Lückenbepflanzung in Alleen: Grundlagen und Konsequenzen

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Bäume sind an Straßen extremen Einflüssen ausgesetzt. Doch evolutionäre Anpassungsstrategien, um die Einflüsse zu ertragen oder gar abzuwehren, konnten sie nicht entwickeln. Ihre Exposition zu den stressenden Faktoren des Straßenbaus und des Verkehrs, den extremen Standortbedingungen und den Anforderungen an die Verkehrssicherheit verlangt, das natürliche Verhalten eines Baumes an den Zwängen des Verkehrs korrigieren zu müssen. Begrenzter Wurzelraum, Wasser- und Nährstoffmangel, Schadstoffbelastung, mechanischer Druck und Konkurrenz zwingen sie an den Rand ihrer Existenzmöglichkeiten; sie sind Dauerpflegefälle jenseits ihres physiologischen und ökologischen Standortoptimums.

Das Ensemble aus Straße und Baumbestand ist hinsichtlich seiner biotischen und abiotischen Ansprüche extrem empfindlich, fernab jeder Natürlichkeit entstanden und kann zwangsläufig nur als ein solches, ein naturfernes Objekt behandelt werden - ein künstliches Gebilde, in dem die Bäume gerade noch überlebensfähig sind und dies mit physiologischen wie habituellen Einbußen und einer verkürzten Lebensspanne bezahlen müssen.

Ökophysiologische Grundlagen

Unter Bewegung versteht man insbesondere in der Pflanzenphysiologie sehr viel mehr als nur Lokomotion. Pflanzliche Bewegungen gehen mit Zelldifferenzierungen und Zellwachstum einher, die spezifischen und gerichteten Reizen folgen und deren Beantwortung für eine Optimierung physiologischer Vorgänge sorgt. Das Ergebnis ist eine Architektur, die zu jedem Zeitpunkt ein Gleichgewicht zwischen endogenen Wachstumsprozessen und exogenen Umwelteinflüssen ausdrückt.

Solche Tropismen sind für Bäume in einem mehrere hundert Jahre währenden Leben Schlüsselprozesse, um die Energieversorgung, das Höhenwachstum und die mechanische Stabilität zu kontrollieren. Sie müssen sich während ihres lebenslangen Wachstums an unterschiedliche und sich ändernde Umweltbedingungen adaptieren können, das heißt, dass eher die Entwicklungsplastizität als der genetisch fixierte Bauplan eines Individuums darüber entscheidet, ob und wie es überlebt; das beginnt bei klimatischen Änderungen und endet bei traumatischen Ereignissen.

Die wichtigsten, aber keineswegs einzigen Reize gehen von der Gravitation und dem Licht aus. Stark unterschätzt dürfte bislang die Thigmomorphogenese sein.

Geotropismus

Wurzel- und Stengelwachstum folgen dem Schwerefeld der Erde, das als einziger Reiz einen zeitlich und räumlich konstanten Vektor besitzt. In Organen, die auf Grund traumatischer Ereignisse aus ihrer vertikalen Wuchsrichtung abgelenkt wurden, verschiebt sich der Strom des wachstumsregulierenden Pflanzenhormons Auxin auf die Organunterseite. Er führt entweder dort zu einem verstärkten Wachstum streckungsfähiger Zellen (Nadelbäume: Druckholz) oder auf der Oberseite zu einer Wachstumsverminderung (Laubbäume: Zugholz), in beiden Fällen aber zum Aufrichten des Sprosses. Das Anlegen solchen Reaktionsgewebes dient der Kontrolle und Korrektur der Körperhaltung einer Pflanze, es handelt sich weder um einen seltenen noch um einen pathogenen Effekt. Da Reaktionsholz lebenslang angelegt wird, gelingt es auch nach traumatischen Ereignissen schräg stehenden Bäumen, sich zumindest teilweise wieder aufzurichten, indem das Kambium zusätzliches Gewebe auf- oder abbaut.

Phototropismus

Die Ansicht, Pflanzen beziehungsweise ihre photosynthetisch aktiven Teile würden hin zum Licht wachsen, reicht zwar für das allgemeine Verständnis des Phänomens in der Regel aus, kann aber zu dem Schluss verleiten, die phototrope Reaktion würde durch das Überschreiten einer absoluten Lichtmengenschwelle ausgelöst. Tatsächlich registrieren die photosensitiven Zellen aber nicht die Lichtrichtung, sondern den Lichtgradienten. Das führt zu einer Verminderung des Auxinstroms auf der Lichtseite und zu einem verstärkten Wachstum auf der Schattenseite.

