Flüchtlinge als Arbeitskräfte im GaLaBau

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Die Nachwuchssicherung auf der einen Seite und die soziale Verantwortung auf der anderen Seite bewegen immer mehr Firmen dazu, auch unter den Geflüchteten nach potenziellen Fachkräften von morgen zu suchen. Damit die Bereitstellung von Arbeitsplätzen zu einer langfristig erfolgreichen Integration in den Betrieben führt, muss die bisherige Belegschaft genauso wie der Geflüchtete Verständnis für den anderen zeigen: Die eine Seite für die besondere Situation und die kulturellen Besonderheiten der Geflüchteten, die andere für die Werte und Gebräuche in Deutschland.Problemstellung

Der demographische Wandel in Deutschland führt dazu, dass junge Arbeitskräfte benötigt werden. Selbst wenn jährlich 100.000 Menschen zuwandern, wird dem Statistischen Bundesamt zufolge unsere Bevölkerung bis 2060 von derzeit 80 Millionen Einwohnern auf 60 Millionen schrumpfen. Gleichzeitig erhöht sich das Durchschnittsalter. Dies hat negative Auswirkungen auf das zukünftige Fachkräfteangebot. Die Nachwuchswerbung im GaLaBau erstreckt sich daher längst nicht mehr nur auf einheimische junge Menschen, sondern auch auf Migranten.

Die meisten Firmen im Garten- und Landschaftsbau arbeiten bereits seit Jahren mit Menschen aus verschiedenen Ländern zusammen. Kulturelle Vielfalt ist für sie kein neues Thema. Doch die Integration von Geflüchteten stellt auch sie immer wieder vor Herausforderungen. Diese reichen von bürokratischen Hindernissen über unklare Bleibeperspektiven bis hin zu Verständigungsschwierigkeiten. Erfahrungsberichte von Unternehmen und von Geflüchteten zeigen, wie die Zusammenarbeit im Alltag trotzdem funktionieren kann. Damit auch der Garten- und Landschaftsbau sein Potenzial besser auf den Markt bringt und damit umgekehrt mehr junge Menschen aufmerksam werden, wurde Frau Theresia Hirschbeck als "Willkommenslotsin"(Gefördert vom BMWI) engagiert. Sie berichtet über ihre Erfahrungen mit Unternehmen und Geflüchteten.

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Kooperation als Schlüssel zum Erfolg

Die Firma Roth Gärtner von Eden GmbH gehört zu einem genossenschaftlichen Zusammenschluss von rund 50 hervorragenden Gartengestaltern. Die 16 Mitarbeiter des niederbayerischen Unternehmens stehen für eine offene Arbeitskultur und höchste handwerkliche Qualität. Inzwischen erweitern auch zwei Geflüchtete aus Afghanistan das Team, von denen einer im September seine Ausbildung begonnen hat.

Der Auszubildende Balhtiar Safi lebt seit zwei Jahren in Deutschland. Obwohl er in seiner Heimat kaum Gelegenheit hatte, eine Schule zu besuchen, gelang es ihm in dieser kurzen Zeit seinen Mittelschulabschluss an der Berufsschule in Vilshofen zu erwerben.

Auf die Idee, eine Ausbildung im GaLaBau zu machen, kam er, weil sich an seiner Schule Werkstätten für Fachwerker befinden. "Was ich dort vom GaLaBau gesehen habe und was die Schüler erzählt haben, hat mir gefallen. Mit Unterstützung meiner Betreuerin habe ich einen Praktikumsplatz bei der Firma Vogl bekommen. Die Arbeit hat mir großen Spaß gemacht, aber leider ist die Firma kein Ausbildungsbetrieb. Zum Glück hat sich Herr Roth dann kurzfristig bereiterklärt, mich auszubilden." Die Berufsschule ist für den jungen Mann allerdings nicht immer leicht. "Wir müssen ein Berichtsheft führen. Darin sollen wir beispielsweise schreiben, wann eine Pflanze blüht und wie sie heißt. Das ist schwierig, doch der Chef kontrolliert, dass alles richtig ist. Außerdem hilft mir meine Lehrerin von der Mittelschule. Leider kann mir niemand helfen, wenn wir einen Test schreiben. Das muss ich alleine schaffen. Aber Laura steht mir immer zur Seite. Sie ist ebenfalls bei der Firma Roth und erklärt mir etwas, wenn ich im Unterricht nicht alles verstehe."

