GaLaBau und Recht: Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

Immer häufiger: Unwirksame Vereinbarungen von Sicherheiten, die der Auftragnehmer stellen soll

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Im Baubereich werden in Verträgen immer mehr Sicherheiten vereinbart, weil sich die Vertragsparteien so weit wie möglich vor Risiken absichern wollen. Je mehr Sicherheiten zu stellen sind, desto häufiger müssen sich auch Gerichte mit Streitigkeiten zu diesem Thema beschäftigen. Dieser Beitrag beschränkt sich weitgehend auf die Wirksamkeit vertraglich vereinbarter Vertragserfüllungssicherheiten, auch Ausführungssicherheiten genannt, wobei die Sicherheitsleistungen zumeist in Form von Bankbürgschaften gestellt werden.

Vom Auftragnehmer zu stellende Vertragserfüllungssicherheiten kommen im Baubereich oft vor. Immer häufiger findet man ein solches Sicherheitsverlangen auch in GaLaBau-Verträgen mit höherer Auftragssumme. Mit seinem neuen Urteil vom 16.06.2016 (BGH, Az. VII ZR 29/13) schafft der Bundesgerichtshof (BGH) bezüglich einer Reihe von rechtlichen Zweifelsfragen für deutlich mehr Klarheit. Zu beachten ist hierbei, dass sich ältere Verträge aus der Zeit, bevor die Entscheidung des BGH veröffentlicht wurde, auch an den Urteilsgründen messen lassen müssen, das heißt ältere vertragliche Regelungen können möglicherweise nach dem neuen Urteil des BGH unwirksam sein.

Vermeidung von Übersicherung des Auftraggebers

Mehreren früheren Urteilen des für Baurecht zuständigen VII. Senats des BGH ist das Ziel zu entnehmen, bei formularmäßigen Vertragsbestimmungen eine Übersicherung des Auftraggebers zu vermeiden. Zumeist ist der Auftraggeber sowieso schon recht gut durch das Werkvertragsrecht als solches gesichert, in dem der Auftragnehmer vorleistungspflichtig ist und der Auftraggeber warten darf, bis der Auftragnehmer für seine jeweils nachgewiesenen ausgeführten Arbeiten eine entsprechende Abschlagsrechnung gestellt hat. Beim VOB-Vertrag kommt noch hinzu, dass eine Abschlagsrechnung nicht sofort fällig ist, sondern die abgerechneten Ansprüche erst binnen 21 Kalendertagen nach Zugang der Abschlagsrechnung überhaupt fällig werden (vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/B). Bis zur Fälligkeit der Abschlagsrechnung ist der Auftragnehmer aber weiterhin zur Fortsetzung seiner Leistungen verpflichtet, wodurch der Auftraggeber durch die zwischenzeitlich ausgeführten weiteren Arbeiten eine erhebliche zusätzliche Sicherheit erlangt. Zu bedenken ist auch, dass alle Materialien am Bau, die vertragsgemäß eingebaut werden, in derselben juristischen Sekunde Eigentum des Grundstückseigentümers werden, das heißt in der Regel Eigentum des Auftraggebers. Auch hierdurch wird der Auftraggeber zusätzlich abgesichert. Unter dem Gesichtspunkt ist das Bemühen des VII. Zivilsenats des BGH umso verständlicher, eine Übersicherung des Auftraggebers zu verhindern.

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Vereinbarung einer Vertragserfüllungsbürgschaft für den Auftraggeber

Mit einer derartigen Bürgschaft sollen die Ansprüche des Auftraggebers gegen den Auftragnehmer gesichert werden, damit dieser seinen vertraglich übernommenen Ausführungspflichten nachkommt. Die Rechtsprechung geht insbesondere nach einem Urteil des BGH von 2010 (BGH, Az. VII ZR 7/10) davon aus, dass eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von zehn Prozent der Auftragssumme zwischen den Parteien formularmäßig vereinbart werden kann. Eine genaue Grenze, wie hoch eine solche Bürgschaft formularmäßig maximal sein darf, gibt es nach der Rechtsprechung des BGH (noch) nicht. Lediglich lässt sich einer Entscheidung des Gerichts entnehmen, wonach eine Vertragserfüllungssicherheit in Höhe von 20 Prozent der Auftragssumme als zu hoch angesehen wird.

