GaLaBau und Recht: Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

Die Vertragskündigung durch den Auftragnehmer: Kein freies Kündigungsrecht

von:
Vertragsrecht GaLaBau

Nach Werkvertragsrecht kann ein Auftraggeber jederzeit einen bestehenden Vertrag kündigen. Dies gilt für den VOB-Vertrag gleichermaßen, wie für den BGB-Vertrag. Ein derartiges freies Kündigungsrecht steht dem Auftragnehmer allerdings nicht zu. Er kann nur aus wichtigem Grund kündigen. Zwei solcher Kündigungsgründe sind in § 9 Abs. 1 VOB/B ausdrücklich genannt. Die Vorschrift ist hinsichtlich der Kündigungsgründe allerdings nicht abschließend, d. h. von der Rechtsprechung und § 648a BGB werden noch weitere wichtige Kündigungsgründe akzeptiert. Eine auftragnehmerseitige Kündigung setzt stets ein Fehlverhalten des Auftraggebers voraus.

Nach der Vorschrift kann der Auftragnehmer den Vertrag kündigen, wenn der Auftraggeber eine ihm obliegende Handlung unterlässt und dadurch den Auftragnehmer außer Stande setzt, die Leistung auszuführen (Annahmeverzug nach §§ 293 ff. BGB). Man spricht dann von einer Obliegenheitsverletzung durch den Auftraggeber. Viele aber längst nicht alle den Auftraggeber treffenden Obliegenheitsverpflichtungen sind in der VOB/B genannt, so zum Beispiel:

A. Die Kündigungsgründe nach § 9 Abs. 1 VOB/B

  • Pflicht zur Bereitstellung des Baugrundstücks bzw. der baulichen Anlagen (OLG Karlsruhe, IBR 2008, 502).
  • Pflicht zur rechtzeitigen Übergabe der Ausführungsunterlagen wie Pläne, Zeichnungen usw. (§ 3 Abs. 1 VOB/B).
  • Pflicht zur Absteckung der Hauptachsen der baulichen Anlagen (§ 3 Abs. 2 VOB/B).
  • Pflicht zur Zustandsfeststellung (§ 3 Abs. 4 VOB/B).
  • Pflicht zur Aufrechterhaltung der allgemeinen Ordnung auf der Baustelle (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 VOB/B).
  • Koordinierungspflicht hinsichtlich des Zusammenwirkens der verschiedenen Unternehmer (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 VOB/B).
  • Pflicht zur Herbeiführung der erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen und Erlaubnisse (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 VOB/B).
  • Pflicht zur unentgeltlichen Überlassung von Lager- und Arbeitsplätzen und Anschlüssen (§ 4 Abs. 4 VOB/B).
  • Pflicht zu sachgerechten Anordnungen im Rahmen von Bedenkenhinweisen (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. § 4 Abs. 3 VOB/B).
  • Auskunft über den voraussichtlichen Beginn der Ausführung und zum Abruf der Leistungen (§ 5 Abs. 2 VOB/B).
  • Pflicht zur Kooperation im Rahmen von geänderten und zusätzlichen Leistungen (§ 2 Abs. 5 und Abs. 6 VOB/B).
  • Pflicht zur gemeinsamen Zustandsfeststellung, wenn Teile der Leistung durch die weitere Ausführung der Prüfung und Feststellung entzogen werden (§ 4 Abs. 10 VOB/B).
  • Pflicht zur gemeinsamen Aufmaßnahme für Leistungen, die bei Weiterführung der Arbeiten nur schwer feststellbar sind, falls der Auftragnehmer rechtzeitig gemeinsame Feststellungen beantragt (§ 14 Abs. 2 VOB/B).

In der VOB/C sind weitere Mitwirkungs- und Kooperationspflichten in den jeweiligen Abschnitten 3 geregelt (z. B. DIN 18305, Abschnitt 3.3.2 und 3.4.2 und DIN 18300, Abschnitt 3.5.3).

b.

Für die Kündigung des Vertrages muss der Auftraggeber in Annahmeverzug geraten sein. Die Kündigung ist allerdings nur möglich, wenn der Auftragnehmer selbst zur Leistung bereit und in der Lage ist. Fehlt zum Beispiel eine öffentlich-rechtliche Genehmigung oder vom Auftraggeber zu stellende Pläne, dann liegt kein Annahmeverzug vor, wenn der Auftragnehmer mangels Personal oder Gerät überhaupt nicht in der Lage ist, mit den Arbeiten zu beginnen. Dieses Ergebnis ergibt sich aus § 297 BGB.

c.

