Leistungs- und betriebsbezogenes Wagnis im EFB-Blatt

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Abb. 1: Auszug EFB 221 "Preisermittlung bei Zuschlagskalkulation". Tabelle: Meinen

Das Vergabe- und Vertragshandbuch des Bundes gibt bei öffentlichen Aufträgen seit 2017 ein Einheitliches Formblatt (EFB) "221 (Preisermittlung bei Zuschlagskalkulation)" vor, in dem neben den Angaben zum Kalkulationslohn und den Zuschlägen für Baustellengemeinkosten und Allgemeinen Geschäftskosten der Zuschlag für Wagnis und Gewinn aufgegliedert werden muss.

Unter dem Oberpunkt 2.3 (vorbestimmte Zuschläge) beziehungsweise 3.3 (Kalkulation über die Endsumme) der Formblätter, soll jeweils ein Zuschlag für betriebsbezogenes und leistungsbezogenes Wagnis angegeben werden. Auch wenn die genannten Positionen nicht gefüllt werden, muss der Auftraggeber das Angebot (gemäß 5.1.2 des Vergabehandbuchs) in die Wertung einbeziehen. Eine Aufklärung seitens des Bieters ist nicht erforderlich.

In der praktischen Anwendung haben sich daraus zwei Fragen ergeben: Erstens, was ist in die Formblätter einzutragen und wie können entsprechende Werte ermittelt werden? Zweitens: Wie sind das Formblatt und die dort notwendigen Eintragungen vergaberechtlich zu bewerten? Dem wird im Folgenden nachgegangen.

Hintergrund der Regelung

Gemäß Teil 5, Abschnitt 510, Nr. 4.8 des Vergabehandbuchs ist, mit Bezug auf die Regelungen der VOB/B, der Zuschlag für Gewinn einschließlich Wagnisanteil bei Mengenänderungen sowie bei geänderten, zusätzlichen und im Nachhinein anerkannten Leistungen zu berücksichtigen. Zentral bei dieser Überlegung ist, dass mit dem Entfall oder Änderung der Leistung sich nicht nur leistungsbezogene Kosten verändern, sondern auch entsprechende Wagnisse, diese also beispielsweise bei Kündigung gem. § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B als erspart angerechnet werden. Davon ausgenommen sind der Gewinn und betriebsbezogene Wagnisse (allgemeines Unternehmensrisiko), die in jedem Fall zu erstatten sind, sofern kein Ausgleich an anderer Stelle erfolgt.

Somit ist der Hintergrund für die Anpassung des Formblatts zunächst einmal recht einfach nachvollziehbar. Praktisch stellt sich aber die Frage, um welche Wagnisse - seien sie betriebs- oder leistungsbezogen - es sich konkret handelt und wie sie sich ermitteln lassen. Daraus sind dann Zuschlagsätze zu bilden, die in das EFB-Blatt eingetragen werden können.

Wagnisse

  • Anlagenwagnis (im Bauunternehmen vor allem in Verbindung mit Geräten);
  • Beständewagnis (Lager/Rohstoffe);
  • Entwicklungswagnis (Kosten für fehlgeschlagene F&E-Projekte);
  • Fertigungs- und Gewährleistungswagnisse (u. a. Produktivität von Personal und Maschinen);
  • Vertriebswagnis (vor allem Forderungsausfälle und Vertriebserfolg);
  • Finanzierungsrisiken (Vorfinanzierung und Zinsniveau, Kapitalbeschaffung etc.).

So einfach die Gestaltung des Formblatts und so klar die Überlegung hinter der Differenzierung des traditionellen Zuschlags für Wagnis und Gewinn (WuG) auch sein mag, so schwierig ist die Quantifizierung entsprechender Wagnisse.

Zunächst einmal wären die allgemeinen Unternehmenswagnisse zu nennen, die sich aus der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, sich ändernden, politischen Rahmenbedingungen oder Umweltrisiken ergeben. Teils sind sie nicht beeinflussbar, teils stehen sie mit strategischen Entscheidungen der Unternehmensführung in Zusammenhang. Kalkulatorisch sind solche Wagnisse nicht fassbar, sie lassen sich allenfalls in Analogie zu finanzwirtschaftlichen Überlegungen aus Marktbewegungen und -Prognosen ableiten und sind allgemein unter dem Stichwort Branchenrisiko der Ratingagenturen und Finanzinstitute erfasst. Entsprechende Wagnisse wirken sich auch nicht nur auf die Kostenrechnung, sondern ebenso auf den Finanzbereich (z.B. verändertes Zahlungsverhalten, Bonität) aus. Ungünstige Entwicklungen beeinflussen den Gewinn der Unternehmen. Dies wird beispielsweise durch die Entwicklung von Branchenkennzahlen sichtbar, wie Abbildung 2 zeigt.