Äste und Zweige eines solitär stehenden Baumes richten sich also nicht nach Süden und flankierend nach Osten und Westen, also an der Rotation der Erde und an ihrem Lauf um die Sonne aus, wie man es erwarten könnte, wäre das entscheidende Signal die absolute Lichtmenge oder die Lichtrichtung. Dass Bäume dennoch und selbst in hohen geographischen Breiten eine radiärsymmetrische Krone aufbauen, liegt an dem niedrigen Lichtgradienten zwischen der besonnten und der (selbst)verschatteten Seite sowie an der generell höheren Schattenverträglichkeit junger Bäume. Die Lichtinterzeption einer Baumkrone steigt zwar mit der Blattfläche, hängt aber maßgeblich von deren Gesamtgröße ab: größere Kronen sind weniger selbstverschattend und besitzen eine bessere Kohlenstoffbilanz.

Thigmomorphogenese

Nahezu jede mechanische Kraft kann in Pflanzen thigmomorphogene Reaktionen auslösen. Sporadische bis dauerhafte Windlasten, andere akute (Lawinen, Steinschläge, Erdrutsche, Brände) und an Jahreszeiten gebundene Ereignisse (Schneelast, Eisdruck), selbst biogene Faktoren (Insektenkalamitäten) können eine Rolle spielen.

Bestände schirmkroniger Bäume des tropischen Regenwaldes (ausgeprägt bei Dryobalanops aromatica) lassen gelegentlich auffällig breite Lücken im Kronendach erkennen, die einen Kontakt der Individuen untereinander fast ausschließen. Baumarten der gemäßigten Breiten verhalten sich nicht grundsätzlich anders; diese als Kronenscheue (crown shyness) bezeichnete Reaktion ist nur selten so augenfällig, da die Kronen der heimischen Bäume eine ausgeprägt vertikale Staffelung besitzen. In einer Waldgesellschaft ohne horizontale Ausweichmöglichkeiten ist das vernachlässigbar, in linearen Strukturen können deren Mitglieder, die Alleebäume also, orthogonal ausweichen - mit ästhetisch fatalen Folgen. Bereits bei moderatem Wind (> 5 m/s) schlagen die knospenbesetzten Zweige mehrere hundert Mal pro Stunde aneinander und können dabei abbrechen, so dass eine erkennbare Distanz untereinander entsteht und das Ausscheren aus der Linie eingeleitet wird (Abb. 1).

Gestaltung und Ästhetik

Wo es entscheidend auf die Ästhetik ankommt, ist die individuelle statische und physiologische Optimierung des Baumes eine Fehlentwicklung, die nicht mehr korrigierbar ist.

Da die beiden Baumreihen eine Straße parallel begleiten, zeigen sie die gleiche strenge horizontale Linearität wie die Straße selbst. Anders als die Straße aber sind die Bäume zugleich vertikale Zäsuren, die die 2-dimesionale Straßenoberfläche rahmen und ihr die charakteristische 3-Dimensionalität geben.

Weil Alleen in der freien Landschaft - anders als in den Parkanlagen, wo sie ihren historischen Ursprung haben, oder im städtischen Raum - längst nicht den strengen Gestaltungsprinzipien der Gesamtanlagen unterworfen sind, ist der Freiheitsgrad und damit die Variabilität - zumindest theoretisch - enorm groß. Zwangspunkte sind lediglich der Verkehr zwischen den Bäumen und die Flächennutzung außerhalb der Straße, so dass wenigstens die straßenparallele Linearität gewahrt bleiben muss, um das Objekt Allee als solches erlebbar zu machen; anderes ist frei wählbar. Damit kann die Definition einer Allee zunächst auf diesen einen Punkt beschränkt bleiben.

Im urbanen Raum, vor allem in Städten, wirken Alleen längst nicht so prägend wie in der freien Landschaft; die Bäume sind hier nur eine von vielen Zäsuren. Folglich ist der Freiheitsgrad für die Alleengestaltung erheblich kleiner, denn hier lässt die enge Umgebung nur wenige Wahlmöglichkeiten. Die Einschränkungen werden hauptsächlich durch den zur Verfügung stehenden Pflanzraum, die gegebenenfalls begrenzte Kronenausbreitung, die vorhandene Bebauung und das Stadtklima vorgegeben.

