flurabständen als positiv bewertet wird. Auch nicht-prioritäre Effekte werden verbessert. So führen die Maßnahmen auch zu einer deutlich erhöhten Vernetzung von Grünflächen (reduzierter Abstand um 76-92 %) sowie acht bis zehn neuen Habitatstypen, zwei wichtigen Faktoren der urbanen Biodiversität.

Auf der Aufwandseite führen alle vorgeschlagenen Maßnahmen und Maßnahmenkombinationen zu Investitionskosten und Betriebskosten. Die Kosten sollten im konkreten Fall dem Nutzen gegenübergestellt werden (z. B. in Form von Nutzwertanalysen). Der CO²-Fußabdruck der Maßnahmen ist vergleichsweise gering, mit einem Jahres-Fußabdruck von vier bis neun Einwohnern, was rund 20.000 Einwohnern des Stadtquartiers gegenübersteht.

Dezentrale gegenüber zentralen Ansätzen

Interessant ist das Zusammenspiel von dezentralen und zentralen Maßnahmen der Regenwasserbewirtschaftung aus Sicht des Oberflächengewässers. Es zeigt sich, dass im Gebiet mit Mischkanalisation eine Maßnahmenkombination die stark auf Gebäudebegrünung setzt eine ähnliche Verbesserung der Qualität des Oberflächengewässers bewirkt wie eine Maßnahmenkombination mit etwas weniger dezentralen Maßnahmen in Kombination mit einer Stauraumaktivierung im Kanal. Umgekehrt ist eine komplette Reduktion der fischkritischen Ereignisse im Gewässer nicht durch alleinige (realistische) zentrale Maßnahmen möglich, sondern nur in Kombination mit dezentraler Regenwasserbewirtschaftung.

Im Gebiet mit Trennkanalisation bringt eine zentrale Reinigung durch einen Retentionsbodenfilter eine sehr wirksame Reduktion der Stofffracht die durch Maßnahmenkombinationen ohne zentrale Reinigung nicht erreicht wird. Allerdings ist auch hier das Zusammenspiel wichtig. Nur dank einer deutlichen Reduktion des Abflusses durch dezentrale Maßnahmen kann der Bodenfilter auf den vorhandenen Flächen platziert werden.

Schlussfolgerung und Ausblick

  • Die Ergebnisse zeigen das große Potenzial von kombinierten Maßnahmen der Regenwasserbewirtschaftung für eine Verbesserung der Umwelt und des Lebens in der Stadt auf. Dabei wird deutlich, dass es nicht um eine Konkurrenz zwischen Maßnahmentypen geht, sondern dass im Sinne übergeordneter Ziele Kombinationen wirksamer Maßnahmen auf unterschiedlichen Ebenen der Stadt angestrebt werden sollten.
  • Die Methode hat in allen drei Testläufen deutliche Verbesserungen in den priorisierten Effekten Oberflächengewässer, Freiraumqualität und Stadtklima bewirkt ohne Verschlechterung des ebenfalls prioritären Grundwassers. Methodisch haben insbesondere die Auswahl geeigneter (und machbarer) Maßnahmen und die gezielte Platzierung in Problemräumen gut funktioniert.
  • Die resultierenden Investitions- und Betriebskosten sind bei jeder Maßnahme realistisch zu bewerten. Beim Planspiel war keine Kostenobergrenze vorgegeben. Die Projektziele sind in einer sehr frühen Phase der Planung festzulegen, um entsprechende Maßnahmen und Maßnahmenkombinationen in Varianten in einer Kosten-Nutzen-Analyse bewerten zu können. Auch in anderen Effekten sind konkrete Zielvorgaben, etwa durch Einleitbeschränkungen, möglich. Entsprechend ist es wichtig die KURAS-Methode in Abbildung 4 durch geeignete Iterationen so zu erweitern, dass alle resultierenden Varianten vorgegebene Ziele erfüllen.
  • In einer Diskussion mit Experten und Stakeholdern wurde für die weitere praktische Umsetzung das Setzen übergeordneter Ziele durch die Politik und die Integration der Methode in städtische Planungsprozesse als große Herausforderungen identifiziert.
  • Im Rahmen von KURAS werden die Ergebnisse als Leitfaden zur "KURAS-Methode", sowie als Maßnahmensteckbriefe und als Datenbank unter www.kuras-projekt.de zur Verfügung gestellt.

Literatur

Matzinger, A., Riechel, M. & 24 weitere Autoren (2016a): Quantification of multiple benefits and cost of stormwater management. p. 4. Novatech.

Matzinger, A., Riechel, M. & 24 weitere Autoren (2016b): Berücksichtigung der vielfältigen Potenziale der Regenwasserbewirtschaftung in der Planung. p. 5. Aqua Urbanica.

Senatsverwaltung für Gesundheit Umwelt und Verbraucherschutz (2009): Ergänzender Länderbericht Berlins zum Entwurf des Bewirtschaftungsplans für den deutschen Teil der Flussgebietseinheit Elbe - Dokumentation der Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie in Berlin.

Dr. Andreas Matzinger
Autor

Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Kompetenzzentrum Wasser Berlin gGmbH

Dipl.-Ing. Brigitte Reichmann
Autorin

Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, Ministerielle Grundsatzangelegenheiten

Dr.-Ing. Pascale Rouault
Autorin

Prokuristin, Fachgebietsleiterin Kanalnetz und Gewässerschutz, Kompetenzzentrum Wasser Berlin gGmbH

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