Bürgschaft auf erstes Anfordern

Früher spielte im Baubereich als Sicherheitsleistung die so genannte Bürgschaft auf erstes Anfordern eine recht große Rolle. Seit einer Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2002 (BGH, Az. VII ZR 192/01) hat sie bei formularmäßigen Verträgen an Bedeutung verloren, da der BGH die Vereinbarung einer solchen Bürgschaft als weit über dem Sicherungszweck angesehen hat. Im Übrigen ist bei VOB-Verträgen zwischenzeitlich gemäß § 17 Abs. 4 VOB/B das Verlangen einer Bürgschaft auf erstes Anfordern nicht mehr gestattet. Geht man davon aus, dass die Vereinbarung von Vertragserfüllungsbürgschaften zugunsten des Auftraggebers generell rechtlich zulässig ist, kann das Zusammenspiel mit anderen Vertragsklauseln dennoch dazu führen, dass bei einer Gesamtbetrachtung Gerichte zu dem Ergebnis einer unangemessenen Benachteiligung des Auftragnehmers gelangen. Hiervon geht der BGH aus, wenn einseitig die Interessen des Auftraggebers im Vertrag Berücksichtigung gefunden haben und die Gesamtbelastung des Auftragnehmers durch die von ihm zu stellenden Sicherheiten das Maß des Angemessenen überschreitet. Wie schon die Formulierung zeigt, legt sich die Rechtsprechung hierbei nicht explizit fest und meint, im jeweiligen Einzelfall entscheiden zu können. Kommt man im Wege einer solchen Einzelfallentscheidung zu einer unangemessenen Benachteiligung des Auftragnehmers, sind die betreffenden Klauseln nach § 307 BGB insgesamt unwirksam. Die Gerichte meinen, es sei nicht ihre Aufgabe herauszusuchen, welche Klausel unwirksam und welche wirksam sei. Generell gehen die Gerichte von einer Gesamtunwirksamkeit der Klauseln aus, die im Zusammenwirken insgesamt als Sicherheit für den Auftraggeber anzusehen sind.

Zusammenspiel von Vertrags- und Gewährleistungsbürgschaften

Besonders häufig stellt sich der vom BGH angesprochene Summierungseffekt beim Zusammentreffen von Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften ein. Der BGH hält die Kombination von beiden Bürgschaften innerhalb bestimmter Grenzen durchaus für zulässig. Zu beachten ist allerdings, dass der Auftraggeber nicht über einen erheblichen Zeitraum über beide Sicherheiten verfügen darf. Muss der Auftraggeber die Vertragserfüllungsbürgschaft mit der Abnahme und der Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft zurückgeben, kann es zu einem derartigen Summierungseffekt nicht kommen. Ganz entscheidend ist im Übrigen bezüglich des Summierungseffekts der jeweilige Text der Bürgschaftsurkunden. Oft sind die Texte der Vertragserfüllungsbürgschaft so formuliert, dass sie eine generelle Haftung der Bürgschaft für vom Auftragnehmer zu vertretende Mängel enthält, so dass der Text sowohl in der Ausführungs- als auch in der Gewährleistungsphase eine Haftung der Bürgin mit sich bringen würde. Eine derartige Vertragserfüllungsbürgschaft würde dann allzu leicht auch den Gewährleistungsfall mit umfassen, so dass ein Nebeneinander von noch nicht zurückgegebener Vertragserfüllungsbürgschaft und bereits gestellter Gewährleistungsbürgschaft sehr leicht den vom BGH nicht akzeptierten Summierungseffekt (doppelte Sicherheit) ausmachen würde. Auch wenn im Vertragstext eine saubere Trennung zwischen Vertragserfüllung und Gewährleistung enthalten ist, können zu weit gefasste Formulierungen in den Texten der Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften, die bereits als Anlage zum Vertrag vorgesehen sind, zu einer Unwirksamkeit der Regelung führen. Es lohnt sich dementsprechend auf die Formulierungen in den Bürgschaften zu achten.