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Alleen sind ästhetisch empfindliche Objekte. Bereits einzelne Fehlstellen in den Baumreihen wirken sich auf das Gesamtbild einer Allee aus (Abb. 2); mit welcher Intensität, hängt von mehreren Faktoren ab (Tabelle), aber auch von der Größe und Anzahl der Lücken. Zwar lassen sich ausgefallene Mitglieder quantitativ (numerisch) ersetzen, nicht aber qualitativ bezogen auf Höhe, Stammumfang, Kronenbreite, Kronenansatz usw., die alle eine (mathematische) Funktion des Alters sind. Aus diesem Grunde lässt sich das einheitliche Bild älterer Alleen nach ersten Ausfällen nicht wieder herstellen, gleichgültig, ob eine Lückenbepflanzung präferiert oder das Entstehen von Lücken - vorerst - geduldet wird.

Lückenbepflanzung

Spätestens mit dem Entstehen erster Lücken ist die Entscheidung zu treffen, ob das homogene, klassische Erscheinungsbild der Allee bezüglich der Bäume (annähernd) gleichen Alters beibehalten werden soll oder ob davon abgewichen werden kann. Die Frage ist deshalb so wichtig, weil die Antwort darauf zu nicht mehr umkehrbaren Konsequenzen führt: Entweder fällt die Entscheidung für die Gleichförmigkeit mit der Folge, gegebenenfalls längerfristig auch größere Lücken akzeptieren zu können und zu müssen, um dann zu einem ungewissen Zeitpunkt die Allee beziehungsweise einen Abschnitt vollständig zu ersetzen, oder für die dauerhaft konstante Anzahl von Bäumen in einer Reihe mit der Folge, dass die Abstände der Bäume untereinander zwar gleich bleiben, die Baumreihe aber nicht mehr das Bild der inneren Geschlossenheit zu vermitteln vermag.

Damit Lücken in älteren Alleen erfolgversprechend bepflanzt werden können, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

Der Pflanzabstand der Bäume untereinander muss so groß sein, dass sich die Baumkronen im ausgewachsenen Zustand nicht oder gerade berühren würden. Fällt in diesem Bestand ein Baum aus, kann ein Jungbaum dann nachgepflanzt werden, wenn er nicht von vornherein Gefahr läuft, unter die Kronenkonkurrenz der benachbarten Bäume zu geraten. Schlankkronige Bäume kommen für eine Lückenbepflanzung eher in Frage als breitkronige.

Ist der Pflanzabstand der Bäume untereinander kleiner als die potentielle Kronenbreite, ist eine Lückenbepflanzung nur dann sinnvoll, wenn die Baumreihe noch relativ jung ist. Dann besteht sogar die Chance, dass der nachgepflanzte Baum im Wachstum nachziehen und seinen Rückstand aufholen kann. Unter Umständen ist es dann aber erforderlich, die benachbarten Bäume moderat zurückzuschneiden, damit sie nicht in die Lücke hineinwachsen.

Generell eigenen sich Bäume mit lichtdurchlässigen Kronen besser für eine Lückenbepflanzung als stark verschattende Gehölze. Dazu gehören Birke, fiederblättrige Sorbus-Arten, Zitterpappel, Robinie sowie - mit Einschränkungen aus aktuellen Gründen - Esche. Stärker verschattend und damit problematisch sind hingegen die meisten der häufig gepflanzten Straßenbäume wie Berg- und Spitzahorn, Rosskastanie, Platane, Linde und Ulme.

Ausgefallene Bäume dürfen nicht von bodenbürtigen Pilzen befallen sein. Da die Nachpflanzungen auf den Standort ihrer Vorgänger angewiesen sind, jedenfalls dann, wenn es sich um Einzelbäume oder sehr kurze Abschnitte handelt, müssen diese frei von Pathogenen sein, will man nicht von vornherein eine erneute Infektion riskieren. Um das auszuschließen, sind gegebenenfalls spezifische Untersuchungen erforderlich.

An die Vorbereitung des Bodens für die erneute Bepflanzung sind weitere Anforderungen zu stellen, da der Jungbaum in eine Konkurrenz um Nährstoffe mit den etablierten Nachbarbäumen gestellt wird.

Pro Lückenbepflanzung

Der unbestreitbare Vorteil besteht darin, entstandene Fehlstellen rasch wieder aufzufüllen, um so de facto die Geschlossenheit zu bewahren, auch wenn sich der Eindruck der Geschlossenheit nur numerisch und abstrakt offenbart - das Signal erreicht aber zumindest den Rezipienten.

