GaLaBau und Recht: Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

Maßgebliche Änderung der Rechtsprechung des BGH

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Mängel Recht und Normen
GaLaBau-Unternehmer aufgepasst: Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 22.02.2018, wird nun weitgehend mit der Erstattung fiktiver Mängelbeseitigungskosten an den Auftraggeber Schluss gemacht. Foto: reichdernatur, Fotolia.de

In einem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 22.02.2018, Az. VII ZR 46/17 hat der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes unter ausdrücklicher Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung weitgehend mit der Erstattung fiktiver Mängelbeseitigungskosten an den Auftraggeber Schluss gemacht.

Mit dieser Entscheidung hat der zum 01.03.2018 in Pension gegangene bisherige Vorsitzende des Werkvertragssenates des BGH, Dr. Wolfgang Eick, ein Abschiedsgeschenk hinterlassen, das zumindest auf der Auftraggeber-Seite keine große Begeisterung hervorrufen dürfte und eher als bösliche Schenkung empfunden wird. In einer Vortragsveranstaltung meinte Eick: mit dieser Entscheidung solle unter anderem vermieden werden, dass in Neubaugebieten "Mercedes stehen", die durch fiktive Mängelbeseitigungskosten bezahlt wurden. Wie man eine solche Aussage zu werten hat, möchte der Verfasser jedem Leser selbst überlassen.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur fiktiven Kostenerstattung

Entgegen der bisherigen Rechtsprechung soll nach dem neuen Urteil der Anspruch des Auftraggebers nicht mehr nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten berechnet werden können. Damit bricht der Senat mit seiner langjährigen Rechtsprechung. Die fiktive Kostenerstattung im Schadensfall ist in der Bevölkerung aus verschiedenen Rechtsgebieten bekannt, insbesondere bei der Abwicklung von Kfz-Unfallschäden. Dort ist es gang und gebe, dass Unfallschäden auch fiktiv abgerechnet werden können und der Geschädigte einen Ersatz (Zahlung) erhält, ohne dass er sein Fahrzeug tatsächlich reparieren lässt. Mit dieser insbesondere im Kfz-Bereich weit verbreiteten Methode der Schadensabwicklung kann und will der VII. Senat des BGH nicht brechen, da er nach der beim BGH geltenden Geschäftsverteilung nur für das Gebiet des Werkvertragsrechts und nicht für das Kfz-Schadens- beziehungsweise Haftpflichtrecht zuständig ist. Der VII. Senat betont deshalb in seiner Entscheidung, dass seine jetzige neue Rechtsprechung nur für das Werkvertragsrecht gelten soll. Das hat zur Folge, dass es je nach Rechtsgebiet zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann, wenn eine geschädigte Partei nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten abrechnen will.

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Der VII. Senat des BGH betont in seiner Entscheidung, dass seine jetzige neue Rechtsprechung nur für das Werkvertragsrecht gelten soll. Foto: CrazyCloud, Fotolia

Die neue weitreichende Entscheidung des BGH

In seiner für die Praxis einschneidenden neuen Rechtsprechung hat der BGH mehrere amtliche Leitsätze vorangestellt, die hier - obwohl teilweise juristenchinesisch - ausnahmsweise einmal wörtlich zitiert werden sollen:

1. Der Besteller, der das Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, kann im Rahmen eines Schadenersatzanspruchs statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gegen den Unternehmer gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB seinen Schaden nicht nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung).

2. a) Der Besteller, der das Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, kann den Schaden in der Weise bemessen, dass er im Wege einer Vermögensbilanz die Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der durch das Werk geschaffenen oder bearbeiteten, im Eigentum des Bestellers stehenden Sache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel ermittelt. Hat der Besteller die durch das Werk geschaffene oder bearbeitete Sache veräußert, ohne dass eine Mängelbeseitigung vorgenommen wurde, kann er den Schaden nach dem konkreten Mindererlös wegen des Mangels der Sache bemessen.

b) Der Schaden kann in Anlehnung an § 634 Nr. 3, § 638 BGB auch in der Weise bemessen werden, dass ausgehend von der für das Werk vereinbarten Vergütung der Minderwert des Werks wegen des (nicht beseitigten) Mangels geschätzt wird. Maßstab ist danach die durch den Mangel des Werks erfolgte Störung des Äquivalenzverhältnisses.

3. a) Der Besteller, der das Werk behält und den Mangel beseitigen lässt, kann die von ihm aufgewandten Mängelbeseitigungskosten als Schaden gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB ersetzt verlangen. Vor Begleichung der Kosten kann der Besteller Befreiung von den zur Mängelbeseitigung eingegangenen Verbindlichkeiten verlangen.

b) Darüber hinaus hat der Besteller, der Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadenersatzes gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB verlangt hat, grundsätzlich weiterhin das Recht, Vorschuss gemäß § 634 Nr. 2, § 637 BGB zu fordern, wenn er den Mangel beseitigen will.

