GaLaBau-Wissen

Hortus-Garten

von:

Autor der Serie ist Uwe Bienert, Landschaftsgärtner-Meister und Ausbilder. Er hat sich bereits mit AuGaLa- Begleitheften für Kurse der überbetrieblichen Ausbildung einen Namen gemacht. Bienert ist bei der Diako Thüringen angestellt, wo er in der Nessel

Ausbildung und Beruf
Grafik: Uwe Bienert

175. FOLGE: Unsere Serie für den Nachwuchs erläutert das wichtigste GaLaBau-Grundlagenwissen vom Abstecken bis zum Zaunbau: Diesmal geht es um das Thema Hortus-Garten.

Durch einen Zufall stieß ich beim Beackern einer Baustelle im schönen Wartburgkreis auf einen bemerkenswerten Garten. Nicht nur ich war von diesem Stück Grün angetan. Ehe ich mich versah, standen etliche meiner Kollegen auch am Zaun und bestaunten die „unordentliche Ordnung“ und das unsagbar große Gewimmel von Insekten. Am Zaun waren mehrere Schilder zu lesen: „Bienenfreunde Thüringen“, „Hortus-Garten“ . . . und ich dachte mir: „Alles klar – „Ökos!“

Trotzdem war ich neugierig und steckte einen Zettel ans Tor mit der Bitte um ein Gespräch zwecks Zeitschriftenartikel - und schon am Abend bekam ich eine Mail von Frau Gitta Dornheim Wittich, der Besitzerin des Gartens. Wir verabredeten uns und ich bekam einen Einblick in das "Netzwerk Hortus".

Wer hat's erfunden?

Erfunden ist hier der falsche Begriff, besser "initiiert"! Das war ohne Zweifel ein Herr namens Markus Gastl, vielen Garteninteressierten als Buchautor und Gartenprofi bekannt, der sich mit dem Hortus-Netzwerk schon zu Lebzeiten ein Denkmal gesetzt und einen wichtigen Betrag zu den Themen Nachhaltigkeit, Biodiversität und Artenschutz geleistet hat.

Wir schreiben das Jahr 2003. Gastl saß damals in einer kleinen Kapelle in Inuvik, einer der nördlichsten Siedlungen der Welt. Er war am Ende einer zweieinhalbjährigen, 41.000 km langen Fahrradtour von Feuerland bis nach Alaska dort angekommen. Unterwegs sah er neben den Schönheiten der Natur in etlichen Ländern Süd- und Nordamerikas auch hautnah die gewaltige Naturzerstörung durch Waldrodungen, Waldbrände oder Monokulturen.

Ihm wurde dort, in Inuvik, klar, dass er der Natur im Rahmen seiner Möglichkeiten etwas zurückgeben wollte. Er begann damit direkt vor der eigenen Haustür mit einem Garten für die einheimische Natur. Gastl kaufte sich im Jahr 2007 eine 7500 m² große Fettwiese in Bayern und legte darauf einen "Drei-Zonen-Garten" an, ein Paradies für Pflanzen und Insekten. Er nannte ihn "Hortus Insectorum" - also den Insektengarten - und die Sache kam ins Rollen.

Und es ist nichts Neues: Traditionelle Landwirte haben früher genauso gewirtschaftet- als es noch keinen Kunstdünger oder erdölbetriebene, große Maschinen gab. Damals wurden Wälder und Hecken (Feldraine) dazu genutzt, den starken Wind abzuhalten und um Holz und Reisig zu gewinnen. Dort hatten natürlich auch viele Tiere ihren Lebensraum wie Vögel, Igel und so weiter. Dann gab es magere Böden, auf denen kein Gemüse anbaut werden konnte und auf denen die Landwirte entweder ihre Tiere hielten oder Heu für sie produzierten. Und es gab schließlich den Acker, auf dem Gemüse und Getreide angebaut und der mit dem Mist der Tiere gedüngt wurde.