Der Geschäftsführer Bernhard Roth ist begeistert davon, wie gut sich seine afghanischen Mitarbeiter inzwischen in seinem Team eingefügt haben. Bedenken hatte er nie. "Als wir im Frühjahr in Fürstenzell einen Schwimmteich gebaut haben, kam Ali Rahimi Zade auf seinem Fahrrad angefahren, hat sich vorgestellt und gefragt, ob er mitarbeiten darf. Wir haben ein bisschen miteinander gesprochen, aber es war schnell klar, dass es passt. Genauso wie Safi ist er sehr engagiert und wurde von Anfang an voll akzeptiert. Dass sogar unser eingefleischter Urbayer super mit ihnen klar kommt, hat mich dann doch positiv überrascht. Inzwischen verstehen meine Mitarbeiter auch schon einige Brocken Dari und die beiden Jungs lernen Bayerisch."

Trotz der reibungslosen Aufnahme im Team: leicht war es für die Firma nicht, die beiden Geflüchteten einzustellen. "Es war ein Irrgartenlauf. Ohne die Betreuerin von Safi hätte ich das nicht geschafft. Sie hat mit zigtausend Ämtern telefoniert und die ganzen Behördengänge mit ihm erledigt. Bei Ali war es nicht so kompliziert, doch auch hier war die ehrenamtliche Unterstützung hilfreich." Das Fazit von Herrn Roth lautet daher: "Manchmal braucht es ein bisschen Kreativität und die Kooperation mit anderen. Unser Lager ist zum Beispiel mit öffentlichen Verkehrsmitteln kaum erreichbar, Zade und Safi haben jedoch keinen Führerschein. Damit sie trotzdem jeden Tag zur Arbeit kommen, haben wir Fahrgemeinschaften organisiert. Außerdem gibt es auf unserer Weihnachtsfeier in diesem Jahr Rind statt Schwein. Sowas muss man natürlich berücksichtigen. Aber ich kann ganz klar sagen: Es lohnt sich! Bessere und willigere Arbeiter als die beiden kann man kaum finden."

Die Hoffnung auf Langfristigkeit

Ein geduldeter Flüchtling, der eine Lehre beginnt, hat grundsätzlich Anspruch auf Erteilung einer zweijährigen Aufenthaltserlaubnis, wenn er seine Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen hat und eine der erworbenen beruflichen Qualifikation entsprechende Beschäftigung aufgenommen werden soll. Auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass Geflüchtete, die sich derart in Deutschland integriert haben, längerfristig bleiben dürfen: Rechtssicherheit für eine dauerhafte Bleibe- und Beschäftigungserlaubnis gibt es nicht. Eine gute Fachkraft bleibend an das Unternehmen binden zu können, ist jedoch genau das, was sich die Firma Nordgrün Nürnberg Garten- und Landschaftsbau GmbH mit der Ausbildung von Moqamudin Wafai erhofft.

"Er ist arbeitswillig, handwerklich geschickt und weiß, wie man zupacken muss. Außerdem passt er gut ins Team, das ist sehr wichtig. Denn die Fluktuation unserer Mitarbeiter ist nicht zuletzt wegen des guten Arbeitsklimas so gering" sagt der Geschäftsführer Ulrich Schäfer.

Bereits vor der Beschäftigung des afghanischen Lehrlings war die Firma ein Multikulti-Unternehmen. Die ca. 45 Mitarbeiter stammen aus Serbien, Polen, der Türkei, Italien und Deutschland. Wafai hat seine Ausbildung abgebrochen, arbeitet aber weiterhin als ungelernte Kraft im Betrieb mit. "Mir ist wichtig, dass sich meine Mitarbeiter mit dem Betrieb identifizieren und zufrieden sind. Das hat mit der Nationalität nichts zu tun. Kulturelle Unterschiede fallen im Berufsalltag nicht auf. Bisher ist etwa 70 bis 75 Prozent der Belegschaft deutscher Herkunft. Ich habe aber kein Problem damit, den Ausländeranteil zu erhöhen", so Schäfer. Daher sei es auch nicht notwendig gewesen, die Mitarbeiter auf die Ankunft des Geflüchteten im Unternehmen vorzubereiten. Dass dieser ohne zu zögern ins Team aufgenommen wurde, bestätigt Schäfers Einschätzung. Letztendlich hätten sich ohnehin seine Leute für den Azubi entschieden, da er Wafai aufgrund der guten Beurteilungen seiner Bauleiter einen Ausbildungsplatz angeboten habe. Auch bei der Entwicklung von Wafais schulischen Leistungen ist Herr Schäfer optimistisch. "Es ist beeindruckend, wie gut sein Deutsch bereits ist und von uns erhält er jede Unterstützung, die er kriegen kann." Nur eins macht dem Unternehmer Sorgen: die Unsicherheit, ob Wafai dauerhaft in der Firma bleiben darf. Zum Glück stehen die Chancen für eine Niederlassungserlaubnis, wie die unbefristete Aufenthaltserlaubnis auch genannt wird, gut. Denn als anerkannter Flüchtling, der bereits seit über fünf Jahren in Deutschland lebt, hat er hierauf einen Anspruch, sofern das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung nicht plant.

