Junge Landschaft

FFH – ein interessantes Arbeitsgebiet. Teil 1: Orchideenwiesen

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141. FOLGE Unsere Serie für den Nachwuchs erläutert das wichtigste GaLaBau- Grundlagenwissen vom Abstecken bis zum Zaunbau: Diesmal geht es um das Thema Flora-Fauna-Habitate.

FFH - dieses Kürzel steht für Flora-Fauna-Habitat und ist ein Begriff, der für Habitate, also Lebensräume - und damit Landschaftsteile - steht, denen besonderer Schutz zugestanden werden muss. Diese Lebensräume sind als ausgesprochen wertvoll eingestuft und stehen in der Regel auch unter Landschafts- oder Naturschutz. Es handelt sich somit um Habitate, deren Pflege eine besondere Herausforderung darstellt und bei denen man von üblichen Pflegestrategien abweichen muss, da besondere Anforderungen an Gelände, Bewuchs oder Lebensformen eingehalten werden müssen. Vielleicht ein Aufgabenschnittpunkt zwischen Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Garten-und Landschaftsbau?

Unsere Kulturlandschaft

Die Landschaft Mitteleuropas wurde über Jahrhunderte durch den Menschen geprägt. Sie ist das Ergebnis der Interaktion von kulturellen, sozialen, ökonomischen und naturräumlichen Faktoren. Für die Entstehung und Entwicklung dieser Kulturlandschaft sind besonders die Beschaffenheit des Naturraumes, also die ursprüngliche Fauna und Flora, die menschlichen Einflüsse auf diese und die Wechselwirkungen dieser Faktoren untereinander verantwortlich.

Das Aussehen unserer Landschaft wird durch die verschiedenen Formen der Landnutzung geprägt - wobei die landwirtschaftliche Nutzung dabei eine Hauptrolle spielt. Auf diese Weise entstanden in der Vergangenheit sehr artenreiche Habitate. So wie sie kamen, verschwanden sie auch wieder. Diese Entwicklung ist dem verstärkten Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln, der Melioration und Trockenlegung von Feuchtgebieten und anderen Intensivierungsmaßnahmen - vor allem in den letzten Jahrzehnten - geschuldet.

Mit dieser Landschaft verschwanden aber auch die an eine extensive Bewirtschaftung gebundenen Pflanzengesellschaften und einzelne Arten. "Unterstützung" erhielt diese üble Entwicklung noch von dem zunehmenden Flächenverbrauch durch Siedlungstätigkeit und Industrialisierung mit allen ihren Folgen (Straßenbau, Landschaftszerschneidung, Versiegelung, Nähr- und Schadstoffeinträge in die Böden und dergleichen). Diese Entwicklung dauert nicht nur unverändert bis in die heutige Zeit an, sondern beschleunigt sich auch noch rasant. Um der ganzen Sache noch die Krone aufzusetzen, kommen die globalen Veränderungen in der Atmosphäre und damit des Klimas hinzu.

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Pflanzen im Fokus der externen Einflüsse

Auf eine einzelne Pflanze oder eine Pflanzenfamilie wirken sowohl abiotische (von der nichtlebenden Natur ausgehende) als auch biotische (von der lebenden Natur ausgehende) Umweltfaktoren.

Zu den wichtigsten abiotischen Faktoren zählen Klima (Temperatur, Niederschlag, Luftfeuchtigkeit, Lichtverhältnisse, Wind) und Boden (Bodenstruktur, Wasserhaushalt, Säuregehalt, Mineralstoffe). Zu den biotischen Umweltfaktoren gehören die Bestäuber, Konkurrenten, Bodenorganismen, Schmarotzer und dergleichen, die für die Sicherung der Existenz der Arten von Bedeutung sind.

Sie sind in der Lage, die Beziehungen zwischen Individuen derselben Art durch Sexualbeziehungen und Konkurrenz zu beeinflussen. Aber auch Pflanzen verschiedener Arten werden in ihren Beziehungen untereinander (Symbiose, Parasitismus, Raum- und Nutzungskonkurrenz, Auslösen von Krankheiten) beeinflusst. Und zu guter Letzt werden auch noch Beziehungen zwischen Pflanzen und Tieren (Bestäubung, Verbreitung) berührt.

