Imageschaden für Leistungsschau der grünen Branche

IGS-Planer rechneten das Besucherpotenzial schön

FGL Hamburg Messen und Veranstaltungen
Viel zu schauen, doch zu wenige Besucher: Die Internatinschau in Hamburg erreichte ihr wirtschaftliches Ziel nicht. Foto: Internatinschau Hamburg/Andreas Bock

Die Internationale Gartenschau (IGS) in Hamburg hat ihr wirtschaftliches Ziel nicht erreicht. Statt der im Durchführungshaushalt anvisierten 2,5 Millionen Besucher kamen zwischen April und Oktober dieses Jahres lediglich 1,2 Millionen zahlende Gäste auf das Gelände im Ortsteil Wilhelmsburg. Statt eines prognostizierten Überschusses, entstand so ein 37 Millionen schweres Defizit, das nun der Steuerzahler tragen muss.

Der seit 2009 anhaltende Erfolgslauf der Bundesgartenschauen wurde damit jäh gestoppt. Obgleich die Landschaftsgärtner daran keine Schuld trifft, erlitt die Leistungsschau der grünen Branche einen gewaltigen Imageschaden.

Medien sprechen vom "Millionengrab"

In den Medien ist sie wahlweise "eine der defizitärsten Gartenschauen der letzten Jahrzehnte", die "erfolgloseste Gartenschau aller Zeiten" oder ein "Millionengrab".

Nach Angaben der Hamburger Stadtentwicklungsverwaltung setzt sich der Verlust aus rund 23 Millionen Euro weniger verkauften Eintrittskarten, 7 Millionen Euro weniger verkauften Monorailfahrten und 7 Millionen Euro Einnahme-Ausfall in den Bereichen Catering, Parkgebühren und Vermietung auf dem Gartenschau-Gelände zusammen. Geplant war das nicht. Vielmehr hatten zwei Gutachter im Vorfeld der Veranstaltung übereinstimmend mehr als 400.000 Euro Überschuss veranschlagt.

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Hamburgs Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau: Die Landschaftsgärtner werfen ihr und der Landesregierung vor, sich zu wenig gekümmert zu haben. Foto: Marie Dähn/Neue Landschaft
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Auf dieser Landkarte in einem IGS-Marketingkonzept wird ein Besucherpotenzial zwischen 7,5 uns 12,8 Millionen Menschen dargestellt. Grafik: ESRI Deutschland GmbH

CDU und Grüne kritisieren Eintrittspreise

In Hamburg wird nun gerätselt, wie es zu dem Debakel kommen konnte. Der Bund der Steuerzahler (BdS) und die Hamburger Opposition haben sich auf die Eintrittsgelder eingeschossen. Der Preis von 21 Euro für eine Tageskarte müsse reduziert werden, hatte der BdS zur Halbzeit der Gartenschau verlangt. CDU und Grüne forderten im Juli, den Eintritt auf 15 Euro zu senken. Für IGS-Geschäftsführer Heiner Baumgarten ist diese Argumentation nicht ganz verständlich: "Wir hatten uns umgeschaut, was bei anderen Veranstaltungen oder Freizeitparks genommen wird, und das wird anstandslos akzeptiert."

Tatsächlich stellt sich die Frage, ob eine Reduzierung der Eintrittskosten um sechs Euro pro Person ausgereicht hätte, in der zweiten Halbzeit 1,3 Millionen Besucher zu bewegen, auf die Internationale Gartenschau zu kommen. So viele Menschen hätten nämlich motiviert werden müssen, um das im Durchführungshaushalt gesetzte Ziel zu erreichen und die Kosten zu refinanzieren.

FGL: Preisdebatte ist "Blödsinn"!

Für Thomas Schmale, den Vorsitzenden des Fachverbandes Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau (FGL) Hamburg, ist die Preisdebatte der Politiker "völliger Blödsinn". Er schlägt vor, die 21 Euro IGS-Eintrittsgeld doch einmal zu vergleichen: "Gehen Sie mit Ihrer Frau und Ihren zwei Kindern ins Kino, kaufen Sie Cola und Nachos, setzen sich zweieinhalb Stunden in einen stickigen Kinosaal, obgleich Sie die DVD billiger kaufen können, dann bezahlen Sie mehr."

Die eigentliche Fehlleistung sieht Schmale beim IGS-Marketing. In seinen Augen hat es "völlig versagt". Schon die Ausgangslage sei falsch eingeschätzt worden. Die anvisierten 2,5 Millionen Besucher im Durchführungshaushalt hält er für viel zu hoch gegriffen. "1,3 oder 1,5 Millionen, das wäre vielleicht realistisch gewesen."

