Wandgebundene Fassadenbegrünung als klimawirksamer Lebensraum

Grüne Wände in der Stadt – eine Bereicherung für Mensch und Natur

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Artenvielfalt Bauwerksbegrünung
Abb. 1: Installation des mit trockenheitsverträglichen Stauden bepflanzten Gabionensystems (r.) an der Südfassade der Klima-Forschungs-Station, Magdalene-Schoch-Straße 3 in Würzburg im Mai 2021. Hinter der Begrünung sind die Messeinrichtungen und die zu testende Fassadendämmung zu sehen. Das Rinnensystem ist auf der linken Seite fertig montiert. Foto: Katja Arand, LWG

Das stetige Wachstum unserer Städte führt zum Verlust von Lebensraum für Pflanzen und Tiere, während die fortschreitende Versiegelung den Klimawandel anheizt. Wir brauchen wieder mehr Grün in unseren Städten, doch wo ist heute noch Platz dafür? Im Projekt Klima-Forschungs-Station suchen wir deshalb nach Lösungen, die allseits präsenten Gebäudefassaden klimawirksam und biodiversitätsfördernd zu begrünen.

Stadtklima heute - Wohlfühlen geht anders

Der Klimawandel lässt uns auch in Deutschland seine Auswirkungen immer stärker spüren und so häufen sich Extremwetterereignisse (DKK, 2021), die den Menschen besonders im Siedlungsbereich treffen. Die allgemeine Zunahme von Hitzetagen (Temperaturen über 30 °C) und Tropennächten (Temperaturen nicht unter 20 °C) wird zusätzlich durch die starke Bebauung intensiviert. Selbst an moderaten Sommertagen, an denen die Temperaturen kaum über 25 °C klettern, kann sich eine Hauswand abhängig von der Ausrichtung und der Strahlungsstärke gut und gerne auf 60 °C aufheizen (Abb. 2).

An heißeren Tagen können ungeschützte Fassaden sogar noch höhere Temperaturen erreichen. Gebäude speichern so tagsüber die Wärme und geben sie bis in die Nacht hinein an die Umgebung ab. Das Wohnumfeld kann sich nachts nicht mehr abkühlen und es entstehen Hitzeinseln, die den Kreislauf stark belasten können. Der Kühlbedarf zur Raumklimatisierung nimmt mehr und mehr zu und mit ihm der Energieverbrauch, der sich wiederum negativ auf unser Klima auswirkt - ein Teufelskreis.

Pflanzen können durch ihre Transpirationskühlung und Verschattungseffekte einen wichtigen Beitrag zur Abmilderung stätischer Hitzeinseln leisten. Weitläufige Parks und begrünte Plätze wirken als Frischluftentstehungsgebiete und tragen maßgeblich zur Klimamäßigung in Städten und dem Wohlbefinden ihrer Bewohner bei (ZSK, 2020). In engen, versiegelten Straßen fehlt aber oft der Platz und Bodenanschluss, um klimawirksames Straßenbegleitgrün zu etablieren. Abgesehen von den klimatischen Auswirkungen führt dies auch zum Verlust der Lebensräume für Tiere und Pflanzen und damit zu einem Rückgang der Biodiversität in unseren Städten.

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Abb. 2: Temperaturverlauf an der süd- und westexponierten Fassade (ohne Begrünung) der Klima-Forschungs-Station Würzburg im Vergleich zur Außentemperatur, Sonneneinstrahlung und Niederschlagsmenge (jeweils gemessen an der benachbarten Wetterstation Magdalene-Schoch-Straße 3, Würzburg), exemplarisch für die Woche vom 21.06.–27.06.2021. Grafik: Katja Arand, LWG
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Abb. 3a: Bepflanzte Südfassade der Klima-Forschungs-Station mit trockenheitsverträglichen Stauden. Auf der linken Seite ist das Rinnensystem, auf der rechten Seite das Gabionensystem installiert. Foto: Katja Arand, LWG
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Abb. 3b: Wärmebild der Südfassade bei Sonnenschein am 21.06.2021 (Bayerisches Zentrum für angewandte Energieforschung). Die begrünte Fassadenfront ist mit 27 °C deutlich kühler als die "nackte" Wand die hier Temperaturen von 50 °C und darüber erreicht. Foto: Katja Arand, LWG

Grüne Fassaden - Win-Win Strategie für Mensch und Natur

Hier können in Zukunft die allgegenwärtigen Häuserfassaden eine Schlüsselrolle spielen. Die riesigen Flächen übersteigen die bebaute Grundfläche um ein Vielfaches und bergen so ein großes Potential für die Integration einer grünen Infrastruktur. Eine Wandbegrünung verleiht einer kahlen Hauswand nicht nur besonderen Charme, sondern verwandelt die unbelebte, überhitzte Gebäudefassade in einen klimawirksamen Lebensraum für Pflanzen und Tiere, der das Gemeinwohl des Menschen in vielerlei Hinsicht positiv beeinflusst.

