GaLaBau und Recht: Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

Immer wieder neue Urteile zur Bedenkenanmeldung

von:
GaLaBau
Jedem Auftragnehmer sei dringend angeraten, sich nicht auf Veröffentlichungen von Gerichtsentscheidungen zu verlassen, die die Erfordernisse der VOB vermeintlich nicht zu ernst nehmen. Foto: foxyburrow, Adobe Stock

Gibt es wirklich so viele Probleme mit der Bestimmung in der VOB? Immer wieder werden gerade in praxisorientierten Publikationen zum Thema "Anmeldung von Bedenken" neue Urteile veröffentlicht.

Grund dafür ist die Meinung in den Redaktionen, es mit Entscheidungen zu tun zu haben, die über den Wortlaut der Bestimmung der VOB hinausgehen und eine Vertragspartei begünstigt oder benachteiligt. So wird zum Beispiel in einer Information für die Praktiker am Bau ein Urteil des Oberlandesgerichts Jena (Urteil vom 09.01.2020, Az. 8 U 176/19) unter der Überschrift vorgestellt:

"Mündlicher Bedenkenhinweis an Bauleiter des Auftraggebers reicht!"

(abgedruckt in IBR-Heft 2/2021, Seite 64 oder Baurechtsreport Heft 1/2021, Seite 1). Die Bestimmung, die stets Grundlage der Entscheidung zur Anmeldung von Bedenken ist, lautet § 4 Abs. 3 VOB/B:

"Hat der Auftragnehmer Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung (auch wegen der Sicherung gegen Unfallgefahren), gegen die Güte der vom Auftraggeber gelieferten Stoffe oder Bauteile oder gegen die Leistungen anderer Unternehmer, so hat er sie dem Auftraggeber unverzüglich - möglichst schon vor Beginn der Arbeiten - schriftlich mitzuteilen; der Auftraggeber bleibt jedoch für seine Angaben, Anordnungen oder Lieferungen verantwortlich."

Die Bestimmung scheint eigentlich recht eindeutig formuliert zu sein und lässt auf den ersten Blick keinen allzu großen Interpretationsspielraum zu. Umso mehr verwundert die Anzahl der veröffentlichten Entscheidungen. Besonders im Fokus der Entscheidungen stehen dabei solche, die vermeintlich sich nicht an den Wortlaut der VOB gehalten haben. Dies gilt in Bezug auf a.) die Schriftlichkeit der Bedenkenanmeldung und b.) der Anmeldung gegenüber dem Auftraggeber.

Nicht auf kurzgefasste Veröffentlichungen verlassen

Jedem Auftragnehmer sei dringend angeraten, sich nicht auf Veröffentlichungen von Gerichtsentscheidungen zu verlassen, die die Erfordernisse der VOB vermeintlich nicht zu ernst nehmen. In den Veröffentlichungen wird den Lesern häufig suggeriert, dass ein Gericht in seiner neuen Entscheidung die Rechtslage anders sieht, als die bisherige Rechtsprechung. Ich erlebe es als Rechtsanwalt immer wieder, dass sich eine Partei auf ein Urteil beruft, das bei genauerer Überprüfung über einen überhaupt nicht vergleichbaren Fall entschieden hat. Nur die veröffentlichten Leitsätze, die noch nicht einmal vom Gericht selbst stammen müssen, lassen einen Leser glauben, die Rechtsprechung habe sich geändert oder sie sei für den eigenen Fall günstiger geworden. So zum Beispiel geschehen bei dem bereits oben genannten Urteil des Oberlandesgerichts Jena vom 09.01.2020, auf das ich eingehen möchte, weil der Sachverhalt in der Praxis immer wieder vorkommt.

NL-Stellenmarkt

Relevante Stellenangebote
Gärtner:in (w/m/d) mit Funktion als..., Bremen  ansehen
Projektleiter*in (m/w/d) gesucht!, Gronau-Epe  ansehen
Gärtner/in (m/w/d) mit Führerschein , Bad Schwartau  ansehen
Alle Stellenangebote ansehen
GaLaBau
Wenn man als Auftragnehmer bei der Anmeldung von Bedenken keine Risiken eingehen will, sollte man schon zu Beweiszwecken der Forderung der VOB folgen und stets die Bedenken schriftlich per Brief erklären. Foto: fizkes, Adobe Stock

