Landesgartenschau Eutin 2016+:Geradlinige Planung

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Dass sich die Bewohner Eutins der Schönheit und Einmaligkeit ihrer Wohnlage inmitten von fünf Seen zwar bewusst waren, sie aber dennoch nur als Durchgangsraum wahrnahmen, erstaunte die Stadtväter Eutins. Und doch korrelierte diese Erkenntnis mit der Gestaltung der Freiräume, denen es an Aufenthaltsqualität mangelte. Das Konzept des Berliner Büros A24 Landschaft für die Schleswig-Holsteinische Landesgartenschau 2016 sucht das zu ändern. In nur zwei Jahren Planungs- und Bauzeit konnten wesentliche Maßnahmen des freiräumlichen Gesamtkonzepts umgesetzt werden.

Eutin ist ein Mittelzentrum in der Holsteinischen Schweiz, in dem die Eiszeit eine waldige Hügellandschaft und viele Seen hinterließ. Als Teil des Naturparks Holsteinische Schweiz, ist die Umgebung durch Laubwälder, Fluss- und Bachläufe sowie die typischen norddeutschen Knickstrukturen geprägt. Die begünstigte Lage macht die Region zu einer der beliebtesten Tourismusregionen im norddeutschen Binnenland. Doch auch dort ist der demografische Wandel bemerkbar. Städte und Gemeinden müssen in ihre Standortfaktoren investieren, um konkurrenzfähig zu bleiben. In Eutin bedeutet dies, sowohl in den Wohn- und Arbeitsstandort als auch in den Tourismusbereich zu investieren. Eine Gartenschau, die über das Aufmerksamkeit erzeugende halbjährige Event hinaus nachhaltig die Freiraumqualität erhöht und auch städtebauliche Maßnahmen ins Gepäck nimmt, ist dazu ein geeignetes Mittel der Wahl.

Die Stadt liegt zwischen dem Großen und dem Kleinen Eutiner See und prunkt mit einem überregional bekannten barocken Wasserschloss, inklusive eines zwar eher kleinen, aber kaum überformten Landschaftsgartens aus dem 18.,19. Jahrhundert, als das Schloss Sommerresidenz der Herzöge von Oldenburg war. Im Schlosspark finden jährlich die Eutiner Festspiele statt. Das Stadtzentrum bietet schmuckes Fachwerk und klassizistische Bauten. In den 1980er Jahren wurde einiges in die Sanierung gesteckt. Es gibt also einige Pfründe, mit denen der Ort wuchern kann. Genau das arbeitete auch das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK) heraus, auf dessen Grundlage die Bewerbung zur Landesgartenschau entwickelt wurde. Dabei ging es explizit darum, den städtischen Charakter der Freiräume am Wasser zu stärken.

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A24 Landschaft gewannen 2013 den Wettbewerb mit einem Konzept, das über das Motto der Landesgartenschau-Bewerbung "... zu neuen Ufern" wörtlich hinausgeht: Sie führen die Besucher aufs Wasser selbst hinaus. Fünf Teilbereiche - Stadtbucht, Seepark, Schlosspark, Bauhofareal und Süduferpark - bilden das 27 ha umfassende Landesgartenschau-Gelände entlang des Großen Eutiner Sees und werden zukünftig den Bewohnern und Besuchern Eutins als neu erschlossene oder deutlich aufgewertete Freiräume zur Verfügung stehen. Die Teilräume verbindet ein durchgehender Weg entlang der Seeufer - und auch vom Wasser aus wird es möglich sein, die Gartenschau-Kulisse per Boots-shuttle zu erleben.

Bestimmend für die Gesamtgestaltung ist das Prinzip der Sichtachsen, das aus der historischen Gestaltung des Schlossparks heraus auf die anderen Freiräume übertragen und in moderner Interpretation fortgeführt wird. Die bisher außerhalb des Schlossparks kaum wahrnehmbaren Bezüge zwischen Stadt und See, aber auch dem Seepark und dem See, werden so zur Basis des Freiraumerlebnisses. Einige der neuen Achsen enden jeweils mitten auf dem Wasser, als Stege, Podeste, Ausgucke. So wird der Besucher nicht nur am Wasser entlang geführt, sondern das Wasser ist direkt ins Freiraumerlebnis einbezogen. In der Tradition des Landschaftsgartens wird die Wasserfläche zu einem Raum, über den hinweg Bezüge zwischen den unterschiedlichen Kulissen geschaffen werden.

Als Gegenpol zum historischen Schlosspark, der eine hohe ästhetische Qualität aufweist, aber wenig Nutzungsoptionen bietet, wird der Seepark als "aktive Landschaft" mit einer großen Zahl von neuen, ganz unterschiedlichen Angeboten für Sport, Spiel und Aufenthalt entwickelt. Die Stadt öffnet sich zum See an der neu gestalteten Stadtbucht, die gleichzeitig als Scharnier zwischen Schlosspark und Seepark fungiert. Bis auf wenige temporäre Pflanzflächen sind alle Anlagen für eine dauerhafte Nutzung angelegt. Ergänzend wurde im Zuge der Landesgartenschau im Stadtgebiet mit der Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes und der Einkaufszeile Peterstraße als städtische Sanierungsmaßnahmen nach Plänen von RMP Landschaftsarchitekten begonnen.