Klassische bodengebundene Wandbegrünungen mit selbstrankenden Pflanzen sind allerdings oft nicht mehr mit innovativen Fassadentechnologien in Einklang zu bringen, so dass moderne Stütz- und Rankhilfen zum Einsatz kommen - oder auch wandgebundene Systeme, die eine breit gefächerte Pflanzenauswahl und eine schnellere Deckung der Begrünung zulassen (FLL, 2018).

Die positiven Effekte der Wandbegrünung sind für jedermann empirisch greifbar. Daher verwundert es umso mehr, dass wir weit entfernt sind von einer gesetzlichen Regelung zur Integration von Fassadenbegrünung bei Neubau- und Sanierungsmaßnahmen. Dies liegt vielleicht nicht zuletzt an der unübersichtlichen Forschungslage zum Thema Wandbegrünung. Wissenschaftliche Erkenntnisse zu Themen wie Klimawirksamkeit - also Kühlung im Sommer und Dämmung im Winter- und damit verbundene Energieeinsparungen, Schalldämmung, Feinstaubbindung, Fassadenschutz und angepasste Pflanzenverwendung (FLL, 2018) sind bei den Anwendern noch nicht hinreichend angekommen.

Klima-Forschungs-Station der LWG

Für mehr Durchblick untersuchen wir am Institut für Stadtgrün und Landschaftsbau (ISL) an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim verschiedene Systeme zur wandgebundenen Fassadenbegrünung. Mit Unterstützung des Zentrums für angewandte Energieforschung (ZAE Bayern) in Würzburg haben wir an unserer Klima-Forschungs-Station (KFS) umfangreiche Klimadaten erhoben und das Zusammenspiel von Wandbegrünung und Fassadenmaterialien in Bezug auf die Kühl- und Dämmleistung untersucht.

So trägt die Begrünung im Sommer maßgeblich dazu bei, die Oberflächentemperatur der Fassade zu reduzieren (Abb. 3). Außerdem konnten wir zeigen, dass die Breite des Hinterlüftungsspaltes zwischen Wandbegrünung und Fassade einen Einfluss auf das Mikroklima im Fassadenumfeld hat (Bohl, 2020). Hiermit haben wir einen wichtigen Faktor identifiziert, der bei der Planung und Installation berücksichtigt werden sollte, um die positive Wirkung von Wandbegrünungen voll auszuschöpfen.

Artenreiche grüne Gebäudehüllen

In der Anfang 2021 gestarteten Projektphase "Klima-Forschungs-Station: Artenreiche grüne Gebäudehüllen" interessiert uns vor allem, wie vertikale Wandbegrünung einen adäquaten Ersatzlebensraum zur Förderung der Biodiversität im Siedlungsbereich bieten kann. Ein essenzielles Thema angesichts der zunehmenden Ausdehnung und Verdichtung des Siedlungsraumes bei der immer mehr blüten- und strukturreiche Lebensräume betroffen sind. Wichtige Refugien wie Ruderalflächen, extensiv genutzte Grünflächen und Parks fallen dem steigenden Bedarf an Wohnfläche zum Opfer und mit ihnen die Insekten- und Wildbienenfauna, die an solchen Standorten eine besonders hohe Artenvielfalt aufweist (Zurbuchen, Müller 2012).

Laut Bundesamt für Naturschutz beträgt der durchschnittliche Zuwachs der Siedlungsflächen in Deutschland circa 60 ha pro Tag (BFN, 2020). Fassadenbegrünungen als Ausgleichsflächen bieten sich hier an, um "die Vielfalt an unterschiedlichen Lebensräumen und Kleinstrukturen auf engem Raum zu fördern" (Zurbuchen, Müller 2012) und damit den Empfehlungen zu Schutzmaßnahmen gerecht zu werden. Für den Fortbestand der Wildbienen ist dabei ein hochwertiges und reiches Blütenangebot essenziell, was von Frühling bis Herbst Nahrung in Form von Nektar und Pollen bietet. Unsere Pflanzenauswahl für die Wandbegrünung zielt daher speziell auf die Bedürfnisse der Blütenbesucher ab.

