Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt
Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks für Arbeiten zulässig?
von: Rainer Schilling
Im schlimmsten Fall trifft man sich vor Gericht, um klären zu lassen, was der Nachbar darf, der z. B. an der Grenzwand seines Hauses oder am Gartenzaun Arbeiten ausführen lassen will. Ein Streit vor Gericht ging sogar so weit, dass 2012 der Bundesgerichtshof darüber entscheiden musste.
Im schlimmsten Fall trifft man sich vor Gericht, um klären zu lassen, was der Nachbar darf, der z. B. an der Grenzwand seines Hauses oder am Gartenzaun Arbeiten ausführen lassen will. Ein Streit vor Gericht ging sogar so weit, dass 2012 der Bundesgerichtshof darüber entscheiden musste. Für die meisten Fälle gibt es gesetzliche Regelungen, die allerdings im Landesrecht zu finden sind. Die Regelungen sind nicht einheitlich, aber im Kern weichen sie nicht so viel voneinander ab. Im Einzelnen handelt es sich um folgende landesrechtliche Vorschriften:
Hammerschlags- und Leiterrecht
Das Hammerschlagsrecht berechtigt zum Betreten des nachbarlichen Grundstücks, um Arbeiten – insbesondere Reparaturen – am eigenen Haus auszuführen oder ausführen zu lassen. Das Leiterrecht gibt das Recht, auf dem Grundstück des Nachbarn eine Leiter oder ein Gerüst zu stellen, und unter Umständen auch Baugeräte und Materialien zu lagern. Hierbei ist allerdings auf die besonderen Belange des Nachbars Rücksicht zu nehmen. Befindet sich direkt an der Grenze ein Beerenstrauch, muss unter Umständen abgewartet werden, bis die Beeren reif und abgeerntet sind.
In manchen Bundesländern gibt es zusätzlich das sogenannte Schaufelschlagsrecht. Danach darf im Zusammenhang mit den Arbeiten Sand, Erde oder Bodenaushub auf dem Nachbargrundstück gelagert werden.
Zu beachten ist allerdings immer, dass man als Nachbar vom Hammerschlags- oder Leiterrecht nur Gebrauch machen darf, wenn keine andere zumutbare Möglichkeit besteht, um erforderliche, notwendige Arbeiten auszuführen. Eine reine Kostenersparnis oder lediglich Verschönerungsarbeiten sind keine ausreichenden Gründe, um sich auf das Hammerschlagsrecht berufen zu können.
- Baden-Württemberg § 7d Nachbarrechtsgesetz – NRG BW
- Bayern Art. 46b Gesetz zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (AGBGB BY)
- Berlin §§ 17, 18 Berliner Nachbarrechtsgesetz (NachbG Bln)
- Brandenburg §§ 23, 24 Brandenburgisches Nachbarrechtsgesetz (BbgNRG)
- Bremen – Hamburg § 74 Hamburgische Bauordnung (HBauO)
- Hessen §§ 28, 29 Hessisches Nachbarrechts- gesetz Landesrecht Hessen (NachbG HE)
- Mecklenburg – Vor- §§ 47, 48 Niedersächsisches pommern – Nieders. Nachbarrechtsgesetz (NNachbG)
- Nordrhein-Westfalen §§ 24, 25 Nachbarrechtsgesetz (NachbG NRW)
- Rheinland-Pfalz §§ 21-25 Landesnachbarrechtsgesetz (LNRG)
- Saarland §§ 24-26 Saarländisches Nachbarrechtsgesetz (NachbarG SL)
- Sachsen § 24 Sächsisches Nachbarrechtsgesetz (SächsNRG)
- Sachsen-Anhalt §§ 18-20 Nachbarschaftsgesetz (NbG SA)
- Schleswig-Holstein §§ 17-19 Nachbarrechtsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (NachbG Schl.-H.)
- Thüringen §§ 21-25 Thüringer Nachbarrechtsgesetz (ThürNRG)
Quelle: Haus- und Grundverein sowie Haufe-Verlag

Wie geht man vor?
Wenn man nicht ohne die Inanspruchnahme des Hammerschlagsrechts meint auskommen zu können, sollte man sich mit dem Nachbarn in Verbindung setzen und die Angelegenheit möglichst einvernehmlich regeln.
Wie macht man es rechtlich richtig?
Ist eine Einigung nicht möglich, sollte man wie folgt vorgehen, wobei es keinen Unterschied macht, in welchem Bundesland und nach welchen Vorschriften man den Anspruch im Einzelnen geltend macht. Wer ein Hammerschlagsrecht in Anspruch nehmen möchte, sollte den Nachbarn rechtzeitig möglichst schriftlich informieren, um welche Arbeiten es sich handelt, wann man hiermit beginnen will und wie lange die Arbeiten voraussichtlich dauern werden.
Es empfiehlt sich auch anzugeben, welcher Bereich des nachbarlichen Grundstücks durch die Arbeiten in Anspruch genommen werden muss. Dem betroffenen Nachbarn sollte man auch eventuelle Beeinträchtigungen vorab mitteilen.
Hat man den Nachbarn informiert, so hat dieser je nach Bundesland zwischen zwei Wochen und zwei Monaten Zeit, entsprechend zu reagieren. Insbesondere kann der betroffene Nachbar dann prüfen, ob er die Inanspruchnahme dulden muss oder nicht. Gibt es Gründe, so kann der Nachbar ablehnen bzw. eine zeitliche Verlegung der Arbeiten verlangen.