Verständnisschwierigkeiten

Ohne Hilfe haben Geflüchtete häufig Schwierigkeiten, ihre Ausbildung zum Landschaftsgärtner erfolgreich zu absolvieren. Doch es gibt eine wirkungsvolle Möglichkeit, sie an eine Ausbildung heranzuführen - die Einstiegsqualifizierung (EQ). Während dieses von der Arbeitsagentur geförderten Langzeitpraktikums lernen sie den Arbeitsalltag kennen und nehmen gleichzeitig am Berufsschulunterricht teil. Auf diese Weise werden berufliche Grundkenntnisse vermittelt und die Ausbildungsreife der Jugendlichen verbessert.

Christopher Kaigana aus Nigeria kann dank dieses Instruments bereits jetzt die Ausbildungsinhalte in Theorie und Praxis kennenlernen. Nachdem es während der EQ Schwierigkeiten mit der Ausländerbehörde gab, hat Kaigana. den Glauben daran verloren, die Ausbildung beginnen zu dürfen. Daher hat er die EQ abgebrochen. Er hat sich für eine Einstiegsqualifizierung entschieden, weil sein Deutsch für eine reguläre Ausbildung noch nicht ausreicht. "Die Schule ist sehr schwer für mich. Mir helfen viele Leute und ich versuche, alles zu verstehen. Ich lerne sehr viel, aber vor allem die Fachsprache ist schwierig. Wenn ich nächstes Jahr in die gleiche Klasse gehe, ist es ein bisschen leichter für mich. Dann kenne ich schon mehr Vokabeln und verstehe den Lehrer besser." Dass Herr Schreiber sich trotz der sprachlichen Schwierigkeiten für den Geflüchteten entschieden hat, erklärt er mit dessen Motivation: "Ich habe lange nach einem motivierten und fähigen Mitarbeiter gesucht. Mit Kaigana habe ich ihn gefunden. Er sieht, wo Arbeit ist und erledigt sie oft ungefragt. Und er denkt mit. Schon mehrfach hat er mich morgens daran erinnert, noch irgendetwas zu einer neuen Baustelle mitzunehmen, das ich sonst vergessen hätte. Diese Eigenschaften sind eine wahnsinnige Erleichterung für mich. Das habe ich bei einem Mitarbeiter zu einem so frühen Zeitpunkt noch nie erlebt. Die Berufsschule wird sicher schwer für ihn, aber Christopher Kaigana ist intelligent. Wenn er es sprachlich schafft, wird der Rest kein Problem."

Die Einstiegsqualifizierung hat Herr Schreiber ganz einfach über seinen Ansprechpartner bei der Arbeitsagentur beantragt. Wer diesen nicht kennt oder noch nie Kontakt zur Arbeitsagentur hatte, kann auch den Arbeitgeberservice anrufen. Die Arbeitsagentur prüft dann, ob eine Förderung für den Bewerber in Frage kommt. Hier gab es bei Herrn Schreiber allerdings Schwierigkeiten. "Zuerst hatte die Deutschlehrerin, meine Steuerberatung und ich eine mündliche Zusage. Als dann alles in trockenen Tüchern schien, kam plötzlich die schriftliche Ablehnung. Aber dank des Einsatzes der Deutschlehrerin, der zuständigen Stelle und des Verbands Garten-, rLandschafts- und Sportplatzbau hat es am Ende trotz deutscher Bürokratie doch noch geklappt hat." Dass Herr Schreiber nun einen Geflüchteten beschäftigt, kommt auch bei der Kundschaft sehr gut an.

