Hamburgs Umgang mit den Herausforderungen

Grüne Dächer und Fassaden in Zeiten des Klimawandels

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Die Flächen in der Stadt sind begrenzt. Grüne Dächer und Fassaden zeigen Lösungen auf, um diese Flächenkonkurrenz ein Stück weit zu bewältigen und Maßnahmen in Gesundheitsvorsorge, Klimaschutz und -anpassung sinnvoll und nachhaltig umzusetzen. Gebäudebegrünung hat eine hohe Relevanz und ist ein Zeitgeistthema: Die aktuelle gesellschaftliche Bewegung und alle Auswirkungen für Umweltschutz und Nachhaltigkeit haben das Bewusstsein großer Teile der Bevölkerung geschärft.

Bei den regierenden Parteien Hamburgs gibt es einen breiten politischen Konsens dazu. So sieht der jüngst verabschiedete Koalitionsvertrag der rotgrünen Landesregierung vor, dass die "2015 gestartete Gründachstrategie des Senats weiterentwickelt und um Fassadenbegrünung ergänzt wird."

Hamburger Gründachförderung

In Hamburg werden Dachbegrünungen seit 2015 durch öffentliche Zuschüsse und indirekt durch die Gebührenreduktion bei der Splittung der Abwassergebühr gefördert. Bislang stellt die Stadt für das Förderprogramm zur Gebäudebegrünung 3,5 Millionen Euro zur Verfügung. Gefördert werden Dachbegrünungen auf oberirdischen Geschossen von Gebäuden, die freiwillig durchgeführt werden und nicht aufgrund rechtlicher Regelungen erforderlich sind. Die Förderung liegt zwischen 18 und 90 Euro/m² Dachbegrünung. Zudem werden 50 Prozent der Kosten für die Fertigstellungspflege übernommen. Zusätzliche Zuschläge sind möglich, bei Maßnahmen in der Inneren Stadt, für Freiraumnutzung, wenn die Tragfähigkeit und Wurzelfestigkeit von Dächern bei bestehenden Gebäuden verbessert werden, Extensivbegrünungen mit solarer Energiegewinnung kombiniert werden oder die Abflussverzögerung erhöht wird.

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Bislang wurden 226 Anträge gestellt und 62 500 m² Dachbegrünung bewilligt, davon knapp 10.000 m² intensive Dachbegrünung. Die bewilligte Fördersumme liegt bei 1 550.000 Euro und zu 75 Prozent im Neubau und zu 25 Prozent im Bestand. Antragsteller sind zur Hälfte Privatpersonen und zur anderen Hälfte Unternehmen. Seit Juni 2020 wurde das Förderprogramm um Fassadenbegrünung erweitert und um fünf Jahre bis 2025 verlängert. Grüne Fassaden werden pauschal mit 40 Prozent der Baukosten gefördert und die Zuschüsse gelten für boden- und wandgebundene Begrünungen, vorbereitende Arbeiten, Rankhilfen, Pflanzen, Pflanzmaßnahmen, Bewässerungssysteme, Fertigstellungspflege sowie die Nebenkosten für eine fachliche Planung und Betreuung. Pro Gebäudebegrünungsmaßnahme kann ein Zuschuss von maximal 100.000 Euro ausgezahlt werden. Mit einem digitalen Fördermittelrechner (s. www.hamburg.de/gruendach) können Förderfälle unabhängig von Beratungsterminen gerechnet werden.


Im Bewilligungsprozess hat sich gezeigt, dass die Herstellung des Gebäudeteils Gründach mindestens 18 bis 30 Monate Planungs- und Bauzeit benötigt. Die Inanspruchnahme der Förderung benötigt allein durch die Bauprozesse einen mehrjährigen Zeitraum. Eine für ein neues Förderprogramm wichtige Mund-zu-Mund-Propaganda spricht sich eher langsam herum, um bei potentiellen Fördernehmern anzukommen, deshalb wurde das Programm verlängert. Aus unserer Sicht ist es empfehlenswert, der Etablierung eines Förderprogramms genügend Zeit, also mindestens 10 Jahre, einzuräumen, um über seinen Erfolg urteilen zu können. Klimaanpassungsmaßnahmen sind erfahrungsgemäß langfristiger Natur und kein kurzfristig wirkendes Instrument.

Bauherren und Investoren haben, wenn sie ihr Gründach oder ihre Grünen Wände über das Förderprogramm gefördert bekommen, eine qualitativ hochwertige Begrünung, mit der sie gleichzeitig eine Anerkennung als Umweltpartner und einen Imagegewinn für nachhaltiges und verantwortliches Handeln, also indirekt eine Zertifizierung erhalten.

Ohne die Begrünung ihrer eigenen Gebäude, kann die Stadt nicht glaubhaft fordern, dass private Bauherren ihre Gebäude begrünen, deshalb wurden beispielsweise 2018 für den öffentlichen Schulbau 7,5 Millionen Euro für Gründächer bereitgestellt.

