Junge Landschaft

Der Wald auf der Fensterbank

von:
Bonsai Baumpflege

200. Folge

Unsere Serie für den Nachwuchs erläutert das wichtigste GaLaBau-Grundlagenwissen vom Abstecken bis zum Zaunbau: Diesmal geht es um das Thema Bonsai.

Gärtner, allen voran der Landschaftsgärtner, sind experimentierfreudig und immer für Neues offen. Hier ist das Thema zum Experimentieren im Gartenbau überhaupt. Die Gestaltung eines Miniaturgehölzes - eines Bonsai.

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Bonsai Baumpflege
Grafik: Uwe Bienert
Bonsai Baumpflege
Grafik: Uwe Bienert

Viele werden sich jetzt fragen: Ist das nicht ganz weit an der GaLaBau-Branche vorbei geschossen. Nun sicher ist es kein Hauptgeschäftsfeld, wenn man mal das Thema "Innenraumbegrünung" außer Betracht lässt, aber auf dem Weg dahin, beispielsweise während der Ausbildung, sollte man sich auch einmal mit diesem Thema auseinandersetzen. Die Vorteile: intensives Beschäftigen mit dem Objekt Baum, eine Form der Pflanzenkunde, biologische Prozesse besser verstehen und beeinflussen lernen, um nur drei aufzuzählen. Die Nachteile: zeitaufwendig und so weiter, lassen wir mal außen vor. Man muss positiv denken und handeln.

Bonsaikultur spielt sich sowohl im Innenraum, mit frostempfindlichen Exemplaren, als auch im Freiland ab. Die zweite Abteilung interessiert uns an dieser Stelle sicher mehr, da der Bezug zum "Tagesgeschäft" einfach viel größer ist.

Bonsai zwischen Kunst und Wirklichkeit

Woher kommt der Kult um den Minibaum? Bonsai hat nichts mit Gartenbau zu tun; Bonsai ist auch nicht, wie hier in Europa üblich, die Bezeichnung für etwas Gegenständliches - einen Baum oder Strauch im Kleinformat; Bonsai ist eine Kunstform, wenn nicht sogar eine Philosophie, verbunden mit handwerklichem Geschick und gärtnerischem Fachwissen. Ihre Anfänge sucht man in den Jahren um 200 n. Chr. im China der Han-Dynastie. Angeregt durch die chinesische Mythologie, nach der ein Zauberer Miniaturlandschaften mit Bäumen, Sträuchern, Blumen und ganzen Landschaften auf einem Tablet erschuf, begannen die Menschen diese Situation selbst nachzugestalten. Erste Miniaturlandschaften entstanden in dieser Zeit - man nannte diese Art zu Gärtnern die Kunst des Penjing. Dabei waren die Miniaturen noch gar nicht so winzig. Bäume mit 2 m Wuchshöhe waren keine Seltenheit. Wichtig war die Kultivierung der Pflanze in einer flachen Schale.

Bonsai Baumpflege
Grafik: Uwe Bienert
Bonsai Baumpflege

Ab dem 11. Jahrhundert n. Chr. traten die Minibäume ihren Siegeszug nach Japan an und aus Penjing wurde Bonsai (bon - die Schale, sai - die Pflanze) und der Miniaturierungswahn nahm seinen Lauf und erreichte dort auch seinen Höhepunkt. Ende des 19.Jahrhunderts erreichte die Bonsai-Welle dann Europa und fand auch hier viel Interesse.

In China werden die Kleinen als "lebende Skulpturen" oder "stumme Gedichte" bezeichnet. Hier in Europa und dazu noch mit den Augen des Gärtners gibt es andere Gesichtspunkte, die eine Entscheidung zum Bonsai forcieren:

1.) Der Bonsai bietet dem Gärtner die Möglichkeit eine besondere Nähe zu dieser Pflanzengruppe aufzubauen. Das ist im Freiland oft nicht möglich.