12,8-Millionen-Potenzial ausgerechnet

Die Organisatoren aber rechneten sich das Besucherpotenzial schön. In einem Marketing- und Kommunikationskonzept von 2011, das von der IGS in Auftrag gegeben worden war und der Neuen Landschaft vorliegt, befindet sich eine Landkarte, das ein Einzugsgebiet Hamburgs in einem Radius zwischen Kiel und Hannover, Bremen und Schwerin mit 7,5 Millionen Einwohnern beziffert. Ein größeres Einzugsgebiet, das im Norden bis nach Dänemark, im Süden bis nach Nordrhein-Westfalen hinein, im Westen bis nach Holland und im Osten bis ins Brandenburgische reicht, wird mit 12,8 Millionen Einwohnern benannt.

Doch die Organisatoren hatten die Rechnung ohne die vielen Mitbewerber gemacht. Bereits das IGS-Marketingkonzept von 2011 benannte allein im Umfeld von 250 Kilometern vier konkurrierende Großveranstaltungen, die der Internationalen Gartenschau das Publikum streitig machen konnten. Dazu zählten unter anderem die "Kieler Woche" mit über 3 Millionen Besuchern im Juni und der Bremer "Freimarkt" mit 4 Millionen Gästen im Oktober.

Eine Rechnung ohne viele Mitbewerber

Vor allem aber in Hamburg überlagerten viele Megaveranstaltungen die Aufmerksamkeit der prognostizierten IGA-Gäste. Etwa eine Million Besucher zählte der viertägige Hafengeburtstag im Mai, rund 3,5 Millionen Menschen das einmonatige Volksfest "Hamburger Dom" im Juli/August. Ein wahrer Publikumsmagnet waren auch die Visiten des Kreuzfahrtriesen Queen Mary 2. Während der IGS-Zeit machte der Oceanliner acht Mal in Hamburg fest. Sein Auslaufen am 24. August wurde zum Volksfest, brachte etwa 100.000 Zuschauer auf die Beine.

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Mit der Achterbahn auf dem Hamburger Dom konnte die IGA-Monorail in Wilhelmsburg nicht mithalten. Foto: Christian Spahrbier/Hamburg Marketing

Der geballten Veranstaltungskonkurrenz hätte die Internationale Gartenschau nur mit einem ausgefeilten Marketingkonzept begegnen können. Doch daran fehlte es in Hamburg. Großplakate sah man an der Alster nur zu Beginn der Veranstaltung. Viele Hamburger fühlten sich, im Nachhinein befragt, schlecht informiert. Aber auch Auswärtige wurden kaum angesprochen. In Berlin gab es nur eine Woche lang IGS-Poster zu sehen. Die Smartphone-App von Hamburg Tourismus kannte die IGS nicht einmal. Wilhelmsburg blieb auch im Gartenschaujahr ein weißer Fleck auf der Tourismus-Landkarte der Hansestadt.

Scharfe Kritik an Hamburgs Politikern

Nach Auffassung des FGL-Vorsitzenden Thomas Schmale hat die Politik die Gartenschau "alleine stehen lassen". Sie habe der IGS falsche Vorgaben gemacht und die Organisatoren hätten sich nicht dagegen gewehrt.

Die für das Event zuständige sozialdemokratische Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau jedoch weist alle Verantwortung von sich: "Bis 2011 ist alles gesetzt gewesen." Im Frühjahr 2011 hatte eine SPD-Regierung den schwarz-grünen Vorgängersenat abgelöst. Die tiefroten Zahlen bezeichnete sie als bitter und kündigte eine Analyse an.

Die aber lässt genauso auf sich warten wie eine langfristige Finanzierung der Nachnutzung. Zwar ist der 100 ha große Park mit Blick auf die nächsten auf 100 Jahre gebaut worden, das Geld für Umbau und Pflege reicht aber nur noch bis zum Ende nächsten Jahres. Hamburg hat dafür 1,4 Millionen Euro in den Landeshaushalt eingestellt. Wie es danach weitergeht, ist völlig offen. Der Hamburger Bund Umwelt und Naturschutz (BUND) hat deshalb eindringlich gefordert, die Pflege der Grünanlage und der Biotope auf dem früheren Gartenschau-Gelände dauerhaft zu sichern: "Sonst wird die IGS nicht nur wegen des Besucherdefizits in schlechter Erinnerung bleiben."

cm/md

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