Grüne Fassaden

Das Interesse an begrünten Fassaden steigt, wenn auch sachte. Aus der Hamburger Gründachstrategie entstand mithilfe des Modellvorhabens Green Urban Labs im Forschungsprogramm Experimenteller Wohnungs- und Städtebau (ExWoSt) des Bundes die "Strategie Grüne Fassaden", die die Inhalte der Gründachstrategie weiter an die Wände und Fassaden spielt. Die Strategie besteht aus den drei Bausteinen "Wissen, Kommunizieren und Bauen". Insgesamt eingebettet sind die Konzepte in den Hamburger Klimaplan, das Konzept "Mehr Stadt in der Stadt - Gemeinsam zu mehr Freiraumqualität in Hamburg (QOF)", das Programm Regeninfrastrukturanpassung (RISA) sowie das Bundeskonzept "Mehr Grün in der Stadt". Das Ziel ist, eine große Anzahl begrünter Fassaden in der Stadt in Ergänzung zum städtischen Grün und zum Grünen Netz zu schaffen und in Kooperation mit den Handelnden der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft nach Lösungsansätzen für die Verbesserung von Freiraumqualitäten und eine nachhaltige Flächenentwicklung in einer kompakter werdenden Stadt zu suchen.

Das neue, von der Umweltbehörde herausgegebene "Handbuch Grüne Wände" soll den Weg in die grüne Vertikale unterstützen. Es informiert bunt und reich bebildert, wie eine eigene grüne Oase erblüht und dazu beiträgt, dass die Stadt grün bleibt und noch grüner wird. Im Handbuch zeigen Grafiken und Steckbriefe was Fassadenbegrünung ist und welche Möglichkeiten und Eigenschaften vielfältige Begrünungsvarianten bieten. Dargestellt sind Vorteile und Nutzen von grünen Fassaden. Und für die Realisierung sind Hinweise und Empfehlungen zum Thema Planung, Genehmigung, Brandschutz, Bautechnik, Pflege, Kosten und Pflanzenauswahl enthalten. Außerdem benennt die Broschüre Möglichkeiten zur Förderung und Beratung.

Planungsprozesse

Städtebaulich relevante Projekte finden kaum mehr ohne Gebäudebegrünung statt. Der Großteil der Dachbegrünung wird allerdings über Festsetzungen in Bebauungsplänen oder städtebauliche Verträge erreicht. Als Hilfe beim Planen von Gründächern hat Hamburg die Broschüre "Dachbegrünung. Leitfaden für die Planung" unter den drei Schwerpunkten "Wissen, Planen, Handeln" herausgegeben. Die Broschüre wird von Akteuren in den Verwaltungen, aber auch von Architekten und Bauträgern, wie Wohnungsbaugenossenschaften und Investoren der Stadt und, wie Rückmeldungen und Versandanfragen zeigen, in anderen Städten intensiv genutzt. Der Leitfaden bietet Argumentationshilfe unter anderem in der Bauleitplanung und bei Baugenehmigungsverfahren und vereinheitlicht Festsetzungen und Begründungen von Dachbegrünung in Hamburger Bebauungsplänen.

Stadtwirtschaftlich relevante Effekte

Seit dem Start der Gründachstrategie nahm die Gründachfläche um 30 ha zu. Die begrünte Dachfläche im Hamburger Sieleinzugsgebiet beträgt 154 ha (1,54 Mio. m²), davon wurden 39 Prozent der Gründachfläche im Wohnungsbau, 35 Prozent im Industrie- und Gewerbebau und 26 Prozent bei sonstigen Gebäuden errichtet. Der Anteil der Gründachfläche an der flachen beziehungsweise flach geneigten Dachfläche Hamburgs beträgt damit 4,2 Prozent. Die Hälfte der Hamburger Dächer sind flach oder flach geneigt.

Die Studie "Hamburgs Gründächer - Eine ökonomische Bewertung" betrachtet die ökonomische Seite des Gründaches bei extensiven Gründächern in Hamburg und kommt 2018 zu dem Ergebnis: Gründächer rechnen sich auf lange Sicht auch ökonomisch:

  • Die Lebenszykluskosten über 40 Jahre sind gleichauf mit einem Schwarzdach.
  • Die Herstellungskosten liegen bei 40 bis 45 Euro/m² Dachfläche.
  • Die Kosten für statischen Mehraufwand liegen bei circa 3 bis 4 Euro/m².
  • Der Kostenanteil in mehrgeschossigen Gebäuden bei 0,4 Prozent.

Legt man den Zuwachs von 30 ha (300.000 m²) Gründächern in Hamburg zu Grunde, so wurden in den letzten fünf Jahren mindestens 13,5 Millionen Euro für die Herstellung von Gebäudebegrünung in Hamburg investiert (300.000 m² x 45 Euro/m²2 = 13 500.000 Euro). Darüber hinaus sind dies Investitionen in die längerfristige Realisierung nachhaltiger, klimaneutraler Stadtentwicklung, in die Minderung von CO Emissionen, in die Klimaanpassung und die Verbesserung des Klimaschutz-Standorts Hamburg.