Stadtbucht

Die Stadtbucht am Großen Eutiner See ist über den bestehenden Rosengarten an die Innenstadt angebunden. Dieser verläuft als axial angelegtes Gartenband auf die Stadtbucht zu. Die städtische Bebauung kehrt der Stadtbucht allerdings den Rücken zu, weshalb der Ort bisher kaum urbanes Flair entfalten konnte. Gastronomische Angebote und Aufenthaltsmöglichkeiten fehlten. Der Ort erhält nun einen neuen Charakter als städtische Promenade, mit der sich die Stadt zum See öffnet. Flankiert von einer Baumreihe aus Amberbäumen (Liquidambar styraciflua Worpleston) schafft ein Wegeband aus großformatigen Betonplatten, gefasst in Naturklein-steinpflaster, eine klare Linie. Eingegliedert sind bequeme Sitzmöglichkeiten.

Vor der Promenade weitet sich eine langgestreckte, etwa 1000 m2) große Holzplattform aus Eichenbohlen in den See. Mit 4 m Länge können diese in den meisten Bereichen ohne Anstoß verlegt werden. Das Deck liegt auf einer Pfahlgründung auf und grenzt uferseitig an eine Spundwand, die die Ufermauer bildet. Diese ist mit einem hochwertigen Betonfertigteil überbaut, das den Übergang zwischen Promenade und Holzdeck darstellt. Seeseitig schließen sich zwei vorgelagerte Wasserbecken an die Plattform an, die mit Seerosen bepflanzt sind und einen besonderen gärtnerischen Akzent setzen. Eine hölzerne Sitzskulptur lenkt von der Plattform aus die Blicke auf Schloss und Seepark. Während der Gartenschaulaufzeit wird die Promenade für temporäre Gastronomie genutzt, mit dem Potenzial hier auch dauerhafte Angebote entstehen zu lassen.

Seepark

Im nördlich an die Stadtbucht anschließenden Seepark werden Sichtachsen mittels neuer, geradliniger Wege und Auslichtungen geschaffen, die sowohl Bezüge zum Schloss und den historischen Sichtachsen aus dem Schlosspark herstellen als auch zum nördlichen Seeufer, das über eine Brücke erreichbar ist. Die Achsen sind als wassergebundene Decke ausgeführt und so deutlich als zeitgenössische, urbane Elemente aus dem landschaftlich geprägten Bestand des Seeparks herausgearbeitet. Der bestehende üppige Rhododendrenhain, der auf dem moorigen Grund beste natürliche Voraussetzungen findet, wurde behutsam durch weitere Pflanzungen ergänzt und mit neuen, verschlungenen Pfaden erschlossen. So wird es ein besonderes Abenteuer, ihn zu entdecken.

Im Norden des Seeparks befindet sich ein Badestrand, der mit einer Liegewiese und einem Badesteg zusätzliche Aufenthaltsqualität erhält. An die Wegebänder lagern sich Sport-, Spiel- und Freizeitnutzungen, aber auch Gartenelemente an. Zur Gestaltung der Spiel- und Sportbereiche fand ein eigener Workshop mit Jugendlichen statt.

Direkt an der Bebauungskante zur Stadt schafft ein "Waldgartenband" wohnungsnahe und generationsübergreifende Angebote mit Boule- und Fitnessgeräten, Tischtennis und Picknickplätzen. In Richtung Stadtbucht vervollständigen ein Kleinkinderspielplatz und ein Spielschiff das Freizeitangebot. Die Achse zum Seestrand begleitet ein Spiel- und Sportband für Kinder und Jugendliche mit Beachvolleyball- und Streetballfeld.

Spielbereiche für Kinder entstanden zu den Themen "See" und "Wald". Netztunnel spannen sich wie Reusen über modellierte Kunststoffflächen, daneben sind Taue mit Fendern gespannt, die zum Kriechen, Hangeln und Klettern dienen. Bewegliche Stangen bilden einen Wackelwald, dazu sind Baumhäuser angeordnet, so dass eine vielfältige, alle Sinne ansprechende und herausfordernde Spielwelt entsteht. An der Seite zum Seestrand sind Netzliegen unter Bäumen gespannt, die zum Ausruhen und Träumen einladen. Betonsitzelemente mit Holzauflagen dienen als Aufenthaltsbereiche und gliedern gleichzeitig die einzelnen Spielflächen. Im gesamten Park wird es Picknick- und Grillmöglichkeiten geben.

