Einstreugranulate als Quellen primären Mikroplastiks identifiziert

Kunststoffrasen im Visier der Europäischen Kommission

Die Europäische Kommission hat die Kunststoffrasenplätze als Quellen von Mikroplastik ins Visier genommen. Möglicherweise steht die Verwendung des synthetischen Einstreugranulats vor dem Aus. Doch ein Comeback des Naturrasens wird es kaum geben. Dagegen steht die Macht der Fußballvereine. Dabei wäre das wohl die sauberste Alternative.

Seit Januar 2018 arbeitet die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) in Helsinki im Auftrag der EU Kommission an einem Vorschlag zur Begrenzung von Mikroplastik-Partikeln, die bewusst Stoffgemischen für Verbraucher und Profis hinzugefügt werden, und später in die Umwelt gelangen. Die Begrenzungen sollen bis 2022 im Rahmen der EU-Chemikalienverordnung (REACH) umgesetzt werden.

Granulate schon 2016 negativ aufgefallen

Synthetische Einstreugranulate auf Kunststoffrasenplätzen waren der ECHA bereits 2016 negativ aufgefallen. Eigentlich erfüllen sie einen guten Zweck: Als Füllmaterial stabilisieren sie die Halme des Kunststoffrasens, verringern das Verletzungsrisiko der Spieler und verbessern das Ballsprung- und Ballrollverhalten. Doch bei der Suche nach gesundheitsgefährdenden Substanzen in Recyclinggranulaten stellte sicher heraus:

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Die aus recycelten, geschredderten Autoreifen, einem Styrol-Butadien-Kautschuk hergestellten Granulate enthielten krebserregende Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs). Die ECHA empfahl der EU Kommission sicherzustellen, dass künftig nur noch Granulate aus Recyclaten mit sehr niedrigen PAK-Konzentrationen genutzt werden dürfen.

Engländer berechnen große Mengen Mikroplastik

In Deutschland hatten diese Untersuchungen politisch hohe Wellen geschlagen. Für die deutsche Sportministerkonferenz (SMK) steht seither fest, dass Vorwürfe einer Gesundheitsbelastung durch Gummi-Granulate nicht ausreichend widerlegt werden konnten. Die Einstufung der Granulate müsse deshalb überprüft werden, verlangten die Landesminister. Die Bundesländer Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Schleswig-Holstein stellten die Sportstättenförderung für Kunststoffrasenplätze mit schwarzen Granulaten daraufhin ein. Nun lag der Europäischen Chemieagentur ein neuer Bericht zu den auf Kunststoffrasenplätzen verwendeten Gummi-Granulaten auf dem Tisch. Er war von den Technologie-Beratungsunternehmen ICF aus London und Technical Lead aus Bristol für die EU Kommission zusammengestellt worden. Nach Daten der FIFA, schrieben die Engländer im Februar 2018, gehen pro Spielfeld jährlich 1,5 bis 5 Tonnen Kunststoff-Granulate verloren. Das entspräche zwischen 1 und 4 Prozent des gesamten Füllmaterials. Umgerechnet auf deutsche Verhältnisse wären das zwischen 9000 und 30.000 Tonnen Mikroplastik, die jedes Jahr auf deutschen Kunststoffrasenplätzen abhanden kommen.

Erhärtet wurde der englische Bericht von einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) in Oberhausen vom Juni vergangenen Jahres. Danach sind die Kunststoff-Granulate eine der größten Quellen primären Mikroplastiks. Fraunhofer-Projektleiter Jürgen Bertling schätzt, dass in Deutschland jedes Jahr bis zu 11.000 Tonnen kleinster Teilchen des Granulats mit Wind und Regen, Geräte- und Kleideranhaftungen in die Umwelt gelangen. Kunststoffrasenplätze sind damit eine der bundesweit größten Mikroplastik-Quellen. Nach dem "Abrieb von Reifen" und den "Emissionen bei der Abfallentsorgung" liegen die "Verwehungen von Sport- und Spielplätzen" auf Platz fünf einer von Fraunhofer UMSICHT aufgestellten Rangordnung.

Die ECHA hat auch diese Studie in ihre Materialsammlung für die EU Kommission aufgenommen. Weil die Belege für eine erhöhte Mikroplastik-Emission durch Kunststoffrasenplätze inzwischen so erdrückend sind, wird die EU Kommission voraussichtlich mit Verboten reagieren. Davor warnte bereits vor vier Monaten der Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen in einem Schnellbrief an seine Mitglieder.