Grüne Dächer und Fassaden sichern

Begrünte Dächer und Fassaden können ihre positiven Wirkungen langfristig und nachhaltig auch nur entfalten, wenn die Vegetation fachgerecht gepflegt und die technischen Einrichtungen regelmäßig gewartet werden. Zur Unterstützung der Multiplikatoren und Bauherren bei dieser Anforderung hilft die Stadt mit zielgerichteten Informationen. So wurde die "Handreichung zur Pflege und Wartung von Dachbegrünungen" entwickelt und über die bestehende digitale Plattform ausgespielt und verbreitet. Dauerhaft ist so die Möglichkeit der digitalen Nutzung geschaffen. Die Handreichung enthält nützliche Hinweise und Anleitungen zur Pflege und Wartung. Laien werden in die Lage versetzt, die grundlegenden Pflegemaßnahmen durchzuführen und beurteilen zu können, in welchen Fällen Fachleute des Garten- und Landschaftsbaus hinzugezogen werden müssen. Die Aufwendungen für Pflege und Wartung sparen Folgekosten.

Darüber hinaus beraten Kooperationspartner wie die Hamburgische Investitions- und Förderbank und die Energielotsen Kunden und übernehmen bei Informationsgesprächen zur Sanierung von Dächern und Gebäuden die Verantwortung, über die Möglichkeiten der Gründachförderung und Begrünung mit Fassadengrün zu beraten und zu werben.

Kommunikation

Da Themen mit Klimabezug mittlerweile eine hohe Relevanz in der gesellschaftlichen Diskussion erfahren, eröffnen die Veränderungen die Chance, am Prozess Beteiligte zu einer Neubewertung zu veranlassen und bislang neutrale Beteiligte zu einer aktiven Auseinandersetzung mit dem Thema zu bewegen. Dazu müssen jedoch auch Hürden überwunden werden. Ein Bauvorhaben beziehungsweise Bestandsgebäude muss neu beziehungsweise anders bewertet werden. Durch eine Gebäudebegrünung kommen ungewohnte Anforderungen hinzu, die bewältigt werden müssen und die Kosten sind erst einmal höher. Zudem ist die Zielgruppe und sind die Projekte sehr heterogen.

Neben einem Förderprogramm zählt es zu den Herausforderungen, eine Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit zu initiieren. Planer, Bauherren und Verbände müssen möglichst wirksam angesprochen werden. Neben der Förderung wurden in Hamburg eine Plattform und ein Netzwerk aufgebaut, um Inhalte passgenau auch digital zu übermitteln, beziehungsweise nutzbar zur Verfügung zu stellen und Formate entwickelt, die das Thema Gebäudebegrünung effektiv an die Zielgruppe vermittelt. Es wurden Beratungsstellen geschaffen und Multiplikatoren fachlich qualifiziert, die als positiv wahrgenommen werden, da Gebäudeeigentümer häufig Beratungsbedarf hinsichtlich der Standortaufbereitung, konstruktiver technischer Systeme, der Statik und der Pflanzenauswahl haben.

Die in Hamburg erschienenen Broschüren sind zum Teil auch in Englisch kostenlos zum Download auf www.hamburg.de/infomaterial zu finden.

  • Dachbegrünung. Leitfaden zur Planung. 2017
  • Hamburger Preis für Grüne Bauten, 2017
  • Hamburgs Gründächer. Eine ökonomische Bewertung, 2018
  • Das Solar-Gründach. Mehr Grün - Vier Vorteile auf Einmal, 2019
  • Handbuch Grüne Wände, 2020
  • Handreichung zur Pflege und Wartung von Dachbegrünungen, 2020

Fazit

Aus unserer Sicht fördern folgende Prozesse die Wirkung Grüner Dächer und Fassaden:

  • Konzipierung als ein breit in die Gesellschaft hinein angelegtes Projekt mit Akteursbeteiligung aus der Immobilien-/Wohnungswirtschaft, Planung, Wissenschaft, Verwaltung und öffentlichen Unternehmen, die Verbindung mit instrumentellen und ordnungsrechtlichen Hebeln (Festsetzungen in Bebauungsplänen),
  • die Förderung von Pilotvorhaben/Förderprogramm, die öffentliche Zugänglichkeit praktischer Beispiele, die Produktion von Inhalten und Bildern, die Lust machen für die breite Öffentlichkeit, Experten und Medien, die Einbindung in übergreifende Strategien (z. B. Regenbewirtschaftungskonzept, Klimaplan),
  • die Ausleitung von Beratungs- und Fortbildungsinhalten,
  • die Vorbildfunktion im öffentlichen Bauwesen und einer einhergehenden Selbstverpflichtung zum Bau von Gebäudebegrünung seitens der öffentlichen Hand.
Autorin

Freie und Hansestadt Hamburg

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