Als ob das nicht genug wäre, gefährden neben diesen allgemeinen Umweltfaktoren auch noch durch den Menschen ausgelöste Faktoren die Existenz von Pflanzen- und Tierarten. Dazu gehören vor allem für Grünlandstandorte:

  1. Nutzungsintensivierung (Vorverlegung und Vermehrung der Grünlandschnitte)
  2. Umwandlung in Fettwiesen, Stand- und Umtriebsweiden
  3. Nährstoff- und Kalkzufuhr, das heißt Düngung mit organischen oder mineralischen Düngemitteln (Bodeneutrophierung)
  4. Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln
  5. Neueinsaat von "Hochleistungsgräsern"
  6. Entwässerung feuchter und wechselfeuchter Standorte
  7. mangelnde oder falsche Nutzung und Pflege (zu intensive oder extensive Beweidung)
  8. falsche Beweidungs- und Mahdtermine,
  9. Eutrophierung durch Nährstoffeintrag aus Nachbarflächen oder durch Luftschadstoffe
  10. Nutzungsaufgabe (Verfilzung, Verbuschung, Gehölzanflug),
  11. Aufforstung,
  12. Ruderalisierung und Ablagerung von Ernteabfällen

Aber auch der Verlust von Sonderstandorten (Abbau und Verfüllen von Sand- und Kiesgruben sowie Steinbrüchen), die Siedlungs- und Verkehrsentwicklung (Baumaßnahmen, Straßen- und Wegebau) und die Nutzung der Landschaft zur Erholung und zum Freizeitsport (bspw. Moto-Cross, Mountain-Bike und dergleichen) wirken sich nachteilig auf die Pflanzenverbreitung aus.

Spezialisten verlieren zuerst

Die hochspezialisierten Orchideen können sich nur schwer an die sich immer rascher vollziehenden Veränderungen ihres Lebensraumes anpassen. Daher waren sie gezwungen, als erste zurückzuweichen - oder sie verschwanden sogar ganz. Damit nehmen sie die wichtige Funktion von Bioindikatoren (Zeigerpflanzen) für den aktuellen Zustand unserer Umwelt ein. Noch vor etwa 150 Jahren waren sie meist zahlreich in unserer Landschaft vertreten, heute gehören die Orchideen zu den besonders gefährdeten Arten.

Fortbestand der biologischen Vielfalt soll auf gar keinen Fall Konservierung der gegenwärtigen Situation bedeuten. Vielmehr als ein durch den Menschen beeinflusster dynamischer Prozess. Orchideen unterstützen dabei durch ihre Existenz die Bestrebungen der Menschen, da sie äußerst sensibel auf negative Einflüsse reagieren und auf der anderen Seite lassen sie sich durch positive Veränderungen in der Kulturlandschaft fördern.

Die Erhaltung der Artenvielfalt von Orchideen und ihren Standorten erfordert zuerst die Sicherung der Standortbedingungen. Das ist bei Wald- und Gehölzstandorten relativ unproblematisch da hier die Pflegestrategie weitgehend in einer Nutzung, welche der früheren Bewirtschaftung von Nieder- und Mittelwälder angepasst ist, besteht.

Der weitaus schwierigere Part ist der Erhalt von Orchideenstandorten auf Grünlandflächen. Diese Flächen erfordern neben dem konsequenten Schutz auch noch nur auf die jeweiligen Arten abgestimmten Nutzungs- und Pflegemaßnahmen, die deren langfristige Existenz ermöglichen können.

Das bedeutet in der Praxis, neben der Einsicht aller Beteiligten, vor allem die Beibehaltung der traditionellen Bewirtschaftungsweise (wie etwa Mahd und Beweidung), deren Wiedereinführung oder ihre Nachahmung mit Hilfe moderner Technik.

1.) Art und Intensität der Nutzung und Pflege (Mahd /Beweidung)

2.) Veränderungen des Biorhythmus (bspw. unterschiedliche Schnitttermine),

3.) Nährstoffentzug (Abräumen des Schnittgutes)

4.) Steuerung des Feuchtigkeitsregimes (Aktivierung alter Meliorationsanlagen)

5.) Pflegemethoden außerhalb der wirtschaftlichen Nutzung (Nachmahd)

Schematismus ist der Feind

Nutzung und Pflege müssen sich an der gewünschten Zielstellung orientieren. Eine einheitliche Pflege für Orchideenbiotope kann es nicht geben. Gerade Stadien beginnender Sukzession (Oh sorry - Begriffserklärung: Sukzession bedeutet die zeitliche Aufeinanderfolge der an einem Standort einander ablösenden Pflanzen- und Tiergesellschaften.) sind oft sehr artenreich.