Viele Gärten sind heute leider mehr tot als lebendig: Golfrasen, geschnittene Thuja-Hecken, Edelrosen und andere gefüllte Blütensträucher, Immergrüne, nichtheimische Arten. All das ist aus Sicht der Artenvielfalt absolut sinnfrei. Keine Biene kommt an den Nektar einer geschlossenen Edelrose, kein Grashüpfer oder Falter hält sich im englischen Rasen auf. Ein Vogel nistet vielleicht in der Thuja-Hecke. Aber wo bekommt er seine Nahrung her?

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Grafik: Uwe Bienert

Hortus gleich Garten, oder gibt es Unterschiede?

Hortus ist von der Übersetzung aus dem Lateinischen ins Deutsche der "Garten". Aber ist er das auch inhaltlich? Ich denke: Nein.

Ein Garten, in Sinne der gartenbaulichen Geschichte der Menschen, ist eine vom Menschen genutzte Fläche, die künstlich angelegt, gepflegt und oft auch künstlich bewässert wird. Meist ist der Garten von einem Zaun (mit "Gerten"), einer Hecke oder einer Mauer umgeben und damit nach außen abgeschlossen und somit natürlich auch gegen Zugriffe von außen, ob Tiere oder Menschen, geschützt. Viele Bestandteile dieser Beschreibung treffen natürlich auch auf den Hortus zu. Worin besteht dann eigentlich der Unterschied?

Der Hortus ist ein Gebiet, das Tieren und Pflanzen Schutz bietet, Lebensräume anbietet, die es im Umfeld nur noch selten gibt. Er ist Rückzugsgebiet für Arten, deren Lebensräume gefährdet sind und denen die Nahrungsgrundlage entzogen worden ist. Der Hortus wird nachhaltig und ohne Einsatz von Giften und Kunstdüngern bewirtschaftet. In ihm wächst neben Nutzpflanzen aller Art eine Vielzahl einheimischer Wildpflanzen. Fester Bestandteile des Hortus sind eine Vielzahl von unterschiedlichen Naturmodellen (wie etwa Insektenhotel, Reisighaufen, Sandflächen Trockenmauern). Das alles im Einklang mit dem Bedürfnis des Menschen, sich in seinem Garten zu erholen und zu ernähren. Idealziel ist: Aus einem Hortus wird nichts hinausgebracht (etwa auf die Deponie), aber auch nichts (oder wenig) hineingetragen.

Das Drei-Zonen-Modell

Der Garten gliedert sich in drei Zonen. Das klingt im ersten Moment ziemlich bürokratisch und steril, ist es aber auf keinen Fall.

Die äußere Zone, die den eigentlichen Hortusgarten umfasst nennt sich:

Die Pufferzone

Sie ist die äußere Barriere, die den Garten nach außen abgrenzt - in Idealfall ganz ohne Zaun (da schaudert jeder deutsche Kleingärtner). Sie besteht in der Regel aus einer Hecke, die aus heimischen Sträuchern angelegt ist. Warum heimisch? Ganz einfach: Weil unsere heimische Tierwelt darauf spezialisiert ist, diese Pflanzen für sich zu nutzen. Viele Falter kommen ohne bestimmte Pflanzen gar nicht übers Jahr. So braucht etwa der Zitronenfalter den Faulbaum (Rhamnus frangula) in seiner Nähe. Dieser unkomplizierte Strauch macht sich in Hecken sehr gut, da er mit Licht und Schatten sehr gut klar kommt. Sein Zierwert ist zugegeben minimal. Oder auch Wildrosen bieten vielen Tieren einen Lebensraum und Nahrung. An ihnen lässt sich die natürliche Verwertung als Kreislauf gut beobachten, da Wildbienen in deren Blüten Pollen und Nektar finden, die Raupen ihre Blätter verzehren und Vögel in der Rosenhecke ganzjährig Schutz haben. Zur Krönung ziehen die Vögel auch noch in dieser Zone ihre Jungen auf, können sie dort mit genügend Nahrung (Insekten, Raupen u. Ä.) versorgen und finden im Herbst durch die Rosenfrüchte lange Nahrung.

