GaLaBau und Recht: Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

Gewährleistungssicherheit und Zurückbehaltungsrecht: Warum wird so viel falsch gemacht?

von:

Rainer Schilling

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

GaLaBau und Recht Unternehmensführung
Weder die VOB noch das BGB sehen bei einem Werkvertrag eine automatische Sicherheitsleistung für die Gewährleistungszeit vor. Foto: Moritz Lösch, Neue Landschaft

Viele Betriebe nehmen es als Gott gegeben hin, dass sie 95Prozent des verdienten Werklohns als Auftragnehmer ausgezahlt bekommen. Die restlichen 5 Prozent behält der Auftraggeber als Gewährleistungssicherheit ein und kann gegen Stellung einer entsprechenden Bürgschaft eines Kreditinstitutes oder Kreditversicherers abgelöst werden.

Wenn man die verantwortlichen Firmenmitarbeiter des Auftragnehmers fragt, wo dies steht, kommt fast immer die Antwort: "In der VOB". Wo in der VOB weiß man allerdings nicht anzugeben, außer dass man sich vielleicht noch auf Teil B der VOB beruft. In der Praxis werden viele Werkverträge in der zuvor geschilderten Weise abgewickelt, ohne dass man näher darüber nachdenkt, ob die Verfahrensweise richtig ist. Zu meinen Mandanten zählt eine kleine bundesweit tätige Baufirma, die sich mit ihren besonderen Kenntnissen auf bestimmte Bauleistungen spezialisiert hat. Der Prokurist der Firma beklagte sich anlässlich eines Gespräches bei mir, dass er so häufig Gewährleistungsbürgschaften bei seiner Bank über jeweils nur geringe Summen beantragen müsse, um die letzten 5 Prozent des Werklohnes zu erhalten. Die dadurch bei seiner Bank entstehenden Kosten stünden in keinem Verhältnis zum Nutzen. Auf die Frage wie diese Aufträge zustande kommen, erfuhr ich, dass es sich fast ausschließlich um per Telefon kurzfristig in Auftrag gegebene Bauleistungen handelt, für die es keinen schriftlichen Vertrag gibt. Telefonisch wurde lediglich über die Ausführung der gewünschten Arbeiten und den hierfür zu zahlenden Preis gesprochen, mehr aber auch nicht. Ich wies meinen Gesprächspartner darauf hin, dass er in einem solchen Fall überhaupt keine Gewährleistungsbürgschaft stellen muss und von Anfang an Anspruch auf 100-prozentige Auszahlung seines Werklohnes hat. Ein Ergebnis, das nicht alle Firmen kennen.

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Jeder Auftraggeber hat eine nicht verwertete Sicherheit für Mängelansprüche nach Ablauf von zwei Jahren zurückzugeben, sofern kein anderer Rückgabezeitpunkt vereinbart worden ist. Soweit jedoch zu diesem Zeitpunkt seine geltend gemachten Ansprüche noch nicht erfüllt sind, darf er einen Teil der Sicherheit zurückbehalten. Foto: Claudia Hautumm/pixelio.de
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Bei rein telefonischer Auftragserteilung und Absprache muss überhaupt keine Gewährleistungsbürgschaft gestellt werden. Foto: Thomas Klewar/KfW-Bildarchiv