Tischlein deck dich

Auf die Pflanzenauswahl kommt es an

An zwei unterschiedlich ausgerichteten Fassaden (süd- und westexponiert) testen wir je eine Auswahl von 16 verschiedenen winterharten Stauden auf ihre Tauglichkeit für den Extremstandort Fassade. An beiden Standorten kommen jeweils zwei Begrünungssysteme mit unterschiedlicher Ausrichtung der Pflanzfläche zum Einsatz. Im Gabionensystem "Vertuss" der Firma Vertuss - Vertical Green (Uden, Niederlande, info@vertuss.com) werden die Pflanzen in der Vertikalen eingesetzt, das rinnenförmige Regalsystem "grünwand klimafassade" (Tech Metall Erzeugungs- und Handel und Montage GmbH, Wien, Österreich, office@techmetall.com) bietet eine horizontale Pflanzfläche. Um die Wind- und Traglast zu minimieren und den Pflegeaufwand gering zu halten, haben wir möglichst kleinwüchsige Sorten ausgewählt.

Im Hinblick auf die zunehmende Wasserverfügbarkeitsproblematik soll an der Südseite ein Trockenstandort mit einem geringeren Wasserverbrauch etabliert werden. Für die Pflanzenauswahl sind dabei überwiegend Kandidaten von trockenen und sonnigen Standorten aus den Lebensbereichen Steinlage und Freifläche berücksichtigt (Abb. 4, l.). Der Hinterlüftungsspalt an der Westfassade ist mit einer Erdwärmetechnologie ausgestattet, die im Winter Frostfreiheit und somit eine Winterbewässerung ermöglichen soll. Die Pflanzenauswahl ist hier entsprechend auf einen sonnigen, frischen Standort mit ausreichender Wasserversorgung rund ums Jahr ausgerichtet (Abb. 4, r.).

Ein entscheidender Faktor im Sinne der Biodiversität ist die Bienenfreundlichkeit jeder einzelnen Art und die Überschneidung der Blühperioden, so dass über das gesamte Jahr Nahrung für Bestäuber zur Verfügung steht. Erste Beobachtungen zeigen, dass die Wildbienen die Pflanzen in der Wandbegrünung als Nahrungsquelle akzeptieren und die Blüten von einer großen Vielfalt an Wildbienen (Abb. 5) und auch anderen Insekten beflogen werden.

In den folgenden Jahren sollen regelmäßige Screenings zu Blütenbesuchen zeigen, welche Pflanzen besonders beliebt sind. Die Bestimmung der Wildbienenarten soll Aufschluss über Artenvielfalt und Potential der Wandbegrünung zur Förderung der Biodiversität in Bezug auf unsere wichtigsten Bestäuber in der Stadt geben.

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Abb. 4 a+b: Pflanzenauswahl für den trockenen Standort an der Südfassade (l.) und den frischen Standort an der Westfassade (r.). Die farbigen Balken zeigen die Blütenfarbe und die zu erwartenden Blühperioden. Grafiken: Katja Arand, LWG
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Abb. 5: Unterschiedliche Wildbienenarten sammeln Nektar und Pollen an den Blüten der Wandbegrünung. Fotos: Katja Arand, LWG
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Abb. 6: Frisch bepflanzte Gabione mit integrierten Nistmodulen. Links: Platzhalter aus Kunststoff mit einer künstlichen Steilwand. Rechts: Platzhalter aus Aluvierkantrohr. Als Nisthilfe ist ein, mit Papierstrohalmen gefüllter, Holzrahmen eingesetzt. Foto: Katja Arand, LWG

Hauswand als Lebensraum

Nisthilfen für Wildbienen

Ein reich gedeckter Tisch allein reicht aber nicht aus, denn Wildbienen und andere Insekten sind auf spezielle Habitatstrukturen angewiesen, um ihre Nachkommen aufziehen zu können (siehe Kasten Wilde Bienen und ihre Gewohnheiten). Natürliche Nistplätze wie offene Bodenstellen, Totholz oder sonstige Nischen und Hohlräume gehen durch die Versiegelung der Städte immer mehr verloren. Daher haben wir Nisthilfen für Wildbienen in die Fassadenbegrünungselemente integriert, um ein ganzheitliches Lebensraumkonzept an der Hauswand zu etablieren.