Zum Sachverhalt

Ein Generalunternehmer hatte einen Subunternehmer mit der Ausführung eines Wärmeverbundsystems (WDSV) beauftragt. Dieses war in einem Leistungsverzeichnis im Einzelnen näher beschrieben. Gegen die Art der Ausführung meldet der Subunternehmer gegenüber dem Bauleiter des Generalunternehmers Bedenken an, da die Ausführungsart nicht den anerkannten Regeln der Technik entspräche. Als es später zwischen dem Generalunternehmer und seinem Subunternehmer zu Meinungsverschiedenheiten kommt, beruft sich der Generalunternehmer auf Mängel des Subunternehmergewerkes und hält die noch offene Vergütung ein. Der Subunternehmer sieht sich veranlasst, seinen nicht erhaltenen Restwerklohn vor dem Landgericht Gera einzuklagen. Die Klage hatte erstinstanzlich insoweit keinen Erfolg. Erst das Oberlandesgericht Jena gab dem Kläger zweitinstanzlich Recht. Der Bedenkenhinweis des Subunternehmers gegenüber dem Bauleiter des Generalunternehmers sei ausreichend gewesen, so dass dem Generalunternehmer gegenüber dem Subunternehmer kein Zurückbehaltungsrecht wegen Mängeln am WDSV zustehe. In der Überschrift der Veröffentlichung wird der Leser darauf hingewiesen, dass ein mündlicher Bedenkenhinweis ausreichend gewesen sei, weil "dieser eindeutig, d. h. inhaltlich klar, vollständig und erschöpfend gewesen sei". Es wird auch angemerkt, dass der Bedenkenhinweis gegenüber dem Bauleiter des Generalunternehmers ausgereicht hätte, auch wenn dieser zur Vertretung des Auftraggebers nicht berechtigt war.

Urteilsgründe vollständig prüfen

Wenn man als Leser auch nur die geringsten Zweifel hat, ob ein vom Wortlaut der VOB abweichendes Urteil tatsächlich richtig ist, sollte man sich lieber erst einmal das Urteil in voller Länge besorgen und nachlesen, ob das Gericht generell der Meinung war oder ob es sich um eine Entscheidung handelt, die nur auf den speziellen Sachverhalt zutrifft und überhaupt keine generelle Aussage getroffen hat.

Liest man beispielsweise die vollständigen Urteilsgründe des zitierten Urteils des Oberlandesgerichts Jena, so wird man nicht ohne Verwunderung feststellen, dass das Gericht in seiner umfangreichen Entscheidung unter Rdz. 67 eine Beweisaufnahme zitiert, in der ausdrücklich festgestellt wird, dass der Subunternehmer schriftlich Bedenken angemeldet habe. Anders als die Überschrift der Veröffentlichung ankündigte, gab es bei dem Urteil durchaus die von der VOB verlangte Schriftlichkeit. Die Überschrift der Veröffentlichung ist also irreführend. Des Weiteren heißt es zum Beispiel in dem Urteil, dass in einem vom Bauleiter des Generalunternehmers unterzeichneten Baustellenprotokoll folgender Text enthalten ist:

"Die Firma D wird hiermit von allen Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen bzgl. der WDVS-Arbeiten freigestellt. Dem Auftraggeber (AG) ist bekannt, dass die angewiesene Ausführung nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht."

Baustellenprotokoll für Bedenkenanmeldung tauglich?

In den wenigsten Fällen erhält der Auftraggeber Baustellenprotokolle übermittelt. Sie bleiben fast immer auf der Baustelle, um später nachzuprüfen, ob die dort festgehaltenen Entscheidungen tatsächlich umgesetzt wurden. Nach dem Urteil des Gerichts sollte der Bauleiter für den Generalunternehmer keine Vertretungsmacht gehabt haben. Selbst wenn man im speziellen Fall unterstellen würde, dass der Bauleiter des Generalunternehmers wirksam Adressat der Bedenkenanmeldung sein konnte, ist damit noch lange nicht gesagt, ob er auch berechtigt war, über die Bedenkenanmeldung zu entscheiden und noch dazu für den Generalunternehmer eine Freistellungserklärung zugunsten des Subunternehmers abzugeben. Hier ist das zitierte Urteil inkonsequent. Die Erklärung des Bauleiters hätte auf alle Fälle zur Wirksamkeit eigentlich einer Vertretungsmacht bedurft. Eine Freistellungserklärung kann man wohl kaum ohne Vertretungsmacht wirksam erklären. Aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Jena und den hierzu ersichtlichen Veröffentlichungen für die Praxis, kann man eigentlich nur eine Lehre ziehen:

GaLaBau
In den wenigsten Fällen erhält der Auftraggeber Einsicht in die Baustellenprotokolle. Foto: Moritz Lösch, Neue Landschaft