Keine Sicherheitsleistung ohne Vereinbarung


Weder die VOB noch das BGB sehen bei einem Werkvertrag eine automatische Sicherheitsleistung für die Gewährleistungszeit (Nacherfüllungszeit) vor. Sie ist nur zu stellen, wenn es die Parteien vereinbart haben. Auch beim VOB-Vertrag ist die Vereinbarung einer Gewährleistungssicherheit nicht automatisch Bestandteil des Vertrages sondern muss ausdrücklich vereinbart werden. Entgegen weit verbreiteter Ansicht gibt es hinsichtlich des fünfprozentigen Gewährleistungseinbehaltes keine Üblichkeit und erst Recht schon keinen Handelsbrauch, dass eine Sicherheitsleistung auch ohne vorherige vertragliche Vereinbarung vom Auftragnehmer verlangt bzw. vom Auftraggeber bei seinen Zahlungen 5 Prozent einbehalten werden kann. § 17 VOB/B, der sich mit der Sicherheitsleistung befasst, geht immer davon aus, dass die Vertragsparteien im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung einen Sicherheitseinbehalt vereinbart haben. Fehlt es an einer solchen Vereinbarung, hilft dem Auftraggeber auch nicht ein Berufen auf § 17 VOB/B. Diese Bestimmung regelt nur das Prozedere, wie zu verfahren ist, wenn die Parteien beim VOB-Vertrag eine Gewährleistungssicherheit vereinbart haben.
Vereinbarte Gewährleistungssicherheit

Wenn die Parteien eine Gewährleistungssicherheit vereinbart haben, beträgt diese zumeist 5 Prozent der Netto- oder Bruttoauftragssumme. Ohne dass es einer besonderen Vereinbarung bedarf, kann der Auftragnehmer den vom Auftraggeber einbehaltenen fünfprozentigen Betrag durch eine entsprechende Bürgschaft eines Kreditinstituts oder Kreditversicherers ablösen (vgl. § 17 Abs. 2 VOB/B). Was von den Vertragsparteien dabei allerdings viel zu wenig beachtet wird, ist die Regelung der VOB, welche Kreditinstitute beziehungsweise Kreditversicherer als Bürge in Betracht kommen. Die VOB akzeptiert als Bürgin Kreditinstitute und Kreditversicherer, die 1.) in der europäischen Gemeinschaft oder 2.) in einem Staat der Vertragsparteien des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder 3.) in einem Staat der Vertragsparteien des WTO-Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen zugelassen sind. Wenn die Parteien in ihren Verträgen keine Einschränkungen vornehmen, wird ein Auftraggeber eine Bürgschaft eines Kreditinstitutes aus Rumänien, Bulgarien oder aus anderen Staaten akzeptieren müssen. Wer einmal die Erfahrung gemacht r bei einer gerichtlichen Inanspruchnahme einer Bürgschaft Zustellungen im Ausland vornehmen zu müssen, wird diese Erfahrungen nicht erneut machen wollen. Derartige Zustellungen dauern Monate und lösen oft auch erhebliche Übersetzungskosten aus. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass man die Inanspruchnahme der Bürgschaften vor ausländischen Gerichten geltend machen muss. Unter diesen Umständen sei dringend angeraten, abweichend von der VOB die Ablösung eines Sicherheitseinbehaltes durch eine Bürgschaft auf inländische Institute zu beschränken und auf alle Fälle eine Gerichtsstandregelung zu treffen.
Unbefristete Bürgschaft

§ 17 Abs. 4 VOB/B sieht ausdrücklich vor, dass die Bürgschaft zeitlich unbegrenzt sein muss. Die Regelung ist durchaus sinnvoll, weil bei Abschluss des Vertrages die Parteien nicht überblicken können, ob sich die Gewährleistungsfrist für einzelne Mängel durch Hemmungs- oder Unterbrechungstatbestände verlängert. Eine befristete Bürgschaft würde wegen Fristablauf dann möglicherweise nicht mehr zur Verfügung stehen. Ist die Gewährleistungsfrist wegen Hemmungs- oder Unterbrechungstatbeständen nicht vollständig abgelaufen, steht dem Auftragnehmer selbstverständlich das Recht zu, unter Berücksichtigung der sich noch in der Gewährleistungsfrist befindlichen Leistung eine angemessene Reduzierung der Sicherheit zu verlangen. Die Höhe der Reduzierung hängt davon ab, welche Ansprüche nach Ablauf der eigentlichen Gewährleistungsfrist noch gegeben sein können.