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Abb. 7a: Verschiedene Nistmodule. Die Tiefe beträgt jeweils 15 bis 16 cm. Links: MDF-Platten mit gefrästen Rillen, die als Block zusammengesetzt sind (Lochdurchmesser 3, 6, 9 mm). Mitte: Mit Sand-Lehm Gemisch gefülltes Steilwandmodul. Rechts: oben: Holzrahmen mit Papier- (6 und 8 mm) und Naturstrohalmen (3 bis 5 mm) gefüllt. Unten: Hartholzblock (Buche) mit Bohrungen (3, 6, 8 mm). Einige Nistgänge sind bereits von Wildbienen bezogen und mit verschiedenen Materialien verschlossen. Foto: Katja Arand, LWG
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Abb 7b: Verschiedene Nistmodule. Die Tiefe beträgt jeweils 15 bis 16 cm. Links: MDF-Platten mit gefrästen Rillen, die als Block zusammengesetzt sind (Lochdurchmesser 3, 6, 9 mm). Mitte: Mit Sand-Lehm Gemisch gefülltes Steilwandmodul. Rechts: oben: Holzrahmen mit Papier- (6 und 8 mm) und Naturstrohalmen (3 bis 5 mm) gefüllt. Unten: Hartholzblock (Buche) mit Bohrungen (3, 6, 8 mm). Einige Nistgänge sind bereits von Wildbienen bezogen und mit verschiedenen Materialien verschlossen. Foto: Katja Arand, LWG
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Abb. 7c: Verschiedene Nistmodule. Die Tiefe beträgt jeweils 15 bis 16 cm. Links: MDF-Platten mit gefrästen Rillen, die als Block zusammengesetzt sind (Lochdurchmesser 3, 6, 9 mm). Mitte: Mit Sand-Lehm Gemisch gefülltes Steilwandmodul. Rechts: oben: Holzrahmen mit Papier- (6 und 8 mm) und Naturstrohalmen (3 bis 5 mm) gefüllt. Unten: Hartholzblock (Buche) mit Bohrungen (3, 6, 8 mm). Einige Nistgänge sind bereits von Wildbienen bezogen und mit verschiedenen Materialien verschlossen. Foto: Katja Arand, LWG
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Abb. 7d: Verschiedene Nistmodule. Die Tiefe beträgt jeweils 15 bis 16 cm. Links: MDF-Platten mit gefrästen Rillen, die als Block zusammengesetzt sind (Lochdurchmesser 3, 6, 9 mm). Mitte: Mit Sand-Lehm Gemisch gefülltes Steilwandmodul. Rechts: oben: Holzrahmen mit Papier- (6 und 8 mm) und Naturstrohalmen (3 bis 5 mm) gefüllt. Unten: Hartholzblock (Buche) mit Bohrungen (3, 6, 8 mm). Einige Nistgänge sind bereits von Wildbienen bezogen und mit verschiedenen Materialien verschlossen. Foto: Katja Arand, LWG

Hohlraumnistende Wildbienen bevorzugen trockene und besonnte Nistplätze mit einer freien Anflugbahn. Also musste eine Lösung gefunden werden, die Nistmodule von der Wandbewässerung zu entkoppeln. In die mit Substrat gefüllten Gabionenkörbe wurden daher beim Bepflanzen wasserdichte Platzhalter aus Aluminiumvierkantrohr oder Kunststoff integriert (Abb. 6). Diese Platzhalter sind auch mit anderen Bepflanzungssystemen wie zum Beispiel dem bei uns verwendeten Rinnensystem kompatibel.