Die Aufgaben der Pufferzone ist es, den Garten vor äußeren Einflüssen zu schützen.

Angesichts der Intensiv betriebenen Landwirtschaft direkt hinter der Pufferzone keine leichte Aufgabe. Zusätzlich schafft sie es, dass durch die Hecken ein besonderes Kleinklima geschaffen wird, das nützlich für alle Bewohner ist.

Durch das Beibehalten der natürlichen Wuchsform (also kein Formschnitt) bei den heimischen Sträuchern entstehen lichte und schattige Bereiche, die es allen Lebewesen möglich machen, diese optimal zu nutzen, um sich entwickeln und entfalten zu können. Der Boden einer Pufferzone wird selten bearbeitet. Damit haben Insektenlarven und -puppen ausreichend Möglichkeit, um sich darin zu entwickeln und später zu schlüpfen. Das Innere der Hecke bleibt Insekten, Vögel, Amphibien und Kleinsäuger als Lebensraum vorbehalten. Je vielfältiger die reichhaltig zur Verfügung stehende Pflanzenauswahl in der Pufferzone ist, desto vielfältiger sind auch die in der Hecke vorkommenden Lebewesen. Gestalterische Elemente (wie Reisighaufen für Igel, Käferkeller, Nisthilfen u. Ä.) können immer in die Pufferzone mit einbezogen werden und erweitern das Spektrum für die Vielfalt, die sich einstellen wird. Über die Pufferzone bietet sich außerdem die Möglichkeit, nicht nutzbares Schnittgut, Strauchschnitt oder Rasenschnitt leicht zu entsorgen. Wobei das nicht der richtige Ausdruck ist, besser: das Material kann dort verrotten und viele Insektenpuppen finden dort die Zeit, sich in Ruhe entwickeln zu können. An die Pufferzone schließt sich nahtlos die Hotspot-Zone an.

Die Hotspot-Zone

Sie, wie ihr Name schon irgendwie ahnen lässt, ist der Bereich im Garten, der den lebendigen Mittelpunkt bildet. Sie wird vom Boden her abgemagert und bleibt das auch! Dadurch wird der Aufbau einer großen Artenvielfalt der Pflanzen gefördert. Vielfältige Pflanzenauswahl im Bereich der heimischen Flora bedingen sehr häufig magere Ruderalflächen. Während auf unseren überdüngten, nährstoffreichen und fetten Gartenböden bis zu 90 natürliche Blühpflanzen zu finden sind, siedeln auf Magerböden bis zu 1340 verschiedene Pflanzen, an die die Insektenwelt am besten adaptiert ist.

Tipps zum Anlegen einer artenreichen Wiese:
  • Erster Schritt: Eine Düngung wird auf dieser Fläche nicht mehr durchgeführt.
  • Zweiter Schritt: Der Boden wird systematisch abgemagert
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Grafik: Uwe Bienert
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Grafik: Uwe Bienert
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Abmagerung durch Mahd

  • Dies kann in der Reduzierung der Mähvorgänge bestehen, um bestehende Vielfalt durch Aussaat zu fördern, oder
  • Die Flächen werden häufiger gemäht um einen Abmagerungsprozess zu beschleunigen. Wichtig ist hier, dass das Mähgut gründlich von den gemähten Flächen entfernt wird.

Für die "Abmagerung" des Bodens gibt es mehrere Möglichkeiten. Immer wird auf den Flächen die Düngung komplett eingestellt. Danach wird die Fläche mit einem durchdachten "Mähmanagement" bearbeitet.

Im Laufe der Zeit entwickelt sich in beiden Fällen die ortstypische Pflanzengemeinschaft und mit ihr die dazu passenden Insekten.