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Abb. 3: Auszug EFB 221 "Preisermittlung bei Zuschlagskalkulation". Tabelle: Meinen
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Abb. 2: Entwicklung der Umsatzrendite im Landschaftsbau. Quelle: Sparkassen-Finanzgruppe

Wird die Entwicklung der Umsatzrendite zum Beispiel mit einem linearen Trend geschätzt, so beträgt der Standardfehler für den Zeitraum 2009 bis 2020 im Landschaftsbau 0,39 Prozent. Das Risiko einer ungünstigeren Entwicklung des Gewinns gegenüber dem Trend beträgt somit knapp 0,4 Prozent und könnte entsprechend als allgemeines Wagnis in Bezug auf die Branchenentwicklung interpretiert werden.

Innerhalb der einzelnen Geschäftsjahre prägt sich die Umsatzrendite aufgrund von Risiken ebenfalls unterschiedlich aus. Die Sparkassen-Finanzgruppe etwa gibt für die Umsatzrendite im Landschaftsbau (Größenklasse 5 bis 12,5 Millionen Euro) einen Zentralwert von 7,1 Prozent mit einer mittleren Streuungsbreite von 4,2 Prozent bis 12,3 Prozent (2020) an. Das heißt, ein Zuschlag von mindestens 2,9 Prozent (2,9 % = 7,1 % - 4,2 %) bis über 12,3 Prozent für Wagnis und Gewinn, natürlich umgerechnet auf die Herstellkosten, wäre branchen-angemessen.

Die genannte Streuungsbreite repräsentiert diverse Wagnisse, die wie folgt gegliedert werden können:¹

Darin enthalten sind auch Wagnisse, die direkt mit der Leistung einzelner Projekte in Verbindung stehen können. Inkludiert wäre somit jede Art von Wagnis, sei es leistungs- oder betriebsbezogen.

Damit ist zwar die Frage nach der grundsätzlichen Höhe und dem Inhalt von branchenüblichen Wagnis- und Gewinnzuschlägen geklärt, wie sie nach leistungs- und betriebsbezogenen Wagnissen ausdifferenziert werden können, bleibt aber unklar.

Während sich einige Wagnisse direkt aus den individuellen Zusammenhängen des jeweiligen Projekts ableiten lassen, ergeben sich andere aus der Differenz zwischen Planungs- und Ist-Werten der Budgetplanung (z. B. kalkulatorische Mittellöhne und tatsächliche Personalkosten, Verrechnungssätze für Leistungsgeräte und tatsächliche Maschinenkosten, Verhältnis von Vertriebsaufwand und Umsatz, etc.). Diese Werte müssen betriebsindividuell aus der Historie abgeleitet und für das laufende Jahr beziehungsweise den Projektzeitraum geschätzt werden. Für die, im Bauunternehmen bedeutenden Fertigungs- und Gewährleistungswagnisse wird im Folgenden ein Ansatz vorgestellt.

Interessant ist dann noch die Klärung der Frage, wie der Zuschlag für Wagnis zu interpretieren ist. Das Vergabehandbuch rückt dabei zusätzlich zu dem traditionellen Wagnis- und Gewinnzuschlag auch die leistungsbezogenen Wagnisse in den Vordergrund. Sofern leistungsbezogene Wagnisse bislang in den Baustellengemeinkosten berücksichtigt wurden, so ergibt sich lediglich eine Verschiebung beziehungsweise Aufspaltung des Zuschlags.

In der Praxis werden leistungsbezogene Wagnisse aber normalerweise indirekt in den Einzelkosten der Teilleistungen bewertet. In dieser Folge erhöht sich der Gesamtzuschlag für Wagnis und Gewinn rechnerisch aus zwei Gründen:

  • Unter Punkt 2.3 (Wagnis und Gewinn) kommt der Anteil für leistungsbezogene Wagnisse aus den Einzelkosten der Teilleistungen hinzu.
  • Die Einzelkosten der Teilleistungen sinken im Verhältnis um die sonst eingepreisten Risikokosten und erhöhen so die Gesamtzuschläge (Bezug direkte Herstellkosten).