Dort können je nach Bedarf unterschiedliche Nisthilfen eingesetzt werden (Abb. 7). Um den Bedürfnissen von Hohlraum nistenden Arten gerecht zu werden, bieten wir sowohl Bohrungen in Hartholzblöcken als auch Holzrahmen mit Papier- und Naturstrohhalmen gefüllt an. Um den Besatz im Winter überprüfen zu können kommen ebenfalls Blöcke aus MDF-Platten mit Fräsrillen (Naturschutzcenter, Rottenburg, Deutschland, info@naturschutzcenter.de) - wie sie für die Mauerbienenzucht verwendet werden - zum Einsatz. Wichtig hierbei ist es, eine breite Vielfalt an Lochdurchmessern für die verschiedenen Wildbienenarten bereit zu halten. Es hat sich gezeigt, dass eine Auswahl von circa 2 bis 9 mm die Bedürfnisse der meisten in Hohlräumen nistenden Arten abdeckt (LWG, 2021).

Schon wenige Wochen nach der Installation der Wände waren viele der Niströhren verschlossen (Abb. 7). Anhand der verschiedenen Baumaterialien und der genutzten Lochdurchmesser lässt sich schon jetzt erkennen, dass die Nisthilfen von den unterschiedlichsten Wildbienen- und auch Wespenarten genutzt werden. Eine zukünftige detaillierte Auswertung soll die Dynamik der Belegung und die Artenvielfalt, die mit unserem Angebot erreicht wird, aufzeigen.

Zusätzlich haben wir Holzrahmen mit einem Sand-Lehm Gemisch gefüllt, um eine offenliegende Steilwand zu imitieren (Abb. 7). Viele Wildbienenarten graben in diesen Steilwänden ihre Nistgänge zur Eiablage. Dabei kommt es auf die richtige Mischung an. Die Konsistenz muss fest genug sein, damit die gegrabenen Gänge nicht einstürzen, ist das Substrat zu hart, dann schaffen es die Bienen nicht zu graben. Weitere Versuche werden hier zeigen, welche Zusammensetzung sich am besten für den Einsatz in den Steilwandmodulen eignet.

Klima hausgemacht

Klimawirksamkeit der Gebäudebegrünung

Zusätzlich zur Fragestellung der Biodiversitätsförderung sollen auch weiterhin die klimatischen Auswirkungen der Wandbegrünung untersucht werden. In der vorangegangenen Projektphase wurde bei der Pflanzenauswahl der Fokus auf eine möglichst große Blattmasse gelegt, um die Kühlungsleistung der Pflanzen durch die Transpiration zu maximieren (Bohl 2020). Jetzt stellt sich die Frage, ob das Wassersparkonzept mit einer trockenheitsangepassten Pflanzenauswahl an der Südwand ebenfalls für eine Reduzierung der Temperaturen im Fassadenumfeld sorgt und somit zur Klimamäßigung beitragen kann. Wie erste Wärmebilder zeigen, ist die Oberflächentemperatur in der Begrünung im Vergleich zur bestrahlten Hauswand deutlich reduziert (Abb. 3). Weitere Auswertungen sollen nun zeigen, ob es auch einen Kühleffekt gegenüber der Außentemperatur gibt.

An der Westfassade sind in dem Hinterlüftungsspalt zwischen Begrünung und Fassade Wärmerohre integriert. Die Wärme, die den Sommer über in tieferen Erdschichten gespeichert wird, soll hier im Winter über einen Verdunstungsmechanismus passiv an die Oberfläche gebracht werden und den Spalt frostfrei halten (Bohl 2020). Das soll den Energiebedarf zum Heizen im Innenraum reduzieren. Wenn es gelingt, die Erdwärme auch für die Begrünung zu verwenden und so das Substrat frostfrei zu halten, erschließt dies ganz neue Möglichkeiten für die Pflanzenverwendung. Eine große winterliche Herausforderung vor allem für immergrüne Pflanzen zeigt sich besonders in kalten, aber schneearmen Gebieten. Eine starke Sonneneinstrahlung sorgt hier für eine hohe Transpiration. Aus dem gefrorenen Boden kann aber kein Wasser mehr aufgenommen werden und die Pflanzen vertrocknen. Der Effekt verstärkt sich in der Wandbegrünung, da hier nur ein kleiner Substratkörper mit sehr geringem Wurzelraum zur Verfügung steht. Unser Ziel ist es daher, unter Nutzung der Erdwärme eine funktionierende Winterbewässerung zu etablieren, die auch im Winter die Wandbegrünung ansehnlich und funktional macht.