Durch die in periodischen Abständen durchgeführten Pflege und Bewirtschaftung werden zunächst bestimmte Sukzessionsstadien erhalten. Dadurch werden bestimmte Orchideenarten und -populationen stabilisiert und gefördert. Das Entstehen eines Endstadiums der Sukzession (Klimaxgesellschaften) wird dabei verhindert.

Das Nebeneinander verschiedener Sukzessionsstadien wird durch eine räumlich und zeitlich gestaffelte oder unterschiedliche Pflege ermöglicht. Konflikte zwischen den Zielstellungen des floristischen und des faunistischen Artenschutzes lassen sich so umgehen. Größere Biotopkomplexe mit verschiedenen Biotoptypen und auch unterschiedlicher Flächengröße erfordern eine solche differenzierte Pflege- oder Nutzungsstrategie. Dabei wird auch auf die sehr spezielle Biologie der Orchideen berücksichtigt (bspw. Blütezeit, Samenbildung, Winterblattbildung). Wichtig ist, dass neben aller Pflege und Nutzung das Monitoring der Biotope und deren Bestände organisiert wird. Es dient in erster Linie der Erfolgskontrolle.

Um zu verhindern, dass weitere Orchideenvorkommen verschwinden, ist es empfehlenswert, die Pflege zu dokumentieren. Durch die Erfassung von Pflegeerfahrungen und deren Bewertung ist es möglich, die noch existenten Flächen mit Orchideenvorkommen nach dem aktuellen Erkenntnisstand optimal zu pflegen, zu nutzen und zu erhalten.

Dabei sollten nicht nur erfolgreiche Methoden und Erfahrungen, sondern auch die erfolglosen berücksichtigt und bekannt gemacht werden. Pflege und Nutzung von Orchideenbiotopen bedeutet, die Lebensbedingungen der Orchideen zu sichern und langfristig zu gewährleisten. Vor allem auf den Grünlandstandorten gelingt dies nur, wenn der Mensch aktiv eingreift.

Zur Biologie der heimischen Orchideen

Klasse:
Monocotyledoneae/Einkeimblättrige

Ordnung:
Orchidales/Orchideenartige

Familie:
Orchidaceae/Orchideen

Wuchsform:
Alle heimischen Orchideen gehören zu den erdbewohnenden Arten und sind zu der Gruppe der Stauden zu zählen. Sie erreichen zum Teil ein beträchtliches Alter. Aus ihren unterirdischen Organen treiben die meisten in jedem Jahr neue Sprosse aus, während die alten vergehen.

Vegetationszeit:
Die Austriebszeiten verteilen sich bei den einzelnen Arten fast über das ganze Jahr. Einige beginnen damit im zeitigsten Frühjahr, bei anderen liegen sie mitten im Sommer, während nicht wenige bereits im Herbst eine Blattrosette für die kommende Vegetationsperiode austreiben, die den Winter überdauert.

Wurzeln:
Bei den unterirdischen Organen handelt es sich entweder um Wurzelknollen oder um Wurzelstöcke (Rhizome). Die Knollen können hodenähnlich, rüben- oder handförmig sein, meist sind zur Blütezeit zwei von ihnen vorhanden.

Vermehrung:
Vegetative Vermehrung über die unterirdischen Organe kommt bei den heimischen Arten häufiger vor, besonders bei Arten, die relativ oft durch Wild oder Vieh verbissen werden. In der Regel sind aber die heimischen Orchideen auf die generative Vermehrung über die Ausbildung von Samen angewiesen. Der Orchideensamen ist einer der winzigsten und leichtesten des Pflanzenreiches. Er benötigt bis zur Bildung einer Jungpflanze unbedingt die Anwesenheit bestimmter Pilze, welche die Ernährung des heranwachsenden Organismus übernehmen kann (Mykotrophie). Manche Orchideen bleiben zeitlebens darauf angewiesen, während andere im Laufe ihrer Entwicklung unabhängig werden. Das geringe Gewicht des Samens ermöglicht eine weiträumige Ausbreitung durch den Wind.

