Europas Baumfachleute tagten in Russlands Hauptstadt

Moskau erhält den Titel "European City of the Trees 2019"

Alleen Stadtbäume
Moskau aus der Vogelperspektive: Die russische Hauptstadt ist dank großzügiger Begrünung keinesfalls der graue Moloch, als der sie jahrzehntelang galt. Foto: EAC

Die russische Hauptstadt Moskau hat den ECOT Award 2019 erhalten. Mit dieser Auszeichnung, die wie immer vom Patzer Verlag Berlin-Hannover gesponsert wurde, hat die Metropole den Titel "European City of the Trees (ECOT) 2019" erlangt. Verliehen wurde der Preis vom Europäischen Baumpflegerat (European Arboricultural Council - EAC) im Golden Ring Hotel Moskau. Mehr als 150 Teilnehmer aus über 20 Ländern wohnten der Zeremonie bei, mit der vor allem das 2012 aufgelegte stadtplanerische Programm "My Street" honoriert wurde.

Über 2 Mrd. Euro für Moskauer Straßenbäume

Hinter "My Street" verbirgt sich ein strikter Masterplan zur Erneuerung der urbanen Straßenprofile, an dem Bäume einen wesentlichen Anteil haben. Innerhalb von fünf Jahren hat Moskau über zwei Milliarden Euro für das Programm ausgegeben. Ziel der Maßnahmen ist die Sanierung der Straßenquerschnitte, insbesondere der extrem stark befahrenen Zufahrtstraßen in die Moskauer Innenstadt. Von Anfang an wurden dabei große Bäume mit Stammumfängen von 30 cm und mehr gepflanzt. Die Pflanzgruben wurden in entsprechender Größe angefertigt und bilden einen festen Bestandteil der innerstädtischen Infrastruktur.

Nach der Verleihung folgten mehrere Fachvorträge. Von Seiten der Gastgeber gaben Vitaly Zverev und Sergei Palchikov einen Überblick über den Naturschutz und die Baumpflege in Russland, die dort stark an Bedeutung gewonnen hat - und sich in vielen Fragen an Europa orientiert. Die Begrünungen im Innenstadtbereich - und vor allem die Baumpflanzungen - erfolgten in den letzten Jahren häufig in Zusammenarbeit mit deutschen Kollegen. Diese Pflanzungen in bestehenden Straßen und Anlagen wurden an den Folgetagen im Rahmen von Exkursionen besichtigt. Den Reigen der deutschen Referenten eröffnete Prof. Dr. Dirk Dujesiefken vom Institut für Baumpflege in Hamburg; er sprach über die baumpflegerische Praxis in Deutschland und die neue ZTV-Baumpflege.

Bei den Teilnehmern stieß vor allem dieses neue Regelwerk auf besonderes Interesse. Schon die vorherige Ausgabe wurde ins Russische übersetzt. Jetzt wartet man auf die englische Übersetzung der neuen ZTV-Baumpflege, die noch in diesem Jahr bei der FLL erscheint, um diese dann ebenfalls zu übersetzen. Bemerkenswert war, dass sich viele ausländische Kommunen und Baumpfleger an dem deutschen Regelwerk orientieren. Ein Grund dafür: Die ZTV-Baumpflege ist deutlich ausführlicher als die Regelwerke im Ausland. Zugleich ist dieses Werk für die ausländischen Kollegen teilweise schwer verständlich, da in Deutschland Ausschreibungen nach VOB erfolgen und die ZTV deshalb nur vor dem Hintergrund unserer Normenkaskade vollständig verständlich ist. Prof. Dujesiefken ging in seinem Vortrag genau auf diesen Punkt ein. Er erläuterte die Struktur dieses Werkes und schilderte die Entwicklung der Baumpflege in Deutschland detailliert. Am Ende war das Interesse an der englischen Ausgabe der ZTV-Baumpflege noch deutlich gewachsen.

Brückenbau zwischen Russland und Europa

Im Anschluss sprach Frank Rinn über Möglichkeiten und Grenzen von Baumuntersuchungen. Er ging speziell auf bohrende Verfahren sowie auf Schalltomographie und Zugversuche ein. Die vorgetragenen Beispiele zeigten eindrücklich, dass diese teils sehr kostenintensiven Methoden vielerorts unnötig eingesetzt werden. Er zeigte zudem auch Anwendungsfehler und damit Fehlinterpretationen. Dieser Beitrag war ein großer Appell, weniger an Technik zu glauben und mehr auf Wissen und Fortbildungen zu setzen. Der dritte Fachvortrag befasste sich mit Alleen in Europa. Katharina Dujesiefken vom BUND in Mecklenburg-Vorpommern erläuterte zunächst die Geschichte der Alleen und zeigte, dass diese Art der Straßenbepflanzung fast überall in Europa verbreitet und damit ein gemeinsames Kulturerbe ist, das es zu schützen und zu bewahren gelte. Sie sprach anschließend über die aktuellen Gefährdungen der Alleen, unter denen die Normen und Regelwerke des Straßenbaus ein besonderes Problem darstellen. Dort wird das Straßenbegleitgrün überwiegend als Hindernis gesehen, genauer gesagt als "nicht verformbares punktuelles Einzelhindernis" am Straßenrand. Für die Zukunft müsse es deshalb ein Umdenken und neue Konzepte geben, so Dujesiefken.

Dass Moskau vom EAC ausgezeichnet wurde, war ein vorläufiger Höhepunkt in der sehr positiven Stadtgrün-Entwicklung der russischen Hauptstadt. Bereits seit 2014 werden in Russland erfolgreich ETW-Prüfungen nach der EAC-Prüfungsordnung durchgeführt, 55 Baumpfleger wurden seitdem als European Tree Worker zertifiziert. Die zunehmende Berichterstattung über Russland und die Vergabe des ECOT-Awards an dessen Hauptstadt freute auch Lutz Beisert, der als Repräsentant des Patzer Verlags vor Ort war: "Die Stadt Moskau präsentiert sich bereits seit Jahren auf der GaLaBau-Messe in Nürnberg. Es ist schade, dass wir immer noch so wenig über die Fortschritte Moskaus in Sachen Stadtgrün und Baumpflege wissen", warb er für mehr Wertschätzung gegenüber der gastgebenden grünen Branche. hb/EAC

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