Zudem stellt sich die Frage, ob ein pauschaler Zuschlag für leistungsbezogene Wagnisse sachgerecht ist, da sich Risiken zwischen den unterschiedlichen Leistungen deutlich unterscheiden können, vgl. Abschnitt 3.

1.1. Leistungsbezogene Wagnisse

Bei leistungsbezogenen Wagnissen geht es um Risiken, die mit der Leistungserstellung direkt zusammenhängen. Dabei kann es sich zum Beispiel um eine eventuelle Preissteigerung für das Material oder um Risiken der Ausführung wie die mögliche Abweichung eines kalkulierten Zeitansatzes vom tatsächlichen Zeitbedarf handeln. Solche Risiken fließen üblicherweise in Form von "Angstzuschlägen" in die übliche Kalkulation der Einzelkosten oder Baustellengemeinkosten ein, indem Zeit- oder Kostenansätze willkürlich erhöht werden.

Sie lassen sich aber auch einfach anhand von zwei Rechenansätzen kalkulieren. Dabei kann entweder geschätzt werden, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein bestimmtes Risiko eintritt, oder welcher Kostenwert zu erwarten ist und wie weit er unter Umständen nach oben oder unten abweicht:

Risikoschätzung am Beispiel Zeitansatz

Formel: Risiko = Eintrittswahrscheinlichkeit x Risikoausprägung

Zur Erstellung einer Pflasterfläche wird ein Aufwand von 50 Stunden angenommen:

50 h x 25 Euro/h = 1250K Euro

Aufgrund der Komplexität der Fläche könnte die Maßnahme auch acht Stunden mehr Zeit benötigen. Dies ist aber nicht sehr wahrscheinlich. Insofern wird eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 25 Prozent gewählt.

Das Risiko beträgt somit 25 Prozent x 8 h x 25 Euro/h = 50 Euro

Risikoschätzung am Beispiel Materialpreissteigerung

Formel: (Minimalwert + kalkulierter Wert + Maximalwert)/3 - kalkulierter Wert

Üblicherweise werden Pflastersteine beim Baustofflieferanten für 10 Euro/m² bezogen. Daher wird wie die Erstellung einer Pflasterfläche wie folgt kalkuliert:

10 Euro/m² x 400 m² = 4000 Euro

Aufgrund der hohen Nachfrage könnte es aber sein, dass die Preise auf maximal 13 Euro/m² steigen. Mit etwas Glück wäre aber auch die Zusammenlegung mit einem weiteren Projekt möglich, sodass über die Mehrmenge und einen günstigeren Zeitpunkt minimal 9 Euro/m² als Einkaufspreis erzielbar wären.

Das Risiko ergibt sich auf dieser Basis wie folgt:

(13 €/m² + 10 €/m² + 9 €/m²)/3 -10 €/m² = 0,67 €/m²

0,67 €/m² x 400 m² = 268 €

Kalkulatorisch werden die ermittelten Risiken dann als Zuschlag auf die erwarteten Einzelkosten aufgeschlagen. Anhand der obigen Beispielberechnungen ergäbe sich so:

Leistungsbezogene Wagnisse

  • Lohn: 50 Euro/1250 Euro = 4 Prozent
  • Stoffe: 268 Euro/4000 Euro = 6,7 Prozent

Diese Werte könnten dann in das EFB-Blatt unter 2.3.3 beziehungsweise 3.3.3 eingetragen werden. Sie wirken in diesem Beispiel mit Blick auf die üblichen Zuschläge für Wagnis und Gewinn recht hoch. In der Praxis, mit vielen Leistungspositionen mehr, ergibt sich aber insgesamt eine Streuung der Risiken, sodass sich die absolute Höhe des Zuschlags relativiert.

Es verbleibt die Frage, wie die betriebsbezogenen Wagnisse (2.3.2) ermittelt werden können.

1.2. Betriebsbezogene Wagnisse

Betriebsbezogene Wagnisse sind ungleich schwerer zu berechnen. Wie bereits erwähnt, ergeben sie sich aus dem allgemeinen Projektrisiko, Kundenrisiken (Akquisitionsrisiken), Personalrisiken, d. h. Kosten- und Ertragsrisiken sowie Finanzrisiken. Sie müssen je Unternehmen individuell ermittelt werden. Für die allgemeinen Projektrisiken liefert eine Datensammlung der Kullmann und Meinen GmbH branchenspezifische Anhaltspunkte (http://www.kullmann-meinen.de/HsOs/Risikomonitor/).