Risiken möglichst vermeiden

Wenn man als Auftragnehmer bei der Anmeldung von Bedenken keine Risiken eingehen will, sollte man schon zu Beweiszwecken der Forderung der VOB folgen und stets die Bedenken schriftlich erklären, wobei dies auch per Telefax möglich ist. Wenn man besonders streng ist, wird man das Erfordernis der Schriftlichkeit hinsichtlich der Übermittlung mit einer E-Mail nicht unbedingt als eingehalten ansehen. Genauso riskant ist es, wenn man wegen der Bedenken nicht den Auftraggeber selbst schriftlich anspricht, sondern meint, sich an den Bauleiter oder den Architekten des Auftraggebers wenden zu können. Hier gibt es erhebliche Zweifel, ob dies überhaupt die richtigen Ansprechpartner sind. Darüber hinaus ist damit nicht sichergestellt, dass der Auftraggeber rechtzeitig von den Bedenken erfährt. Wenn die Bedenkenanmeldung zum Beispiel einen Planungsfehler des Architekten zum Inhalt hat, besteht durchaus die Gefahr, dass er sich seinem Auftraggeber nicht offenbaren will und die Bedenkenanmeldung letztendlich unter den Teppich gekehrt wird.

Möglichst sich an den Wortlaut der VOB halten

Die wenigsten Befürchtungen muss man als Auftragnehmer haben, wenn man sich konsequent an den Wortlaut der VOB in § 4 Abs. 3 VOB hält und seine Bedenken schriftlich direkt gegenüber dem Auftraggeber erklärt. Ich bin mir mit meinem Rat, die Bedenkenanmeldung direkt gegenüber dem Auftraggeber vorzunehmen durchaus bewusst, dass man damit den Architekten verärgert. Es ist aber rechtlich der sauberste Weg. Um möglichst Ärger zu vermeiden empfiehlt sich allerdings den Architekten anzusprechen bevor man eine förmliche Bedenkenanmeldung vornimmt. Vielleicht lässt sich bei dem Gespräch eine förmliche Bedenkenanmeldung vermeiden, indem der Architekt aufgrund der Erörterung Abhilfe schafft. Nur wenn der Architekt nicht den Grund der Bedenkenanmeldung einsieht, wird man um eine solche nicht herumkommen.

Mehrleistung des Auftragnehmers erforderlich?

Da aufgrund der Bedenkenanmeldung Mehrleistungen des Auftragnehmers erforderlich werden können, sei vorsorglich an § 2 Abs. 6 VOB/B erinnert. Zur Wahrung des weiteren Vergütungsanspruchs für die zusätzliche Leistung, muss der Auftragnehmer seinen Mehrvergütungsanspruch beim Auftraggeber zumindest dem Grunde nach anmelden, bevor man mit der Ausführung der Leistung beginnt. Vergisst man die vorherige Anmeldung, kann der Auftraggeber hart bleiben und unter Umständen eine zusätzliche Vergütung verweigern.

Bedenkenanmeldung und Behinderungsanzeige

Wie bei der Bedenkenanmeldung nach § 4 Abs. 3 VOB/B ist die Situation ähnlich auch bei der Behinderungsanzeige nach § 6 VOB/B. Auch dort verlangt die VOB eine schriftliche Anzeige der Behinderung gegenüber dem Auftraggeber.

Unterlässt der Auftragnehmer die schriftliche Behinderungsanzeige, so wird er in den allermeisten Fällen aufgrund der Behinderung weder terminliche noch finanzielle Ansprüche mit Aussicht auf Erfolg geltend machen können. Häufiger als gedacht führt eine Bedenkenanmeldung bei nicht rechtzeitiger Reaktion des Auftraggebers zu einer Behinderung, so dass immer wieder Fälle vorkommen, bei denen es ein Zusammentreffen von Bedenkenanmeldung und Behinderungsanzeige gibt. Daraus resultierende Rechtsstreite sind meistens langwierig und teuer, zumal Gerichte dazu neigen aufgrund der Beweisangebote der Parteien die Angelegenheit durch einen Sachverständigen klären zu lassen.

Als Rechtsanwalt, der ausschließlich auf dem Gebiet des zivilen Baurechts tätig ist, kann ich jedem am Bau Beteiligten nur raten, die Führung eines Rechtsstreits nur als letztes Mittel zur Lösung eines Streites anzusehen.

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Ausgewählte Unternehmen
LLVZ - Leistungs- und Lieferverzeichnis

Die Anbieterprofile sind ein Angebot von llvz.de

Redaktions-Newsletter

Aktuelle GaLaBau Nachrichten direkt aus der Redaktion.

Jetzt bestellen