Reagiert der Nachbar nicht fristgerecht, darf das Grundstück betreten und genutzt werden, sofern die Information des Nachbarn fristgerecht und vollständig war. So sieht es auch der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung aus dem Jahr 2012.
Schadenersatzansprüche des Nachbarn?
Kommt es bei den Arbeiten zu Beschädigungen am Nachbargrundstück, so bestehen entsprechende Schadenersatzansprüche, die weitgehend verschuldensunabhängig sind. Ziel ist es, dass nach Beendigung der Arbeiten das Grundstück des Nachbarn wieder so hergerichtet sein muss, wie es vor der Inanspruchnahme des Hammerschlagsrechts ausgesehen hat.
Bei den Arbeiten darf der duldende Nachbar nicht über Gebühr beeinträchtigt werden. Die Arbeiten müssen zügig ausgeführt werden. Kommt es zu Verzögerungen, sollten diese möglichst vermieden, aber auf alle Fälle rechtzeitig bekanntgegeben werden.

Wie sieht es bei einer plötzlichen Notlage aus?
Das Betretungsrecht im Notfall ist beschränkt auf Ausnahmesituationen, z. B. bei Bränden oder Überschwemmungen. Dann darf ein Nachbar auch ohne Ankündigung auf das Grundstück des anderen Nachbarn betreten, um Schäden am eigenen Haus zu verhindern oder zu reduzieren.
Immer wieder ist festzustellen, dass sich Nachbarn auf einen Notfall berufen, wenn es um Schäden am eigenen Haus geht, die schon länger bestehen. Im Streitfall muss bewiesen werden, dass es sich tatsächlich um eine Notsituation gehandelt hat und man praktisch zwingend auf das kurzfristige Betreten des Nachbargrundstücks angewiesen war. Wenn kein Notfall vorlag, besteht immer die Gefahr, dass ein Fall des Hausfriedensbruchs gegeben sein kann, der schließlich ein Straftatbestand darstellt.
Streitigkeiten wegen Pflanzenbewuchs an der Grundstücksgrenze
Ein weiterer von vielen denkbaren Streitpunkten zwischen Nachbarn ist der Bewuchs auf den Grundstücken im Grenzbereich. Auch hier gibt es in fast allen Bundesländern gesetzliche Regelungen, die aber überwiegend nur die Grenzabstände regeln, wenn die Pflanzung erfolgt.
In manchen Bundesländern gibt es einen Katalog mit überwiegend lateinischen Pflanzennamen, die nur in bestimmten Mindestabständen zur Grundstücksgrenze gepflanzt werden dürfen (z. B. Hessen). Erfolgt die Bepflanzung zu nahe zur Grenze des Nachbarn, so hat dieser ein Beseitigungsrecht, das aber nach einiger Zeit erlischt, so dass der zu nahe Bewuchs stehenbleiben kann.
D. h. der betroffene Nachbar sollte zeitnah reagieren, wenn er einen bestimmten Bewuchs verhindern will. Kann er von sich aus nicht klären, was der Nachbar gepflanzt hat, so gibt es einen entsprechenden Auskunftsanspruch.
Überhang von Ästen
Hängen Äste über die Grundstücksgrenze zum Nachbarn, darf der betroffene Nachbar nicht zur Selbsthilfe greifen und die Äste bis zur Grundstücksgrenze zurückschneiden. Man darf nur den Nachbarn auffordern, die Äste zurückzuschneiden. Hierzu muss man ihm eine angemessene Frist zur Beseitigung setzen. Erst nach Ablauf dieser Frist darf man zur Selbsthilfe greifen und die dann herüberhängenden Äste zurückschneiden.
Dies gilt allerdings nur, wenn die Äste tatsächlich beeinträchtigen. Wichtig ist auch, dass während der Wachstumszeit kein Rückschnitt verlangt werden kann. Eine in dieser Zeit gesetzte Frist, kann dementsprechend nicht verstreichen.
Eine besondere Regelung sieht das BGB (§ 911 BGB) für Obstbäume vor. Hängen Äste eines Obstbaumes über den Gartenzaun, dürfen die Nachbarn die Früchte nicht pflücken. Fallen Sie hingegen in den eigenen Garten, darf man sie aufheben und essen. Der Nachbar darf allerdings die Früchte nicht vom Baum abtrennen oder diese vom Baum herunterschütteln. Nur wenn sie ohne besondere Hilfe herunterfallen, ist man berechtigt, die Früchte zu verwerten. Man geht dabei allerdings auch das Risiko ein, dass der Nachbar seinen Baum mit Insektiziden oder Fungiziden gespritzt hat und man diese Chemikalien mit dem Verzehr der Früchte mitisst.
Beeinträchtigung durch zu hohe Nachbarhecken
In meinem Beitrag vom Mai (Neue Landschaft Mai 2025, Seite 52 ff.) hatte ich auf die Höhenbegrenzung von Nachbarhecken und wie deren Höhe im Einzelfall zu messen ist, hingewiesen. Auch hier gibt es in nahezu jedem Bundesland gesetzliche Regelungen aufgrund deren der betroffene Nachbar einen Anspruch auf Rückschnitt der zu hohen Hecke hat. Im Einzelnen sei auf meinen Beitrag vom Mai dieses Jahres verwiesen.
Wenn man sich in der Literatur anschaut, was es insgesamt für nachbarrechtliche Probleme gibt und mit wieviel Streitigkeiten sich die Gerichte befassen müssen, ergebe dies sicherlich ein abendfüllendes Programm.