Das Verhältnis von Gewährleistungssicherheit zu Zurückbehaltungsrechten


Ist ein Werk vom Auftragnehmer mangelbehaftet, steht dem Auftraggeber selbstverständlich ein Nachbesserungsanspruch gegen den Auftragnehmer zu. § 641 Abs. 3 BGB, der auch für den VOB-Vertrag gilt, sieht vor, dass dem Auftraggeber gegenüber dem Werklohn des Auftragnehmers ein Zurückbehaltungsrecht zusteht. Die Höhe dieses Rechts bemisst sich an den erforderlichen Kosten für die Beseitigung des Mangels, wenn ein Dritter die Mängelbeseitigung vornehmen müsste. Das Gesetz gibt dem Auftraggeber zur Durchsetzung seiner Rechte einen sogenannten Druckzuschlag, so dass ein angemessenes Zurückbehaltungsrecht in der Regel das Doppelte der für die Beseitigung des Mangels erforderlichen Kosten ausmacht. Immer wieder argumentieren Auftragnehmer dem Auftraggeber stünde ein derartiges Zurückbehaltungsrecht nicht zu, da er bereits über einen Gewährleistungssicherheitseinbehalt von 5 Prozent des Auftragswertes verfüge. Dieses oft gebrachte Argument ist nicht stichhaltig. Der zwischen den Parteien vereinbarte fünfprozentige Sicherheitseinbehalt gilt insbesondere für noch nicht bekannte Mängel, die während der Gewährleistungszeit in Erscheinung treten. Für konkrete Mängel steht dem Auftraggeber zusätzlich zum vereinbarten Gewährleistungseinbehalt das Zurückbehaltungsrecht gem. § 641 Abs. 3 BGB zu. Der Auftragnehmer kann sich also nicht darauf berufen, der Auftraggeber verfüge schließlich bereits über eine ausreichende Sicherheit.

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Gerade im Landschaftsbau gibt es Verträge, in denen die vorzeitige Rückgabe der Gewährleistungssicherheit nach § 17 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B nicht ausgeschlossen ist. Auftragnehmer sollten deshalb im Einzelnen überprüfen, ob sie zur Reduzierung ihres Avalrahmens nicht von § 17 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B Gebrauch machen und die Gewährleistungssicherheit vom Auftraggeber vorzeitig zurückverlangen. Foto: Moritz Lösch/Neue Landschaft
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Entgegen weit verbreiteter Ansicht gibt es hinsichtlich des fünfprozentigen Gewährleistungseinbehaltes keine Üblichkeit und erst Recht schon keinen Handelsbrauch, dass eine Sicherheitsleistung auch ohne vorherige vertragliche Vereinbarung vom Auftragnehmer verlangt bzw. vom Auftraggeber bei seinen Zahlungen 5Prozent einbehalten werden kann. Foto: P. Kirchhoff/pixelio.de

Die frühzeitige Rückgabe der Sicherheit gem. § 17 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B



Viel zu wenig bekannt ist den Vertragsparteien die Bestimmung des § 17 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B. Die Bestimmung lautet: "Der Auftraggeber hat eine nicht verwertete Sicherheit für Mängelansprüche nach Ablauf von zwei Jahren zurückzugeben, sofern kein anderer Rückgabezeitpunkt vereinbart worden ist. Soweit jedoch zu diesem Zeitpunkt seine geltend gemachten Ansprüche noch nicht erfüllt sind, darf er einen entsprechenden Teil der Sicherheit zurückbehalten."