Lückenbepflanzungen lassen sich aus haushalterischen Gründen relativ leicht bewerkstelligen, weil die Jahreskosten gut planbar und, verglichen mit der Beseitigung eines lückigen Restbestandes und einer anschließend vollständigen Neupflanzung, deutlich niedriger sind. Langfristig gleicht sich die Rechnung zwar wieder aus, ist den meistens in Jahresintervallen planenden Haushaltsverantwortlichen oft aber nur schwer zu vermitteln, zumal es rechtlich schwierig ist, Rücklagen für diesen Zweck bilden zu können. Nicht zu unterschätzen ist demzufolge, dass ein solches Rotationsprinzip dafür sorgt, den Standort Allee auf Dauer für die Bäume zu sichern und mögliche anderweitige Begehrlichkeiten abzuwehren. Die Auseinandersetzung auf Stellvertreterebene führt zwar längst nicht immer zum Erfolg, hat aber zumindest Auswirkungen auf die Höhe der Kompensation, wenn eine Allee oder Teile davon beseitigt werden müssen. Ob das ein leidlicher Kompromiss sein kann, der notgedrungen die generelle Zukunft der Allee vorzeichnet, darf zumindest als fragwürdig gelten. Da ab dem Zeitpunkt der Lückenpflanzung unterschiedlich alte Bäume die Straße auf Dauer säumen werden - die künftig alten, sterbenden Bäume werden ihrerseits ersetzt, wenn die (einstige) Lückenpflanzung mittel- oder alt ist - kann sich ein durchaus abwechslungsreiches, als der Landschaft zugehörig erlebbares Alleenbild entwickeln, das sich erkennbar von der gewohnten Strenge einer urbanen oder gärtnerischen Allee absetzt (Abb. 4).

Contra Lückenbepflanzung

Eine Lückenbepflanzung ist gerade kein Provisorium, sondern eine - hoffentlich fundierte - Entscheidung dafür, den engen Rahmen eines auf gestalterische Gleichartigkeit zielenden Alleenbildes für immer zu verlassen. Im Sinne der Rechtsgeber, die für Alleen teils explizite Schutzvorschriften mit einem definierten sachlichen Geltungsbereich erlassen haben, ist das jedenfalls nicht. Denn es stehen bei der Betrachtung weniger die jederzeit änderbaren Normen im Blickpunkt als vielmehr die Wahrung und Fortführung einer Tradition, die ein kulturhistorisch bedeutsames Ensemble hervorgebracht hat.

Die aktuell weit verbreitete Praxis der Lückenbepflanzung entstammt der Befürchtung, den Pflanzraum entlang der Straße dauerhaft zu verlieren. Dahinter steht unter den Alleenfreunden die allgegenwärtige Verdächtigung, die Straßenbauverwaltung würde die Auflösung einer Allee umgehend ausnutzen und die Baumstandorte ganz und dauerhaft aufgeben. Weder handelt sich dabei also um ein tragfähiges Konzept noch um eine wünschenswerte Strategie. Ebenso verbreitet ist nämlich die Sehnsucht nach dem klassischen Alleenbild, das noch vielerorts die Verkehrswege in Deutschland und zahlreichen anderen Regionen Europas prägt. Soll dieses Bild eine Zukunft haben, muss auf Lückenbepflanzung konsequent verzichtet werden; es setzt aber auch die Bereitschaft und den Mut voraus, Restbestände an Straßenbäumen zunächst zu tolerieren, schließlich zu beseitigen und entschlossen neu zu pflanzen.

Lückenbepflanzungen bergen das Risiko anatomischer Fehlbildungen an Bäumen in ihrem Bestreben, optimale Versorgung und Stabilität zu gewährleisten. Je nach Ausgangslage können solche Abweichungen akzeptabel sein; sie sind es nicht, wo sie den fließenden Verkehr beeinträchtigen, in dem die Bäume in den Straßenraum hineinwachsen und zu einer potentiellen Gefahr werden können. In jedem Falle sind solche Fehler vorhersehbar, gleichzeitig jedoch beherrschbar.

Ausblick

Dort, wo in einer Allee größere Lücken entstehen, wird der Betrachter zweifellos auf eine harte Probe gestellt. Zwar mag man durchaus noch in der Lage sein, auch in den verbliebenen Bäumen die ursprüngliche Gleichförmigkeit zu erkennen. In quälend langen Zeiträumen schlägt allerdings auch dieses Verständnis um in eine Empfindung, die das Übriggebliebene signalisiert und charakterisiert. Konsequenterweise muss ab diesem Zeitpunkt daran gegangen werden, den Rest abschnittsweise bzw. vollständig zu ersetzen.