Sie beinhalten allgemeine Fertigungsrisiken, Gewährleistungsrisiken, Auftraggeberrisiken, Vertragsrisiken, Risiken des Projektmanagements, Logistikrisiken etc.

Im Durchschnitt beträgt das Projektrisiko im Landschaftsbau gut 16 Prozent. Aufgrund von Streuungseffekten reduziert sich dieses individuelle Risiko im Projektbestand vereinfacht über folgende Formel:²

Betriebsbezogenes Wagnis = ?Anzahl der Projekte x durchschnittliches Risiko je Projekt

Beispielberechnung für einen Betrieb mit jährlich 50 Projekten und einem durchschnittlichen Projektvolumen von 200.000 Euro ergibt sich beispielhaft:

Betriebsbezogenes Wagnis = ?50 x 200.000 Euro x 16 Prozent = 226 274 Euro

Bei einer Gesamtleistung von 50 x 200.000 Euro = 10.000.000 Euro entspricht das circa 2,3 Prozent.

Gegebenenfalls kann noch die Branchenentwicklung berücksichtigt werden, die in Abschnitt 2 bereits mit 0,39 Prozent berechnet wurde. Damit ergibt sich das betriebsbezogene Wagnis in Bezug auf die Gesamtleistung zu:

Betriebsbezogenes Wagnis (bezogen auf die Gesamtleistung) = 2,3 Prozent + 0,39 Prozent = 2,69 Prozent.³

Bezogen auf die Einzelkosten (unmittelbare Herstellungskosten) von angenommen rund 8.000.000 Euro ergibt sich so ein Zuschlag für betriebsbezogenes Wagnis für das EFB-Blatt von:

Allgemeines Unternehmenswagnis (EFB) =

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?3,4 Prozent

mit BWU= Betriebsbezogenes Wagnis in Bezug auf die Gesamtleistung

Sofern dann ein branchendurchschnittlicher Gewinn erzielt werden soll, müssten rund 7,1 Prozent in Bezug auf die Gesamtleistung berücksichtigt werden (wie anfangs bereits ermittelt).

Gewinn (EFB) =

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?8,9 Prozent

mit GU= Gewinn in Bezug auf die Gesamtleistung

Diese Werte könnten dann im EFB-Blatt unter 2.3.2 oder 3.3.2 eingetragen werden. Es sollte allerdings bedacht werden, dass für die Berechnung des Gewinnzuschlags der Risikoansatz von dem bisher genutzten Zuschlag für Wagnis und Gewinn abgezogen werden sollte.

Vergaberechtliche Würdigung

Vergaberechtlich und vertragsrechtlich sind Bieter und Auftragnehmer grundsätzlich frei, wie sie ihre Kalkulationsansätze wählen. Es gibt nur wenige Ausnahmefälle, bei denen diese Kalkulationsfreiheit des Auftragnehmers eingeschränkt wird.

Vergaberechtlich ist das Verbot der sogenannten Mischkalkulation zu beachten. Bei dieser Art der Kalkulation werden Kostenbestandteile aus einer Position in eine andere verschoben, indem gezielt bei einer Position abgepreist und bei der anderen Position aufgepreist wird. Begründet wird das Verbot dieser Art der Kalkulation damit, dass auf diese Weise der für eine Position genannte Preis nicht dem entspricht, was der Bieter hierfür tatsächlich fordern will und eine gezielte Verschiebung von Kosten stattfindet (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 18.05.2004, X ZB 7/04). Dies kann bei einer Zuschlagskalkulation nur in Ausnahmefällen zum Tragen kommen.

Aus der neueren vergaberechtlichen Rechtsprechung ist auch auf die Möglichkeit hinzuweisen, sogenannte spekulative Angebote auszuschließen. Solche Angeboten sind so ausgestaltet ist, dass dem Auftraggeber bei Eintritt bestimmter, zumindest nicht gänzlich fernliegender Umstände erhebliche Übervorteilungen drohen (BGH, Urteil vom 19.06.2018, X ZR 100/16).

Auch das Verbot wucherisch überhöhter Preise ist zu beachten (BGH, Urteil vom 18.12.2008, VII ZR 201/06).

Abgesehen von diesen Einschränkungen ist der Bieter beziehungsweise Auftragnehmer bei der Gestaltung seiner Kalkulation und der Wahl und Festlegung der Wagnis-Zuschläge frei.

