Dreiklang von Gestaltung, Nutzung und Ökologie

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ZHAW Freiflächenmanagement
Entwicklungsstufen einer differenzierten Pflege. Quelle: Brack et al. ZHAW

Die Förderung der Biodiversität ist in aller Munde. Politisch nimmt die Akzeptanz zu. In der Bevölkerung ist Biodiversität vermehrt ein Thema. Die Grüne Branche hat das Marktbedürfnis erkannt. Eine naturnahe Gestaltung ist längst kein Randthema mehr. Doch wie steht es um das nötige Praxiswissen? Die Forschungsgruppe Freiraummanagement der ZHAW entwickelt in diversen Projekten Hilfsmittel und Instrumente, um die Biodiversität zu fördern. Zentral ist dabei eine vernetzte Betrachtung, die ökologische Fragen mit den Nutzungsbedürfnissen und gestalterischen Anforderungen verbindet.

Begonnen hat die Forschungsgruppe Freiraummanagement, getreu ihrem Kernthema, in der Phase der Pflege von Grün- und Freiräumen. In einer Kooperation mit Grün Stadt Zürich erstellte sie diverse Hilfsmittel, welche die Förderung der Artenvielfalt und die Schonung der natürlichen Ressourcen im Fokus haben. Die entwickelten Instrumente für einen naturnahen Unterhalt wurden in enger Zusammenarbeit mit der Auftraggeberin Grün Stadt Zürich und der Pilotanwenderin Familienheim Genossenschaft Zürich (FGZ) praxisnah ausgearbeitet. Die Hilfsmittel richten sich insbesondere an das Fachpersonal des Garten- und Landschaftsbaus, das mit der naturnahen Pflege der Grünräume beauftragt ist. Verschiedene Dokumente stehen zur Verfügung: Ein ausführlicher Profilkatalog als Nachschlagewerk und Weiterbildungsinstrument sowie ein kurzgefasstes Praxishandbuch inklusive objektbezogener Pflegeübersichtspläne und Jahrespflegeplaner.

Im Profilkatalog werden einzelne Grünraumprofile definiert und in das Spannungsfeld "Nutzung - Gestaltung - Ökologie" eingeordnet. Das ökologische Potenzial, das Abwägen des Ressourcenverbrauchs und die Intensität der Nutzung sind wesentliche Differenzierungsmerkmale. Naturnahe Pflegemaßnahmen und weitere Förderungs- und Entwicklungsstrategien werden ausführlich beschrieben. Das Praxishandbuch fasst das Grundwissen zu einer nachhaltigen Pflege zusammen. Die objektbezogenen Pflegeübersichtspläne und Jahrespflegeplaner unterstützen das Pflegepersonal in der Planung und der Koordination der naturnahen Pflegemaßnahmen.

Der Jahrespflegeplan gibt Auskunft über alle durchzuführenden Arbeiten, deren Zeitpunkte, Intervalle sowie benötigten Materialen und Maschinen. Die Gärtner der FGZ waren in der Praxisanwendung sehr offen für naturnahe Anliegen. Sie arbeiten aus eigener Motivation naturnah und waren dadurch optimale Ansprechpartner mit dem notwendigen Praxiswissen und Erfahrungsrucksack für die Umsetzung der Maßnahmen. Die Fachstelle Naturschutz von Grün Stadt Zürich setzt die entstandenen Instrumente in der Beratung von privaten Liegenschaftsbesitzern und auf stadteigenen Flächen ein. Sie hat mittlerweile ein Förderprogramm lanciert, das auch finanzielle Unterstützung bietet (siehe www.stadt-zuerich.ch/mehr-als-gruen).

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Naturnahes Wohnumfeld. Foto: Johannes Marx, FGZ

Dynamik zulassen

Außenräume entstehen, wenn man nicht alles gleichbehandelt, sondern jeden Bereich individuell betrachtet. Vor Ort und unter den gegebenen Nutzungsverhältnissen wird entschieden, was wachsen darf und was entfernt werden sollte. Unter dem Stichwort einer differenzierten, aber möglichst naturnahen Pflege dürfen dynamische Räume entstehen. Einheimische Wildstauden, die auf magerem, kiesigem Standort üppig Samen produzieren, sorgen für blühende und abwechslungsreiche Sukzessionsabläufe. Diese zeitlichen Abfolgen und Entwicklungsstadien dürfen sein, können aber bei wertvollen Ruderalgesellschaften auch wieder in den Ausgangszustand zurückversetzt werden. Problemunkräuter und invasive Arten müssen frühzeitig erkannt werden. Dazu braucht es die notwendigen Pflanzenkenntnisse.