Ungeachtet des Umstandes, dass dann die Freiheit der Neugestaltung im Gegensatz zur Lückenbepflanzung immens groß ist und nicht deren Probleme in sich birgt, darf die gestalterische Absicht, die mit einer Allee verfolgt wird, nie aus dem Auge verloren werden. Das Ziel des Alleenschutzes ist immer dann verfehlt, wenn es auf den Schutz von Bäumen reduziert wird. Dabei geht es nicht um den Naturschutz i.S.v. "Schutz der Natur", sondern um den Umgang mit einem Ensemble, das vom Menschen geschaffen worden ist. Es ist geradezu widersinnig, verböte es sich der Mensch alsdann selbst, das seine Funktion verlierende Ensemble zu erneuern oder zu ersetzen. Allenfalls kann es darum gehen, die Grenze zu bestimmen, an der das Erneuerungserfordernis angezeigt ist.

Die Beantwortung der Frage, ob und in welchem Rahmen Lückenbepflanzungen möglich und sinnvoll sind, kann in der offenen Landschaft zu ganz anderen Ergebnissen führen als in Städten und Parks. Dort geht es ausschließlich um das hinsichtlich Baumart, -alter und -größe homogene Wegebild; der Standort ist im Allgemeinen physiologisch oder baulich so stark eingeschränkt, dass alternative Pflanzstandorte gar nicht in Betracht kommen. In der Stadt hat man also lediglich die Frage zu beantworten, ob die zeitlich und räumlich durchgehende Begrünung eines Straßenzuges oder eines Weges wichtiger ist als deren Gleichförmigkeit. Die Antwort darauf ist schnell gefunden, es gibt nur diese beiden Alternativen.

Außerhalb geschlossener Ortschaften in der freien Landschaft sind die Entscheidungsoptionen deutlich vielfältiger. Am Anfang steht aber auch hier, darüber zu befinden, entweder an der klassischen Allee-Form festzuhalten oder eine größere Freizügigkeit hinsichtlich Art, Alter, Form usw. zuzulassen. Beide Wege haben unterschiedliche Anforderungen und führen zu verschiedenen, die Lückenbepflanzung jedenfalls zu unumkehrbaren Ergebnissen; über die Wege und die Konsequenzen ist vorneweg eine gründliche Auseinandersetzung zu führen.

Lückenbepflanzungen bieten einige, jedoch zum Teil fragwürdige Vorteile, sind aber unter engen Voraussetzungen möglich und erfordern eine ständige fachliche Begleitung; sie sollten nur dann vorgenommen werden, wenn alle Faktoren, die das Ergebnis negativ zu beeinflussen vermögen, ausgeschlossen werden können.

In Nachgang zu den Nordischen Baumtagen 2015 und den Dresdner Stadtbaumtagen 2017 sind zahlreiche Fälle von Lückenbepflanzungen an mich herangetragen worden. Ohne Ausnahme sind Bäume in mehr oder wenige große Lücken hineingepflanzt und danach sich selbst überlassen worden, so dass die Ergebnisse nie befriedigend waren (Abb. 5).

Durchgehend waren Lückenbepflanzungen in älteren Alleen durch die bereits erwähnte Befürchtung getragen, die Pflanzstreifen könnten dauerhaft verloren gehen, wenn nicht umgehend die altersbedingt entstandenen Lücken aufgepflanzt würden. Der Gedanke greift zu kurz, wenn man sich vor Augen hält, dass Alleen eine längere Existenzdauer haben sollen als ein Menschenleben währt. Die Gestaltung von Alleen darf nicht zum Selbstzweck werden, sie könnte dann ihren hohen Anspruch, ihre Kunst und damit letztlich ihre Rechtfertigung sogar schneller verlieren, als den Kämpfern für die Alleen in Deutschland lieb ist. Alleen, in erster Linie natürlich ihr lebender Teil, die Bäume, sind ein extrem sensibles Menschenwerk, das Kompromisse nur schwer erträgt. Wer offenen Auges durch das Land reist, wird erkennen können, dass die derzeit praktizierte Lückenbepflanzung nicht das ist, was wir als Allee aus der Vergangenheit in die Zukunft mitnehmen und unseren Enkeln hinterlassen wollen.

Autor

Landkreis Rostock, Umweltamt, SL Naturschutz/Landschaftspflege

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