Abmagerung durch Bodenaustausch

Eine radikalere Variante würde bedeuten, dass der Oberboden abgetragen wird und das abgetragene Substrat mit einem Sandgemisch wieder aufgefüllt wird. Danach sät man eine Wildblumenwiese ein und wartet ab. Im ersten Jahr zeigen sich die einjährigen Blumen und ab dem zweiten Jahr entwickeln sich auch die zweijährigen Stauden. Die Fläche wird nur zweimal im Jahr gemäht und das Mähgut wird abgetragen, damit sich keine Humusschicht aufbauen kann.

Abmagerung durch Neuaufbau

Um eine Hot-Spot-Zone noch magerer ausfallen zu lassen, werden Drainageschichten aus unbelastetem Bauschutt verwendet, auf die dann Schotter oder auch nur purer (lehmiger) Sand aufgetragen wird. Damit wird ein Standort geschaffen, der viele Insekten beherbergen wird, da sie offene Böden lieben, um dort zu siedeln und sich zu vermehren. Ein solches Magerbeet ist für diese Insekten eine wichtige Grundlage und fördert sie mehr als ein Insektenhotel.

In Verbindung mit den geeigneten Futterpflanzen wird ein Paradies für Mensch und Insekt geschaffen. Auch in dieser Zone kommen weitere Gestaltungselemente in Betracht: Steinpyramiden, Totholz, Ziegelbauten, Sandarien, Wasserstellen, Lesesteinhaufen und andere.

Magerer Boden ist ein Markenzeichen der Hot-Spot-Zone. Trotzdem fällt durch die in ihr lebenden Pflanzen nährstoffreiches Material an. Aber wohin damit? Dafür ist die nächste Zone perfekt geeignet. Dieses Material wird regelmäßig abgetragen und wandert in die Ertragszone.

Die Ertragszone

Dieser Bereich des Gartens wird für den Anbau von Gemüse, Obst u. Ä. genutzt. Sie liefert den Ertrag. Dafür benötigt man Nährstoffe. Wozu teuer kaufen, wenn in den anderen Zonen Material anfällt, das hervorragenden, langsam aber stetigen Dünger abwirft?

Hier, wo die Nährstoffe gebraucht werden, werden die "Abfälle" der anderen Zonen verwertet. Mähgut aus der Magerwiese muss abgetragen werden und wandert beispielsweise als Mulchwurst auf die Beete. Mulchwürste versorgen durch ihre Zersetzung die Beete mit Nährstoffen. Sie düngen den Boden und verhindern den Aufwuchs der hier nicht gewünschten Beikräuter. In der Ertragszone kann man dem Beetbau freien Lauf lassen. Bewährt haben sich sogenannte Keyhole-Beete. Sie dienen mit ihrem Kompostbereich in der Mitte der langsamen, aber kontinuierlichen Versorgung der Pflanzen.

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Grafik: Uwe Bienert
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Uwe Bienert

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Quellen:
  • Der drei Zonen Garten (Gastl)
  • Ideenbuch Nützlingshotel (Gastl)
  • Gütebestimmungen für Gehölze (FLL e. V.) und Gütebestimmungen für Stauden (FLL e. V.) (Forschungsanstalt Landesentwicklung Landschaftsbau e. V.)
  • Der Gärtner 1 (Martin Degen, Karl Schrader; Ulmer-Verlag)
  • Grundkurs Gehölzbestimmung (Lüder, Quelle & Meyer Verlag Wiebelsheim)
  • Taschenlexikon der Gehölze (Schmidt/Hecker, Quelle & Meyer Verlag Wiebelsheim)
  • International standard ENA 2010-2015 (M. H. A. Hoffmann, ENA’s European Plant Names Working Group)
  • DIN 18916 „Vegetationstechnik im Landschaftsbau – Pflanzen und Pflanzarbeiten“


Nächsten Monat lesen Sie: „Die Artenwanderung“.

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