Wilde Bienen und ihre Gewohnheiten

Wildbienen sind - anders als ihre "zahmen" Verwandten, die Honigbienen - ganz auf sich allein gestellt, wenn es darum geht ihren Nachkommen den bestmöglichen Start ins (kurze) Leben zu ermöglichen. Der Erfolg der Brutfürsorge hängt im Wesentlichen vom Vorhandensein zweier Ressourcen ab: Geeignete Nektar- und Pollenquellen für die Versorgung der Larven und entsprechende Habitatstrukturen für die Anlage der Nester.

Ein Großteil der ca. 570 in Deutschland heimischen Arten gräbt ihre Niströhren aktiv in Boden oder Steilwänden. Einige Arten bevorzugen offene, besonnte Stellen im lockeren Sand, andere in schwereren Lehmböden.

Viele Arten lassen andere für sich arbeiten und beziehen verlassene Käferfraßgänge oder andere Löcher in totem Holz (Abb. 8), Mauerfugen oder Pflanzenstängeln. Hier legt jedes Weibchen für sich allein Brutzellen an, die mit einer beachtlichen Menge Pollen oder einem Nektar-Pollengemisch gefüllt werden, denn Wildbienen sind strickte Veganer. Auf den Proviant wird ein Ei gelegt und danach die Brutzelle verschlossen, bevor im selben Nistgang die nächste Zelle entsteht.

Je nach Bienenart werden als Baumaterial Mörtel aus Lehm, Nektar und Steinchen oder zerkautem Pflanzenmaterial, Blüten- oder Blattscheiben, Pflanzenhaare, Harz oder Drüsensekrete verwendet. Nach kurzer Zeit schlüpft aus dem Ei eine Larve, die sich vom Proviant ernährt und innerhalb der Brutzelle zum adulten Tier entwickelt. In den meisten Fällen schlüpft die neue Generation dann erst im nächsten Jahr. Für die Verproviantierung einer einzelnen Zelle benötigt ein Großteil der Wildbienenarten mindestens 30 Einzelblüten, einige Arten sogar mehrere 100 Blüten. Da ist es verständlich, dass der Fortpflanzungserfolg der Bienen mit zunehmendem Abstand zwischen Nahrungsquelle und Brutplatz rapide abnimmt. (Zurbuchen, Müller 2012).

Je länger die Biene für das Pollensammeln unterwegs ist, desto zeit- und energieaufwändiger wird die Brutpflege und es werden weniger Brutzellen angelegt. Außerdem bleibt in der Zeit das Nest unbewacht, was Parasiten die Chance gibt, den eingebrachten Proviant für die eigenen Nachkommen zu nutzen. Zum Schutz der Wildbienen ist es also essenziell, ein vielfältiges Angebot an Blütenpflanzen und gleichzeitig genügend Kleinstrukturen auf engem Raum bereit zu stellen.

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Abb. 9a oben: Totholzstamm mit diversen Käferfraßgängen als natürlicher Nistplatz verschiedener Wildbienen. Abb. 9b unten links: Mauerbiene im Anflug auf einen Käferfraßgang. Abb. 9c unten rechts: Wildbiene beim Pollensammeln auf Löwenzahn. Fotos: Katja Arand, LWG

Literatur

  • BfN - Bundesamt für Naturschutz 2020. www.bfn.de/themen/insektenrueckgang-daten-fakten-und-handlungsbedarf/gefaehrdungsursachen-und-handlungsbedarf.html [letzte Änderung 07.04.2020, abgerufen am 18.08.2021]
  • Bohl, J. 2020: Pflanze trifft Bauwerk - Ergebnisse eines Praxisversuchs. Neue Landschaft (4), 42-47 S.
  • DKK - Deutsches Klimakonsortium 2021. Was wir heute über's Klima wissen. 14-20 S.
  • FLL - Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. 2018. Fassadenbegrünungsrichtlinien.
  • LWG - Veitshöchheimer Berichte 191 (2021): Lebensräume für (Wild)Bienen - Garten & Balkon insektenfreundlich gestalten.
  • ZSK - Zentrum Stadtnatur und Klimaanpassung 2020. Leitfaden für klimaorientierte Kommunen in Bayern. Technische Unviversität München
  • Zurbuchen, A.; Müller, A. 2012: Wildbienenschutz - von der Wissenschaft zur Praxis. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Stuttgart, Wien, Haupt. 162 S.
Dr. Katja Arand
Autorin

Institut für Stadtgrün und Landschaftsbau, LWG

Bayerische Landesanstalt für Weinbau u. Gartenbau

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