Aufgrund des Annahmeverzuges des Auftraggebers muss der Auftragnehmer insgesamt außer Stande gesetzt sein, seine Vertragsleistung zu erbringen. Ist nur ein Teil der Leistung des Auftragnehmers betroffen, so muss er - soweit zumutbar - in den nicht betroffenen Bereichen des Bauvorhabens weiterarbeiten. Erst wenn das Leistungshindernis für den Auftragnehmer so groß ist und er nach § 6 Abs. 3 VOB/B alles seinerseits Erforderliche getan hat, kann an eine auftragnehmerseitige Kündigung gedacht werden. Wegen der Risiken, die mit einer solchen Kündigung verbunden sind, empfiehlt sich vorher sachkundigen juristischen Rat einzuholen.

B. Zahlungsverzug des Auftraggebers gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B

Der häufigste Grund für eine auftragnehmerseitige Kündigung dürfte wohl der fehlende Ausgleich von Abschlagsrechnungen sein. Gerät der Auftraggeber mit einer fälligen Zahlung auf eine Abschlagsrechnung in Verzug, so ist dies im Prinzip immer ein Kündigungsgrund. Der Auftragnehmer muss in einem solchen Fall nur aufpassen, dass dem Auftraggeber keine Gegenrechte zustehen, die die Fälligkeit der Forderung betreffen. Dies kann zum Beispiel wegen eines gegebenen Zurückbehaltungsrechtes (z. B. wegen Mängeln) der Fall sein. Bei der Bemessung des Zurückbehaltungsrechtes muss immer an § 641 BGB gedacht werden. Nach der Vorschrift darf der Auftraggeber in der Regel das Doppelte der für die Beseitigung des Mangels erforderlichen Kosten zurückhalten!

C. Sonstiger Schuldnerverzug

Gerade bei großen Bauvorhaben finden sich in Verträgen oft Regelungen, die über das Übliche hinausgehen. So werden Mitwirkungshandlungen des Auftraggebers, die eigentlich bloße Obliegenheitsverpflichtungen darstellen, zu echten Vertragspflichten, so zum Beispiel wenn ein Vertrag die Beistellung von Material oder eine bauseitige Gerüststellung vorsieht. Gerät der Auftraggeber mit solchen übernommenen Verpflichtungen in Verzug, hat der Auftragnehmer ein Kündigungsrecht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B.

Fristsetzungen

Hinsichtlich der in A bis C dieses Beitrags behandelten Kündigungsgründe, bedarf es stets einer angemessenen Fristsetzung des Auftragnehmers. § 9 Abs. 2 Satz 2 VOB/B verlangt ausdrücklich eine angemessene Fristsetzung zur Vertragserfüllung und die Erklärung, dass der Auftragnehmer nach fruchtlosem Ablauf der Frist, den Vertrag kündigen werde. Erst dann, kann nach Ablauf der gesetzten angemessenen Frist, die Kündigung ausgesprochen werden, wenn der Auftraggeber der Aufforderung nicht fristgerecht nachgekommen ist. Um auch hier Risiken aus dem Weg zu gehen, sollte der Auftragnehmer bei der Bemessung der angemessenen Frist lieber großzügig sein, als bereits nach knapper Frist die Kündigung auszusprechen. Sie ist stets schriftlich zu erklären (§ 9 Abs. 2 VOB/B).

D. Sonstige Kündigungsgründe

Oft liest oder hört man von einer Partei, sie habe aus wichtigem Grund einen Vertrag gekündigt. Die Fälle, die die Rechtsprechung als wichtigen Grund für eine Kündigung ansieht, sind nicht so häufig, wie es sich die Parteien denken. In einem vom Oberlandesgericht Köln entschiedenen Fall, hat ein Auftraggeber, Mitarbeiter eines Auftragnehmers, nach Feierabend gegen Schwarzgeld noch zusätzliche Arbeiten ausführen lassen und es dem Auftragnehmer verschwiegen. Selbst in einem so krassen Fall, sah das Oberlandesgericht Köln hierin noch keinen wichtigen Grund. Das Gericht meinte, die Inanspruchnahme der Mitarbeiter durch den Auftraggeber sei nicht so erheblich ins Gewicht gefallen, dass darin schon eine Zerstörung des Vertrauensverhältnisses angenommen werden könne. Das Gericht lehnte die Annahme eines wichtigen Kündigungsgrundes ab. In Juristenkreisen streitet man sich, ob das Oberlandesgericht Köln mit seiner Entscheidung nicht doch den Bogen etwas überspannt hat.