2.) Durch die Nähe ist auch ein genaues Beobachten in allen Lebenssituationen des Baumes möglich. Man lernt Prozesse die mit seinem Wachstum, seiner Entwicklung zusammen hängen besser kennen.

3.) Reaktionen der Pflanze auf bestimmte äußere Einflüsse lassen sich früher erkennen und sogar vorhersagen.

4.) Das volle Gärtnerprogramm (wässern, düngen, Schnitt usw.) wird am Baum durchgeführt. Die Auswirkungen zeigen sich dabei schneller als in der Natur durch die Begrenzung des Standortes.

5.) Ökologische Prozesse spielen sich im Kleinen genauso ab, wie in der freien Natur; bis hin zur Mykorrhiza-Pilz-Kultur wird die Natur nachempfunden.

6.) Zu guter Letzt entwickelt sich ein ästhetisches Empfinden mit der Beobachtung, wie sich Natur in einer flachen Schale entwickelt.

Am Ende sind wir mit dem Bonsai mit den "Alten Chinesen" aus dem Jahr 200 n. Chr. auf einer Wellenlänge: eine Harmonie zwischen Naturelementen, der belebten Natur, und uns, dem Menschen, herzustellen.

Kleiner Baum ganz groß

Was zeichnet einen guten Bonsai aus?

Ein Bonsai ist ein kräftiger, gesunder, in einem Pflanzgefäß kultivierter Baum und keine künstliche Reproduktion. Bei ihm bilden das Pflanzgefäß, die Wurzel, der Stamm und die Krone eine harmonische Einheit. Das Pflanzgefäß, meist eine Schale, passt in seiner Größe, Form und Farbe zur Baumart und deren Wuchsform.

Die Wurzeln, soweit sichtbar, verbinden die Erdoberfläche und den Stamm. Sie sind kräftig, wachsen in allen Richtungen und besitzen ästhetische Proportion zum Gesamtbaum. Sie vermitteln durch ihre unterschiedliche Stärke Standfestigkeit, Sicherheit und Kraft.

Der Stamm ist der Mittelpunkt des Baumes und sollte als dessen Kernstück dem Gesamtbild entsprechen. Er verjüngt sich zur Spitze und ist in seiner Form dem Stil des Bonsai angepasst. Biegungen müssen natürlich wirken und in Blickrichtung seitlich geführt werden. Die Rinde des im unteren Drittel sichtbaren Baumes wirkt alt und rissig.

Bonsai Baumpflege
Grafik: Uwe Bienert
Bonsai Baumpflege
Grafik: Uwe Bienert

Bei der Kronengestaltung und damit dem Wuchs der Äste bleibt nichts dem Zufall überlassen. Die Äste sind in bestimmter Weise angeordnet. Sie ist der Wuchsform eines Baumes in der Natur nachempfunden. Im Prinzip ähnelt die Astgestaltung dem Obstbaumschnitt: Krone ist luftig, Äste von unten nach oben immer kleiner und kürzer, die Richtung ist bei allen Ästen unterschiedlich, kein Ast überdeckt und beschattet den anderen. Jeder Bonsai besitzt eine Vorderseite und eine Rückseite. Die Vorderseite ist die schöne, dem Betrachter zugewandte Seite. Sie zeigt die Struktur des Stammes und der Krone besonders gut. Die Miniaturisierung des Baumes endet mit den Blättern, welche durch regelmäßigen Schnitt, sowohl Formschnitt, als auch Blattschnitt, klein gehalten werden. Bei Blüten und Früchten ist das nicht möglich. Dort werden zu große Exemplare entfernt.