"Der Eindruck der billigen Arbeitskraft darf bei den Kunden natürlich nicht entstehen. Dass dem nicht so ist, zeige ich, indem ich ihm die Arbeiten ausführlich erkläre. Aber ich halte die Gefahr für gering, diesen Anschein zu erwecken. Wir führen ja nicht nur einfache Pflegearbeiten aus, sondern gestalten anspruchsvolle Privatgärten. Da braucht es Qualifikationen." An anderen Stellen fehle es leider noch am Verständnis, doch das läge gewiss nicht an mangelhaften Sprachkenntnissen, so Schreiber weiter. "Alltagsrassismus begegnet uns leider immer wieder. Bei Gärtnern selbst weniger. Aber im Kieswerk, beim Maschinenverleih oder im Baustoffhandel kommt gerne mal ein Spruch wie ,Wenn er jetzt nicht seinen Mund aufgemacht hätte, hätte ich ihn gar nicht gesehen'." Seit Kaigana bei ihm beschäftigt ist, kann er solchen Äußerungen allerdings sehr gut entgegentreten. "Christopher Kaigana ist ein perfektes Beispiel dafür, dass die üblichen Vorurteile falsch sind." Daher lautet sein Tipp für andere GaLaBau-Firmen: "Ausprobieren und machen! Wir Gärtner sind so innovations- und experimentierfreudig. Wenn wir es nicht schaffen, Flüchtlinge zu integrieren, wer dann?"

Willkommenskultur gelingt nur im Team

Seit dem 1. September 2016 kümmert sich Landschaftsgärtnermeister Johannes Öchsner und sein Team um einen Auszubildenden aus Afghanistan. Bevor das Ganze spruchreif wurde, informierte er als Betriebsleiter die gesamte Mannschaft, denn ohne deren Unterstützung wäre die Integration nicht möglich gewesen. Er berichtete, dass in seiner Ursprungsheimat der Beruf des Gärtners kein so hohes Ansehen habe. Der Neuankömmling absolvierte zunächst ein Schnupperpraktikum im Sachgebiet Obstbau und Baumschule an der LWG. Dann kam er als Praktikant in den GaLaBau (Abteilung Landespflege). Dies sagte dem jungen Mann immer mehr zu. Er entschloss er sich, eine Ausbildung als Landschaftsgärtner aufzunehmen. Die Deutsche Sprache stellt für viele Migranten eine sehr hohe Barriere dar. Der Azubi des Öchner-Teams hatte bereits Deutschkenntnisse. Sein Fleiß ermöglicht es ihm, immer besser zu werden. LG-Meister Öchsner erwähnt lobend, dass bei seinem Schützling ein starker eigener Wille vorhanden sei. Ohne diesen wäre der Auszubildende noch lange nicht so weit. Dies gilt auch für seine praktischen Leistungen. Er besitze ein sehr gutes handwerkliches Geschick und füge sich sehr gut in das Team ein. Gegenüber den Kollegen/innen trete er sehr freundlich und höflich auf. "Der bisherige Gesamteindruck ist positiv", meint Ausbilder Johannes Öchsner, "auch wenn ich ehrlicherweise einen höheren Organisationsaufwand habe. Doch das ist es mir wert."

Hinweise für die Praxis

Eines zeigen die Erfahrungen der Firmen deutlich: Patentlösungen gibt es keine. Meist führen individuelle Konzepte zum Erfolg. Kooperation mit allen Beteiligten und eine enge Zusammenarbeit sind wichtige Bausteine für eine gelungene Integration in den Betrieben. Dennoch bleibt es für Firmen oft schwer, sich einen Weg durch die vielen, sich häufig ändernden und oft unübersichtlichen gesetzlichen Bestimmungen zu bahnen. Damit GaLaBau-Firmen hier nicht auf sich allein gestellt sind, werden sie vom Verband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Bayern e. V. unterstützt. Dort wurde im Frühjahr 2016 die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderte Stelle der Willkommenslotsin geschaffen.

Sollten Sie Fragen rund um die Integration von Flüchtlingen in Ausbildung und Beschäftigung haben, können Sie sich daher gerne jederzeit an sie wenden (hirschbeck(at)galabau-bayern.de).
 Theresia Hirschbeck
Autorin

Willkommenslotsin für Flüchtlinge, VGL Bayern

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