Die Kündigung aus wichtigem Grund ist inzwischen auch in § 648a BGB geregelt, wobei der Gesetzestext so wachsweich formuliert ist, dass es im Einzelfall sicherlich Streit um den Begriff des wichtigen Grundes geben wird. Der Text in Absatz 1 der Vorschrift lautet:

"Beide Vertragsparteien können den Vertrag aus wichtigem Grund, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen, die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur Fertigstellung des Werks nicht zugemutet werden kann."

Bei einer Kündigung aus wichtigem Grund ist nach § 648a Abs. 5 BGB der Auftragnehmer nur berechtigt, die Vergütung zu verlangen, die auf den bis zur Kündigung erbrachten Teil des Werks entfällt, d. h. der Auftragnehmer kann die restliche Vergütung für die nicht mehr ausgeführte Restleistung nicht verlangen.

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Vertragsrecht GaLaBau
Dem Auftragnehmer sei nach erfolgter Kündigung dringend geraten, vom Auftraggeber eine Abnahme der Leistungen zu verlangen. Foto: Wiltrud Lütge, Neue Landschaft

E. Folgen einer unberechtigten Auftragnehmerkündigung

Ein Auftragnehmer sollte sich stets überlegen, ob ihm tatsächlich ein Kündigungsrecht zusteht. Wie der oben unter D vom Oberlandesgericht Köln entschiedene Fall zeigt, führt nicht jede Kündigung zur Beendigung des Vertragsverhältnisses. Hat ein Auftragnehmer zu Unrecht gekündigt, sieht die Rechtsprechung hierin eine Vertragsverletzung des Auftragnehmers, die den Auftraggeber seinerseits zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt (BGH, IBR 1996, Seite 445).

F. Insolvenz des Auftraggebers

Immer wieder kommt es vor, dass ein Auftraggeber in Insolvenz gerät, was zu einem erheblichen Verlust für den Auftragnehmer führen kann. Allein der Umstand, dass der Auftraggeber beim Amtsgericht einen Insolvenzantrag gestellt hat, ist für sich alleine gesehen noch kein Kündigungsgrund. Möglicherweise ist der Auftragnehmer sogar durch eine Vorauszahlungsbürgschaft ganz oder teilweise abgesichert. Nach dem Insolvenzrecht hat ein Insolvenzverwalter zumeist das Recht, das Vertragsverhältnis fortzusetzen, wenn er allerdings die Erfüllung des Vertrages wählt. Der Auftragnehmer sollte deshalb stets beim Insolvenzverwalter anfragen, ob er die weitere Erfüllung des Vertrages wählt. Lehnt dieser die Erfüllung ab, ist dies stets ein Kündigungsgrund. Bevor der Auftragnehmer bei einem Erfüllungsverlangen durch den Insolvenzverwalter weiterarbeitet, sollte er allerdings prüfen, ob ihm ein Recht auf Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB (früher § 648a BGB) zusteht. Auch hier ist der Rat des Juristen gefragt.

G. Woran Auftragnehmer bei einer Kündigung häufig nicht denken

Dem Auftragnehmer sei dringend geraten, nach erfolgter Kündigung unbedingt vom Auftraggeber eine Abnahme der Leistungen zu verlangen. Eine Kündigung ist oft der erste Schritt zu einem Rechtsstreit. Will der Auftragnehmer seinen ausstehenden Werklohn einklagen, wird dieser nur fällig, wenn die Leistung abgenommen wurde. Erlangt der Auftragnehmer keine Abnahme durch den Auftraggeber, so ist es nicht erforderlich, den Auftraggeber auf Abnahme zu verklagen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist jede Vergütungsklage aus einer Schlussrechnung incidenter auch einer Klage auf Abnahme. Die Abnahme ist dennoch für den Auftragnehmer äußerst wichtig, weil er hinsichtlich seiner vor der Kündigung erbrachten Leistung nach wie vor voll gewährleistungspflichtig ist und die Gewährleistungsfrist erst mit der Abnahme des gekündigten Werkes in Lauf gesetzt wird. Der Auftragnehmer ist im Übrigen trotz seiner Kündigung berechtigt und auch verpflichtet, Mängel an den bis zum Kündigungszeitpunkt erbrachten Leistungen zu beseitigen.

Fazit

Die Kündigungsmöglichkeiten für den Auftragnehmer sind also zum Teil an Voraussetzungen geknüpft, die es nicht leicht machen, so ohne weiteres ein Vertragsverhältnis zu kündigen. Es sollte sich deshalb ein Auftragnehmer gut überlegen, ob er das Risiko einer Vertragskündigung eingeht oder ob er lieber versucht, den Vertrag zu erfüllen. Er sollte allerdings zur Vermeidung unnötiger Risiken, größte Vorsicht walten lassen.

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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