In vertragsrechtlicher Hinsicht sind nach der neuen Rechtsprechung des BGH bei Vereinbarung der VOB/B für Mehrmengen über 10 Prozent die tatsächlich erforderlichen Kosten sowie angemessene Zuschläge anzusetzen, wenn sich die Vertragspartner nicht anders einigen (BGH, Urteil vom 8.8.2019, VII ZR 34/18, zu § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B). Nach der Rechtsprechung des KG und anderer Oberlandesgerichte ist diese Rechtsprechung auch auf Nachträge auf Grundlage von § 2 Abs. 5, Abs. 6 VOB/B anzuwenden (KG, Urteil vom 27.08.2019, 21 U 160/18, OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.12.2019, 5 U 52/19, OLG Brandenburg, Urteil vom 22.04.2020, 11 U 153/18).

Im Hinblick auf diese Rechtsprechung sind die Angaben zur Kalkulation im hier gegenständlichen Formblatt jedenfalls bei geänderten und zusätzlichen Leistungen nicht mehr zwingend als Grundlage der Preisfortschreibung zu beachten. Sie geben aber natürlich eine wichtige Hilfe für die Berechnung einer fair fortgeschriebenen Vergütung und unterstützen damit die Einigung der Vertragspartner.

Die Möglichkeit bei BGB-Verträgen, auf eine hinterlegte Kalkulation zurückzugreifen, wird von der Rechtsprechung für VOB/B-Verträge soweit ersichtlich nicht angewandt oder der Rückgriff scheiterte bisher am Nicht-Vorhandensein einer ordnungsgemäß hinterlegten Kalkulation. Auch das hier gegenständliche EFB-Blatt dürfte keine solche hinterlegte Kalkulation darstellen.

Preisbildung Vergaberecht
Abb. 4: Auszug EFB 221 "Preisermittlung bei Zuschlagskalkulation". Tabelle: Meinen

Zusammenfassung und Ausblick

Wagnisse in Form von Zuschlägen in der Kalkulation zu berücksichtigen ist ein teils schwieriges, aber nicht unmögliches Unterfangen. Die gezeigten Ansätze belegen, dass sich der theoretisch nachvollziehbare Wunsch der öffentlichen Hand nach einer Aufschlüsselung von Kalkulationszuschlägen, durchaus mit Leben füllen lässt. Ob das geänderte Formblatt seinen Zweck erfüllt, ist aber fraglich, da die Betriebe, auch für eigene Zwecke, häufig gar keine transparente Risikokalkulation auf Ebene der Einzelkosten der Teilleistung oder der Baustellengemeinkosten betreiben und Risikoaspekte somit nur implizit in den Kalkulationsansätzen enthalten sind. Zudem stell sich die Frage, ob das Risiko einer etwaig leichter möglichen Verschiebung von Risikoanteilen einzelner Positionen in andere Positionen anhand eines allgemeinen, leistungsbezogenen Wagniszuschlags mit Blick auf das Vergaberecht gewollt sein kann.

Unabhängig von den Forderungen des Vergabehandbuchs hilft den Betrieben aber die strukturierte Aufarbeitung der Wagnisse bei der Einschätzung ihrer Risikosituation und liefert den Ausgangspunkt für das Risikomanagement. Grundsätzlich sollten entsprechende Zuschlagssätze jährlich anhand einer Planungsrechnung inkl. Risikobetrachtung aktualisiert werden.

Literatur

¹ vgl. z. B. Buchholz, L; Gerhards, R.: Internes Rechnungswesen: Kosten- und LeistungsrechnungBetriebsstatistik und Planungsrechnung, 3. Auflage, Springer Gabler, Wiesbaden, 2016, S. 74-76; Reim, J.: Die-kalkulatorischen-Wagniskosten-in-der-Kostenartenrechnung, www.controllingportal.de/Fachinfo/Kostenrechnung/Die-kalkulatorischen-Wagniskosten-in-der-Kostenartenrechnung.html, Abruf: 7.12.2020.

² Vgl. Meinen, H.: Risiko Bauprojekt: Bis zu 25 Prozent Eigenkapitalunterlegung erforderlich! In: Bauwirtschaft, Nr. 3, 2017.

³ ohne Anlagen-, Bestände-, Entwicklungs-, Vertriebs- und Finanzierungsrisiken.

Prof. Dr. Heiko Meinen
Autor

Leiter des Instituts für nachhaltiges Wirtschaften in der Bau- und Immobilienwirtschaft (inwb), Hochschule Osnabrück

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