Der Sachverhalt der Entscheidung

Dem Urteil des Bundesgerichtshofes lag folgender Sachverhalt zugrunde: Bei einem 4-geschossigen repräsentativen Einfamilienhaus beauftragte die Bauherrin einen Unternehmer unter Einbeziehung der VOB mit der Ausführung der Naturstein-, Fliesen- und Abdichtungsarbeiten im Außenbereich eines Objektes in Düsseldorf. Die Arbeiten wurden im Jahr 2003 ausgeführt. Zur Verlegung kamen zwei verschiedene römische Travertinsorten. Seit 2007 zeigten sich an den Natursteinplatten Mängel; unter anderem kam es zu Rissen und Ablösungen der Platten und verschiedenen weiteren Mängeln. Die Klägerin als Bauherrin nahm das Unternehmen unter Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils ihres Architekten von 25 Prozent wegen Planungsfehlers auf Vorschuss in Höhe von 90.000,00 Euro für eine beabsichtigte Mängelbeseitigung in Anspruch. Das Landgericht Düsseldorf sprach der Klägerin den Anspruch zu. Während des Berufungsverfahrens vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf veräußerte die Klägerin das Objekt, ohne die Mängel vorher beseitigt zu haben. In dem Rechtsstreit hat sie deshalb ihre Vorschussklage gegen den Unternehmer auf Schadenersatz in Höhe von 75 Prozent der fiktiven Mängelbeseitigungskosten umgestellt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf sprach der Klägerin ebenfalls den Anspruch zu. Zur Schadenshöhe ließ es aber die Revision zum Bundesgerichtshof ausdrücklich zu der Frage zu, wie der Schaden zu bemessen sei, wenn der Besteller auf die Beseitigung des Werkmangels verzichte. Dies gab dem Bundesgerichtshof Gelegenheit zu seiner neuen in der Fachwelt viel beachteten Entscheidung.

Nach der jetzigen Meinung bleibt es zwar dabei, dass der Auftraggeber die Kosten erstattet erhält, wenn er die Mängel beseitigen lässt und hierfür Kosten aufwendet, denn in Höhe der aufgewandten Kosten ist ihm ein Vermögensschaden entstanden. Anders sei allerdings die Situation, wenn er den Schaden nicht beseitigen lässt und lediglich fiktiv abrechnen will. Dann könne der Auftraggeber anhand der Differenz zwischen dem hypothetischen Wert, der durch das Werk geschaffenen und bearbeiteten Sache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel sich ein Minderwert ergeben, der sich im Verkaufsfall auch aus einem Mindererlös ableiten lasse.

Der BGH verweist im Übrigen ausdrücklich auf einen in diesem Fall mögliche Schadensschätzung gem. §287 ZPO. Das Urteil liegt auf der Linie des BGH insgesamt. Schon früher hatte das Gericht entschieden, dass nur bei Beseitigung eines Mangels der Auftraggeber (soweit er nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist) bei einer fiktiven Abrechnung des Schadens nicht die Mehrwertsteuer, die eigentlich mit zum Schaden gehört, erstattet erhält. Um auch die Mehrwertsteuer zu erhalten, muss dementsprechend ein nicht vorsteuerabzugsberechtigter Anspruchsteller stets die Mängelbeseitigung nachweisen und kann sodann die aufgewendeten Kosten für die Schadensbeseitigung brutto gegenüber dem Schädiger abrechnen.

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Wie sich immer wieder herausstellt, entscheiden oft nur mittelbar die Gerichte die Höhe der dem Auftraggeber zu erstattenden Kosten. Letztendlich ist der erkennende Richter fast immer auf kundige Sachverständige angewiesen, die mit ihrem Gutachten quasi den Rechtsstreit entscheiden. Foto: auremar, Fotolia

Neue zusätzliche Arbeit für Sachverständige

Wie sich immer wieder gerade im Baubereich herausstellt, entscheiden oft nur mittelbar die Gerichte die Höhe der dem Auftraggeber zu erstattenden Kosten. Letztendlich ist der erkennende Richter fast immer auf kundige Sachverständige angewiesen, die mit ihrem Gutachten quasi den Rechtsstreit entscheiden. Wenn jetzt der Bundesgerichtshof bei einer Schadensermittlung eine sogenannte Vermögensbilanz verlangt, sind fast immer die Sachverständigen gefragt. Sie sollen die Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der durch das Werk geschaffenen oder bearbeiteten Sache ohne Mängel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel ermitteln.

Hat der Besteller die geschaffene und bearbeitete Sache zwischenzeitlich veräußert, ohne dass eine Mängelbeseitigung vorgenommen wurde, muss der konkrete Mindererlös wegen des Mangels ermittelt werden. Auch wieder ein weites Feld für die Sachverständigen. Da wohl als maßgeblicher Zeitpunkt für die Wertermittlung der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor Gericht gelten soll, könnte es noch weitere Schwierigkeiten bei Sachen geben, die im Laufe der Zeit nicht im Wert fallen sondern steigen. Dies gilt bei der derzeitigen Situation auf dem Immobilienmarkt durchaus auch für den Baubereich, so dass der vom Sachverständigen zu ermittelnde Schaden im Laufe des Prozesses noch weiter zusammenschmelzen könnte.

Auswirkungen des Urteils des BGH

Dem Bundesgerichtshof ist es mit seiner nur für das Werkvertragsrecht geltenden neuen Rechtsmeinung gelungen, mit dem Verlangen nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten Schluss zu machen. In Zukunft werden Auftraggeber bei werkvertraglichen Ansprüchen zumeist keinen Schadenersatz in Geld fordern sondern mehr als noch bisher gegenüber dem Auftragnehmer auf eine Mängelbeseitigung bestehen. Auch dürfte jetzt damit Schluss sein, dass Auftraggeber einen kostendeckenden Vorschuss für Mängelbeseitigungsleistungen verlangen und diesen Vorschuss später nicht abrechnen, weil sie gar nicht mehr den Mangel beseitigen und den Vorschussanspruch als vermeintlichen Schadensersatz behalten wollen. Diese bei Rechtsanwälten beliebte Methode, sich um die Abrechnung eines erhaltenen Vorschusses zu drücken, wird jetzt nicht mehr so einfach möglich sein. Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen die neue Rechtsprechung des VII. Zivilsenats in der Praxis haben wird. Die Arbeit der Gerichte wird durch dieses Urteil sicherlich nicht weniger.

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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