Viel zu wenig wird in der Praxis eine Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2010 beachtet. Dort hat das Gericht entschieden, dass eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von zehn Prozent der Auftragssumme dann unwirksam ist, wenn der Auftraggeber gleichzeitig berechtigt ist, seine Abschlagszahlungen um einen Sicherheitseinbehalt von weiteren zehn Prozent zu kürzen, das heißt nur 90 Prozent Auszahlung der ausgeführten und abgerechneten Leistung (vgl. BGH, Az. VII ZR 7/10). Um sicherzugehen, sollte bei einem Vertrag, der die Stellung einer zehnprozentigen Vertragserfüllungssicherheit durch den Auftragnehmer vorsieht, stets eine 100-prozentige Auszahlung der berechtigten Abschlagsforderung vorsehen. Selbstverständlich bleibt es dem Auftraggeber unbenommen, wegen in der Ausführungsphase festgestellter Mängel Zurückbehaltungsrechte geltend zu machen.

Der neu vom BGH entschiedene Fall

In dem neu entschiedenen Urteil des BGH vom 16.06.2016 war zwar vertraglich lediglich die Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von "nur" fünf Prozent der Auftragssumme vorgesehen. Der Vertrag enthielt aber hinsichtlich der letzten drei Abschlagszahlungen des Auftraggebers in Höhe von jeweils fünf Prozent der vereinbarten Vergütung, folgende Klauseln zur Fälligkeit der jeweiligen Forderung:

  • fünf Prozent der Auftragssumme mit vollständiger Fertigstellung und Übergabe an den Kunden des Auftraggebers
  • fünf Prozent nach Beseitigung der Mängel aus den Abnahmeprotokollen und den Kundenunterschriften
  • fünf Prozent nach erfolgter Abnahme, Ablösung des Einbehalts für die Gewährleistung mit Bürgschaft und Fälligkeit der vorletzten Rate

Entgegen dem Berufungsgericht (OLG München) meint der BGH, die Sicherheitsabrede zur Vertragserfüllungsbürgschaft überschreite das Maß des Interesses des Auftraggebers an der Sicherung seiner Ansprüche. Da der Zahlungsplan für die letzten drei fünfprozentigen Raten eine Fälligkeit erst weit nach der Abnahme vorsehe und insgesamt 15 Prozent der Gesamtvergütung ausmache, sei keine Angemessenheit der bezüglich der Vertragserfüllungssicherheit von fünf Prozent gegeben. Schließlich werden dem Auftragnehmer lange Zeit insgesamt 20 Prozent der Auftragssumme nach Fertigstellung seiner Leistung vorenthalten (5% Vertragserfüllungsbürgschaft + drei Abschlagszahlungen von je 5 % = 20%). Der amtliche Leitsatz des BGH lautet dementsprechend: "Abschlagszahlungsregelungen, die vorsehen, dass der Auftraggeber trotz vollständig erbrachter Werkleistung einen Teil des Werklohns einbehalten darf, können zur Unwirksamkeit einer Sicherungsabrede betreffend eine Vertragserfüllungsbürgschaft führen, wenn sie in Verbindung mit dieser bewirken, dass die Gesamtbelastung durch die vom Auftragnehmer zu stellenden Sicherheiten das Maß des Angemessenen überschreitet."

Fazit

Auftraggeber müssen sich nach der neuen Entscheidung des BGH gut überlegen, ob sie die Fälligkeit der letzten Raten einer Vergütungsforderung tatsächlich auf einen späten Zeitpunkt (gegebenenfalls weit nach der Abnahme) verlegen wollen. Als Auftraggeber riskieren sie in einem solchen Fall wegen Übersicherung die Unwirksamkeit der Vereinbarung einer Vertragserfüllungsbürgschaft.

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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