Die EU Kommission hält sich vor Übergabe der ECHA-Empfehlungen noch bedeckt, bestätigte im vergangenen Monat lediglich, dass sie sich darum bemühe, die Nutzung von umwelt- und gesundheitsschädlichem Mikroplastik in der Union zu vermindern.

Alarmstimmung bei den Fußballvereinen

Das drohende Verbot der Kunststoff-Granulate hat die Fußballvereine in Alarmstimmung versetzt. Für den Breitensport bauen sie seit bald zwei Jahrzehnten ein Kunststoffrasen-Spielfeld nach dem anderen. Fürsprecher von Naturrasen hatten dagegen kaum eine Chance. Denn Kunststoffrasen gilt in den Vereinsvorständen als ununterbrochen nutzbar, unabhängig von Wetter und Jahreszeiten. Von einem Verbot des Kunststoff-Granulats wären rund 6000 Kunststoffrasenplätze in Deutschland betroffen, teilte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) mit. Bei einem Granulat-Verbot müssten die Vereine für viel Geld umbauen.

Um den Sportbetrieb nicht zu gefährden, forderte DFB-Vizepräsident Erwin Bugar deshalb einen Bestandsschutz für alle Kunststoffrasenflächen. Zur Erfüllung der EU-Vorschriften brauche es "möglichst lange Übergangszeiten". Diese Positionen unterstützt auch der für den Sport zuständige Bundesinnenminister. Horst Seehofer plädierte für eine Übergangsfrist von sechs Jahren für bestehende Kunststoffrasen-Spielfelder. Andernfalls drohe vielen Tausend Sportanlagen die Schließung. Bundesumweltministerin Svenja Schulze entschied sich dafür, zu beruhigen: "Ob die EU-Kommission ein Verbot von Plastik-Einstreumaterial für Kunstrasensportplätze vorschlagen wird, steht noch längst nicht fest", sagte eine Ministeriumssprecherin. Bislang würden nur Informationen gesammelt.

Alternativen zum Kunststoff-Granulat

Über kurz oder lang stellt sich nun die Frage nach den Alternativen zum Kunststoff-Granulat. Als natürliche Alternativen stehen bislang Quarzsand, Kork, Kokosfasern oder Olivenkerne zur Verfügung. Aber natürlich heißt jedoch nicht unbedingt besser für die Fußballspieler: Für die Verwendung von Quartzsand, Kokosfasern und Olivenkerne dürften sich die Knie der Spieler bedanken. Und das ungefährlichere Korkgranulat hat nur eine halb so lange Garantiezeit wie das synthetische Infill. Möglich wäre auch eine Verwendung von granulatfreiem Kunststoff- oder Hybridrasen. Die ersten Fußballvereine haben sich solche Plätze in diesem Sommer bauen lassen.

Besonders fein aber dürften jene Vereine heraus sein, die nicht auf den Kunststoffrasen-Zug aufgesprungen sind, sondern unverändert auf Naturrasen spielen. Neben der geringeren Verletzungsgefahr kann er vor allem mit seinen natürlichen Halmen punkten. Genau hier liegt die Schwachstelle aller bisherigen Diskussionen zu Mikroplastik-Emissionen aus Kunststoffrasen. Der Umweltschaden durch Kunststofffasern wurde bislang nicht erörtert. "Wird das gesamte Kunststoffrasensystem betrachtet", heißt es in einem Papier des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), "so kann Mikroplastik prinzipiell sowohl von den Kunststofffasern selbst (Verschleiß, Abrieb der Fasern; Instandhaltung) als auch von den eingesetzten Kunststofffüllstoffen (Granulatpartikel) herrühren."

Die Dachorganisation des deutschen Sports weist in diesem Zusammenhang auf ein "Forschungsvorhaben an der Uni Osnabrück unter der Leitung von Prof. Thieme-Hack zur Entwicklung einer Prüfmethode zur Bestimmung des Austrags von Mikroplastik von Kunststoffrasenfasern" hin. Nach einer empirischen Abschlussarbeit an der Hochschule Osnabrück, die im Mai auszugsweise in der Neuen Landschaft veröffentlicht wurde, steht fest, dass auch bei den Fasern des Kunststoffrasens mit Emissionen von Mikroplastik zu rechnen ist. Damit ist das letzte Wort über Kunststoffrasenplätze und den geeigneten Sportplatzbelag möglicherweise noch nicht gesprochen.

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