Sicher wird jedem klar sein, dass man mit Spaten und Wiedehopfhacke in der Bonsaischale nicht besonders weit kommt. Trotzdem kann man auf bereits vorhandenes Werkzeug aus dem Garten zurückgreifen. Gartenscheren, scharfe Messer, ein Seitenschneider, Okuliermesser, eine kleine Gießkanne und ein Handsprühgerät sind dabei ein guter Anfang. Der fortgeschrittene Bonsai-Gärtner rüstet sich natürlich mit japanischen Spezialwerkzeugen aus. Dazu gehören speziell entwickelte Scheren, mit denen man jeden noch so winzigen Ast oder Zweig und jedes Würzelchen schneiden kann. Ein Schnitzmesser in Form eines Hohlmeißels oder Stechbeitels, ein Holzstäbchen zum Entfernen der Erde aus dem Wurzelbereich, eine Eisenkralle, wie ein Minigrubber, zur Erdentfernung vom Ballen, diverse Zangen zum Biegen des Drahtes und kleine Pinzetten zum Pflanzen von Moosen und zum Entfernen welker Blätter vervollständigen das Equipment.

Des Weiteren werden neben dem schon erwähnten Draht, kupfereloxierter Aluminiumdraht, benötigt der "Fensterbank-Waldbesitzer" noch Minischraubzwingen um eventuell anfallende Biegearbeiten an Ästen und am Stamm zu vollführen.

Bonsai Baumpflege
Tabelle: Uwe Bienert
Bonsai Baumpflege
Tabelle: Uwe Bienert

Woher nehmen, wenn nicht stehlen?

Bonsai-Gartenbau ist eine langwierige Angelegenheit. Wenn man nicht irgendwann mal anfängt, wird es nie was oder um es mit dem Dalei Lama zu sagen: "Es gibt nur zwei Tage zum Nichtstun - gestern und morgen."

Drei Möglichkeiten bieten sich, um an das Ausgangsmaterial für den neuen Bonsai zu gelangen:

  • Heranziehen der Pflanze aus Samen
  • Nutzung einer Baumschulpflanze
  • Gestaltung aus einem Findling aus der Natur (aber bitte nur mit Genehmigung!)

Alle Varianten haben ihre Vor- und Nachteile, die ich gern in der Tabelle (links oben) aufzeigen möchte.

Laubfegen im Miniwald

Bei den jährlichen Arbeiten am Bonsai fallen regelmäßig die nachfolgenden Gartenarbeiten an: Umpflanzen, Rückschnitt, Drahten, Spannen, Arbeiten am Totholz und Düngung.

Im kurzen Pflegeplan (Tabelle links) werden die wichtigsten Arbeiten über das gesamte Jahr dargestellt. Es sind nur allgemeine Pflegearbeiten aufgeführt, die von individuellen, baumspezifischen Besonderheiten ergänzt werden können.

Uwe Bienert


Nächsten Monat lesen Sie:

"Die Pergola - Holzbau Teil 3"

Quellen:

  • Farbatlas Krankheiten und Schädlinge an Zierpflanzen, Obst und Gemüse,
    (Bernd Böhmer, Walter Wohanka, Ulmer-Verlag)
  • Der Gärtner 1 (Martin Degen, Karl Schrader; Ulmer-Verlag)
  • Schädlinge & Krankheiten (Pippa Greenwood, Andrew Halstead; Dorling Kinderley Verlag)
  • Einheimische Laubgehölze (Hecker, Quelle & Meyer Verlag Wiebelsheim)
  • Grundkurs Gehölzbestimmung (Lüder, Quelle & Meyer Verlag Wiebelsheim)
  • Taschenlexikon der Gehölze (Schmidt/Hecker, Quelle & Meyer Verlag Wiebelsheim)
  • International standard ENA 2010-2015 (M.H.A. Hoffmann, ENA's European Plant Names Working Group)
  • www.kiefernspezi.de, Bonsai aus einheimischen Bäumen (Busch, BLV München)
  • Bonsai (Lesniewicz, Falken-Verlag, Niedernhausen)
 Uwe Bienert
Autor

Landschaftsgärtner-Meister und Ausbilder

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