Nach dieser für den Auftragnehmer äußerst günstigen Vorschrift, kann der eine nicht verwertete Sicherheit, zum Beispiel eine Bürgschaft schon nach zwei Jahren zurückverlangen, obwohl die Parteien eine vierjährige Frist nach VOB oder eine fünfjährige (verlängerte VOB-Frist) vereinbart haben. Sinn und Zweck dieser Vorschrift, die nachträglich in die VOB/B aufgenommen wurde, ist es, den Avalrahmen, den der Auftragnehmer bei seiner Bank oder Kreditversicherer hat, nicht über Gebühr anwachsen zu lassen. Um die Sicherheit nicht vorzeitig zurückgeben zu müssen, haben erfahrene Auftraggeber in ihren Standardvertragstexten oft eine Klausel, wonach die Gewährleistungssicherheitsleistung vom Auftragnehmer so lange zu stellen ist, wie die Parteien die Gewährleistungsfrist vereinbart haben. Gerade im GaLaBau-Bereich sehe ich bei meiner täglichen Arbeit ständig Verträge, in denen die vorzeitige Rückgabe der Gewährleistungssicherheit nach § 17 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B nicht ausgeschlossen ist. Auftragnehmer sollten deshalb im Einzelnen überprüfen, ob sie zur Reduzierung ihres Avalrahmens nicht von § 17 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B Gebrauch machen und die Gewährleistungssicherheit vom Auftraggeber vorzeitig zurückverlangen. Die Bestimmung ist nicht auf die Rückgabe einer gestellten Bürgschaft sondern generell auf alle Arten einer Sicherheitsleistung anwendbar.
Neue Entscheidung des BGH vom 30.03.2017


Man könnte meinen, dass eigentlich alle Rechtsfragen zur Gewährleistungssicherheitsleistung längst von der Literatur und Rechtsprechung abgehandelt und entschieden sind. Wie ein neues gerade veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichtshofs zeigt, ist dies nicht der Fall. In dem dort entschiedenen Fall hatten die Parteien in den vom Auftraggeber gestellten besonderen Vertragsbedingungen vereinbart, dass der Auftragnehmer erst berechtigt sein soll, den Sicherheitseinbehalt gegen Vorlage einer unbefristeten, selbstschuldnerischen und unwiderruflichen Bürgschaft einer deutschen Großbank oder Versicherung ablösen zu dürfen, "frühestens jedoch nach vollständiger Beseitigung der im Abnahmeprotokoll festgestellten Mängel oder fehlender Leistungen." Diese in zahlreichen von Auftraggebern gestellten Vertragsbedingungen vorzufindende Klausel hält der Bundesgerichtshof für unwirksam. Das Gericht meint, die Klausel verstoße gegen "Treu und Glauben" und benachteilige den Auftragnehmer unangemessen, weil eine Ablösung des Sicherheitseinbehaltes frühestens nach vollständiger Beseitigung der im Abnahmeprotokoll festgestellten Mängel oder fehlender Leistungen besteht. Diese Einschränkung sei so weitreichend, dass ein angemessener Ausgleich zu den mit dem Sicherheitseinbehalt für den Auftragnehmer verbundenen Nachteilen nicht mehr gegeben sei. Die Frage, ob im Abnahmeprotokoll gerügte Mängel vollständig beseitigt sind, kann Gegenstand langwieriger Auseinandersetzungen sein, die sich über Jahre hinziehen und nicht ohne ein gerichtliches Beweisverfahren oder sogar einem Baurechtsstreit geklärt werden können. Der Bundesgerichtshof hält eine derartige Klausel für unfair und hat sie dementsprechend als unwirksam angesehen. Ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass GaLaBau-Unternehmen, die in der Vergangenheit für Generalunternehmer oder andere größere Firmen tätig waren, derartige Klauseln akzeptiert haben. Sollte dies der Fall sein, können Auftragnehmer, zum Beispiel GaLaBau-Unternehmen, unabhängig von dem Lauf der Gewährleistungsfrist, die gestellte Sicherheit vorzeitig zurückverlangen.


Wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, lohnt es sich durchaus darüber nachzudenken, ob und welche Vereinbarungen man in der Vergangenheit mit seinen Vertragspartnern bezüglich eines Sicherheitseinbehaltes vereinbart hat und welche Konsequenzen man für die Vergangenheit und Zukunft daraus zieht.

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