Blüten:
Form, Farbe und Duft der Orchideenblüten sind ganz dem Zweck der Anlockung der Bestäuber angepasst. Neben dem Schutz der eigentlichen Fortpflanzungsorgane vor Witterungseinflüssen ist diese "Signalfunktion" die Hauptaufgabe der Blütenhüllblätter (Perigonblätter).

Bestäubung:
Die Bestäubungseinrichtungen der Orchideen weisen einige Besonderheiten auf, die in der Pflanzenwelt fast nur bei ihnen vorkommen. Vergeblich wird der Betrachter nach Staubfäden oder nach einem Griffel mit Narbe suchen, wie er es von anderen Blüten her kennt. Griffel und ein, seltener zwei Staubblätter sind nämlich bei den Orchideen zu einem einheitlichen Organ, der so genannten Griffelsäule (Gynostemium) verwachsen. In ihrem oberen Teil stecken in zwei schützenden Antherenfächern die Pollinien, die meist an einem kleinen Stielchen sitzen. Die Stielchen tragen am entgegengesetzten Ende eine winzige Klebscheibe, die oft ein kleines Stückchen übersteht und dadurch leicht von dem die Blüte besuchenden Insekten berührt wird.

Unterhalb der Antherenfächer befindet sich an der Vorderseite des Gynostemiums die Narbe (Stigma), welche dem Beobachter als feuchte, glänzende Fläche erscheint. Besucht nun ein Insekt die Blüte, wird es von Zeichnung, Form, Lage und Oberflächenstruktur der Lippe (Labellum) zwangsläufig an das Gynostemium geführt. Berührt es dabei die Klebscheibe, so zieht es völlig unbeabsichtigt das am Stielchen befindliche Pollenpaket aus seinem Fach und fliegt davon. Das zunächst aufrechte Stielchen krümmt sich nach wenigen Minuten nach unten und vorn, so dass das an seiner Spitze befindliche Pollinium gerade in diejenige Lage am Insektenkörper gerät, um beim Besuch einer anderen Blüte auf die tiefer gelegene Narbe am Gynostemium übertragen zu werden. Damit ist die Bestäubung vollzogen.

Von diesem Grundmuster der Bestäubungseinrichtungen und ihrer Funktionsweise gibt es bei den verschiedenen Orchideenarten mannigfaltige Abänderungen. So befindet sich beispielsweise bei den Arten der Gattung Stendelwurz am Oberteil des Gynostemiums eine von einem zarten Häutchen überdeckte Klebmasse, die sogenannte Rostelldrüse. Bei der Berührung durch den Bestäuber zerreißt das Häutchen und läßt einen Klebstoff austreten, der die mehr oder weniger frei in einer schüsselartigen Vertiefung liegenden Pollinien am Insektenkörper befestigt. Manche Arten dieser Gattung haben sich indes auf Selbstbestäubung umgestellt.

Vielleicht ist diese Entwicklung durch die hohe Spezialisierung der Orchideen im Hinblick auf ihre Bestäuber ausgelöst worden, die einen Insektenbesuch aus den unterschiedlichsten Gründen unwahrscheinlich werden lässt. Deshalb halten sich die Perigonblätter im unbestäubten Zustand auch recht lange Zeit, um auf diese Art und Weise die Chance für eine Bestäubung möglichst zu vergrößern. Ist sie aber einmal so oder so erfolgt, dann vergehen sie sehr schnell.

Wie wir sehen, handelt es sich bei den Orchideen in der Tat um höchst bemerkenswerte Lebewesen. Sie stellen sehr anschauliche Beispiele für die enge und wechselseitige Verflechtung dar, die zwischen den von der Umwelt her auf die Pflanzen wirkenden Faktoren und den von ihnen in einem sehr langwierigen Prozess entwickelten Anpassungsmechanismen bestehen. Bei den Orchideen ist dieser Zusammenhang so eng, dass sie dadurch zu äußerst wertvollen Bioindikatoren für den Zustand unserer Umwelt werden. Sie reagieren nämlich bereits auf kleinste Veränderungen recht deutlich und zeigen uns dadurch Umweltschäden sehr frühzeitig an.


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Uwe Bienert

 Uwe Bienert
Autor

Landschaftsgärtner-Meister und Ausbilder

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