Aktuell findet man wohl kaum mehr ein Substrat, das nicht mit Hirse durchsetzt ist. Auch das Einjährige Berufkraut (Erigeron annuus) breitet sich als invasiver Neophyt in Gärten aus und verdrängt einheimische Wildkräuter. Dies in den Griff zu kriegen, erfordert Handarbeit. Synthetische Pflanzenbehandlungsmittel wie Herbizide und Insektizide sind in der naturnahen Pflege tabu. Einen positiven Effekt haben jedoch naturschonende Geräte und Materialen wie Sense, Balkenmäher oder organische Düngemittel. Wichtig für die naturnahe Pflege von Grünräumen ist auch der Unterhalt von strukturreichen Elementen. So kann ein Krautsaum an der Grenze von Rasen und Strauchbepflanzung die Artenvielfalt und Nützlinge fördern, einen naturnahen Übergang zwischen den Grünflächen schaffen und den Pflegeaufwand reduzieren. Zu diesen und anderen Themen liefern die ausgearbeiteten Dokumente Praxistipps, Anleitungen und Hintergrundwissen.

Den Einbezug der Nutzenden ermöglichen

Die Akteure der Grünen Branche müssen zusammenarbeiten und sich gegenseitig unterstützen. Von der Produktion der Pflanzen und Ausgangsmaterialien über die Planung und Ausführung bis hin zur langfristigen Pflege. Die Synergien müssen genutzt werden. Damit dies gelingt, sollten Fachleute auch die bestehenden oder künftigen Nutzergruppen in den Prozess miteinbeziehen. Mittels eines partizipativen Entwicklungsprozesses werden die Bewohnerinnen und Bewohner abgeholt und ihre Anliegen eingebunden. Dies erfordert Zeit und Feingefühl, hilft aber, ein langfristiges, auf die Bedürfnisse abgestimmtes Raumerlebnis für alle zu ermöglichen. Gerade in einem Wohnumfeld kann dies dazu führen, dass sich Mieterinnen und Mieter mehr mit dem Außenraum identifizieren, ihn wertschätzen und sich aneignen oder sogar selber mitpflegen. Eine solche Situation kann zu einer längeren Mietdauer führen, was bei steigendem Leerbestand an Wohnungen zu einem Alleinstellungsmerkmal führen kann.

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Naturnahe Außenräume entstehen, wenn man jeden Bereich individuell betrachtet. Foto: ZHAW

Der Bund steigt ein

Obwohl diverse Ansätze und Konzepte für eine naturnahe Entwicklung des Siedlungsraums existieren, erodieren die hoch gesteckten Ziele in der Praxis oftmals weg. Das ist auch der Grund, weshalb seit Mai 2019 das Bundesamt für Umwelt (BAFU) die Forschungsgruppe Freiraummanagement nebst diversen Schweizer Städten finanziell dabei unterstützt, das Wissen um eine naturnahe Entwicklung vermehrt auch in der Planung und Baupraxis zu verankern. In einem breit angelegten Forschungsprojekt mit Praxispartnern und Schweizer Städten werden nun Instrumente entwickelt, die den gesamten Lebenszyklus abdecken. Die Biodiversität kommt leider oftmals erst zu spät auf den Planungstisch.

Die Gelder sind dann meist schon für nicht minder wichtige Themen wie beispielsweise eine energieeffiziente Bauweise verplant. Oftmals ist es aber auch ein mangelndes Bewusstsein für das Thema, das eine naturnahe Gestaltung verhindert. Eine möglichst effiziente Pflege hat Vorrang. Es entstehen die ewiggleichen, monoton ausgestalteten Grünflächen. Dass artenreiche Grünräume zu neuer Lebensqualität führen und damit auch volkswirtschaftlich wertvolle Ziele erreicht werden können, ist vielen nicht bewusst. Auch eine ansprechende Planung und digitalisierte Bauweise ist kein Garant für mehr Biodiversität. Der Computer ersetzt den Menschenverstand nicht, der auch dafür sorgt, dass naturnahe Strukturen tatsächlich in die Praxis umgesetzt werden. Viel zu oft wird mit dem Argument "das haben wir schon immer so gemacht", eine neue Denkweise verunmöglicht. Es braucht das notwendige Wissen, aber auch eine kooperative und offene Haltung gegenüber neuen Ideen - im Dreiklang Gestaltung-Nutzung-Ökologie.

 Florian Brack
Autor

Leiter Forschungsgruppe Freiraummanagement

Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften
 Reto Hagenbuch
Autor

Leiter Forschungsgruppe Grünraumentwicklung ZHAW, Dozent Freiraummanagement und Urbane Ökosysteme

Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften

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