Schlosspark

Bisher war der Eutiner Schlosspark der einzige innerstädtische Grünraum, dem die Bürger eine Aufenthaltsqualität zusprachen, obwohl zeitgemäße Angebote natürlich nicht vorhanden sind. Der Nutzungsdruck war sehr hoch und stand im Konflikt zu den denkmalpflegerischen Anforderungen an den Ort. Selbst für Jugendliche war bisher der Schlossgarten einer der wenigen innerstädtischen Aufenthaltsorte im Außenraum. Besonders für diese Gruppe sind viele neue Angebote geschaffen worden. Durch die Aufwertung von Stadtbucht und Seepark werden aktive Nutzungen dorthin verlagert. Mit der Verbindung zum östlich angrenzenden Bauhofsareal und dem Anschluss an die Stadtbucht wird nunmehr der Schlosspark zu einem Baustein in einem Kontinuum von Freiräumen mit wechselnden Charakteren entlang des Sees. So erhält er seine angemessene Rolle als bedeutendster historischer Landschaftsgarten in Norddeutschland zurück, der nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten entwickelt werden kann. Der historische Küchengarten, restauriert nach Plänen von Landschaftsarchitektur Franz, beherbergt zur Landesgartenschau eine Ausstellung historischer regionaler Gemüse- und Pflanzensorten.

Bauhofareal

Im Bauhofareal besteht mit der Opernscheune und einer Freilichtbühne ein Schwerpunkt für kulturelle Veranstaltungen, wo auch während der Eutiner Festspiele Aufführungen stattfinden. Mit der Planung einer Jugendherberge wird dem Gelände eine ganzjährig sinnvolle Nutzung zugewiesen. Zusammen mit zwei historischen Torhäusern und der Gebäudekubatur der Jugendherberge entsteht am Ensemble des historischen Bauhofs eine Hofsituation mit Blick auf den See, die mit Bäumen, Rosenbeeten und Bänken einen angenehmen Rahmen erhält. Während der Landesgartenschau sind dort Regionalmarkt und Hallenschauen untergebracht.

Im Übergang zum Gartenschaubereich Süduferpark befinden sich Wiesen, die von einem wieder geöffneten Graben durchzogen sind. Der Weg verläuft über eine Brücke, die einen gestalterischen Bezug zum Schlosspark mit seinen historischen Brücken schafft. Die bisher brachliegende Fläche, ab und zu als Weide genutzt, wurde in Abstimmung mit dem Naturschutz mit standortgerechten Wiesensaaten angereichert. Während der Gartenschau finden dort die Mustergärten und die von Studenten gestalteten Kulturgärten Platz. Später ist eine Wohnbebauung mit Stadtvillen vorgesehen. Ein Spielplatz und die gestaltete Wiesenlandschaft bleiben als neuer, öffentlich zugänglicher Naturerholungsraum bestehen und bilden für die geplante Bebauung schon vorab ein attraktives Umfeld.

Süduferpark

Am Süduferpark, südlich begrenzt von der Oldenburger Landstraße als Bundesstraße, befindet sich der Haupteingang zur Landesgartenschau. Ein breiter Riegel bildet einen Auftakt zu den gestalteten Parks und Freiräumen im Stadtgebiet Eutins am Stadteingang, im Übergang zu den östlich gelegenen, landwirtschaftlich genutzten Flächen. Drei Terrassenstufen führen, der Topografie folgend und von Rampen begleitet, hinunter zum See. Den Abschluss findet dieses breite Gartenband ebenfalls in einem Holzsteg. Von hier besteht mit Zwischenstopp am Schlosspark ein Schiffsshuttle zur Stadtbucht. Gleich am Eingang bilden Wechselflorflächen den Auftakt zur Gartenschau. Ein Obsthain mit im Frühling üppig blühenden Apfelbäumen greift die gartenbauliche Nutzung der Umgebung thematisch auf. Die Seeböschung zum Ufer integriert den wertvollen Baumbestand und fügt sich in den natürlichen Uferbereich ein. Für die Dauernutzung wird dieser Bereich als stadtnaher Caravan-Stellplatz hergerichtet werden - als Angebot an eine entsprechende wachsende Nachfrage im touristischen Bereich.

Einem zeitgemäßen Stadtverständnis entsprechend, definieren in Zukunft die Freiräume wesentlich die städtische Qualität Eutins. Besonders nachhaltig erweist sich dabei das Ineinandergreifen von Gestaltung und Prozess. Die intensive Bürgerbeteiligung hilft, eine bisher fehlende Identität der Bürger mit ihrer Stadt herzustellen. Mit der Landesgartenschau wurde ein Gesamtensemble von Freiräumen am See geschaffen, das der Stadt Eutin in der Verwebung von Historie und Gegenwart, von Stadt und Landschaft ein ganz neues Profil verleiht.

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Dipl.-Ing. Vera Hertlein-Rieder
Autorin

Dipl.-Ing. Landschaftsplanung bei der SINAI Gesellschaft von Landschaftsarchitekten

Autor

Inhaber von A24 LANDSCHAFT

A24 LANDSCHAFT Landschaftsarchitektur GmbH

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